18901022_lts006

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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:53
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp07,lts1890,lt1890,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

Vorarlberger Landtag. 6. Sitzung am 22. Oktober 1890, unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Adolf Rhomberg. Gegenwärtig: 19 Abgeordnete. Abwesend: Herr Bösch. Regierungsvertreter: Herr Statthaltereirath Graf Clemens St. JulienWallsee. Beginn der Sitzung 11 Uhr 35 Minuten Vormittags. Landeshauptmann: Die Sitzung ist eröffnet; ich ersuche um Verlesung des Protokolles der letzten Sitzung. (Sekretär verliest dasselbe.) Wird gegen die Fassung des Protokolles eine Einwendung erhoben? — Da dies nicht der Fall ist, nehme ich an, daß dasselbe genehm ist. Nach einem mir zugekommenen Telegramme des Herrn Abgeordneten Bösch läßt die Äußerung Seiner Majestät und Seiner Excellenz des Herrn Ministerpräsidenten die Deputation auf guten Erfolg ihrer Mission hoffen, was wir natürlich mit größter Freude zur Kenntniß nehmen. Es ist mir ein selbstständiger Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Weibel übergeben worden, den ich zu verlesen bitte. (Sekrerär liest Beilage XII.) Ich werde diesen Antrag nach § 24 der Geschäftsordnung in Druck legen und behufs formeller Behandlung auf eine der nächsten Tagesordnungen setzen. Wir kommen nun zur Tagesordnung. Der erste Gegenstand derselben ist der selbstständige Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Beck und Genossen betreffend die Remunerirung der Lehrer von landwirthschaftlichen Fortbildungsschulen. Ich erwarte aus der Mitte des h. Landtages einen Antrag über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes. Reisch: Dieser Gegenstand dürfte am füglichsten dem bereits bestehenden volkswirthschaftlichen 54 VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Ausschüsse zur Berathung und Antragstellung zugewiesen werden; ich beantrage daher die Zuweisung an diesen Ausschuß. Landeshauptmann: Der Herr Abgeordnete Reisch beantragt die Zuweisung dieses Gegenstandes an den volkswirtschaftlichen Ausschuß. Wünscht Jemand das Wort? — Es ist dies nicht der Fall, ich nehme daher an, daß das hohe Haus mit dem Anträge einverstanden ist und es wird die Zuweisung in diesem Sinne erfolgen. Der zweite Gegenstand ist der selbst ständige Antrag der Herren Abgeordneten Welte und Genossen betreffend Maßregeln zum Schutze der Felder vor Vögel- und Wildschäden. Ich erwarte auch hierüber einen Antrag über die formelle Behandlung. Welte: Ich beantrage diesen Gegenstand dem Gemeindeausschusse zur Vorberathung und Berichterstattung zuzuweisen. Landeshauptmann: Es ist die Zuweisung dieses Gegenstandes an den Gemeindeausschuß beantragt. Erfolgt gegen diesen Antrag eine Einwendung? — Wenn nicht, so nehme ich die Zustimmung der hohen Versammlung an, und ich werde diesen Gegenstand dem Gemeindeausschusse überweisen. Der dritte Gegenstand ist die Wahl des Landesausschusses im Sinne des § 12 der Landes-Ordnung. Der § 12 der Landes-Ordnung enthält über den Wahlmodus folgende Bestimmungen: (liest): „Ein Mitglied des Landesausschusses wird durch die von der Wählerklasse der Städte und der Handels- und Gewerbekammer gewählten Abgeordneten und ein Mitglied durch die von der Wählerklasse der Landgemeinden gewählten Abgeordneten aus der Mitte des Landtages gewählt. Das dritte und vierte Mitglied wird von der ganzen Landesversammlung aus ihrer Mitte gewählt. Jede solche Wahl geschieht durch absolute Mehrheit der Stimmenden. Kommt bei der ersten und zweiten Wahlhandlung keine absolute Mehrheit zu Stande, so ist die engere Wahl zwischen jenen beiden Personen vorzunehmen, welche bei der zweiten Wahlhandlung die meisten Stimmen erhalten haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos." Der § 13 handelt von der Wahl der Ersatzmänner und bestimmt Folgendes (liest): „Für jedes Ausschußmitglied wird nach dem Wahlmodus des vorigen Paragraphen ein Ersatzmann gewählt. Wenn ein Ausschußmitglied während der Landtag nicht versammelt ist, mit Tod abgeht, austritt oder auf längere Zeit an der Besorgung der Ausschußgeschäfte verhindert ist, tritt der Ersatzmann ein, welcher zur Stellvertretung jenes Ausschußmitgliedes gewählt worden ist. Ist der Landtag versammelt, so wird für das bleibend abgängige Ausschußmitglied eine neue Wahl vorgenommen." Ich werde also zunächst zur Wahl des Landesausschußmitgliedes aus der Curie der Städte, der Handels- und Gewerbekammer und des Marktes Dornbirn schreiten und ersuche die Herren Abgeordneten dieser Gruppe zunächst das Mitglied für den Landesausschuß zu wählen. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Dekan Berchtold und Reisch gefälligst das Scrutinium zu übernehmen. (Geschieht.) Reisch: 6 Stimmzettel sind abgegeben worden. Berchtold: Das Ergebniß der Wahl ist folgendes: Herr Dr. Beck hat 5 und Herr Wolf 1 Stimme erhalten. Landeshauptmann: Es ist daher Herr Dr. Beck als Mitglied des Landesausschusses gewählt. Run kommen wir zur Wahl des Mitgliedes aus der Gruppe der Landgemeinden und ersuche ich die Herren Abgeordneten der Landgemeinden ihre Stimmzettel auf ein Mitglied abzugeben. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Dr. Beck und Johannes Thurnher gefälligst das Scrutinium vorzunehmen. Johannes Thurnher: 13 Stimmzettel wurden abgegeben: Dr. Beck: Von den abgegebenen Stimmen erhielt Herr Johannes Thurnher 13 und Herr Fink 1. VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 55 Landeshauptmann: Es ist somit Herr Johannes Thurnher als Ausschußmitglied für die Kurie der Landgemeinden gewählt. Nun kommt die Wahl von zwei Ausschußmitgliedern, welche durch das ganze Haus zu wählen sind, wollen daher die Herren zwei Namen schreiben. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Dr. Fetz und Dr. Waibel gefälligst das Scrutinium vorzunehmen. (Geschieht.) Dr. Waibel: 19 Stimmzettel sind abgegeben worden. Dr. Fetz: Von den abgegebenen Stimmen sind 16 auf Herrn Reisch und 15 auf Herrn Martin Thurnher gefallen. Landeshauptmann: Es sind somit die Herren Reisch und Martin Thurnher als Mitglieder des Landesausschusses aus dem ganzen Hause gewählt. Nun kommen wir zur Wahl der Ersatzmänner und ich ersuche die Wahl wieder in derselben Reihenfolge vorzunehmen; also zunächst die Herren Abgeordneten der Städtegruppe den Ersatzmann in den Landesausschuß zu wählen. (Wahlakt.) Ich bitte die Herren Abgeordneten Martin Thurnher und Fritz gefälligst das Scrutinium vorzunehmen. (Geschieht.) Fritz: Es wurden 6 Stimmzettel abgegeben. Martin Thurnher: Von den abgegebenen Stimmen erhielten die Herren Dr. Waibel 3 und Dr. Fetz 2, ein Stimmzettel ist leer. Landeshauptmann: Es ist also die absolute Majorität nicht erreicht, weil 6 Stimmzettel abgegeben worden sind, ich ersuche daher nochmals zur Wahl zu schreiten. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Abgeordneten Nägele und Welte gefälligst das Scrutinium vorzunehmen. (Geschieht.) Welte: Ich constatire, daß 6 Stimmzettel abgegeben wurden. Nägele: Von den abgegebenen Stimmen haben die Herren Dr. Waibel 4 und Dr. Fetz 2. Landeshauptmann: Es ist somit Herr Dr. Waibel als Ersatzmann der Städtegruppe in den Landesausschuß gewählt. Nun kommen wir zur Wahl des Ersatzmannes für die Gruppe der Landgemeinden und bitte ich, die Stimmzettel abzugeben. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Abgeordneten Büchele und Greißing gefälligst das Scrutinium übernehmen zu wollen. (Geschieht.) Büchele: Es sind 13 Stimmzettel abgegeben worden. Greißing: Von den abgegebenen Stimmen hat Herr Fink 11, Herr Greißing 1 und Herr Nägele 1 Stimme erhalten. Landeshauptmann: Es ist somit der Herr Abgeordnete Fink als Ersatzmann aus der Landgemeindegruppe in den Landesausschuß gewählt. Wir kommen nun zur Wahl der Ersatzmänner, die von dem vollen Hause zu wählen sind. Da für jedes einzelne Ausschußmitglied der Ersatzmann zu wählen ist, so ersuche ich diese Wahl in zwei Wahlgängen vorzunehmen und zunächst den Ersatzmann für den Herrn Abgeordneten Reisch zu wählen. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Heinzle und Rüf gefälligst das Scrutinium bei dieser Wahl vorzunehmen. (Geschieht.) Rüs: 19 Stimmzettel wurden abgegeben. Heinzle: Nach den abgegebenen Stimmzetteln haben die Herren Nägele 16, Welte, Wolf und Dietrich je eine Stimme erhalten. Landeshauptmann: Es ist somit Herr Nägele als Ersatzmann für Herrn Reisch in den Landesausschuß gewählt. Nun kommen wir zur Wahl des Ersatzmannes für Herrn Martin Thurnher. (Wahlakt.) 56 VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Ich ersuche die Herren Abgeordneten Schapler und Fink gefälligst das Scritinium vorzunehmen. (Geschieht.) Schapler: 19 Stimmzettel wurden abgegeben. Fink: Es haben die Herren Greißing 13, Büchele 2, Wolf, Dr. Fetz, Schapler und Büchele je eine Stimme erhalten. Landeshauptmann: Es ist also Herr Greißing als Ersatzmann für Herrn Martin Thurnher berufen und somit der Landesausschuß von Seite des hohen Hauses gewählt und kann in Function treten. — Wir kommen nun zum nächsten Gegenstand der Tagesordnung, nämlich zur Wahl eines Mitgliedes in die Landesvertheidigungs-Oberbehörde gemäß § 5 des Gesetzes vom 23. Jänner 1887. Demnach ist die kk. LandesvertheidigungsOberbehörde in Gemäßheit der auf Grund des § 27 des Landesgesetzes getroffenen Verfügungen des Landesvertheidigungsministers zur Oberleitung des Landesvertheidigungswesens in Tyrol und Vorarlberg berufen. Sie besteht aus dem Statthalter oder dessen Stellvertreter, dem Landeshauptmanne von Tyrol oder dessen Stellvertreter im Landesausschusse, aus zwei Abgeordneten des Tyroler- und aus einem Abgeordneten des Vorarlberger-Landtages rc. Es ist daher Seitens des hohen Landtages ein Mitglied in diese Behörde zu wählen. (Wahlakt.) Ich ersuche die Herren Reisch und Dekan Berchtold nochmals das Scrutinium vornehmen zu wollen. (Geschieht.) Reisch: 20 Stimmzettel sind abgegeben worden. Berchtold: Das Ergebniß der Wahl ist folgendes: Herr Martin Thurnher hat 15 Stimmen, Herr Dr. Fetz 2, Herr Dr. Beck 1, Herr Johannes Thurnher ebenfalls 1 Stimme erhalten, und ein Stimmzettel ist leer. Landeshauptmann: Es ist somit der Herr Abgeordnete Martin Thurnher als Mitglied in die Landesvertheidigungs-Oberbehörde gewählt. Wir kommen zum nächsten Gegenstand der Tagesordnung, nämlich zum Berichte des Gemeindeausschusses über den Gesetzentwurf betreffend die Abänderung der §§ 21, 22, 27, 40, 41, 45, 90 und 91 der Gemeindeordnung für Vorarlberg. Ich ersuche den Herrn Berichterstatter Martin Thurnher gefälligst den Bericht vorzutragen. Berichterstatter Martin Thurnher: (liest den Bericht. Beil. VI.) Landeshauptmann: Ich eröffne über den Bericht und den Gesetzentwurf die Generaldebatte. Dr Waibel: Wenn der Herr Abgeordnete Nägele es erlaubt, dann bin ich so frei über diese Vorlage einiges zu sprechen. Ich habe schon in der letzten Sitzung mich dahin ausgesprochen, daß ich es als der Landesvertretung unwürdig erachte, solche Gesetzesflickereien vorzunehmen, wie sie vom hohen Landtage geübt worden sind, und wie sie auch heute wieder vorliegen. Der Herr Abgeordnete Johannes Thurnher hat sich auf die Praxis der Engländer berufen und erklärt, die Landesversammlung von Vorarlberg folge in dieser Hinsicht dem leuchtenden Beispiel des englischen Parlamentes. Nun steht die Sache aber nach meiner Auffassung anders als Herr Thurnher sich dieselbe vorstellt, denn die Gesetzpraxis ist in England eine vollkommen andere als dieselbe auf unserem Kontinnent ist. Solche Kodificationen, wie sie bei uns üblich sind bestehen dort im Allgemeinen nicht. Der Engländer handelt im Allgemeinen nach Herkommen und Gepflogenheit und nur wo es nothwendig ist wird durch sogenannte Bills eine Norm geschaffen. Im Allgemeinen ist die englische Nation d. h. ihr Parlament in dieser Beziehung die conservativste Körperschaft, die wir kennen, und sie ist es nicht ohne Grund. Die Engländer haben eine mehrhundertjährige parlamentarische Praxis hinter sich und halten an einer Bestimmung die für dies oder jenes besteht so lange fest als möglich, so lange bis ein zwingender Grund vorliegt die Bestimmung zu ändern. (Johannes Thurnher ruft: So ist es in England.) Hier haben wir eine Novelle vor uns, von der ich speziell als Dornbirner in der Lage sein VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 57 Werde darzuthun, daß bei keinem der Paragraphe nach meiner Auffassung eine zwingende Nothwendigkeit vorhanden war, die Abänderungen vorzunehmen die hier vorgeschlagen wurden. Die Paragraphe 21, 22, 40 und 41 sind gewissermaßen eine Folge jenes kleinen Gesetzes, welches hier im Jahre 1886 beschlossen und mit welchem § 14 der Gemeindeordnung ganz ohne jeden Grund abgeändert worden ist. § 14 der Gemeinde-Ordnung sagt in seiner alten Fassung: „In jeder Gemeinde haben zur Vertretung verhinderter oder abgängiger Ausschußmitglieder Ersatzmänner zu bestehen, derer Zahl die Hälfte der Zahl der Ausschußmitglieder zu betragen hat." Diese Bestimmung ist durch das Gesetz vom Jahre 1887 dahin abgeändert worden, daß man sagt: „In jeder Gemeinde haben zur Vertretung verhinderter oder abgängiger Ausschußmitglieder Ersatzmänner zu bestehen, deren Zahl jener der Ausschußmitglieder gleichkommt." Ich frage nun, was war für eine Veranlassung vorhanden, diese Änderung vorzunehmen. Der § 21 der Gemeindeordnung gibt ja ein Mittel an die Hand einen etwa sich ergebenden völligen Abgang von Ersatzmännern zu ergänzen und zwar in einer vollkommen sicheren Weise. Es war also gar kein Grund vorhanden die Zahl der Ersatzmänner zu vermehren um der Vertretung eine sichere Existenz zu geben. Es ist um diesen Antrag, der damals gestellt worden ist, zu begründen, zu einer Motivirung gegriffen worden, die wirklich merkwürdig ist. Man hat die Hauptsache umgangen und hat gesagt, die Ersatzmänner seien nothwendig zu vermehren, damit man sie in jeder Beziehung mit Ansschußarbeiten beschäftigen könne. Das ist dem Gesetze vollkommen widersprechend. Die Ersatzmänner sind nicht zu diesen Arbeiten einzuberufen, sondern sie sind in den Ausschuß zu berufen, wenn ein Ausschußmitglied abgeht, oder durch längere Zeit verhindert ist an den Verhandlungen des Ausschußes theilzunehmen. In diesem Falle wird der Ersatzmann ständiges Mitglied des Ausschußes, eine anderweitige Heranziehung des Ausschußmannes ist aber sowohl dem Gesetze als auch der Praxis vollkommen widersprechend. Denn wie soll vernünftiger Weise ein Gemeinde-AusschußErsatzmann zu Arbeiten herangezogen werden und mit Interesse daran arbeiten, wenn ihm nicht Gelegenheit gegeben wird, auch dann mitzuwirken, | wenn ein Beschluß gefaßt wird d. h. im Gemeindeausschuß. Wenn ich Ersatzmann wäre und es würde der Gemeindevorsteher an mich eine solche Zumuthung richten, so würde ich offen erklären: Herr Gemeindevorsteher und meine Herren Gemeindeausschuße, ich bedaure Ihrer Einladung nicht folgen zu können, arbeiten Sie selbst, Sie sind dazu von den Wählern berufen worden und Sie werden das in Ihrer Körperschaft gerade so gut können, wie es der hohe Landtag macht und andere Körperschaften. Wir haben in unserer Gemeinde um die Motivirung Thurnher‘s zu erproben einen Versuch gemacht und haben die Erfahrung gemacht, daß ein großer Theil der Herren sich an den Arbeiten gar nicht beteiliget hat. Ich muß bemerken, daß die Auffassung bezüglich der Ersatzmänner überhaupt ziemlich unklar ist. Wenn man, um die Sache recht beurtheilen zu können einen Vergleich zieht, was für Vorschriften in dieser Hinsicht in den Statuten der Städte Innsbruck, Roveredo, Trient und Bozen und in allen anderen Städten, welche ein selbstständiges Statut haben, enthalten sind, so macht man die Wahrnehmung, daß in diesen Statuten gar keine Ersatzmänner für die Gemeindevertretung vorgesehen sind. Das Institut der Ersatzmänner besteht dort gar nicht, und warum? Es besteht da nur die Einrichtung, daß alljährlich Ersatzwahlen stattfinden und bei diesen Ersatzwahlen werden dann jene Gemeindausschuße, welche im Laufe des Jahres abgängig geworden sind, wieder ersetzt. Man ruft nicht die Ersatzmänner ein, weil man eben keine hat, sondern man wartet ruhig ab, bis das Verwaltungsjahr abgelaufen ist und dann schreitet man zur neuerlichen Wahl. Bei einer dreijährigen Wahlperiode muß allerdings das Institut der Ersatzmänner geschaffen werden und da ist die Einrichtung mit der Hälfte der Zahl der Ersatzmänner in Verhältnis zu den Ausschußmännern vollkommen ausreichend. Auch die zu § 27 vorgeschlagene Änderung scheint mir nicht nothwendig, am allerwenigsten die Abänderung der §§. 90 und 96. Nachdem nun ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung über dieses Gesetz keine Aussicht hat durchzudringen, so muß ich mir aber doch vorbehalten bei den einzelnen § §. insoweit es mir nothwendig erscheint, meine Erinnerungen zu machen. 58 VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. 1. Session der 7. Periode 1890. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? Johann Thurnher: Der geehrte Herr Vorredner hat es heute als der Landesvertretung unwürdig erachtet, an den Gesetzen herumzuflicken oder wie der parlamentarische Ausdruck heißen würde, Gesetzesabänderungen zu machen in der vom Vorarlberger Landtage seit einer Reihe von Jahren beliebter Weise. Ob nun Herr Dr. Waibel dies als des Hauses würdig oder unwürdig erachtet, ist Geschmacksache und wir werden uns noch mehr als einmal es gefallen lassen müßen, daß er dies als der Landesvertretung unwürdig erklärt. Herr Dr. Waibel hat meinen Ausspruch von der letzten Sitzung citirt, daß wir in Bezug auf Abänderung von Gesetzen dem Beispiele der Engländer folgen und hat dann heute in erster Linie gemeint, wir thun das nicht, und kaum zwei Sätze später hat Herr Dr. Waibel zugestanden, daß in England die Gesetze auch durch sogenannte Bills geändert werden, wo es nothwendig sei. Run wir thun das auch nur wo wir es für nothwendig erachten und thun das noch in einem weiteren Falle, nämlich wo wir es für nützlich erachten. Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit dieser Abänderungen sind bereits im Berichte auseinandergesetzt worden und es wird der Herr Berichterstatter, der das Schlußwort hat, gewiß nicht ermangeln seinen Bericht zu vertheidigen. Ich möchte nur noch etwas hervorheben. Wenn der Herr Vorredner gesagt hat, daß die Ersatzmänner es ablehnen und Gründe dafür angeben können, wenn sie nicht zu den Arbeiten herangezogen werden, indem sie nämlich an den Ausschußarbeiten nicht theilnehmen und sohin keine Kenntnis von den Vorgängen in dem Gemeindeausschüße haben, so ist das nun im verschärften Maße der Fall, seit es dem Herrn Vorredner im Bunde mit seinen Gesinnungsgenossen gelungen ist, dem Paragraphe über die Ersatzmänner eine solche Deutung zu geben, daß ein Ausschußmitglied gleich einen langen Zeitraum vielleicht 1/4 oder 1/2 Jahr oder noch mehr verhindert sein muß, damit es der Bürgermeister würdiget, daß der Ersatzmann in den Ausschuß einzutreten berufen sei. Wer im Gemeindeleben mitthut, hat Gelegenheit genug wahrzunehmen, daß das eine und andere Ausschußmitglied wegen geschäftlicher Verhinderungen nicht zu den Ausschußsitzungen kommt, und daß eine gewisse Laxheit bei dem einen oder anderen Gmeindeausschuß-Mitgliede eintritt und dieselben nicht fleißig zu den Sitzungen kommen. Wenn man nun bei solchen einzelnen Verhinderungen auch fernerhin die Praxis beibehalten würde, daß der Ersatzmann nur bei langer Dauer der Verhinderung eines Ausschußmitgliedes in die Gemeindestube treten dürfe, dann würde es so zu sagen nie dazu kommen. Es ist daher die Änderung des betreffenden Passus, für welchen der Herr Bürgermeister und seine Gesinnungsgenossen eingetreten sind nicht blos nothwendig sondern auch nützlich. Die weitere Vertheidigung des Gesetzentwurfes und Berichtes kann ich nach dem Gesagten füglich dem Herrn Berichterstatter überlassen sowie auch für die Spezialdebatte mir weitere Bemerkungen vorbehalten. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? — Wenn dies nicht der Fall ist, so erkläre ich die Generaldebatte für geschlossen. Wünscht vielleicht der Herr Berichterstatter noch das Wort? Berichterstatter Martin Thurnher: Ich werde mich ganz kurz fassen. Der Herr Abgeordnete Dr. Waibel hat es als der Landesvertretung unwürdig bezeichnet, wenn Gesetze nicht allgemein sondern nur durch Spezialgesetze zur Abänderung gelangen. Es ist schon in der letzten Sitzung hervorgehoben worden, daß im Laufe der Zeit dieses Vorgehen sich als nothwendig herausgestellt hat, wenn man zum Ziele gelangen will. Ich kann mich erinnern, daß, als ich das erste Mal vor 8 Jahren in dieses hohe Haus trat, es sich um die Abänderung von 2 Paragraphen der Gemeinde-Wahl-Ordnung gehandelt hat. Es sollten abgeändert werden §§ 3 und 15 derselben. Mit der Abänderung des § 3 zeigte sich die Regierung einverstanden, nicht aber mit § 15 und die Folge davon war, daß sowohl jener Paragraf, welcher ihr genehm war, als auch der andere der nicht genehm war, die kaiserliche Sanction nicht erhielt. Im Jahre 1883 hat man nun auf meine Anregung den Versuch gemacht, ob man nicht derartige Änderungen in mehreren in der gleichen Session einzubringenden VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 59 Gesetzentwürfen erzielen könnte. Die damals maßgebenden Persönlichkeiten im Landtage meinten, das gehe nicht an, aber meinem ungestümen Drängen nachgebend, hat man eine Anfrage an Seine Excellenz den Herrn Ministerpräsidenten gerichtet und in der That ist sofort die telegraphische Antwort zurückgekommen, es unterliege keinem Anstande in derartiger Weise in einer Session der hohen Regierung mehrere Gesetzentwürfe zu unterbreiten. Man ging nun so vor und so war der Landtag in die Lage gesetzt, nicht mehr umsonst arbeiten zu müssen, sondern fortan in dieser Beziehung wie die Herren wissen, auch Erfolge seiner Bestrebungen zu verzeichnen hatte. Wenn man nun geglaubt hätte, daß einer oder der andere der uns heute vorliegenden Paragrafe, nach der im letzten Jahre angenommenen Fassung der allerhöchsten Sanction nicht hätte unterbreitet werden können, so würde man damals aus dem vorliegenden Entwürfe vielleicht 2 oder 3 Vorlagen gemacht haben, dann wären wenigstens die §§ 21, 22, 40, 41 und 45 heute schon in Gesetzeskraft. Ich glaube wir sollten an dem, was sich in der Praxis bewährt, festhalten und in gleichem Sinne auch heute vorgehen. Es ist in der Debatte auch noch der § 14 der Gemeindeordnung, der früher abgeändert wurde und in der neuen Fassung bereits Gesetzeskraft erlangt hat, angezogen und hingewiesen worden, daß die Begründung damals nicht alle Momente enthalten habe, die eigentlich zur Vornahme der Abänderung bestimmt haben. Die Gründe, die damals im Ausschußberichte vorgebracht worden sind, sind alle richtig. Die Gemeinden haben sehr viel Arbeit, es ist daher gut, wenn diese Arbeit auf mehrere Schultern vertheilt wird, es werden sonst die Einen zu ermattet und andererseits, wenn man mehrere heranzieht, wachsen immer wieder gute Kräfte nach, die sonst verborgen geblieben wären und wenn zu diesen stichhaltigen Gründen noch weitere dazu kommen, die nicht speziell im Berichte aufgeführt wurden, so war der Gesetzentwurf um so berechtigter. Ich kann mich noch erinnern, aus den Verhandlungen des Gemeindeausschusses in Dornbirn, daß gerade bezüglich der Nothwendigkeit der heute in Vorschlag gebrachten Änderung Herr Dr. Waibel mehrmals auf die Nothwendigkeit und das Bedürfnis der Abänderung hingewiesen hat und zwar insbesondere bezüglich der Einberufung der Ersatzmänner und derselbe hat dem Landtage in früherer Zeit Vorwürfe gemacht, daß derselbe auf eine Abänderung dieser Bestimmungen nicht eingegangen sei. Heute, nachdem auf eine solche Änderung eingegangen wird, will er nichts mehr davon wissen und bekrittelt dieselbe. Über den Inhalt des Gesetzentwurfes habe ich jetzt nichts zu sagen, ich behalte mir vor dies bei den einzelnen Paragrafen, ich betone nur im Allgemeinen, daß die Abänderungen, wie sie vom Landesausschusse früher vorgeschlagen und in diesem Jahr erneuert wurden, sich in der Praxis als nothwendig erwiesen haben, ich bitte daher in die Spezialdebatte dieses Gesetzentwurfes einzugehen. Landeshauptmann: Nachdem kein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung über diesen GesetzEntwurf gestellt worden ist, so werden wir zur Spezialdebatte übergehen und ich ersuche den Herrn Berichterstatter den § 21 zu verlesen. (Berichterstatter Martin Thurnher liest § 21.) Landeshauptmann: Wünscht Jemand das Wort? Dr. Waibel: Ich muß noch einmal auf das zurückkommen, was ich in der Generaldebatte gesagt habe. Die hier vorgeschlagene Abänderung besteht darin, daß der letzte Absatz des alten § 21 ausgelassen worden ist. Ich muß auf die Bemerkung des Herrn Vorredners noch die Gegenbemerkung machen, die hiezu gehört. Ich habe allerdings die Einzel-Abänderung der Gesetze schon in der vorigen Sitzung als etwas Unwürdiges bezeichnet und dieselben nur dann als begründet hingestellt, wenn wirklich eine zwingende Nothwendigkeit zu einer solchen Abänderung vorhanden ist. Es ist mir meine Auseinandersetzung etwas verdreht worden. Ich habe nicht gesagt, daß keine Änderungen vorzunehmen seien, ich habe nur betont, daß nicht ohne zwingende Nöthigung Änderungen vorgenommen werden sollen, weil dadurch das Ansehen der Gesetze leidet und deren Stabilität erschüttert wird. Ich habe deshalb die Engländer angerufen, weil diese uns das Beispiel geben, daß man nicht ohne Noth Gesetzesänderungen vornehmen soll. 60 VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Ich bin überzeugt, und Jeder, der in die Tiefe der Sache blickt, muß ebenfalls die Überzeugung gewinnen, daß die Abänderung des § 14 der Gemeinde-Ordnung, welche im Jahre 1886 vorgenommen wurde, nicht als ein Bedürfniß des Landes empfunden worden ist. Die Änderung des § 14 ist nur unternommen worden im Interesse gewisser Parteiwünsche von Dornbirn — einzig und allein aus diesem Grunde. Es hat sich darum gehandelt, durch Vermehrung der Ersatzmänner die Wählerzahl im I. Wahlkörper zu vermehren, um dadurch eine Rückwirkung auf den Bestand des II. Wahlkörpers zu erzielen, und das ist leider von der Minorität dieses hohen Hauses nicht durchblickt worden. Man hat die Abänderung ohne Bemerkung angenommen, und das ist — um es deutlich zu sagen — der Grund, warum ich diese Abänderung als der Landesvertretung unwürdig ansehe. Was im bezüglichen Motiven-Berichte vorgebracht wurde, habe ich nicht geglaubt und viele andere auch nicht. Hätte man diesen Paragrafen stehen gelassen wie er war, so hätte man heute den § 21 in seiner alten Fassung auch stehen lassen können. Die Weglassung des Nachsatzes im § 21 „Sollte jedoch der Abgang von Ausschußmännern derart sein, daß die Zahl der von einem Wahlkörper gewählten Ausschußmänner selbst durch die Einberufung der Ersatzmänner nicht ergänzt werden kann, so hat der bezügliche Wahlkörper auf Grundlage der nächsten Wählerliste, eine Ergänzungswahl für die noch übrige Dauer der Wahlperiode unverzüglich vorzunehmen" — hat vielleicht nach der Taktik, die der Herr Abgeordnete Martin Thurnher in diesem hohen Hause eingeführt hat, wieder eine neue Consequenz, die möglicherweise nur einen Parteigrund hat. In dieser Befürchtung beantrage ich, daß über § 21 zur Tagesordnung übergegangen werde. Landeshauptmann: Wünscht noch Jemand das Wort? — Wenn Niemand mehr zu sprechen wünscht, dann ist die Debatte geschlossen und ertheile ich dem Herrn Berichterstatter das Wort. Berichterstatter Martin Thurnher: Der Herr Vorredner hat gesagt, man soll nur dann Gesetzesabänderungen vornehmen, wenn eine Nothwendigkeit vorhanden ist. Eine Nothwendigkeit ist bei § 14 vorhanden gewesen, und sie ist es auch bezüglich dieser Paragraphen als Consequenz zu den frühern Änderungen und in Bezug auf die beantragten Änderungen zu § 22. Was noch weiter in Erinnerung gebracht worden ist über § 14 der Gemeinde-Ordnung, so muß ich noch einmal betonen, daß alle Gründe, die für die Vermehrung der Ersatzmänner vorgebracht worden sind, richtig waren. Wenn die Vermehrung der Ersatzmänner dazuhin noch eine Erweiterung des Wahlrechtes involvirt, so ist das nur um so besser und die vorgenommene Änderung um so nothwendiger und berechtigter. Landeshauptmann: Ich werde also zuerst über den Antrag des Herrn Dr. Waibel die Abstimmung einleiten. Herr Dr. Waibel beantragt, es sei über § 21 des vorliegenden Gesetzentwurfes zur Tagesordnung überzugehen. Ich ersuche jene Herren, welche diesem Anträge beipflichten, sich gefälligst zu erheben. Es ist die Minorität. Es kommt nun der Ausschuß-Antrag zur Abstimmung. Ich ersuche jene Herren, welche § 21 in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung annehmen wollen, sich gefälligst zu erheben. Es ist die Majorität. Ich bitte nun den § 22 zu verlesen. Berichterstatter: (liest § 22.) Landeshauptmann: WünschtJemanddasWort? Dr. Waibel: Ich muß gestehen, daß ich aus praktischen Gründen diese Abänderung nicht empfehlen kann und auch nicht dafür stimmen werde. Ich ziehe die alte Fassung dieses Paragrafen vor, welche lautet: „Die Bestimmungen des § 21 über die Berufung eines Ersatzmannes gelten auch für den Fall einer blos zeitweisen Verhinderung eines Ausschußmannes." Ich muß den § 22, wie er hier vorliegt, vergleichen mit dem dritten Absatz des § 40 der Gemeinde-Ordnung. Der dritte Absatz dieses Paragrafen des vorliegenden Gesetzentwurfes ist vollkommen neu und lautet: „Jenes Mitglied des Ausschusses hat im Falle der Verhinderung zur Theilnahme an der Sitzung den Gemeinde-Vorsteher hievon rechtzeitig mündlich oder schriftlich zu verständigen, damit derselbe nach VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 61 § 22 die Ersatzmänner, soweit als nothwendig, einberufen kann." Was ist nun mit dem Ausdruck „soweit als nothwendig" gesagt. Ich kann mir die Nothwendigkeit nur so denken, daß so viele Ersatzmänner einberufen werden müssen, als nothwendig sind, um die Versammlung beschlußfähig zu machen. (Martin Thurnher ruft: das ist nicht richtig.) Ich gewärtige über diesen Punkt Aufklärung, welche um so nothwendiger ist, wenn man den neuen § 22 in der jetzigen Fassung stehen läßt. Es heißt in demselben: „Ist ein Ausschußmann vorübergehend verhindert, an den Sitzungen des Ausschusses theilzunehmen, so ist der Ersatzmann für die Zeit der Verhinderung jedesmal zur Sitzung einberufen." Wenn man also beide §§ vergleicht, dann wird nach dem Wortlaute derselben bei jeder Sitzung eine Einberufung der Ersatzmänner stattzufinden haben, was nach der Geschäftsordnung ohnehin geschieht und da wird man zu gewärtigen haben, ob Alle kommen oder nicht. Bei uns in Dornbirn, wo wir eine Geschäftsordnung für Gemeinde-Ausschußsitzungen haben und wahrscheinlich auch in andern Gemeinden besteht die Vorschrift, daß die betreffenden Herren, welche eingeladen werden, sogleich die Bemerkung zu machen haben, ob sie kommen oder nicht. Eine jedesmalige Einberufung hat aber nach meiner Ansicht nur dann eine Berechtigung, wenn sie voll- i kommen durchgeführt werden kann. Nun kann es aber vorkommen, daß in Gemeinden, in denen die Wohnungen der Gemeinde-Ausschußmitglieder weit aus einander liegen, noch am letzten Tage für den Einen oder den Andern eine Verhinderung eintritt, und es ist dann nicht möglich, daß eine rechtzeitige Verständigung des Ersatzmannes durch den Gemeinde-Vorsteher erfolgen kann, wodurch Inconsequenzen entstehen. Ich bin der Ansicht, daß nur dann die Ersatzmänner einzuberufen feien, wenn die Verhinderung eine länger dauernde ist. Nur in dem Falle ist der Ersatzmann auch in der Lage, an den Ausschußberathungen theilzunehmen, wenn er als ständiges Mitglied für eine Reihe von Sitzungen in den Ausschuß kommt und nicht nur hie und da wegen Bequemlichkeit eines Mitgliedes. Wenn sie diesen Paragraf in der vorgeschlagenen Fassung annehmen, so führt das dazu , daß die Herren Ausschuß-Mitglieder sich an den Ausschußsitzungen sehr wenig betheiligen oder gar nicht kommen werden und dafür die Ersatzmänner herhalten müssen. Es muß nach meinem Dafürhalten ein wichtiger, annehmbarer Grund vorhanden sein, um den Ersatzmann einzuberufen und ein solcher ist nur dann vorhanden, wenn ein Ausschußmitglied durch Krankheit oder andere wichtige Umstände auf längere Zeit verhindert ist, an den Sitzungen und Geschäften des Gemeindeausschusses sich zu betheiligen. Ich fasse die Sache so auf und habe es in der Praxis auch so durchgeführt, ich pflege nur im Falle einer längeren Verhinderung mit Dekret den Ersatzmann einzuberufen und derselbe weiß dann auch, daß er so lange dem Gemeindeausschüsse angehört und sich an den Berathungen desselben zu betheiligen hat, als die Verhinderung andauert. Ich darf die Herren wohl auch erinnern an die Vorschrift, welche im Landesausschusse besteht. Es heißt dort ausdrücklich im § 13 der Landesordnung: „Wenn ein Ausschußmitglied , während der Landtag nicht versammelt ist, mit Tod abgeht, austritt, oder auf längere Zeit an der Besorgung der Ausschußgeschäfte verhindert ist, tritt der Ersatzmann ein, welcher zur Stellvertretung jenes Ausschußmitgliedes gewählt worden ist." Wenn also correct vorgegangen wird, so kann nicht für jede Sitzung nach Belieben ein Ersatzmann einberufen werden, sondern es muß eine längere Verhinderung constatirt sein. Es soll eben faulen Mitgliedern des Ausschusses nicht Gelegenheit gegeben werden, sich durch den Ersatzmann vertreten zu lassen. Die Ausschußmänner sind durch den Volkswillen berufen, die Arbeiten des Ausschusses zu übernehmen und durch die Übernahme des Mandates sind sie auch verpflichtet, diese Arbeiten auszuführen, der Ersatzmann soll parat stehen, wie die Reserve einer Armee einzutreten, wenn eine empfindliche Lücke entsteht. Ich bin Praktiker in dieser Angelegenheit. Wenn man jährlich 18 bis 20 Mal den Gemeindeausschuß einberuft, und dies schon durch einige 20 Jahre gethan hat, besonders in einer Gemeinde, wie die unserige ist, wo das Amt eines Gemeindevorstehers nicht so leicht ist, indem Alles mit kritischen Augen geprüft wird, da wird man ziemlich vorsichtig und ich befürchte, daß durch die Annahme dieses Paragrafen der Gemeindevorsteher bezüglich der Einberufung von Ersatzmännern 62 VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1893. eine Reihe von Sekaturen durchzumachen haben wird, das wird die Consequenz sein. Die Einberufung des Ersatzmannes nach dem Belieben eines faulen Gemeindeausschußmitgliedes — wir haben in jeder Gemeinde auch faule Gemeindeausschußmitglieder — führt zu widerwärtigen Plackereien. Ich empfehle daher nicht etwa aus Parteigründen, sondern lediglich aus Gründen praktischer Natur diesen neuen Paragrafen fallen zu lassen und die alte Textirung aufrecht zu erhalten. Johann Thurnher: Der Herr Vorredner hat mit großem Zeit- und Redeaufwand seine Anschauungen, die er sich seit einigen Jahren in Dornbirn über die Einberufung von Ersatzmännern eigen gemacht hat, vertheidiget, wie sich dies wohl selbst versteht, indem Jeder seine Anschauungen vertheidiget, wenn sie auch von der großen Mehrheit nicht getheilt werden. Er ist dabei so weit gegangen die Nothwendigkeit der Einberufung von Ersatzmännern blos in dem Falle gelten zu lassen, wenn die Beschlußfähigkeit des Gemeindeausschusses in Frage komme, darüber hinaus habe die Einberufung der Ersatzmänner wenig Sinn. Ich glaube aber und Jedermann wird zugeben, daß das eine sehr engherzige Auffassung ist, und daß es doch viel richtiger ist, sich einfach an den Wortlaut des Begriffes Ersatzmann zu halten. Wann wird der Ersatzmann berufen? Offenbar dann wenn ein Ausschußmitglied verhindert ist, es kann dies aber auch geschehen, wie der Herr Bürgermeister von Dornbirn meint, um die Beschlußfähigkeit herbeizuführen, das kann aber gerade dahin führen, daß, wenn der Ersatzmann nur bei länger dauernder Verhinderung nicht aber bei zeitweiliger Verhinderung einberufen wird, der Gemeindeausschuß in Gefahr kommt, beschlußunfähig zu werden, wie dies in Dornbirn mehrere Male der Fall war. Es ist mir mehrmals der Vorwurf gemacht worden, ich hätte eine plötzliche Verhinderung nicht angezeigt. Ja ich mußte mich fragen, was hat denn meine Anzeige, das Hinsenden eines Boten, wenn dies auch rechtzeitig geschehen würde, für einen Sinn, wenn der Ersatzmann doch nicht einberufen wird. Es kann nur den Sinn haben, daß der Bürgermeister weiß, daß er auf eine Beschlußfähigkeit nicht mehr rechnen kann, und auch zur Bequemlichkeit der Ausschußmitglieder, damit diese wissen, daß sie nicht mehr zu warten brauchen. Also kann es für die Beschlußfähigkeit nur nützlich sein, wenn die Ersatzmänner jedesmal einberufen werden, so oft ein Ausschußmitglied sich verhindert glaubt. Inwieweit es aber möglich ist die Ersatzmänner einzuberufen, das ist eine andere Frage, wenn es aber möglich ist wird es immer gut sein, die Einberufung der Ersatzmänner vorzunehmen. Die Einberufung der Ersatzmänner kann aber auch noch einen anderen Sinn haben, als der Herr Bürgermeister meint. Wir haben verschiedene Wahlkörper und es kann den Vertretern der einzelnen Wahlkörper, ja den Wählern selbst nicht gleichgültig sein, daß bei einer oder anderen wichtigen Ausschußsitzung die Ersatzmänner wegen des Umstandes einer bloß zeitweiligen Verhinderung eines Ausschußmitgliedes nicht einberufe« werden und dadurch das Stimmenverhältniß verschoben wird. Vielleicht ist das die Ursache, warum der Herr Bürgermeister nur bei einer längeren Verhinderung eines Ausschußmitgliedes den Ersatzmann einberuft und denselben noch besonders mit Dekret ausstattet. Ich möchte daher den Herrn Bürgermeister von Dornbirn bitten, den gesetzlichen Bestimmungen nicht eine so engherzige, sondern eine mehr liberale, allgemeine Auffassung angedeihen zu lassen. Ich empfehle die Annahme des § 22 als nützlich und nothwendig. Dr. Waibel: Gerade die Ausführungen des Herrn Vorredners bringen mir ein Motiv für die Ablehnung des § 22 vor die Augen, welches sehr zu beachten ist. In Gemeinde-Vertretungen, in denen keine politische Partheien sich geltend machen, wird allerdings diese Bestimmung keine besondere Bedeutung haben, weil alle Mitglieder eines Herzens und eines Sinnes sind, wenn man es aber mit einander scharf gegenüberstehenden Partheien zu thun hat, so ist durch diese Bestimmung die Stellung des Gemeinde-Vorstehers in unangenehmster Weise exponirt. Es kann ein bloßer Zufall sein, daß durch die Einberufung der Ersatzmänner ein gewisses Übergewicht nach der einen oder anderen Richtung hervorgerufen wird, und dieses Übergewicht kann für die Beschlußfassung die Consequenz haben, daß gegen den Gemeinde-Vorsteher unangenehme Vorwürfe wachgerufen werden und s. w. Aus diesem VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. 63 Gesichtspunkte also sollte man um des Friedens innerhalb der Gemeinde-Vertretung willen diese Bestimmung nicht annehmen. Daß das Institut der Ersatzmänner für die Gemeinde-Ausschußsitzungen von Fall zu Fall nicht nothwendig ist, das beweist uns der Vorgang in den Vertretungen in Innsbruck, Bozen, Lienz und aller Städte die selbstständiges Statut haben. Da sind gar keine Ersatzmänner und dessenungeachtet machen sie doch ihre Arbeiten. Die Ersatzmänner sind nicht die Hauptsache, die Hauptsache sind die ständigen Mitglieder des Ausschußes, und es ist recht und billig wenn bei dauerndem Abgänge eines Ausschußmitgliedes der Ersatzmann zum ständigen Mitglied gemacht wird. Wenn Herr Thurnher sich dahin geäußert hat „warum verlangt man denn bei der Einladung nach der Geschäftsordnung von dem Eingeladenen, er möchte es bemerken wenn er verhindert sei" so muß ich zugeben, daß diese Vorschrift so gedeutet werden kann, wie Herr Thurnher meint, nämlich daß sogleich der Ersatzmann einberufen werden müße. Ich fasse die Sache anders auf. Ich fasse die Sache dahin auf, daß es Pflicht der Gemeinde-Vertretung ist, zu den Sitzungen zu kommen und daß es Sache des Anstandes ist, nicht wegen jeder bagattelmässigen Verhinderung von den Sitzungen ferne zu bleiben. Ich fasse es als einen Akt des Anstandes auf, daß Jeder der verhindert ist, so wie es auch in diesem Hause geschieht, seine Verhinderung anzeigt. Ich halte daher meinen Antrag auf Ablehnung des § 22 aufrecht. Nägele: Ich muß mir auf das, was Herr Dr. Waibel in der vorhergehenden Rede gesagt hat, auch einige Bemerkungen erlauben. Ich theile durchaus nicht seine Ansichten und gerade auch als Praktiker nicht. Ich habe wiederholt die Erfahrung gemacht, daß manchmal wegen Mangel an Mitgliedern, ohne dieselben als faul zu bezeichnen, gar keine Sitzung hätte abgehalten werden können, wenn man nicht die Ersatzmänner einberufen hätte. Schon von dem Standpunkte aus, daß es bei kleinen Gemeindevertretungen die nur acht Ausschußmitglieder haben, von denen, man kann sagen regelmäßig nur sechs kommen, sehr gut ist, daß die Zahl voll sei und überhaupt die Ersatzmänner durch deren Einberufung öfter auch in die Lage kommen von dem Geschäftsgänge wie er bei den Gemeinden vorkommt, Kenntniß zu erhalten, ich bin daher vollständig für die Fassung des Paragrafen wie er vorliegt. Johannes Thurnher: Ich bin dem Herrn Abgeordneten der Handelskammer sehr dankbar für das kostbare Geständnis, daß einer der Gründe, warum er für die zeitweilige Einberufung der Ersatzmänner nicht eingenommen ist, der ist, daß in gewissen Vertretungskörpern durch die Einberufung der Ersatzmänner das Stimmenverhältnis verschoben wird. Es ist mir das ein sehr liebes Geständnis. Andererseits muß ich aber erklären, daß ich die Furcht des Herrn Vorredners vor dem Übergewicht der Pariheigegner, nicht begreife. Sie sind ja mit zweidrittel Majorität da, und sie werden es dem dritten Theile wohl auch zu Gute erachten, wenn er ganz und voll vertreten sein will, so gut als es eben nur möglich ist. Es ist das um so wichtiger, weil die Minorität in Dornbirn die immense Majorität der Bevölkerung vertritt. Wenn man die Wählerlisten in Dornbirn anschaut, so findet man blos Hunderte von Wählern im ersten uiü) zweiten Wahlkörper und zwei bis gegen drei Tausend, welche den dritten Wahlkörper ausmachen. Das was also für ihn ein Grund ist gegen die Annahme des vorliegenden Paragrafen zu sein, ist für uns ein Grund dafür zu sein, daß die Ersatzmänner dann einberufen werden, wenn die wirklichen Mitglieder verhindert sind, und ich kann daher nicht anders als wiederholen, daß ich diese Abänderung für zweckmäßig, nützlich und nothwendig erachte und für dieselbe auch stimmen werde. Dr. Waibel: Meine Bemerkungen sind mir vom Herrn Thurnher wohl wissentlich anders gedeutet worden, als dieselben von mir gemeint waren. Wenn ich von Partheiverhältnissen gesprochen habe, so habe ich allerdings auch die Gemeinde Dornbirn im Auge gehabt, aber nicht diese allein. Es gibt auch Fälle, daß Partheien sich einander gegenüber stehen, bezüglich eines Gemeinde-Unternehmens und da können die Stimmenverhältnisse einander sehr nahe treten, und in solchen Fällen kann allerdings eigenmächtig durch Einberufung der Ersatzmänner die Beschlußfassung alterirt werden. Ich habe im Auge gehabt, daß auch bei uns Dinge zur Verhandlung kommen, 64 VI. Sitzung des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. die nicht lediglich politische Partheisachen sind, es scheidet sich da die Meinung ganz anders, als die Gruppirung der Partheien ist, und dies wird in andern Gemeinden auch der Fall sein. Ich habe meine Person am allerwenigsten dabei im Auge; denn nach den großen Triumphfesten, welche im Kasino zu Dornbirn abgehalten worden sind, nach Sanctionirung des § 14 der Gemeinde-Wahlordnung, wobei es sich darum gehandelt hat, den Dr. Waibel vom Throne zu stürzen, ist es ja doch aus mit mir. Es wird dies vielleicht gelingen, ich zweifle nicht daran; wenn es aber nicht gelingen sollte, so ist meine Person das allerwenigste bei der ganzen Angelegenheit. Es sind mir nur das Fest und die Reden, die dabei gehalten worden, ein neuer Beweis, daß dieser ganze gesetzgeberische Akt bezüglich des § 14 der Gemeinde-Ordnung und Gemeinde-Wahlordnung lediglich eine Parteiangelegenheit war und diese Parteibestrebungen sind eben dasjenige, was ich als unwürdig bezeichnet habe. Hochwstr. Bischof Dr. Zobl: Ich habe mir das Wort erbeten, um meine Auffassung bei diesem Paragraf kurz darzustellen, nicht aber um in die Parteikämpfe, die hier vorgekommen sind und die mich nichts angehen, einzugreifen. Nach dem gegenwärtigen Gesetze sind die Ersatzmänner dann einzuberufen, wenn es nothwendig ist. Nun ist die Frage, wann ist es nothwendig? Es haben sich hierüber zwei Ansichten gebildet, die eine davon geht dahin, daß eine Nothwendigkeit dann vorhanden sei, wenn der Ausschuß ohne Einberufung der Ersatzmänner nicht beschlußfähig ist, die andere, daß die Nothwendigkeit der Einberufung vorhanden sei, wenn ein Ausschußmitglied fehle, somit dessen Stimme entfallen würde und das Recht der Wähler, die dieses Mitglied entsendet haben, geschmälert würde. Ich habe darüber nicht zu entscheiden, welche Ansicht die richtigere ist, ich erkläre nur, daß ich der zweiten Anschauung beistimme, weil ich dieselbe