19960201_Heimat_Wolfurt_18

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Letzte Änderung 27.06.2021, 13:43
Gemeinde Wolfurt
Bereich oeffentlich
Schlagworte: heimatwolfurt
Dokumentdatum 1996-02-01
Erscheinungsdatum 1996-02-01
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Heft 18 Zeitschrift des Heimatkundekreises Februar 1997 Bild 1: Die Turmkugel hoch über dem Kirchdorf. Zuletzt wurde sie im Jahre 1985 von Spenglermeister Walter Schwerzler und Architekt Peter Konzet geöffnet. Inhalt: 83. Kriegsende 1945, Nachtrag 84. Aus der Kirchturmkugel 85. Ippachwald (1) 86. Einwanderer (3) 87. Soldatentod im Schnee 88. Ein Pergament Bildnachweis: Karl Hinteregger Bilder 1, 2, 21 Helmut Schertler 6, 8, 9, 11 Raimund Mohr 12 Siegfried Heim 5, 7, 10, 13, 14, 15 Sammlung Heim 3, 4, 16, 17, 18, 19, 20, 22 Zuschriften und Ergänzungen Fast ein ganzes Jahr hat es gedauert, bis auf Heft 17 nun endlich Heft 18 folgt. Aus einer Reihe von Anfragen war zu entnehmen, daß es mit Interesse erwartet wird. Mutterpfarre Weißenau (Heft 17, S. 4) Die Frauen der Pfarre Wolfurt nahmen diesen Beitrag zum Anlaß, ihren Sommerausflug 1996 nach Weißenau zu machen. Sie haben dort eine Führung durch die großartige Barockkirche bekommen und vor dem Heiligblut-Altar gebetet. Damit ist wohl ein Neuanfang für unsere fast 400 Jahre lang unterbrochenen Beziehungen zum Kloster Weißenau gemacht. Das Landesarchiv verwaltet noch etliche Urkunden zu Weißenau und Wolfurt: Am 5. September 1447 verlieh Abt Ulrich von Weißenau sein Klostergut auf dem Bühel zu Wolfurt an Ulrich Böler. Am 31. Juli 1573 verlieh Abt Michael von Weißenau das Gut, das vormals Peter Böler innehatte, gegen Entrichtung von Zehent und eines Drittels vom Kornertrag an Hans Schnell von Wolfurt. Mir ist übrigens in dem Artikel ein Fehler unterlaufen, für den ich mich entschuldigen möchte. Die Mönche von Weißenau standen in Konkurrenz mit den Benediktinern von Mehrerau, nicht mit den Zisterziensern. Das für unsere Pfarre noch weit wichtigere Kloster Mehrerau war seit seiner Gründung im Jahre 1097 (vielleicht schon ein paar Jahre früher) bis zu seiner Auflösung im Jahre 1806 eine Benediktinerabtei. Sein Einfluß auf Wolfurt und ganz Hofsteig bedarf noch einer eigenen Untersuchung. Die Zisterzienser kamen erst 1854 nach Mehrerau, nachdem man sie aus Wettingen in der Schweiz vertrieben hatte. Nachkriegsjahre 1945 -1949 (Heft 17, S. 9) Dieser Artikel von Burkhard Reis hat ein vielfältiges Echo gefunden und mit seinen interessanten Bildern zu mancher Diskussion angeregt. Es ist höchste Zeit, daß die noch lebenden Zeitzeugen ihr Wissen weiter geben. Wir sind für jede Notiz dankbar. Ernst Maurer bestätigt die Angaben über Ludwig Gmeiners unbrauchbar gemachtes Auto (S. 22). Er habe selbst als junger Arbeiter in der Mechan. Werkstätte Reimair in Lauterach den Keil neu gehärtet, allerdings nicht in einem Hochofen, sondern in einem speziellen Härtungsofen. Zur Ausweisung der Reichsdeutschen (S. 22) erinnert sich Ernst Maurer, daß er damals in seinem Heimatort Sulzberg-Eibelesmühle gemeinsam mit Bekannten mehrmals deutsche Staatsbürger samt Koffern voll Wäsche und Eßgeschirr über die Grenze nach Bayern geschmuggelt habe. Für Direktor Welter von den Bregenzer MichelWerken hätten sie sogar Möbel geschleppt. Umgekehrt wurden deutsche Soldatenbräute, einmal sogar mit einem Säugling, über die Grenze eingeschleust, damit sie 3 Danke ! Sehr viele Leser unserer Zeitschrift haben mit dem letztes Mal beigelegten Erlagschein Spenden auf unser Konto 87 957 Raiba Wolfurt einbezahlt. Allen sagen wir herzlichen Dank! Besonderen Dank auch der Gemeinde Wolfurt, die den beachtlichen Abgang trägt. Die Finanzgebarung des Heimatkundekreises wurde im Jänner 1997 durch Herrn Klocker vom Gemeindeamt überprüft und in Ordnung befunden. Herausgeber: Heimatkundekreis Wolfurt Für den Inhalt verantwortlich: Siegfried Heim. Funkenweg 11, A-6922 Wolfurt Satz und Grafik: Erik Reinhard. A-6922 Wolfurt Fotosatz: Mayr Record Scan, A-6922 Wolfurt Druck: Lohs Ges.m.b.H.. A-6922 Wolfurt hier ihre österreichischen Partner heiraten konnten. Vorerst war allerdigs nur eine geheime kirchliche Eheschließung möglich. Hildegund Mathis-Gmeiner berichtet, daß Franziska Gmeiner (Knores Zischgele, Jg. 1914) am 1. Mai 1945 eine Gruppe von Frauen und Mädchen zuerst in Rickenbach zu Bürgermeister Rohner und dann Richtung Dorf geführt habe. Sie riefen laut, sie wollten die Sprengung der Brücken verhindern und die friedliche Übergabe der Gemeinde erreichen. Hildegunds Vater, der gerade vom Hilfsgrenzdienst in Gaißau heimgekehrt war, verbot ihr das Mitgehen. Lina Schmid-Schwärzler wurde nach dem Einsatz im RAD zur Dienstleistung in der Hutfabrik Egg verpflichtet, wo man Elektroteile für die Rüstung fabrizierte. Das Bild von der Musterung des Jahrgangs 1918 (S. 34) wurde für viele zum Suchbild. Paul Schwerzler hat mir folgende Namen angegeben: Vorne sitzend v. 1.: Paul Schwerzler, Bütze; Johann Simioni, Strohdorf. Zweite Reihe v. 1.: Julius Amann, Postmeisters; Franz Mitterdorfer, Rickenbach (Sein jüngerer Bruder Mario ist 1943 gefallen); Karl Büchele, Schlatt; Erich Künz, Ach; Karl Rohner, Ach (gestorben schon 1939). Hinten v. 1.: Schöllnberger (ein jüngerer Bruder des Schneidermeisters Ernst Schöllnberger in der KellhofStraße); Anton Wolfgang, Rickenbach (gefallen 1945); unbekannt (vermutlich aus dem Wida). Der Jahrgang 1918 war mit 22 Geburten der zweitkleinste in unserem Jahrhundert. Weniger Kinder, nämlich 20, waren nur 1916 zur Welt gekommen, als die meisten Männer im Krieg waren. Georg Klettl hat mir ein paar Notizen vom Geschehen rund um das Vereinshaus 1945 gebracht. Er war damals als 15jähriger dort daheim: Ich erinnere mich noch daran, daß in Wolfurt ein RAD-Lager errichtet werden sollte. Dort wo jetzt das Heinzle-Haus in der Neudorfstraße steht, wurde der Rasen von RAD-Männern abgehoben und zu sauberen Würfeln aufgestapelt. Für uns Buben war der Aufmarsch der Männer am Morgen eine Sensation: blitzblanke Spaten, glänzende Stiefel, gute Disziplin. Es blieb aber beim Rasenabheben. Als sich die Front von Frankreich her dem Bodensee näherte, wurden im Vereinshaus 4 oder 5 LKW voll Werkzeug (Pickel, Schaufeln, Schlägel, hölzerne Schubkarren etc.) eingelagert. Es gehörte der Organisation Todt und war zum Bau von Befestigungsanlagen bestimmt. Nach wenigen Wochen wurde alles wieder abtransportiert. Bald darauf wurde auf der Nordseite des Vereinshauses ein Holzschuppen aufgestellt. Hinein kamen eine Gulaschkanone (Kochkessel) und ein großer Holztrog. Auch eine Pumpe und eine Wasserverteilung mit 5 Hahnen wurden installiert. Der große und der kleine Saal wurden mit Pritschen und Strohsäcken aus Papierspagat ausgelegt. Dann wurde im April 1945 die bisher in Schlünders im Südtirol stationierte Volkssturmabteilung hierher verlegt. Beim „Besensturm" waren Männer aus Bregenz und Umgebung, lauter ältere Semester. Unser Vater war auch dabei, natürlich als Sanitäter. Die Volkssturmmänner sollten bei der Verteidigung des Bodenseeufers in Hard zum Einsatz kommen. Ende April waren die Volksstürmler plötzlich nicht mehr da. An zwei Namen erinnere ich mich noch: Kommandant war der Schuldirektor Niederer aus Gaißau, Koch war ein Herr Rüscher aus Vorkloster. Dann kam der Einmarsch der Franzosen und Marokkaner mit gewaltigem Kriegsmaterial und unzähligen Mulis. Auf Instrumentenmachers Wiese beim Vereinshaus standen jede Menge Dodge und Jeeps (Autos), aber auch Kanonen und anderes Kriegsgerät. Die Panzer waren auf der Wälderstraße abgestellt. Viele hatten Käslaibe aufgeladen, die die Soldaten in den Käsereien im Allgäu erbeutet hatten. Eine große Anzahl Marokkaner schlief im großen Saal auf den vom Volkssturm verlassenen Pritschen. Drei Schmiede waren bei Schmied Köbs einquartiert. Sie hatten die Werkstatt beschlagnahmt und beschlugen nun dort ihre Mulis. Diese weideten in allen Feldern, am meisten unten in den Lehmlöchern. Die Marokkaner waren im allgemeinen diszipliniert. Sie wurden von den französischen Oberen strenge behandelt. Ich erinnere mich noch, daß unsere Mutter ihnen einen ganzen Einweckhafen voll Innereien kochen mußte. Ein fürchterlicher Gestank erfüllte unsere ganze Wohnung. Unvergeßlich! Ganz andere Erinnerungen verbindet Frau Gebhardine Ciaessens mit dem Kriegsende. Als Tochter von Bürgermeister Ludwig Hinteregger, der damals die Verantwortung für Wolfurt wieder übernahm, erhielt sie Einblick in das tragische Geschehen um die Kriegstoten in Wolfurt: Bei dem Tieffliegerangriff am Nachmittag des 1. Mai 1945 hörten meine Mama und ich den Einschlag im benachbarten Kaplanhaus. Im Hausgang wurde die 15 Jahre alte Luise Bilgeri getroffen, als sie in den Keller laufen wollte. Sie wurde über die Stiege hinab geschleudert. Eine Flüchtlingsfamilie, die schon vorher dort Zuflucht gesucht hatte, glaubte zuerst, die Großmutter werfe ihnen noch ein Kleiderbündel zu. Schnell wurden die Krankenschwester Epiphanie und Herr Klettl vom Roten Kreuz verständigt. Ein Transport war nicht möglich. Innerhalb von 12 Stunden ist Luise innerlich verblutet. Das Sterbebuch der Gemeinde hält dazu fest: Luise Bilgeri, geb. 22.5.1930, am 2. Mai 1945, 4.30 Uhr früh, verstorben. Leberdurchschuß durch Tieffliegerangriff am 1. Mai 1945. Am 2. Mai brachte man zwei tote deutsche Soldaten zu uns. Sie lagen zuerst im Tenn. Dann wurde jeder in einen Sarg gelegt und bis zur Beerdigung unter der ersten Arkade des Friedhofs aufgebahrt. Ihr gemeinsames Grab bekamen sie im unteren Friedhof links vom Eingang in der dritten Reihe an der Mauer. Der eine war ein unbekannter Soldat. Er trug nur mehr einen Rosenkranz bei sich. Die Papiere und die Erkennungsmarke hatten ihm wahrscheinlich seine Kameraden abgenommen, um die Angehörigen zu verständigen. Dazu ist im Sterbebuch, bezeugt von Bürgermeister Hinteregger, notiert: Unbekannter Soldat, am 2. Mai 1945, 6 Uhr, gefallen bei Haus 23. (Haus 23 ist Scheffknechts Haus hinter dem Wälderhof an der Ach.) 5 4 Der zweite Soldat trug sein Soldbuch bei sich: Herbert Hümpel, geb. 3.1.1927, aus Kirch-Mummendorf, Bez. Grevenmühlen, Mecklenburg. Das Soldbuch und ein paar Fotos aus seiner Heimat blieben vorerst bei uns. Jeden Suchdienst habe ich angeschrieben. Weil Mummendorf im von den Russen besetzten Gebiet lag, kam erst im November 1952 die erste Anfrage von seinen Eltern. Vom Roten Kreuz in Hamburg hatten sie eine Nachricht erhalten. Ich konnte ihnen das Soldbuch zuschicken. Ende der 60er Jahre wurden die beiden Toten vom Österr. Schwarzen Kreuz exhumiert und auf dem Kriegerfriedhof bei der Evangelischen Kirche in Bregenz neu beigesetzt. An Hümpels Finger steckte noch sein Ring mit den eingravierten Buchstaben H.H. Für die Übermittlung dieser Erinnerung an ihren einzigen Sohn äußerten sich die Eltern dankbar. Inzwischen konnte die einzige Tochter auch schon das Grab ihres Bruders besuchen. Im Sterbebuch bezeugt Bürgermeister Hinteregger: Kanonier Herbert Hümpel ist am 2. Mai 1945, 6 Uhr, in Wolfurt-Oberfeld beim Einmarsch der Franzosen durch Kopfschuß verstorben. Einige Seiten weiter ist im Sterbebuch auch der Tod des Familienvaters Gebhard Böhler (Heft 17, S. 10) vermerkt: Verstorben am 2. Mai 1945, um 18.15 Uhr, in Tuttlingen in der Karlsschule. Lungen- und Leberdurchschuß beim Einmarsch der Franzosen am 2. Mai 1945. Die Leiche wurde nach Wolfurt überführt und am 27. Juli 1947 beigesetzt. Vier junge Menschen mußten also am letzten Kriegstag allein noch in Wolfurt sterben. Einige Zeugen berichten sogar von einem weiteren Todesopfer. In einer Wiese neben der heutigen Nußgasse wurde ein deutscher Maschinengewehrschütze durch einen Lungendurchschuß schwer verletzt. Arthur Fischer berichtet, daß man ihn in sein Elternhaus, in die ebenerdig gelegene Wohnung seines Bruders Eugen, brachte. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Einwanderer 2, Italiener (Heft 17, S. 39) Dieser Bericht wurde in Kennelbach diskutiert. Die Nachkommen der Wolfurter „Italiener" wissen noch, daß ihre Eltern besonders unter dem Übernamen „Tschinggo" gelitten hätten. Das Spottwort stammt angeblich vom italienischen „cinque" (fünf). Die Italiener waren übrigens tief-katholisch. Pfarrer Nachbauer verlangte 1905 für sie einen ständigen italienischen Seelsorger. In Scharen gingen die Männer am Palmsonntag oder am Karsamstag zu den Kapuzinern in Bregenz zur Beichte. Daheim mußten sie dann ihren Beichtzettel vorlegen. Barmherzige Schwestern (Heft 17, S. 60) Einen wunderschönen Brief hat Sr. Isabella Schedler aus Mils geschickt. Unter anderem erzählt sie darin, wie sie als Schülerin 1923 helfen durfte, die neue kleine Glocke über die Berggasse zur Kirche hinauf zu ziehen. Siegfried Heim Dokumente aus der Turmkugel In Bildstein ließ Pfarrer Hinteregger anläßlich von Instandsetzungsarbeiten an seinen Kirchtürmen auch die Turmkugeln öffnen. Dabei fand sich in einem gut verschlossenen Behälter ein handgeschriebenes Dokument aus dem Jahre 1711. Weil die Wallfahrtskirche damals noch zur Pfarre Wolfurt gehörte, ist die Botschaft auch an uns gerichtet. Msgr. Gerhard Podhradsky und Werner Vogt haben sie für uns gelesen und kommentiert. Im Bildsteiner Pfarrbrief vom 25. Aug. 1996 wurde sie abgedruckt. Hier nur ein Auszug: Jesus Maria et Joseph Anno 1692 seindt die Thürnx zue bildtstain bey der Kirchen undt walfahrt erbawet, undt nach 19 verflossenen Jahren widerumb repariert, undt die Kupplen erhöchet worden. Daran haben gearbaithet M. Philipp Geiger undt bartholome böler in Bildtstain, Hanß Stadelmann, undt bartholome böler, zwey Zimmermann. Solche Rupien saindt gedäckht worden von H. Georg broz Landtaman2 undt Seinem Sohn Christian broz von Rankhwil. Zue der Zeitt:.... Nun berichtet der Schreiber, daß der Kaiser (Josef I.) gestorben sei und sein Bruder Karl um das Erbe in Spanien Krieg führe. Ludwig XIV von Frankreich sei in das Land eingedrungen. Die Ungarn hätten ihren Aufstand beendet. Aber noch führten die Schweden gegen die Polen und Dänemark gegen die Schweden langwierige Kriege. Er zählt auch die kirchliche Obrigkeit mit Papst Clemens XI. und dem Bischof von Konstanz Joannes Franciscus auf und fährt dann fort: Zur Zeitt, da H. Pfarrer in Bregenz Jo. Caspar Boch Administrator Episcopalis3 undt Ihro Gnaden Jo. Andreas Pappus v. Trazberg Archiducalis Administrator4 in Bildtstain der Kirchen waren. DD. Beneficiati5 in bildtstain waren zue der Zeitt R.D. Franciscus Casparus Frewis Brigantinus6 .... 1 2 3 4 5 Türme Georg Brotz aus Batschuns war Ammann im Gericht Rankweil-Sulz Verwalter des Bischofs Verwalter des Erzherzogs Die Herren Benefiziaten waren die Inhaber der vier aus Opfergaben der Pilger gestifteten und erhaltenen Pfründen in Bildstein. Im 18. Jahrhundert wirkten an der Wallfahrtskirche ständig vier Priester. aus Bregenz 6 6 7 R.D. Jo. Jacobus Reinhardt Wangenensis .... R.D Fran. Xaverius Wechinger Dornbürensis1 .... R.D. Jacobus Fer Weilhaimensis .... Aeditus hoc tempore: Joannes Schindel in Ranchwilanus simul et Ludemoderator.8 Parochus in Wolffurt R.D. Joannes Egendter Beznaviensis.9 Amanus im gericht hoffstaig H. Georg Ronner in Wolffurth.10 Also 1711 zur Zeitt, da die 4 vor Arlenbergische Herrschaften Ser betrangt waren mit Kriegß beschwerden, winther-quartier, durchzüg in Italien11, undt was daß Meriste12, mit haimmischen großen Uneingkeitten, oder bellis intestinisli. Aus Christlichem Mittleiden vor alle obbemelte Personen So einer Solcher solte noch in der quall des Fegfeürs aufgehalten werden Sollen betten alle gegenwerthige ein hailig undt Andächtiges Vatter Unsser undt Ave Maria.14 Amen. geschechen in bildtstain den 18. July 1711. — Soweit also das Bildsteiner Dokument. Der Wolfurter Kirchturm stammt als ältester Teil der heutigen Pfarrkirche wahrscheinlich noch aus dem 15. Jahrhundert. Vermutlich hat erst Pfarrer Franz Josef Feurstein im Jahre 1728 das alte gotische Satteldach durch eine Turmspitze ersetzen lassen. Jedenfalls läßt sich seither auch in Wolfurt eine Turmkugel nachweisen. Beim großen Kirchenumbau von 1833 ließ Pfarrer Barraga dieselbe öffnen. Er schreibt darüber15: 1834. DerSommer war unerhört warm und sehr trocken. Es regnete nur einige Mahl; daher konnte auch die im vergangenen Jahr aufgebaute Kirche sehr gut austrocknen und mit dem Thurm verputzet werden. - Der Thurmknopfhat 22 Zoll'6 im Durchmesser. Im selbigen fand sich ein kleines 1 1/4 Zoll langes Schächtchen von Holz, es schloß in sich das Evangelium des H. Johannes, ein Wachs17 und ein Zettelchen mit den Worten Franciscus Feurstein parochus18 1728, den 28. Oktober. In einer blechernen Büchse wurde es mit einigen Noten abermahl in selbigen gelegt. Leider ist diese Büchse mit dem ältesten Dokument von 1728 seither verschollen. Franz von Barraga, von 1828 bis 1835 Pfarrer in Wolfurt, schrieb aber auf eine kleine 7 Bild 2: Blick von der Kirchturmkugel auf den Dorfplatz hinab (1985) Rolle Pergament einen zweiten Brief an uns, den er 1834 in die Turmkugel einlegte: Lectori Salutem!19 1833 ist die alte Kirche, die im Langhause 9 Klafter oder 54 Schuhe, und in der Breite ohne Mauer 4 Klafter oder 24 Schuhe hatte20, stückweis so abgebrochen worden, daß der Gottesdienst immer in der Kirche gehalten werden konnte; indem das 13 aus Dornbirn Mesner war zu dieser Zeit Johann Schindl aus Rankweil, zugleich auch Lehrer. In Bildstein hatte nämlich ein Jahr vorher der Benefiziat Dr. Jakob Halder eine der ersten Schulen im weiten Umkreis errichtet. 9 Der aus Bezau stammende Wolfurter Pfarrer Egender hatte einige Jahre früher nur mit großer Mühe verhindern können, daß sich Bildstein als Pfarre selbständig machte. Hofsteig-Ammann Georg Rohner war zuvor einer der Anführer bei den erfolgreichen Aufständen des „Gemeinen Mannes" gegen die Willkür der kaiserlichen Vögte gewesen. Lies über ihn und die im folgenden Absatz beschriebene Not in unserem Land in „Heimat Wolfurt", Heft 13, S. 28! 1 ' Durchmärsche von Soldaten nach Italien 12 das ärgste mit Bürgerkriegen. Gemeint sind die Aufstände des "Gemeinen Mannes", bei denen Bregenz zweimal von den Bauern besetzt worden war. 14 Demnach wurde das Schreiben öffentlich verlesen. Schon zu deren Lebzeiten wurde dabei für die Obrigkeit um Erlösung aus den Qualen des Fegefeuers gebetet. 15 im Anhang zum Pfarrfamilienbuch I C, Pfarrarchiv Wolfurt 16 17 18 22 Zoll sind etwa 57 Zentimeter Wachsfigur. Solche wurden häufig von Pilgern geopfert oder als Andenken gekauft. 19 Pfarrer Ein Gruß: Dem Leser sei Heil! 20 17, 10 Meter lang und 7, 60 Meter breit 8 9 neue Gebäude sich schnell erhob, und im obigen Jahre mit dem Dache versehen werden konnte. 1834, am Feste Maria Geburt stand die neue Kirche11 vollendet da. Baumeister war Peter Bilgeri von Lauterach, Bauer22 Sebastian Rüscher von Bitzau, die Maurer aus dem Bregenzerwald. Vorsteher L. Fink.23 Bauinspizient Anton Matt von Bregenz. Kassier MartinSchertler, Altvorsteher.2'1' Der Kosten beläuft sich gegen 6.000 Gulden. Freiwillige Beiträge der Pfarrkinder und das Drittel davon von seiner Majestät dem Kaiser Franz I. als Patron in den Fußstapfen des Klosters Mererau decken diese Unkosten.25 Unter Leitung des Zimmermeisters Fetz von Eck im Bregenzerwald ist den 26. August 1834 der Thurmknopf abgenommen worden. Es fand sich in demselben beiliegendes Schächtchen Nr. I von Franz Jos. Feuerstein, Pfarrer zu Wolfurt. Ad. 28 Oktober 172426. Derzeit ist Pfarrer Franz De Barraga, gebürtig von Wien, erzogen zu Innsbruck, wegen Priestermangel nach Vorarlberg berufen, war Kaplan zu Rankweil und Schwarzenberg, dann Pfarrer in Damüls. 1834 ist der Tit. Dekan zu Schwarzach, Joseph Stadelmann; der Hste. H. Generalvikar u. Weihbischof, Johannes von Tschiderer; der Hste. H. Fürstbischof zu Brixen, Bernard Galura; Seine päpstlichen Heiligkeit heißt Gregor der XVI. Den... September 1834 ist der Thurmknopf oder die Kugel vergoldet wieder an seine Stelle gesetzt worden - von Spengler Joseph Schwerzler. Nur etwas mehr als 40 Jahre ruhte das Dokument diesmal in der vergoldeten Kugel. Man hatte den Turmhelm mit kleinen grün glasierten Ziegeln eingedeckt. Diese hielten den rauhen Westwinden aber nicht stand. Dekan Josef Anton Waibel, von 1867 bis 1879 Pfarrer in Wolfurt, sah sich 1877 gezwungen, den morsch gewordenen TurmDachstuhl zu erneuern und mit einem Blechdach zu versehen. Bei vielen Wolfurter Es war eigentlich keine neue Kirche, sondern eine großzügige Erweiterung. Turm und linke Wand der alten Kirche blieben erhalten. Siehe Heimat, Heft 4, S. 59 u. 60! 22 Polier, Bauführer 23 Leonhard Fink (1777-1860) aus Sulzberg, Adlerwirt in Rickenbach, war in Wolfurt schon 1821-22 und dann wieder zur Zeit des Kirchenbaus ab 1832 Vorsteher. 24 Altvorsteher Joh. Martin Schertler (1793-1856), ein Sohn des Schützenmajors Jakob Schertler in Unterlinden, beaufsichtigte von Seiten der Gemeinde den Bau. Später wurde er 1850 bis 1853 ein zweites Mal Gemeindevorsteher. 25 Nach der Auflösung des Klosters Mehrerau im Jahre 1806 war das Patronat über die Pfarre Wolfurt im Umweg über den bayerischen Staat an das österreichische Kaiserhaus gekommen. Die mit dem Patronat verbundene Verpflichtung zum Beitrag am Neubau der Kirche soll der Kaiser aber sehr lange nicht eingelöst haben. Jedenfalls konnte der Brixner Weihbischof Georg Prünster die Kirche erst am 25. Juni 1849 einweihen (Rapp, S. 801). 26 Dieses Datum differiert mit Barragas Eintragung im Pfarrbuch (siehe weiter oben!) um vier Jahre. 27 68 Fuß sind etwa 21, 5 Meter, für einen Dachbalken eine erstaunliche Länge. 21 Häusern setzte man einige von den vom Kirchturm entfernten grünen Ziegeln auf das Dach, um sich damit einem zusätzlichen Schutz zu unterstellen. Auf dem Turm wurde natürlich auch die Kugel geöffnet und darin ein dritter Brief hinterlegt: Lectori salutem! 1877 wurde der Thurm renovirt u. mit Eisenblech gedeckt. Dabei kam zur Verwendung: 7 (sieben) lange Stück Holz, wovon das längste 68 Fuß.27 Eisenblech 2400 Quadrat Fuß.28 Die Kugel wurde neu verfertigt aus Kupfer u. im Feuer vergoldet. Durchmesser 20 Zoll.29 Das Kreuz ganz neu. Die ganze Länge 12 Fuß 8 Zoll.30 Das Baucomite bildeten: Franz Hinteregger, Gemeindeausschuß, Dorfmeister, Hauptleiter des Baues.31 Jos. Anton Schedler, Gemeinderath.32 Jos. Anton Geiger, Altkirchenpfleger.33 Arbeiter des Baues: Josef Gmeiner (Strohdorf), Zimmermeister Johann G. Schwärzler (Unterlinden) Josef Schwärzler (Tobel)34 Dachdecker: Martin Schwärzler, Flaschner (Schifflewirth)35 Seine Gehilfen: Wilhelm Schwärzler, Sohn des Obigen Alexander „ Johann Köb von Bildstein, Geselle bei Obigen. 28 29 30 31 Das entspricht einer Fläche von 240 m2. Die neue Kugel war also mit nur mehr 53 Zentimeter Durchmesser etwas kleiner als die alte. Ziemlich genau 4 Meter. Franz Hinteregger (1845-1919) wohnte in der Bütze. Als Dorfmeister war er für Straßen, Bäche und Brunnen im Dorf verantwortlich. 32 Josef Anton Schertler (1829-1916), Flotzbach. Auffallend ist, daß der Pfarrer die Schreibart Schedler verwendete. 33 Jos. Anton Geiger (1820-1888), Rochusles 34 Alle drei waren Zimmerleute aus bekannten Familien: Gmeiner von Disjockeles (später nannte man sein Haus Knores) im Strohdorf. J.G. Schwerzler von Zimborars in Unterlinden. Sein Haus am Anfang der Frickenescherstraße in Unterlinden zeigt noch heute auffallenden Zimmermannsschmuck. Er hat 1905 auch Kreuz und Kugel auf die Turmspitze gesetzt. Josef Schwerzler (1850-1915), der schwarz Toblar, stellte 1911 das Kreuz im oberen Friedhof auf. 35 Das Gasthaus Schiffte stand am nördlichen Ende der Bützestraße. Sohn Wilhelm ist später nach Kennelbach übersiedelt, Alexander nach Amerika ausgewandert. 10 11 Bild 3: Für die neuen Glocken baute die Pfarre 1905 auch eine neue Glockenstube und erhöhte den Turm auf 57 Meter. Bild 4: Frau Agatha Schneider, 1895-1985, Wohltäterin der Kirche Bild 5: Der 1833 eingemauerte Grundstein der Kirche wurde 1994 freigelegt. Die Vergoldung des Hahnes kostet ungefähr 30 fl. Die Kosten übernahm J.G. Kalb (Schwanenwirth). Das Kreuz verfertigte Jos. Anton Dür, Mechaniker, aus eigenen Kosten.36 Der übrige Kosten des Baues kommt ungefähr auf 1500 fl öst. Wrg. u. wird durch Zuschlag auf die Gemeindesteuer gedeckt. (Die Kugel aus Kupfer kostet ungefähr 40 fl u. die Vergoldung 100 fl). Der Bau begann den 17. Juli 1877 unter dem Vorst. J.G. Fischer17. Der Thurmknopf mit Kreuz und Hahn ist unter Leitung des J.G. Schwerzler (Unterlinden) Samstag d. 11. Aug. 1877 wieder auf dem Thurm befestigt worden. Beigelegt wurde das Bild des göttl. Herzens Jesu u. der Zettel mit dem Gebet: „Akt der Sühne ". Der Zeit ist Pfarrer: Jos. Anton Waibel, Dekan, geb. zu Hohenems. Kaplan: Wilhelm Müller. 36 General-Vikar u. Weihbischof: Johann Amberg Fürstbischof zu Brixen: Vincenz Gasser Seiner päpstl. Heiligkeit: Pius IX. Hier schreibt Pfarrer Waibel ein Kompliment an seinen politischen Gegner: J. A. Dür (1818-1888), Gründer der Groß-Schlosserei in Rickenbach, aus der später die Firma Doppelmayr hervorging, war ein Anführer der Liberalen. 37 Vorsteher Joh. Georg Fischer (1847-1918) war Adlerwirt in Rickenbach und ebenfalls ein Liberaler. Als Pfarrer Nachbauer 1904 Spenden für neue Glocken sammelte, verweigerten die Rickenbacher ihre Zustimmung und sammelten lieber für eine zweite Kirche mitten im Dorf. Trotzdem brachte der Pfarrer 43.000 Kronen zusammen und konnte damit das schönste Geläute im Land anschaffen. Zur Erichtung einer größeren Glockenstube mußte die Turmspitze 1905 abgenommen werden. Dabei wurde die Kugel geöffnet. Die beiden alten Briefe darin kamen in das Pfarrarchiv. Im Trubel der Ereignisse beim Aufrichten des neuen Turmes - er war mit 57 Metern um 11 Meter höher als der alte! - dürfte der Pfarrer auf das Einlegen eines neuen Turm-Dokumentes vergessen haben. Vielleicht ist ein solches aber auch bei späteren Reparaturen verloren gegangen. Jedenfalls ist keines bekannt. Ganz neu eingedeckt wurde der Turm samt dem Kirchendach dann erst wieder im Herbst 1985. Diesmal hinterlegte Lehrer Peter Heinzle als Vorsitzender des 12 13 Pfarrgemeinderates wieder einen gut geschützten Brief in der Turmkugel. Dieser ist eigentlich für unsere Nachkommen im nächsten Jahrhundert bestimmt. Hier folgen daher nur einige Auszüge: Wolfurt, am 30. Okt. 85 In den Monaten Sept. und Okt. 1985 wurde die dringend nötige Erneuerung des Kirchendaches und der Turmeindeckung vorgenommen. Gleichzeitig wurde das größtenteils holzwurmbefallene Gebälk imprägniert und die gesamte Fassade gestrichen. (Aufzählung der beteiligten Baufirmen und der für den Bauverantwortlichen Mitglieder des Pfarrgemeinderats.) ... Die Arbeiten wurden durch extrem schönes und trockenes Herbstwetter besonders begünstigt und verliefen ohne Unfälle. Die Finanzierung der enormen Kosten (ca. 2 Mill. S - das ist etwa der halbe Wert eines Einfamilienhauses samt Grund) konnte zu einem großen Teil durch die Erbschaft der Wwe. Agathe Schneider, geb. Geiger, gestorben 1985, erfolgen. Gott vergelte ihr diese übergroße Wohltätigkeit! Die Marktgemeinde Wolfurt hat derzeit etwa 6500 Einwohner, davon etwa 4500 Katholiken. Gastarbeiter aus der Türkei u. Jugoslawien stellen mit ihren Familien etwa 1/10 der Bevölkerung. Wolfurt hat sich in den vergangenen 30 Jahren vom Bauerndorf zur Industrie gemeinde entwickelt. Es bleibt zu hoffen, daß verantwortliche Gemeindepolitiker diese Entwicklung in Bahnen lenken können, die zum Wohl aller Wolfurter und auch unserer Nachkommen gereichen. Das Jahr 1985 war für die Pfarre und die Marktgemeinde Wolfurt ein Jahr großer Veränderungen. Nach 28jähriger, überaus segensreicher Tätigkeit trat Pfarrer Gebhard Willi (Jg 1913 - Ehrenringträger der Markigem. Wolfurt) in den wohlverdienten Ruhestand. Sein Nachfolger wurde Kaplan German Amann Den Generationswechsel begann im verg. Herbst der Gemeindearzt Dr. Lothar Schneider (Jg 1920). Er war 28 Jahre Gemeindearzt in Wolfurt, davon viele Jahre einziger Arzt Ähnlich lange im Amt war Bürgermeister Hubert Waibel (1960-85). Er wurde im Mai von Erwin Mohr abgelöst In luftiger Höhe wartet diese Urkunde nun hoffentlich viele Jahre lang auf den ersten Leser. Sehr lange schon wartet eine andere Urkunde im Fundament der Pfarrkirche St. Nikolaus. Im Dezember 1994 wurden die Grundmauern freigelegt, weil man sie entfeuchten wollte. Dabei entdeckten die Arbeiter 2 Meter rechts vom Hauptportal in nur 70 Zentimeter Tiefe einen Stein mit seltsamer Inschrift. Eine Untersuchung ergab, daß es sich um einen alten Grabstein handelte. Eingemeißelt war unter dem Christuszeichen IHS auch das Datum Mai II 1770 zu erkennen. Bei der Errichtung dieses Fundaments im Jahre 1833 sollte der alte Sandstein wohl etwas schützen, das dahinter verborgen ist. Pfarrer Barraga berichtet darüber im Familienbuch bei den Aufzeichnungen über den Wolfurter Kirchenbau: 14 Den 28. April 1833 wurde vom Hochwürdigen Gnädigen Herrn H. Dekan, k.k. Schuldistriktsinspitient und fürstbischöflichen Geistlichen Rathe zu Bregenz in Schwarzach Joseph Stadelmann, nachdem er eine sehr angestande Rede hielt und die Stelle des Hochaltars eingesegnet hatte, unter dem Schalle der türkischen Musi38 der Eckstein gesetzt. Rechts an der forderen Seite der Kirchenmauer. Er hatte die Aufschrift, die die Jahrzahl enthält: Fördere, o Gott! dieß Werk von uns Wolfurtern zu Deiner höchsten Verherrlichung. Er wurde ausgehöhlt, und in die Höhle wurde ein Fläschchen gut versiegelt gelegt, welches einige Notizen z. B. von den zu leistenden Auslagen, von den Nähmen der regierenden geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, enthält. Auch wurden einige kleine Münzen beigelegt. Pfarrer Amann konnte der Versuchung, nach den kleinen Münzen zu greifen, widerstehen. Er ließ den Stein ungeöffnet. Der Graben wurde wieder zugeschüttet. Darin meine ich des Pfarrers Botschaft an uns zu hören: Unsere Kirche wird weiterhin auf festem Grund stehen! 38 gemeint ist die damalige Wolfurter Blasmusik 15 Siegfried Heim Der Ippachwald (1) Neue Straßen Seit 200 Jahren bewirtschaften im Ippach mehrere hundert Grundbesitzer ihre oft sehr kleinen Waldparzellen. Jedes Jahr holten sie früher, als es noch keine modernen Heizungen mit Kohle oder Öl gab, das notwendige Brennholz für Herd und Kachelofen aus dem eigenen Holztoal (Waldteil). Schöne Stämme sparte man für Bauvorhaben oder auch zum Verkauf. Durch steile Riesen ließen die Holzer die glatten Stämme über die Hänge herab rutschen. Starke Pferde schleppten die schweren Lasten zu den Holzplätzen. Nur auf Schneebahnen konnte man sie von dort ins Tal bringen. Die Umstrukturierung der Landwirtschaft brachte ab 1950 auch für den Wald große Veränderungen. Zentralheizungen und Elektroherde verdrängten die Holzöfen. Während die Arbeitslöhne stiegen, sanken die Holzpreise immer tiefer. Auch Zugpferde wurden selten. Neue Waldbesitzer hatten oft kaum mehr Bezug zu ihrem Waldteil. Wege und Marken verfielen. Manche Waldteile wurden jahrzehntelang nicht mehr bewirtschaftet. Mehrmals versuchte die Gemeinde, die Waldbesitzer zu einem gemeinsamen Straßenbau zu bewegen. 1965 legten die Forstfachleute des Landes zusammen mit Waldaufseher Paul Geiger einer Grundbesitzerversammlung sogar baureife Pläne vor. Eine Einigung kam aber nicht zustande. Überall im Land wurden Wälder durch neue Straßen erschlossen. In Wolfurt ließ man dagegen die alten weiter verfallen, abrutschen, ausschwemmen, vermuren. Große Waldflächen waren für Traktoren nicht erreichbar. Im Winter 1988/89 wurden dann aber endlich oberhalb von Frickenesch drei Waldwege saniert. Jetzt erstellte die Forstbehörde durch Dipl.-Ing. Siegfried Tschann und Ing. Roland Eine ein neues Projekt für den Ippachwald, das den Ausbau von 5, 2 km Waldstraßen vorsah. Sofort nahmen einige „grüne" Gemeindevertreter ablehnend Stellung. Sie erhielten Unterstützung durch ein Gutachten des Landschaftsschutzes: Eine intensive Waldbewirtschaftung würde zu Fichten-Monokulturen führen! Dem widersprach Dipl.-Ing. Tschann in einem Gegengutachten heftig: Die Ippach-Forststraße gehöre zu den dringensten Aufgaben im ganzen Bezirk. Jetzt lud die Gemeinde alle Grundbesitzer zu einem Informationsabend am 6. April 1990 in die Aula der Hauptschule ein. Das aufgelegte Projekt fand Zustimmung. Eine Reihe von Waldbesitzern forderte sogar eine Ausweitung auf weitere Waldteile. Am 4. Mai 1992 wurde schließlich in einer Versammlung in der Aula der Hauptschule die Bringungsgenossenschaft Ippachwald gegründet und ein Ausschuß mit Vertretern aus Hard, Lauterach, Schwarzach und Wolfurt gewählt. Obmann wurde 16 Bild 6: Bei der Alten Schmiede wurde die Forststraße 1993 neu angelegt. Im Hintergrund erkennt man den Einschnitt des alten Dreigassenwegs. Helmut Schertler. Zwar erklärten 113 Waldbesitzer spontan ihren Beitritt, aber nun mußten mit großem Aufwand weitere 200 Unterschriften eingeholt werden. Schließlich taten alle 331 Besitzer mit, lückenlos alle! Sonst hätte man ja Mautstraßen bauen müssen. Der Ausschuß erarbeitete Satzungen und eine Wegeordnung. Schon 1992 wurde die Zufahrt von der Neuen zur Alten Bucherstraße ausgebaut. Ab August 1993 begann der Bagger mit der Arbeit am Dreigassen-Weg bei der Alten Schmiede im Holz. Die Bauleitung hatte mit Gottfried Mathis ein Mann übernommen, der seine Erfahrung im Straßenbau von der Wildbachverbauung einbrachte. Bis zum Sandigen Weg hatten die Planer ein Stück weit eine neue Trasse wählen müssen, von dort hinab zu den Dreigassen, hinauf zum Ellbogen und nach links hinein über den Tobelbach konnte man alten Gassen oder Wegrechten folgen. Im März 1994 begann man mit der Sanierung der Alten Bucherstraße hinauf über die Katzensteig zum Ippachbrünnele. Es folgten das schwierige Stück über die Sausteig zum Saustall und drei anschließende Stichstraßen, von denen eine die Holzteile bis weit herab in der Ebene bei Hoamolitto erschließt. Eine zweite am Saustallgraben ließ diesen Naturbach möglichst unberührt. Im März 1995 kam das zweite Baulos der Alten Bucherstraße vom Ippachbrünnele zum Gschliof an die Reihe. Die sumpfigen Murablagerungen im Gschliof selbst mußten mit einem 5 m hohen Damm überquert werden. Daran wurde noch ein ganz neues Straßenstück in die Kohlplatzwälder hinauf angeschlossen. So hatte die Genossenschaft nun mit 6 1/2 km Straßen etwa 180 Hektar Bergwald für die Bewirtschaftung mit Maschinen erschlossen. Zu den Kosten von 6 Millionen Schilling mußte jeder Eigentümer einen Anteil bezahlen, den überwiegenden Teil finanzierten aber Land und Gemeinde. Diese günstige Lösung war nur durch den 17 Bild 7: Veranwortlich für die neuen Straßen: Gottfried Mathis, Helmut Schertler, Ing. Roland Erne, Paul Geiger. Bild 8: So sah die Sausteig bis 1994 aus: eng und matschig. großen Einsatz der Verantwortlichen möglich. Weil sie weitgehend den alten Wegerechten gefolgt waren, mußte nur ganz wenig Holz geschlagen werden. Keine einzige Sprengung war notwendig geworden. Durch dieses Beispiel angeregt, hatte sich in einer weiteren Gründungsversammlung am 17. März 1994 eine zweite Genossenschaft Ippachwald II gebildet, die die anschließenden Wälder auf Bucher und Bildsteiner Kohlplatz-Gebiet erschließen wollte. Unter Obmann Herbert Böhler und seinem Stellvertreter Raimund Mohr stießen sie im Winter 1995/96 mit einer 800 m langen Stichstraße bis in die Schlucht des Bucher Ippachgrabens vor. Dabei mußten sie den Gitznergraben queren und den Steilhang mit Hilfe von etlichen Krainerwänden (Konstruktionen aus Baumstämmen) überwinden. So wurden hier in dem abgelegensten Teil des Ippachwaldes weitere 33 Hektar erschlossen. Am 4. Oktober 1996 konnten die fertigen Straßen den neuen Besitzern vorgestellt werden. Landesrat Schwärzler und Bürgermeister Mohr eröffneten in einer kleinen Feier bei der Alten Schmiede die neuen Zugänge zu unserem Wald. Aus der Geschichte Gemeinschaftswald Der Ippachwald deckt eine Fläche von insgesamt etwa 600 Hektar. Er erstreckt sich von Wolfurt an der Ach entlang unterhalb von Buch bis zum Alberschwender Unterrain. Durch bewaldete Tobel ist er mit dem Asenenwald bei Alberschwende und dem Bildsteiner Täschenwald verbunden. Jenseits der Ach schließen sich die ausgedehnten Wälder über Hohwacht und Fluh bis zum Pfänder und durch das Wirtatobel zum 18 Hirschberg an. Von 415 m Meereshöhe am Achufer des Wolfurter Sportplatzes steigt der Ippachwald steil zur 973 m hohen Schneiderspitze auf. Im Mittelalter hatten zwischen 900 und 1200 n.Chr.G. Hofsteiger Siedler zuerst die Wolfurter Bühel und die sonnigen Südhänge des Steußbergs in Bildstein gerodet und dann auch die flachen Ebneten und die sanften Halden am Osthang in Fischbach und Buch. Den steilen, feuchten und schattigen Nordhang des Steußbergs ließen sie ungeschoren. So blieb dort der große Ippachwald erhalten. Sein uralter Name, im Volksmund Ippa, stammt wohl von den zahlreich vorkommenden Eiben (Iba). In überreichem Maß lieferte er den Siedlern das Bauholz für ihre Häuser und das Brennholz zur Beheizung ihrer Kochstellen. Die Bauern der alemannischen Markgenossenschaften und der sich daraus entwickelnden Dörfer bewirtschafteten den Wald und die Felder lange Zeit gemeinsam. Gemeinsam trieb ein Hirt das Vieh aller Höfe auf die Waldweiden. Gemeinsam erntete man an bestimmten Tagen Beeren, Holzäpfel, Eicheln und andere Waldfrüchte. Unter Aufsicht von Ammann und Geschworenen des Gerichts Hofsteig wurden jedes Jahr vom banwart die zum Fällen bestimmten Bäume gemalen (mit einem Mal versehen). Der Bannwart war ein vereidigter Aufseher (Siehe Hofsteigischer Landsbrauch, LMV 1900, Seiten 138 u. 149!) Jeder husröchi (jedem Haus mit einer rauchenden Feuerstelle) wurde eine bestimmte Anzahl von Bäumen zugelost. Das Los entschied also, ob einer seine Stämme vom nahen Frickenesch oder etwa in einem abgelegenen Ippachteil fällen durfte. Wer ein Haus oder einen Stadel baute, erhielt vom Gericht kostenlos das dazu notwendige Holz. Zu den Pflichten des Ammanns gehörte die regelmäßige Kontrolle der Marken, mit denen die Gerichtswälder abgegrenzt waren. Es scheint immer wieder Holzfrevel gegeben zu haben. Jedenfalls gibt der aus dem Mittelalter in die Neuzeit übernom19 Bild 9: Behutsam wurde der neue Dreigassenweg der Natur angepaßt. Bild 10: Im Gschliof war die Alte Bucherstraße nur mehr ein morastiger Pfad. Eine neue Forstsraße erschließt jetzt hier die Kohlplatzwälder. mene und 1544 aufgeschriebene Hofsteigische Landsbrauch strenge Anweisungen: Die an die Gemeindehölzer angrenzenden Nachbarn sollten die Marken anerkennen und .... darüber nit greifen noch dem tigen Hofstaig in dessen Waldungen, hölzern, gesteüd und gestreyppt ainichen schaden zuefüegen, weder wenig noch vil darinnen howen oder wegg tragen ... (S. 179. Ein tigen ist ein Bezirk.). .... Item am berg soll niemands in gemainen höltzern reuten noch holz howen, dann mit der andern willen .... (S. 149). Tannenholz durfte nur als Zimmermannsholz verwendet und nicht als Brennholz vergeudet werden: .... das bueche holtz zuebrennen und das tenni holtz zue gezimbern und gebewen und änderst nit. Dann welcher zimerholtz verwüesten würde, der soll ainer herrschaft fünf pfund pfening strafgelt zuebezalen schuldig und verbunden sein. Desgleichen soll auch kainer kainjung büechelin erkimin genannt, noch kain berend pomb ob den marken abhowen .... Also standen junge Buchen {erkimin, wörtlich Erdkeim) und Beerensträucher (berend pomb) unter besonderem Schutz. (S. 146). Aus den abgelegensten Tobein konnte man das Holz nicht herausführen. Dort stellten die Kohlenbrenner ihre Meiler auf und erzeugten die wertvolle Holzkohle: Item es soll niemands kolen, dan an den enden, dahin ain jeder von dem amman gewisen und beschaiden würdet (S. 146). Auch die Wagner wurden in jene Tobel gewiesen, aus welchen man das Holz auf dem Rücken heraufschleppen mußte: Item die wangner des gerichtz Hofstaigs sollen auch holtz howen an denen orten und enden, dahin man nitfaren kan, sonder zu ruck und unden auftragen muess; auch sy von amman und ge rieht beschaiden werden (S. 146) Gefälltes Holz mußte binnen eines Zeitraums von einem Jahr und 6 1/2 Wochen aus dem Wald entfernt sein, sonst durften es andere wegführen. 20 Das Eichenholz galt als besonders wertvoll. Daraus wurden die für die Brücken benötigten Balken geschlagen. Aber auch die Küfer brauchten es für Fässer und Standen. Eine bestimmte Menge Brennholz wurde dem Pfarrer für den Pfarrhof zur Verfügung gestellt. Anderes nahm die Gemeinde für sich selbst, besonders zur Herstellung von Dücheln (hölzernen Rohren) für die Dorfbrunnen, für Brücken und für Zäune. Die Aufteilung des Waldes Über viele Jahrhunderte fanden die Hofsteiger mit dieser Holzordnung ihr gutes Auskommen. Am Beginn des 18. Jahrhunderts häuften sich aber Streitigkeiten wegen des Gemeinschaftswaldes. Im Jahre 1706 beklagte sich Alt-Ammann Haltmayer vor Gericht bitter über die Unordnung in den Wäldern, die unter seinem Nachfolger aufgekommen war (Heimat, Heft 13/29). Mißbrauch der Schlägerungsrechte führte dazu, daß Ammann Jerg Rohner den jungen Pfarreien Lauterach und Hard ihr ius lignandi cumulative (das Recht, für den Pfarrer beliebig viel Holz zu schlagen) beschneiden wollte und dabei im Jahre 1728 beim Klerus auf Widerstand stieß (Rapp II, S. 274). Gegen Ende des 18. Jahrhunderts mußte der gemeinsame Wald in den sechs Dörfern von Hofsteig insgesamt 602 alt berechtigte Häußer versorgen. Dazu waren aber zuletzt noch 34 neu berechtigte sogenante Neübäüler gekommen, die auch Holz beziehen wollten. Als Andreas Haltmayer, ein Sohn des angesehenen Rickenbacher Adlerwirts, im Jahre 1773 ein ganz neues Gasthaus, das heutige Kreuz, erbaute, wies ihm das Gericht noch kostenlos das gewöhnliche Quantum von 45 Stämmen als Bauholz zu. Das Mißtrauen der sechs Dörfer gegeneinander und gegen die Obrigkeit waren aber 21 bald danach so groß geworden, daß die Geschworenen des Gerichts Hofsteig schließlich am 3. Juni 1794 die Aufteilung der Gerichtswälder beschlossen. In der Begründung dazu heißt es: Da aus den vorangeführten zu vertheillenden Waldungen das Holz zu sämtlichen Brücken, Stegen und jeder Gemeinde aufliegenden Wuhrungen, zu den Pfarrkirchen, Pfarr u. Schulhäusern, zur beheitzung der Letzteren und zu den Brunnen Deücheln des ganzen Hofsteiges immer unbestimmt und uneingeschränkt ausgefolgt, durch derley zu weitschichtige und eigenmächtige Holzschläge aber verschiedene zu mannigfaltigen Uneinigkeiten anlaßgebende Ungleichheiten unterlaufen; und das Holz selbst oder zum größten Nachtheile der Waldungen geschlagen, oder manchesmal gar unnütz und geringen Theils verwendet worden, so muß diesen dem Waldstande äußerst schädlichen Unfügen durch die gegenwärtige Theilung möglichst abgeholfen, und diese allgemeine Beschwerden auf jede der 6 bemelten Gemeinden verhaltnißmäßig ausgeglichen werden. (Abschrift im GA Wolfurt, cod 64) Die Geschworenen richteten ein entsprechendes Ansuchen an das k.k. Kreis- und Oberamt. Erst ein Jahr später stimmte Kreishauptmann Indermauer am 6. Oktober 1795 dem Teilungsplan zu. (Der verhaßte Kreishauptmann Ignaz Anton von Indermauer ist übrigens ein Jahr später von wütenden Bauern im Kloster St. Peter in Bludenz erschlagen worden.) Ein großes Gesetz mit 17 Paragraphen regelte den Ablauf der Teilung. Es enthielt zuerst eine genaue Aufstellung über die Bedürfnisse der einzelnen Dörfer: Hard 151 alt berechtigte Häuser 6 neue dazu 16 1/2 Anteile für Pfarre, Schule, Brunnen und Brücken Lauterach 124 alt berechtigte Häuser 2 neue dazu 32 Anteile für die Gemeinde, davon 16 allein für die Brunnen Wolfurt für 150 alt berechtigte Häuser für 6 neu berechtigte Häuser zum Unterhalt der Pfarrkirche 2 1/2 des Pfarr Haußes 1 des Schulhaußes und Heitzung 2 Zimmer 4 der Brünnen 20 der betreffenden Brücken 7 1/2 der Gerneindswuhren 6 die Riedbrucken und Stegen 2 Für Wolfurt wurden also mit 43 Gemeindeanteilen weit mehr als für Hard oder Lauterach berechnet. Die Wuhren galten für die Bäche, nicht für die mit eigenen Wäldern ausgestattete Achwuhr. Schwarzach 53 alt berechtigte Häuser 6 neue dazu 18 Gemeindeanteile 22 Bild II: Krainerwände ermöglichen den Bau von Serpentinen am steilsten Hang. Steusberg (Bildstein) Buch 85 11 34 3 alt berechtigte Häuser neue dazu 31 1/2 Gemeindeanteile alt berechtigte Häuser neue dazu 11 1/2 Gemeindeanteile Im Ippach gab es einige große private Waldungen, die von einer Verteilung natürlich ausgenommen werden mußten: Konkurrenzwälder der Achwuhr, Klosterwaldungen zum Kloster Hirschthal in Kennelbach, Herrschaftswälder im Besitz der Deuring von Bregenz und die riesigen unzugänglichen Waldungen am Kohlplatz. Außerdem behielt das Gericht einige Eichenwälder für sich, weil deren Holz zur Erhaltung der überörtlichen Brücken dienen sollte: den Kellawald hinter Rickenbach, das Spetenlehenhölzele zwischen Wolfurt und Meschen und das Hölzele ob dem Strohdorf. Zur Verteilung bestimmt wurden fogende Wälder: 1. der sogenannte Ippach (ohne Privatwälder) 773 Juchart 2. die in der Gemeinde Steusberg befindliche Taschen 69 Juchart 3. der Sonder ober dem Dorfe Schwarzach 159 Juchart 4. die Asenen an der äußersten Gränze Hofsteig gegen das Gericht Alberschwende 136 5/16 Juchart 5. Entlich das Tobelholz gleich unter den Bildsteinerischen Viehweiden an dem Bache Rickenbach genant 9 Juchart 23 Zusammen also 1146 5/16 Juchart. Ein Hofsteiger Juchart entspricht 44, 59 Ar. Demnach wurden also im Jahre 1796 insgesamt 511, 14 Hektar Wald verteilt. Seit genau 200 Jahren sind die Steußbergwälder in Privatbesitz. Zunächst wurden den Dörfern Buch, Bildstein und Schwarzach die in ihrer Umgebung liegenden Flächen zugesprochen. So erhielt Buch mit seiner kleinen Anzahl von Häusern das kleinste Stück. Bildstein bekam den Asenenwald, das Tobelholz und dazu noch Teile von Sunder und Ippach. Schwarzachs Anteil reichte weit in den Sunder hinauf. Die manchmal recht willkürlich gezogenen Grenzen wurden zehn Jahre später, als die Bayern das Gericht Hofsteig im Jahre 1806 auflösten, zu Gemeindegrenzen der Steußbergdörfer. Den großen Rest des Ippachs teilten sich Hard, Lauterach und Wolfurt. Wolfurt bekam den an das Dorf angrenzenden nächstgelegenen Teil. Für Lauterach blieb der mittlere und für Hard der östlichste Ippachteil im Gemeindegebiet Wolfurt an der Grenze gegen Buch. Diese Flächen mußten mit haltbaren Marken gekennzeichnet werden. Dann wurden sie den sechs Gemeinden anvertraut. Diese nahmen nun durch eigene Vertrauensleute die weitere Verteilung vor. Zuerst steckte aber jedes Dorf ein großes Stück für seine eigenen Verpflichtungen ab. So entstanden Kirchenwald, Brunnenwald und Gemeindeteil. Erst jetzt wurde der Rest zu Parzellen vermessen. Dann mußte jeder der 156 Wolfurter, 126 Lauteracher und 157HarderHausbesitzer sein Los ziehen. Den Neubäulern wurde nur ein Drittel-Teil zugestanden. So kamen die Wolfurter zu ihren Holzteilen am Sandigen Weg und im Mösle. Die Lauteracher mußten bis an die Katzensteig und zum Saustall hinauf, die Harder gar bis zum Plattenbach und zum Kohlplatz. Innerhalb der ersten zwei Jahre durften die Holzteile ausgetauscht werden, dann erst wurden sie verbuchen und gehörten nun unzertrennlich zum Haus wie Haustür oder Kamin. Diese im 13. Paragraphen niedergeschriebene Bestimmung ließ sich aber nicht lange halten. Als nach den Napoleonischen Kriegen viele neue Häuser gebaut wurden, besaßen diese alle keinen Holzteil. Jetzt wurden gegen das Gesetz Parzellen geteilt und verkauft. Winzige Riemen entstanden, oft nur mehr etwa 20 Ar groß. Noch mehr Markpfähle steckten noch mehr Grenzen ab. Eine intensive Nutzung setzte ein. Möglichst viele Tannen wollte jeder haben. Buschwerk und Laubholz wurden gerodet. Mit der Stockhaue verpflanzte der Besitzer den Anflug junger Tannen und Fichten so, daß sich bald alle Lichtungen schlossen. Die Waldweide war ja abgeschafft worden. So verwandelte sich der lichte Mischwald innerhalb von zwei Menschenaltern in eine dunkle Tannen-Monokultur. Eine Untersuchung des Holzbestandes im Ippach, bei der in den große Wäldern der LAWK (Achwuhr) alle Bäume ab 16 Zentimeter Stammdurchmesser aufgenommen wurden, ergab im Jahre 1950: 70 % Weißtannen + 27 % Rottannen + 3 % Laubholz (!). Dieses unglaubliche und in Österreich wohl einmalige Verhältnis änderte sich aber in 24 den folgenden Jahren rasch. Die Bestände an Rehwild nahmen nach dem Krieg gewaltig zu. Auch Hirsche und Gemsen wechselten ein und wurden zum Standwild. Wildverbiß vernichtete einige Jahrzehnte lang jeglichen Nachwuchs von Weißtannen. Entstandene Lücken füllten Waldbesitzer daher nur mehr mit Jungfichten aus den Baumschulen auf. Die Weißtannen erwiesen sich aber in dieser Zeit auch als besonders empfindlich gegen die jetzt vom Westwind herbeigetragenen Luftschadstoffe. Ihr Nadelkleid wurde immer schütterer. Die einst so stolzen Wipfel verkümmerten zu Storchennestern. Übergroßer Befall durch schmarotzende Misteln zeigt an, daß auch schon junge Tannen wie fast alle alten schwer krank sind. Fichten halten sich dagegen bis jetzt viel besser. Trotzdem müssen wir uns um die Zukunft unseres Waldes Sorgen machen. Waldarbeit Längst arbeiten auch bei uns moderne Forstarbeiter mit Motorsäge, Schälmaschine, Seilzug und Lkw-Kran. Die Werkzeuge, mit denen die älteren von uns noch selbst im Holz gearbeitetet haben, rosten irgendwo hinten im Schopf vor sich hin. Zwölfjährige Schüler, denen ich sie dort gezeigt habe, hielten an Zabie für ein Kriegsgerät. Das ist der Grund, warum ich hier wenigstens die wichtigen aufschreiben möchte. Für Dich könnte es ein Anlaß sein, ihre Handhabung Deinen Enkeln zu erklären! Weil der eigene Holzteil jede Familie Jahr für Jahr mit Brennholz für Herd und Ofen versorgen mußte und der Hof auch sonst Holz in vielerlei Formen benötigte, gehörte die Arbeit im Wald zum Alltag im bäuerlichen Leben. Das begann damit, daß die Marken immer wieder kontrolliert wurden. Schadhafte mußten ersetzt werden. Am besten schlug man einen neuen ibenen (aus unverwüstlichem Eibenholz gespaltenen), mit einem Brennmal gekennzeichneten Markpfahl neben den morsch gewordenen alten. Fehlende Marken wurden gemeinsam mit dem Nachbarn im Beisein des Waldaufsehers neu eingemessen. Dabei kam es manchmal zu Streit, besonders wenn eine große Tanne genau auf der Grenze gewachsen war. Nur mit Genehmigung des Waldaufsehers durfte und darf man Tannen fällen. Der ganze Ippachwald gilt ja als Schutzwald. Daher werden im sogenannten Plenterbetrieb nur einzelne schlagreife Bäume herausgeschnitten. Kahlschlag ist verboten. Der Aufseher wählt die Bäume sorgfältig aus und kennzeichnet sie doppelt. Mit seinem Anschlaghammer entfernt er in Augenhöhe und am Stock je ein Stück Rinde und schlägt ein besonderes Zeichen in das freigelegte Holz. Das Mal im Stock muß auch nach dem Fällen noch zur Kontrolle sichtbar bleiben. Zum Fällen waren früher zwei Personen notwendig. Nicht selten arbeitete die Bäuerin an der Seite ihres Mannes. Zuerst wurde die Fallrichtung des Baumes bestimmt. Er sollte nach Möglichkeit auf eigenen Grund zu liegen kommen und beim Fallen keinen Schaden im Jungwald anrichten. Ob das gelang, entschied schließlich eine mit Säge und Axt sorgfältig angebrachte große Kerbe auf der Fallseite des Stammes. Dann wurde die große Waldseogo (eine Zugsäge) auf der anderen Seite angesetzt. Mit gleichmäßigen Zügen trieben die beiden Säger einen sauberen Schnitt durch das 25 Mark des Stammes bis fast zur Kerbe vor. Manchmal hatte sich der Bauer vorher bekreuzigt. Er war sich der Gefahr bewußt, die mit dem Sturz einer Tanne und noch mehr einer Buche immer verbunden war. Zuletzt setzte er am Sägeschnitt einen Keil an. Vorsichtige Schläge darauf brachten den Baum bis zum Wipfel hinauf zum Erzittern. Jetzt neigte er sich langsam und dann schneller, und schließlich prasselte er mit fürchterlicher Wucht auf die Erde. Jedes Mal ein aufregendes Geschehen für alle, die es miterleben durften! Waren alle angeschlagenen (gekennzeichneten) Tannen gefällt, so griff der Bauer zur Axt. Mit wuchtigen zielsicheren Schlägen hieb er Ast für Ast vom Stamm. Auch hier lauerten Gefahren, wenn federnde Äste plötzlich brachen oder gar der Stamm am Hang zu rollen begann. Nun mußte die Rinde entfernt werden. Sommerholz, das ab Beginn des Safttriebs, wenn d Buocha gruonond (grünen), gefällt worden war, ließ sich leicht schälen. Dazu mußte man nur mit der Axt alle Meter eine Kerbe in die Rinde ziehen. Dann konnte man rumpfo, mit dem Schellar oder einfach mit einem zugespitzten Ast die ganze Rinde abziehen. D Rümpf (große Rindenstücke) wurden dann zum Trocknen ausgelegt. Dabei rollten sie sich ein und galten jetzt als wertvolles Brennmaterial. Zimmermannsholz sollte beim Trocknen keine Sprünge bekommen und später als Balken oder Bretter am Haus bei allen Wetterlagen ohne Schwinden und Drehen möglichst ruhig bleiben. Deshalb mußte man es unbedingt in der Zeit der langen Nächte um Weihnachten und zudem bei einem truckno Zoacho (trockenes Tierkreiszeichen), am besten im Stoabock odor im Stior, fällen. Der Wipfel blieb samt seinen Ästen am Stamm. Die Rinde des saftlosen Baumes ließ sich aber nicht schälen. Man mußte sie mit der scharfen Schneide des Räpplars in kleinen Fetzen wegschneiden. Räpplo, manche sagten dazu auch fräggolo, galt als sehr anstrengende Arbeit und gab leicht Schwielen und Blasen. Winterholz blieb beim Trocknen ganz hell. Vom Zimmermann ließ man sich einen Holzrodel schreiben, eine Liste der benötigten Balken mit ihren Längen. Mit einem Zumaß von etwa 10 Zentimeter wurden die Stämme danach zu Blöcken abgelängt und zum Abtransport uf d Seogo (ins Sägewerk) vorbereitet. Dabei war do Zabie (Zappin) mit seinem scharfen Haken und dem starken Stiel ein unentbehrliches Werkzeug. Falls man die Straße aber nur durch steile Riesen (Rutschbahnen) erreichen konnte, in denen die Blöcke beim Aufprall auf die Felsen nicht selten Schaden nahmen, mußte man ein größeres Zumaß zugeben. Im Sägewerk bekam die unansehnlich gewordene Stirn des Blocks dann durch einen Kappschnitt wieder eine schöne Form. Das im Saft gefällte Sommerholz wurde meist durch Pilzbefall unansehnlich schwarz, Für die vielen Bretter und Latten, die auf dem Bauernhof benötigt wurden, eignete es sich trotzdem. Nur wenn es stockrot oder gar angefault, gebrochen, krumm oder büchse (besonders hart und kaum bearbeitbar) war, wurde es als Brennholz abtransportiert. Daheim zerschnitt man es mit der Waldsäge in ein Meter lange Stücke und spaltete diese mit Keilen und Schlegol (großer Hammer) zu handlichen Speolta. Ein großer Keil hieß an Weggo. Wer nun Zeit und Kraft hatte, holte den Seogbock aus dem Schopf (Schuppen) und zerschnitt darauf jede Speolto mit Spa-Seogo oder Fuchsschwanz in vier Klötze. Erst Ende der 30er Jahre konnten sich moderne Bauern dafür a Fräso (Kreissäge) anschaffen. Tagelang war man anschließend am Schitto. Mit der Axt spaltete der Bauer dabei die Klötze zu kleinen und großen Scheitern und zu feinen Spreißeln. Sorgfältig wurde bim üborgento Mo (über sich gehender Mond) an der Hauswand eine mächtige Schittor-Bieg zum Trocknen aufgerichtet. Aber die Arbeit im Wald war noch nicht fertig. Die Äste waren samt dem angefallenen Buschwerk zum Trocknen aufgestellt worden. Jetzt hackte man sie in 60 Zentimeter lange Stücke und band diese auf dem Buscholbock zu festen Buschla, außen die gespaltenen Äste, innen das feine Kreos (Zweige). Im Schatten der großen Tannen starb oft Jungholz aus Mangel an Licht ab. Solche Dürling mußten ebenso gefällt werden wie Jungtannen, denen Sturm oder übergroße Scheelasten die Wipfel abgebrochen hatten. Sie ergaben die auf dem Bauernhof so notwendigen Stangen und Pfähle und manchmal auch Kichoro-Stiogla (Bohnenstangen) für Mamas Garten. Noch einmal ging der Bauer durch seinen Holztoal, versetzte da und dort mit der Stockhaue eine junge Tanne auf einen frei gewordenen Platz und schaute nach den Marken. Ganz übereifrige Waldbesitzer stiegen sogar manchmal auf die Bäume zum 26 27 Bild 14: Am 4. Oktober 1996 eröffnet Landesrat Schwärzler mit den Bürgermeistern Kolb (Lauterach) und Mohr (Wolfurt) die neuen Ippachstraßen. Bild 12: Ein Damm über den Gitznergraben wird aufgeschüttet. Bild 13: Verantwortlich für die Kohlplatzstraße: Raimund Mohr und Herbert Böhler. Stümmolo. Durch Steigeisen und Bauchstrick gesichert, sägten sie die untersten Äste und die vertrockneten Aststummel ab. Dadurch wollten sie besonders gleichmäßigen Wuchs und astfreies Stammholz erzielen. Jetzt wartete man nur noch ufa guote Schliottbah, auf genügend Schnee. Beim ersten Frost spannten die Fuhrleute ihre Rösser ein und hängten ihnen 5 Scheollogschior um, einen Kranz mit einem Dutzend hell tönenden Schellen. Unter lautem Gebimmel zogen Gruppen von Fuhrwerken aus Lauterach und Hard mit Has und Hund (zwei schwere, stabile Blockschlitten) durch die Berggasse ins Ippach hinauf. Den Hund stellten sie beim Holzplatz ab. Auf dem Has ketteten sie oben im Holzteil ein paar Block fest und schleiften sie durch die vereisten Hohlgassen herab. Bei zu großer Geschwindigkeit legte der Fuhrmann rechtzeitig an Kretzar, eine starke kurze Kette, um die Schlittenkufen und bremste so die gefährliche Fahrt. Wenn alle ihre Last am Holzplatz abgeladen hatten, deckte man die verschwitzten Pferde mit einem dicken Roßkutzo zu und setzte sich zu einer kräftigen Jause zusammen. Dann stieg man gemeinsam ein zweites Mal auf. Es war Einbahnverkehr festgelegt. Kein Fuhrwerk durfte der Kolonne begegnen. Bei der zweiten Fuhr hob man am Holzplatz mit Zabie und lautem Ho-ruck! das hintere Ende der Stämme auf den zweiten Schlitten, den Hund, und lud die erste Fuhr noch oben darauf. In flotter Fahrt ging es jetzt ins Dorf hinab und über den Kirchplatz bis zum Lagerplatz bei der Mauer am einstigen BlitzeWeingarten. Es war inzwischen Nachmittag geworden. Bei guter Schneebahn fuhren die schweren Schlitten weiter nach Lauterach und Hard. Oft mußten die Stämme aber abgeladen werden. Dann holte der Fuhrmann sie ein paar Tage später mit seinem stabilen Block-Wagen. Inzwischen hatten andere Waldbesitzer ihre Hornar (Handschlitten) in die Dreigassen hinauf geschleppt. Große Fuhren von Buscheln wurden dort aufgeladen, manchmal auch die getrockneten Rinden oder Stanga und Speolta. In sausender Fahrt lenkten starke Männerarme die Schlitten durch die Hohlgasse herab. Hoffentlich ohne Umwerfen ! Es war ein gutes Gefühl, wenn dann endlich gnuo Holz vom Wändo die Familie wenigstens von einer von ihren vielen Sorgen befreite. Den größten Klotz sparte man uf Baschas-Tag (St. Sebastian, 20. Jänner), aber auch nachher wollte man noch überall eine warme Stube. 28 29 Siegfried Heim Familie / Personenzahl Detomaso Flora 5 Paßler Kassian 6 Kompatscher Anton 7 Piasinger Karl 7 Ladurner Rosa 7 Lechner Anna 5 Sepp Gottfried 5 Wolf Franz 4 Fischer Katharina 3 Ebnicher Maria 5 Gatterer Anton 4 Gottardi Josef 2 Plattner Raimund 2 Prantl Magdalena 2 Santa Alois 7 Nicolussi Emma 4 Moschen Anton 10 Meist nur kurzzeitig anwesende Einzelpersonen oder Paare 37 Zusammen H-Nr. 1945 und heutige Anschrift 51 75 77 142 203 204 204 206 233 242 279 279 294 319 351 388 300 Feldeggstraße 2, Klosos Im Holz 2, Paßler Im Holz 8, Hinterfeld Frickenescherweg 5, Draiars Flotzbachstr. 16, Schädlars Flotzbachstr. 18, Jokobos Flotzbachstr. 22, Wächterhaus Hofsteigstr. 48, Seppos Brühlstraße 30, Lutzo-Ferdes Dornbirnerstr. 16, Soalars Inselstraße 5, Kassians Bützestraße 22, Toblars Hansirg Flotzbachstr. 17, Lindinger Achstraße 50, Im Wida Achstraße 14, Zwickle Einwanderer 3 In Einwanderer 1 versuchte ich aufzuzeigen, daß ein ganz großer Teil der alteingesessenen Wolfurter Familien ursprünglich aus Nachbargemeinden zugezogen ist. In Einwanderer 2 ging es um die Fremden aus dem Schwabenland, aus der Schweiz und aus dem Trentino. Dieses dritte Kapitel ist nun zwei Volksgruppen gewidmet, die durch die politischen Umwälzungen in der Mitte unseres Jahrhunderts ihre Heimat aufgeben mußten und von denen einige Familien zu uns verschlagen wurden, Südtiroler und Sudeten-Deutsche. Daran schließt sich noch die Lebensbeschreibung einer nach Wolfurt zugewanderten jüdischen Frau an. Aussiedler aus Südtirol Seit dem Mittelalter besaß Tirol ein geschlossenes deutschsprachiges Siedlungsgebiet bis zur Salurner Klause. Für den Eintritt in den Ersten Weltkrieg gegen Österreich bekam Italien von seinen Bundesgenossen das Trentino und Südtirol bis zum Brenner zugesichert. So wurde denn auch im Friedensvertrag von St. Germain am 10.9.1919 ganz Südtirol mit 240 000 deutsch sprechenden Einwohnern zu Italien geschlagen. In der Zeit des Faschismus begann eine scharfe Italianisierungspolitik mit dem Verbot der deutschen Sprache in Ämtern und Schulen. Vor allem in den Städten wurden italienische Einwanderer angesiedelt. 1939 schlossen Hitler und Mussolini ein Umsiedlungsabkommen. Wer sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschied, sollte seine Heimat verlassen müssen. Trotz dieser Drohung optierten 90 % der Südtiroler für Deutschland. Sofort begann deren Aussiedlung. Bis 1942, als die Kriegsereignisse der Aktion ein vorzeitiges Ende bereiteten, waren bereits 75 000 Südtiroler über den Brenner nach Norden transportiert worden. Etwa 11 000 davon landeten in Vorarlberg, wo man für sie in den größeren Orten eilig die für jene Zeit recht komfortablen Südtiroler-Siedlungen erstellte. Diese reichten aber bei weitem nicht aus, so daß man in allen Dörfern weitere Wohnungen suchte. In Wolfurt besitzen wir eine Aufstellung über die im Sommer 1945 anwesenden Südtiroler. Gebhardine Hinteregger-Claessens mußte damals im Auftrag der Gemeinde alle anwesenden Ausländer aufschreiben, da deren Versorgung mit Lebensmitteln ein großes Problem war. Nach 189 „Reichsdeutschen" waren die 122 Südtiroler vor 20 Schweizern und 20 „Tschechen" die mit Abstand größte Gruppe. So setzte sie sich zusammen: 122 Südtiroler Einige von den Südtiroler Familien hatten um diese Zeit Wolfurt bereits wieder verlassen, weil sie in den Siedlungen von Bregenz oder Lochau eine Wohnung erhielten. Darunter war die Familie Pörnbacher. In Ober-Olang an der Rienz im Pustertal hatte Georg Pörnbacher seinen Hof verkaufen müssen. Über Innsbruck und Riefensberg war er mit seiner Frau Anna und den 11(!) Kindern schließlich nach Wolfurt gekommen und hatte im Bergarhus im Oberfeld ein bescheidenes Unterkommen gefunden. Die älteren Buben mußten einrücken. Paul fand 1944 bei Monte Cassino den Tod, auch sein Bruder Johann starb an den Folgen einer schweren Vewundung. Von den anderen Geschwistern leben heute noch vier in Lochau. Moschens sind eigentlich keine Umsiedlerfamilie. Vater Anton war schon um das Jahr 1930 zum ersten Mal aus Meran nach Vorarlberg gekommen und hatte hier seine Frau gefunden. Als er um 1940 zum zweiten Mal mit seiner nun großen Familie kam, fand er bei Hammorschmiods an der Achstraße eine Wohnung. 30 31 Nach dem Krieg hofften viele Südtiroler auf eine Korrektur des Vertrags von St. Germain und auf eine Heimkehr ihres Landes zu Österreich. Vergeblich! Das Abkommen der Außenminister Gruber und De Gaspari vom September 1946 brachte herbe Enttäuschungen. Aber wenigstens waren die deutschen Familiennamen jetzt wieder zugelassen. In den Schulen wurde wieder deutsch gesprochen. Die Forderung nach weiteren Rechten und deren Ablehnung durch die italienische Regierung führten 1966 zu Terroraktionen. Masten und Siegesdenkmäler wurden gesprengt und in der Folge viele junge Südtiroler zu langjähriger Kerkerhaft verurteilt. Erst das 1969 beschlossene „Paket" brachte Entspannung. Seither wuchs die Einwohnerzahl Südtirols auf über 440 000 (im Jahre 1997) an. Davon bekennen sich 68 % zur deutschen Sprache, 4, 4 % zur ladinischen und nur 27, 6 % zur italienischen. Die Gemeinschaft in der Europäischen Union läßt hoffen, daß sich nie mehr Familienväter „aus nationalen Interessen" in einem blutigen Krieg gegenüber stehen werden. Nur ganz wenige von den Südtirolern, die 1940 und 1941 zwangsweise zu uns ausgesiedelt worden waren, wagten es 1945, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Bei uns blieb ihnen die österreichische Staatsbürgerschaft aber noch lange Zeit versagt. Bei der Zählung vom 31. 12. 1950 gliederte das Gemeindeamt die Wolfurter noch in 2228 Österreicher, 98 Südtiroler, 21 Deutsche und 39 andere, zusammen also 2386 Einwohner. Zur Jungbürgerfeier 1952 wurde Josef Ebnicher nicht eingeladen. Er war jetzt 21 Jahre alt, in Wolfurt zur Schule gegangen und nun längst ein tüchtiger Arbeiter und geschätzter Sänger im Rickenbacher Chor. Der Ausschluß von den Jungbürgern tat bitter weh! Erst über langwierige Ansuchen wurden im folgenden Jahrzehnt die meisten von den Südtiroler Einwanderern endlich eingebürgert. Seither wurden sie aber völlig in die Dorfgemeinschaft integriert. Ein Beispiel davon zeigt der folgende Beitrag. geschrieben, klingt zwar nach dem romanischen „la torre" (der Turm). Er ist aber sehr wahrscheinlich wie auch der des benachbarten Naturns vorrömischen Ursprungs. Das rätische litrun bedeutet am Bach. Der Name ist erstmals in einem Steuerbuch von Trient im Jahre 1242 zu finden: ...profeno de lidurno....... für Heu aus Ladurn ... Jede Familie, die den Hof bewirtschaftete, wurde seither Ladurner genannt. Für die meisten wurde es der Geschlechtsname. Am 20. April 1525 kaufte ein Jakob Ladurner aus Rableid bei Schnals den Ladurnhof. Von seinen sechs Söhnen stammen all die vielen Ladurner-Familien, die sich seither über den ganzen Vintschgau ausgebreitet haben. Rund 4000 Namen zählt das Sippenbuch als seine Kindeskinder auf. Von ihnen ist in der 12. Generation die Familie Karl Ladurner nach Wolfurt gekommen. Der Ladurnhof selbst stand seit 1525 bis 1918 ununterbrochen im Besitz der direkten Nachkommen des Jakob Ladurner. Dann wurde er in der Notzeit am Ende des Weltkriegs verkauft. Unter den neuen Eigentümern verheerten zwei Brände große Teile des uralten Hofes. Schon 1937 kauften andere Ladurner aus Algund den Stammhof ihrer Ahnen zurück und betreuen ihn seither. Alle Vorfahren der Wolfurter Ladurner waren Bauern: zuerst Linter-Bauer in Rabland, dann Widmer in Plars, Leiter auf Vellau bei Algund, Kestpamer in Grätsch und schließlich Oberstauger in Schenna. So hatte eine Ladurner-Linie in neun Generationen vom Stammhof auf Ladurn den Weg durch den Untervintschgau zu dem nur etwa 25 Kilometer entfernten Oberstaugerhof in Tschivon, einem Ortsteil von Schenna, gefunden. Dort begründete Josef Ladurner mit seiner Frau Anna im Jahre 1870 die Familie der Stauger, zu der auch die Wolfurter Ladurner ursprünglich zählten. Auf dem Oberstaugerhof wurde 1905 Karl Ladurner in eine lange Reihe von zehn Geschwistern geboren. Schenna liegt direkt oberhalb von Meran am Eingang in das Passeiertal. Auf einer sonnigen Terrasse am Südwesthang des 2581 Meter hohen Ifinger breiten sich inmitten riesiger Obstwälder die schönen alten Bauernhöfe aus, von denen viele in den letzten Jahrzehnten zu modernen Pensionen umgebaut worden sind. Abwärts bis ins Tal decken Weinberge die Hänge. In ihnen reifen die berühmten blauen Meraner Kurtrauben. Und über dem Dorf kann man bis weit hinauf in den Wäldern die süßen Edelkastanien ernten. Heute ist Schenna ein Kurort mit über 6000 Betten. Im Winter tragen eine Reihe von Seilbahnen und Liften die Gäste bis auf 2300 Meter in das Schizentrum Meran 2000 hinauf. Im Sommer gehören die verschiedenen Burgen zu den Hauptanziehungspunkten. Die bekannteste davon ist Schloß Schenna, das der beliebte Habsburger Erzherzog Johann für sich kaufte. In einem riesigen neugotischen Mausoleum wurden der Erzherzog und seine Frau Anna, die Postmeisterstochter von Aussee, hier in Schenna begraben.2 Und hier in diesem schönen Schenna wuchs also auch Karl Ladurner auf. Als nach dem ersten Weltkrieg italienische Soldaten einmarschiert waren und bald darauf fa33 Die Ladurner Die Ladurner zählen mit über 20 Namensträgern zu den stark aufstrebenden jungen Sippen in Wolfurt. Vor gut fünfzig Jahren ist ein Ehepaar Ladurner mit vier kleinen Kindern aus dem Südtirol zu uns gekommen, hat gearbeitet und gespart und schließlich mit den erwachsenen Kindern etliche Einfamilienhäuser gebaut, in denen nun die Schar der Enkel heranwächst. Im fremden Land haben die Ladurner einen guten Platz gefunden, wo das uralte Vintschgauer Geschlecht feste Wurzeln schlagen konnte. Ladurn ist ein einsamer Berghof, 809 Meter über dem Meer auf einer wasserarmen Bergschulter am Eingang ins Schnalstal. Von Naturns herauf führt hier jener steile Weg hinauf zu den Gletschern am Similaun und hinüber ins Ötztal, auf dem schon vor mehr als 5000 Jahren der berühmte „Ötzi" seinen Tod im Eis fand. Auch auf dem Ladurnhof hat man vorgeschichtliches Arbeitsgerät ausgegraben.1 Der Name Ladurn, in den ältesten Urkunden auch de Lidurni, ex Ludurn oder Latturn 32 wurde Vater Karl Ladurner zur deutschen Wehrmacht in den Krieg eingezogen. Nun lag die Obsorge für die Kinder für viele Jahre ganz allein bei der Mutter. Sicher tat sie sich dabei in dem fremden Land, wo sie von manchen Alteingesessenen wegen ihrerfremden Sprache scheel angesehen wurde, anfangs schwer. Aber sie fand wenigstens Landsleute mit ähnlichem Schicksal in der Nachbarschaft. Bei Jokobos waren die Südtiroler Familien Sepp und Lechner mit einer ganzen Reihe von Kindern eingezogen und auf der anderen Straßenseite wohnten in der ehemaligen Schertler-Schlosserei jetzt auch noch Santas. So war im Flotzbach eine richtige kleine Kolonie entstanden, in der die Südtiroler sprachlich dominierten. Die Wohnungen waren zwar alt, aber sie boten wenigstens genug Platz. Die Kinder spielten auf der Straße und rund um die Ziegelschuppen, in denen es viele herrliche Verstecke gab. Die größeren Buben entdeckten bald auch die Tümpel und die großen Eichen im nahen Ried. Dort ist dann auch der 14jährige Josef Sepp, als er mit seinem Fahrrad noch schnell die Geleise überqueren wollte, von einem Zug überfahren worden. Neben der Angst um die Männer an der Front lastete auf den Frauen vor allem die Sorge um das tägliche Essen. Die Lebensmittelkarten reichten nicht aus. Gegen Kriegsende hungerten die Kinder. Ihre Mütter konnten ja nicht auf Vorräte aus dem eigenen Kartoffelacker zurückgreifen. Noch schlimmer wurde es in den ersten Monaten nach dem Krieg. Da dachte Mutter Ladurner wohl an die vollen Fleischtöpfe daheim auf dem Oberstaugerhof in Schenna und faßte einen verzweifelten Entschluß. Kurzerhand packte sie ihren jetzt zehnjährigen Ludwig und den siebenjährigen Karl, setzte sich mit den Buben in den Zug und fuhr mit ihnen zum Brenner. Das war im Sommer 1945 ein recht waghalsiges Unternehmen. Ein Weiterkommen schien aber da oben ganz unmöglich. Die Grenze war von schwer bewaffneten Besatzungssoldaten hermetisch abgeriegelt. Nur Leute mit genügend Stempeln in ihren Papieren durften passieren. Die meisten Reisenden wurden barsch zurückgewiesen, natürlich auch Frau Ladurner. Von der anderen Seite her winkte aber ihr Schwager Max. Ein Brief hatte ihn hierher bestellt. Nun konnte er sich ihr wenigstens so weit nähern, daß eine Verständigung möglich war. Onkel Max redete den Buben zu, sie sollten eine Stunde weit in den Wald hinauf klettern, dort die Grenze überqueren und ihn dann auf seiner Seite suchen. Schweren Herzens verabschiedete sich die Mutter von ihren Kindern. Der 10jährige faßte seinen kleinen Bruder an der Hand und stieg mit ihm tapfer in den von Felsen durchsetzten Hochwald hinauf. Die Mutter wartete am Schlagbaum. Endlich, nach mehr als drei Stunden, kam Schwager Max wieder und deutete ihr, daß er die Buben glücklich gefunden habe. Erleichtert konnte sie zu ihren anderen Kindern ins Flotzbach heimfahren. Nach fünf schweren Jahren im Krieg und in russischer Gefangenschaft kehrte endlich am Heiligen Abend 1946 auch der Vater wieder zurück. 1948 kam mit Josef das sechste Kind und 1952 als jüngstes noch Hubert zur Welt. Die großen Buben wurden inzwischen auf dem Oberstaugerhof wie eigene Kinder gehalten. Sie hatten genug zu 35 Bild 16: Der Oberstaugerbauer von Schenna. Großvater Josef Ladurner jun., geboren 1871. schistische Gesetze den Lebensraum der Südtiroler arg einengten, fand er mit seinen vielen Geschwistern wenigstens Arbeit und ein Auskommen auf dem großen Oberstaugerhof. Als er sich aber eine eigene Existenz aufbauen wollte, mußte er den Hof verlassen und als Maurer im Tal Arbeit suchen. 1935 heiratete er seine Frau Rosa und zog mit ihr zuerst nach Naturns, wo sie die Kinder Ludwig, 1935, und Anna, 1936, zur Welt brachte. Dann übersiedelten sie nach Latsch. Hier wurden wieder zwei Kinder geboren, Karl, 1938, und Erika, 1940. Inzwischen stellte Mussolinis Politik die Südtiroler vor eine bittere Entscheidung. Trotz aller italienischen Drohungen und obwohl Hitler Deutschland bereits in den Krieg geführt hatte, bekannten sich Karl und Rosa Ladurner wie die meisten ihrer Landsleute zum Deutschtum. Weil Karl als Maurer beweglicher war als die Bauern, die zuerst ihre Höfe verkaufen mußten, erhielt er schon bald den Ausweisungsbefehl. Der Zug der Auswanderer brachte die Familie Ladurner im Sommer 1941 nach Vorarlberg und zwar gleich nach Wolfurt. Hier fanden die Eltern mit ihren vier Kindern zwischen ein und sechs Jahren zuerst eine provisorische Unterkunft im obersten Stock des Gasthofs Rößle am Kirchplatz. Schon Mitte November konnten sie ins Flotzbach übersiedeln. Bei Schädlars Seppl hatte man für sie im zweiten Stock eine Wohnung eingerichtet, die nun für 18 Jahre ihre Heimstätte war. Frau Rosa erwartete wieder ein Kind. Im Februar 1942 kam Albert als ihr fünftes zur Welt. Drei Wochen danach 34 Bild 17: Familie Karl und Rosa Ladurner in Wolfurl (1956). Vier von den sieben Kindern waren noch im Südtirol zur Welt gekommen: Ludwig, Anna, Karl und Erika. Die drei jüngsten wurden in Wolfurt geboren: Albert, Josef und Hubert. Bild 18. Schlossermeister Ludwig Ladurner, 1935-1996 essen und mußten bei der Bauernarbeit fest mithelfen. Natürlich gingen sie in Schenna auch zur Schule und lernten dort im täglichen Unterricht jeweils eine Stunde Italienisch. Nach fünf Jahren kehrte Ludwig, jetzt ausgeschult, nach Wolfurt heim und begann eine Schlosserlehre in der Firma Doppelmayr. Karl folgte ihm ein Jahr später und absolvierte 1951/52 sein achtes Schuljahr wie 1944/45 sein allererstes wieder in Wolfurt. Jetzt erst war die Familie komplett. Der Vater hatte als Maurer Arbeit bei J.R. Schertler in Lauterach und später in der Firma Julius Bonath gefunden. Um das Jahr 1957 konnte er an der Kolumbanstraße einen Baugrund kaufen und dort ein großes Wohnhaus errichten. Wie es damals üblich war, machte er mit Hilfe aller Familienmitglieder die meisten Bauarbeiten selbst. Sogar Sand und Kies schaufelte er schon am frühen Morgen im Flußbett der Ach zusammen. Und jeden Abend werkte er nach „Feierabend" noch bis in die Nacht hinein auf seiner eigenen Baustelle. Dabei hat er sich wohl überarbeitet. Er konnte noch mit seiner Familie in das neue Haus übersiedeln, aber schon im Juni 1964 ist Karl Ladurner, erst 59 Jahre alt, gestorben. 36 Die sieben Kinder wuchsen zu tüchtigen Menschen heran, erlernten Berufe und gründeten alle eigene Familien. Darüber hinaus waren Ludwig und Karl viele Jahrzehnte lang eifrige Mitglieder der Bürgermusik. Ludwig arbeitete nach der Schlosserlehre etliche Jahre bei Sulzer in Winterthur. Dann errichtete er ein eigenes Haus an der Weiherstraße und machte sich als Schlossermeister selbständig. Neben der täglichen schweren Arbeit in der Werkstatt suchte er einen Ausgleich als Flügelhornist bei der Musik und bei langen Wanderungen in den Bergen. Zwar konnte er auch große Erfolge bei sportlichen Wettkämpfen im Schi-Langlauf oder beim Radfahren verbuchen, aber am liebsten stieg er allein in die Berge hinauf. Als der 61jährige am 23. August 1996 wieder einmal die Rote Wand besteigen wollte, stürzte er am Ostgrat in den Tod. Nun führt sein Sohn Manfred Ladurner, Jahrgang 1963, die Schlosserei weiter. In dessen Kindern Ramona und Lukas wächst bereits die vierte Ladurner-Generation in Wolfurt heran. 37 Flüchtlinge aus dem Sudetenland Das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebten in Wolfurt auch viele Flüchtlinge, Kriegsgefangene und Zwangsdeportierte. Die meisten machten sich sofort auf den Rückweg in ihre Heimatländer. Andere wagten das nicht. Bis zum Sommer 1945 blieben jedenfalls noch über 70 Angehörige von Oststaaten im Ort, vor allem Tschechen, Letten, Ungarn und Polen. Zu ihnen stießen 1946 und 1947 weitere Vertriebene aus dem Osten, darunter vier Familien aus dem Sudetenland: Familie Kröner mit 4 Personen Familie Heider mit 4 Personen Familie Seichter mit 4 Personen Familie Hanke mit 2 Personen Später kamen auch noch die Familien Bürger, Schmutzer und Rentsch. Die Sudeten sind ein Grenzgebirge zwischen Tschechien und Schlesien. Nach ihm wurden alle Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei als Sudetendeutsche bezeichnet. Viele Jahrhunderte lang waren sie Österreicher gewesen. Beim Zerfall der Donaumonarchie beanspruchte 1918 die neu ausgerufene CSR das Sudetenland für sich. Gegen den Willen der Minderheiten wurden mehr als 3 Millionen Deutsche, aber auch 700.000 Ungarn und 500.000 Galizier mit den 7 Millionen Tschechen und 2 Millionen Slowaken vereinigt. Das führte sofort zu Spannungen, die durch den Nationalismus aller Seiten noch gesteigert wurden. Als Hitler mit Billigung von England und Frankreich im September 1938 die Abtretung der Sudetenländer an das Reich erzwang, holten sich auch Ungarn und Polen ihre Anteile von der Slowakei. Gegen alles Recht besetzten Hitlers Truppen im März 1939 auch die Rest-Tschechei. Im Protektorat Böhmen und Mähren wurden die Tschechen nun grausam unterdrückt. Im September begann dann der Krieg, der mit seinem schrecklichen Ende 1945 auch das bittere Ende des 700 Jahre alten engen Zusammenlebens von Deutschen und Tschechen in Böhmen und Mähren brachte. Mit Ausnahme des Ostteils der Slowakei, den Rußland für sich beanspruchte, wurden die Grenzen von 1918 neu aufgerichtet. Diesmal wollte sich die CSR aber des Minderheitenproblems auf andere Art entledigen. Die Deutschen wurden enteignet und des Landes verwiesen. In grausamen Todesmärschen schon 1945 und dann mit mehr als 1000 überfüllten Eisenbahnzügen 1946 wurden die 3 Millionen Deutschen vertrieben. Sehr, sehr viele starben dabei. Unter den Flüchtlingen war auch der 16jährige Walter Rentsch, der später viele Jahre lang der Wolfurter Gemeindevertretung angehörte. Von einem Sudetentreffen brachte er die folgende Kopie eines tschechischen Plakates mit. Der erste Teil in tschechischer Sprache schließt mit den Worten .... Kazde vraceni se zpet pres hranice se tresta smrti 38 Dann folgt die deutsche Übersetzung: Preklad: Befehl des Militärkommandanten. Die Einwohner deutscher Volkszugehörigkeit der Stadtgemeinden 1. Schluckenau, N.-Grafenwalde, Kaiserswalde, Königsheim, Rosenhain, Harrachsdorf, 2. Georgswalde, Philippsdorf, 3. Königswalde, 4. Schönau, Kl. Schönau, Ludvikovicky, Leopoldsruh, Dorf- und Stadtgemeinde Hainspach, Röhrsdorf ohne Unterschied des Alters und des Geschlechtes, verlassen am 25. Juni 1945 um 5 Uhr früh ihre Wohnungen und versammeln sich ad 1. am östlichen Rande der Stadtgemeinde Schluckenau aufdem Wege Richtung Fugau, ad 2. bei „ Weidmannsheil" auf der Straße nach Königswalde, ad 3. am westlichen Rande der Stadtgemeinde, ad 4. bei der Kreuzung der Straße und der Eisenbahnstrecke Schönau-Schluckenau. Diese Anordnung betrifft nicht die nachstehend angeführten Personen und die Familien derselben: I. 1. Ärzte, Tierärzte, Apotheker, Pflegepersonal und Feuerwehr. 2. Gewerbetreibende und Angestellte der im Gange befindlichen Versorgungsunternehmungen. 3. Schmiede, Schlosser, Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstätten, Schneider und Schuhmacher, die ihr Gewerbe betreiben. 4. Angestellte der im Gange befindlichen Fabriken und Unternehmungen. 5. Angestellte der Eisenbahn, der Post sowie der Verkehrsunternehmungen. Die unter Nr. 1 - 5 angeführten Personen haben sich mit einer Bestätigung der zuständigen Narodni vybor (Spravni komise) über ihre Beschäftigung auszuweisen. Falls sie sich entfernen, werden sie zurückgeführt und entsprechend bestraft. IL Die Ausweisung findet keine Anwendung auf Angehörige der kommunistischen und der sozialdemokratischen Partei, die sich mit einer Legitimation der Partei legitimieren und nachweisen können, daß sie wegen ihrer Gesinnung und der bejahenden Einstellung zur CSR. verfolgt d.h. inhaftiert oder ihres Postens enthoben wurden. Jeder Einzelperson, auf sie sich die Ausweisung bezieht, ist es gestattet, mitzunehmen: a) Lebensmittel auf 7 Tage und b) die allernotwendigsten Sachen für ihren persönlichen Bedarf in einer Menge, die sie selbst tragen kann; c) Personalbelege und alle Lebensmittelkarten samt der Haushalts-Stammkarte. Wertsachen: Gold, Silber und alle aus diesen Metallen hergestellten Gegenstände (Ringe, Broschen usw.), Gold- und Silbermünzen, Einlagebücher, Versicherungen, Bargeld, mit Ausnahme von 100 RM. pro Kopf sowie Photoapparate sind in ein Säckchen einzulegen oder in verschnürte Papierpäckchen einzupacken, unter Beischließung eines genauen schriftlichen Verzeichnisses dieser Wertsachen und unter Anführung der genauen Anschrift des bisherigen Wohnortes, der Wohnung und der Hausnummer. Diese Wertsachen in Säckchen werden an der Versammlungsstelle abgegeben. 39