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Letzte Änderung 02.07.2021, 18:13
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp03,lts1871,lt1871,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-27
Erscheinungsdatum 2021-06-27
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Inhalt des Dokuments

13 Vorarlberger Landtag. 3. Sitzung am 16. September 1871 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Sebastian v. Froschauer. Gegenwärtig sämmtliche Abgeordnete mit Ausnahme der Herren Ferdinand v. Gilm, Carl Ganahl und Dr. August Thurnherr. Regierungsvertreter Herr Statthaltereirath Schwertling. Beginn der Sitzung um 10 3/4 Uhr Vormittags. Landeshauptmann: Ich eröffne die Sitzung. Das Protokoll der vorhergehenden wird abgelesen. [Sekretär verliest dasselbe. Da keine Bemerkung gegen die Fassung des Protokolles erhellt, nehme ich es als genehmigt an. Der Petitionsausschuß hat zu seinem Obmanne den Abgeordneten H. Johann Thurnherr und zu seinem Berichterstatter H. August Rhomberg bestellt. Das Comite für das Landsturmgesetz wählte zu seinem Obmanne Johann Thurnherr und zum Berichterstatter Herrn Dr. Jußel. Der Petitionsausschuß hat das Gesuch des Herausgebers des Vorarlberger Volksblattes Dr. v. Florencourt in Erwägung und Berathung gezogen und hat seinen Bericht gestern überreicht. Nachdem dasselbe von Seite des hohen Landtages als dringlich angesehen und behandelt wurde, habe ich mittelst Curenda von gestern aus heute Morgens Sitzung angeordnet und als Einzigen Gegenstand den HH. Abgeordneten bekannt gegeben, daß derselbe in der Entgegennahme des Comiteberichtes betreffend dieses Gesuch bestehe. Ich ertheile dem Herr Berichterstatter das Wort. Rhomberg: Das Petitionscomite hat das Gesuch des H. Dr. v. Florencourt der Erwägung unterzogen und beehrt sich nun dem hohen Landtage folgenden Bericht zu unterbreiten. 14 Comite-Bericht über das Gesuch des Herrn Dr. v. Florencourt, Herausgeber des „Vorarlberger Volksblatt" um Verwendung des hohen Landtages bei Sr. Majestät dem Kaiser um allergnädigsten Nachlaß der noch zu verbüßenden Haft. Hoher Landtag! In Erledigung des Gesuches des Herrn Dr. Bernhard v. Florencourt, Herausgeber des „Vorarlberger Volksblatt" um Verwendung bei Sr. Majestät dem Kaiser um Nachlaß des Restes seiner Strafe beantragt das Comite, der hohe Landtag wolle folgendes Bittgesuch an Se. Majestät beschließen. Euer kaiserl. und königl. Majestät! Allergnädigster Herr und Kaiser! Der treugehorsamste Landtag von Vorarlberg bittet ehrfurchtsvollst. Allerhöchstdieselben um gnädigsten Nachlaß des Strafrestes für Dr. Bernhard v. Florencourt, Herausgeber des Vorarlberger Volksblattes, aus folgenden Gründen: 1. Ist das Strafausmaß für seine Vergehen nach dem Urtheil der competentesten Justizmänner ein außerordentlich hartes. 2. Hat derselbe von seiner Haft von 9 Monaten und 8 Tagen von heute an nur noch 6 Wochen abzubüßen. 3. Beginnt die Haft für seinen Gesundheitszustand sehr nachtheilig zu werden. 4. Hat das k. k. Landesgericht in Feldkirch in Begutachtung eines dießfälligen Majestäts-Gesuches schon ehedem einen Strafnachlaß von 3 Monaten beantragt. Offenbar hatte der hohe Gerichtshof für diesen Antrag die im Urtheile mitausgesprochenen höchst gewichtigen Milderungsgründe im Ange. 5. Das Vergehen Florencourts als Zeitungsreporter für die conservative Partei des Landes ist wesentlich ein Preßdelict, dem die Allerhöchste Gnade der Amnestie bloß deßhalb nicht zu Theil wurde, weil das Delict nur aus streng formellen Gründen unter „Ehrenbeleidigung" rubrizirt wird. 6. Die von Florencourt vertheidigten patriotisch-conservativen Interessen lassen dem Volke seine Strafdauer nicht bloß als hart, sondern als einen Schlag gegen die conservativen Bestrebungen des Landes Vorarlberg erscheinen. Der treugehorsamste Landtag von Vorarlberg. Bregenz, den 14. September 1871. August Rhomberg, Berichterstatter. Joh. Thurnherr, Obmann. Landeshauptmann: Wünscht Jemand das Wort zu nehmen? Dr. Jußl: Ich bitte ums Wort. Ich sehe mich bemüßiget, gegen den Antrag, wie er vom Comite gestellt worden ist zu stimmen, und als Abgeordneter verpflichtet, auch die Gründe dafür anzugeben. 15 Das Recht der Begnadigung durch Se. Majestät wird dort ausgeübt, wo es öffentliche Staatsrücksichten als zweckmäßig erscheinen lassen. Hier aber handelt es sich um Kränkungen von Privaten, um Ehrenbeleidigungen, um Rechte, denen der gesetzliche Schutz angedeiht wird. Das Gesetz spricht sich dahin aus, daß, wenn nach einer gewissen Art und Weise die Ehre des Nebenmenschen angegriffen ist, der Staatsbürger das Recht hat, gesetzliche Bestrafung zu verlangen. Die Amnestie selbst weist darauf hin und gibt als Grund an, daß sie sich auf das vorliegende Vergehen nicht erstrecken könne, weil eben hier es sich um Privatrechte und nicht um öffentliche Staatsrechte handle; und das Recht, die Justiz ist zu wichtig und zu überwiegend im Staatsinteresse gelegen, als daß ihr in dieser Art und Weise durch eine Begnadigung entgegengetreten werden sollte. Übrigens finde ich auch in dem Gesuche, wie mir aus der Vorlesung vom vorigen Samstage noch erinnerlich ist, und auch im Berichte selber eine Kritik des im gesetzmäßigen Wege erflossenen richterlichen Urtheiles und ich glaube, daß dieses in einem Gnadengesuche nicht am Platze ist. Ich glaube auch, daß in diesem Falle wie in jedem andern gegen ungerechte Urtheile die Berufung offen gestanden ist. und nur das der Weg ist, wo man ein richterliches Urtheil angreifen kann. Auch scheint mir, ist in dem Berichte der Parteistandpunkt hervorgehoben. Als Abgeordnete des Landtages glaube ich, daß wir nur öffentliche und Staatsinteressen würdigen können. Eine Privatehrenbeleidigung gehört nach meiner Anschauung nicht zu den Landessachen und deßwegen möchte ich solche auch nicht in den Landtag übertragen wissen. Es wird sein, daß der Gesuchsteller Hr. v. Florencourt die conservativen Interessen vertreten hat und es wird ihm das auch Niemand verdenken, denn die Freiheit, seiner Überzeugung Ausdruck zu geben, muß allenthalben in Schutz genommen werden. Es kann sich also nur um die Art und Weise handeln, in welcher man diese Interessen vertritt. Das richterliche Urtheil spricht dafür, daß diese Vertretung in einer Art und Weise erfolgt ist, die das bestehende Strafgesetz verletzt hat. Das sind meine Herren die Gründe, warum ich nicht für die Einlage stimme, obwohl ich so gut als jeder Andere nur wünschen möchte, wir hätten alle Arreste und Gefängnisse leer, wir brauchten keine und wie ich speziell wünschen würde, daß namentlich in der Journalistik nichts hervortreten würde, was Jemand den Händen der Justiz überliefert. Dr. Ölz: Ich bitte um das Wort. Ich erlaube mir einige Gegenbemerkungen gegen meinen Vorredner Herrn Dr. Jußel. Ich gebe dem Hrn. Dr. Jußel vollkommen recht, wenn er in Beziehung auf H. Dr. Florencourt der wegen Ehrenbeleidigung verurtheilt worden ist, sagt, daß die Justiz zu wichtig und zu sehr im öffentlichen Staatsinteresse gelegen sei, als daß ihr in der Regel durch die Gnade bei Ehrenkränkungen, wo es sich überwiegend um Privatinteressen handelt, entgegengetreten werden dürfe. Jedoch kann dem H. Dr. Jußel nicht unbekannt sein, daß selbst unter den eminentesten Rechtsgelehrten Deutschlands diese Sache noch immer eine Streitfrage ist, und daß ferner selbst das h. Landesgericht in diesem Falle eine Ausnahme zu machen für gut fand, indem es einen dreimonatlichen Strafnachlaß beantragte; — daß ferner Sr. Majestät das Recht der Gnade in allen Fällen vorbehalten bleiben muß, selbst in dem Falle, wenn eine Privatehrenkränkung stattgefunden hätte. Der zweite Einwurf, welchen H. Dr. Jußel gegen das Gesuch macht, ist der, daß dasselbe eine Kritik des richterlichen Urtheils enthalte, die in Gnadensachen nicht am Platze sei. — Daß die Kritik in Gnadensachen in der Regel nicht am Platze ist, weil es sich dabei nicht um Rektifizirung des Urtheils, sondern blos um eine Nachsicht oder Gnade handelt, ist richtig; daß aber die Kritik im vorliegenden Falle dennoch am Platze ist — weil eminente Rechtsgelehrte sich einstimmend damit ausgesprochen haben und deßwegen darin ein großer Empfehlungsgrund für die Gnade liegen muß — ist ebenso gewiß. Ich kann selbst eminente Rechtsgelehrte nennen, welche die Strafe, bte über Dr. Florencourt ausgesprochen wurde, Übermäßig — oder wie sie sich ausdrückten — ungeheuerlich finden. Als ersten nenne ich den Hrn. Ignaz Baron v. Giovanelli, der gegenüber dem Hrn. Maldoner, Ministerialbeamten in Wien und Verwandten des Herrn Landesgerichtspräsidenten Mages in meiner Gegenwart sich ausdrückte, daß das Strafausmaß eine Ungeheuerlichkeit sei; ferner nenne ich 16 den Verfasser des gegenwärtigen Preßgesetzes, Hrn. Linnbacher, gewesener Oberstaatsanwalt und pensionirter Oberlandesgerichtsrath; dann nenne ich ferner den Ministerialkonzipisten im Preßbureau Dr. Lentner, der selbst öfters in Preßsachen als Vertheidiger von Angeklagten fungirle. Der dritte Einwurf, den Hr. Dr. Jußel machte, ist, daß der Landtag durch das Gesuch einen Parteistandpunkt einnehme. Der Landtag ist offenbar ein konservativer; und offenbar ist dieser konservative Landtag selbst die Veranlassung geworden zur Verurtheilung Florencourt: Es hat ein Hr. Abgeordneter eine Ehrenkränkung gegen die konservative Majorität des Landtages und selbst gegen die konservative Majorität des Volkes ausgesprochen. Dadurch hat sich der Redakteur eines konservativen Blattes, der Redakteur des „Volksblattes für Vorarlberg", gegenüber der öffentlichen Meinung für verpflichtet halten müssen, gegen solche Ehrenkränkung aufzutreten. Das ist doch ganz selbstverständlich, daß ein Redakteur eines konservativ-u Blattes in solchem Falle nicht schweigen kann. — Das sind die wenigen Bemerkungen, welche ich gegen Hrn. Dr. Jussel vorbringen wollte. Dr. Jußel: Ich muß noch einmal um das Wort bitten Nach meiner Anschauung heißt es in diesem Berichte auf der einen Seite, das Urtheil sei zu streng, „außerordentlich strenge" und es wird damit gleichsam die Instanz, welche dieses Urtheil ausgesprochen hat, der Härte beschudigt; andererseits wird doch wieder zugegeben, daß dieselbe Behörde, welche das Urtheil in erster Instanz ausgesprochen hat, selbst gutächtlich einen Strafnachlaßantrag der Oberbehörde als der gesetzlich berufenen vorgelegt hat. Darnach zu urtheilen muß man jedenfalls annehmen, daß das Gericht den Standpunkt eingenommen hat, den der Richter als unabhängiger gerechter Mann einzunehmen hat. Den Urtheilen der Persönlichkeiten die Herr Dr. Ölz vorgeführt hat, kann doch nach meiner Anschauung weniger Gewicht beigelegt werden, als dem Urtheile der gesammten Justiz; denn dieß Gnadengesuch ist durch alle Justizorgane bis zu Er. Majestät gelangt, ist also insbesondere durch das Justizministerium geprüft worden; und ich glaube, man würde durch die Motivirung des Comiteberichtes sagen wollen, daß selbst die Justiz die im Urtheile gegen Florencourt angeblich enthaltene Härte nicht entdeckt hätte. Dann, was das anbelangt, daß Äußerungen eines Abgeordneten den Anlaß zu diesem Delikte gegeben haben sollen, so glaube ich kann das doch auch nicht angenommen werden. Ich bin nicht da, um das Verhalten irgend eines Herren Abgeordneten zu kritisiren oder zu rechtfertigen, aber ich glaube mit Recht hoffen zu dürfen, der h. Landtag werde doch keineswegs die Vertretung der konservativen Interessen in einer Art und Weise, wie sie den bestehenden Strafgesetzen widerspricht, für gerechtfertigt erkennen und zu seiner Sache machen wollen. Dr. Ölz: Ich erlaube mir nur noch eine Bemerkung gegen das von Herrn Dr. Jußel soeben Vorgebrachte. Das Gnadengesuch des Herrn Florencourt ist nämlich nicht bis zu Sr. Majestät gelangt, sondern Se. Excellenz der Herr Justizminister hat sich in seiner exacten Gewissenhaftigkeit mit Rücksicht auf die Aussprüche des Oberlandesgerichtes und obersten Gerichtshofes nicht für befugt erachtet, das Gesuch Sr. Majestät vorzulegen. Deßungeachtet haben wir, seitdem uns bekannt geworden ist, daß das h. Landesgericht in Feldkirch eine dreimonatliche Abkürzung der Strafzeit beantragt hat, es für unsere Ehrensache gehalten, für Florencourt, der eben durch die Verhandlungen im Landtage in die Lage gekommen ist, gestraft zu werden, noch einmal ein Gnadengesuch einzureichen, in der Hoffnung, daß es dießmal vor Sr. Majestät gebracht werde. Ich finde auch den Widerspruch nicht, den Herrn Dr. Jußel im Berichte zu finden glaubte zwischen der Härte des Gerichts im Urtheile und der Milde des Gerichtes im Strafnachlaßantrage. Es kann immerhin eine Härte im Urtheil stattgefunden haben und es ist auch keinem Gerichte ein Vorwurf daraus zu machen, daß eine Härte stattgefunden habe. Es sind aber so viel ich mich erinnere, nachträglich Gründe bekannt geworden oder sind vielleicht schon beim Urtheile bekannt gewesen, welche die Strafe für Herrn Florencourt mindestens für sehr hart erscheinen lassen, da der 17 Kläger Herr Baron Sternbach wirklich eine Behauptung aufstellte, die grundlos war und Dr. Florencourt, wenn jener diese Behauptung zur rechten Zeit zurückgezogen hätte, gewiß auch nicht in die Lage gekommen wäre, eine Ehrenbeleidigung gegen ihn zu veröffentlichen. Hochwst. Bischof: Ich bitte auch noch ein Wort zu sprechen. Gefangene erlösen ist immer ein christliches Werk. Ich gehe in weitere Umständlichkeiten nicht ein. Gnade kann erfließen von Er. Majestät und wenn sich der Landtag bewogen findet um Gnade zu bitten so stimme ich auch ein und wünschte, daß keine weitere Debatte mehr stattfinden möchte. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr zu sprechen wünscht, so erkläre ich die Debatte für geschlossen und er hat noch der H. Berichterstatter das Wort. Rhomberg: Das Comite ist bei der Verfassung seines Berichtes von dem Grundsatze ausgegangen, daß das Vergehen Dr. Florencourts, weßhalb er nun schon nahe zu 8 Monate im Gefängnisse sitzt, wesentlich politischer Natur sei und seinen Ursprung hier im Landtage genommen habe. Aus Rücksichten der Humanitär umsomehr sind wir in das Gesuch des H. Dr. Florencourt eingetreten. Das Comite hegt die Überzeugung, daß die verehrten Herren Abgeordneten des h. Landtages gewiß wünschen, daß der lange Inhaftirte endlich Gnade finde vor dem allerhöchsten Throne Sr. Majestät des Kaisers und deßhalb empfehle ich dem hohen Landtage die Annahme des Comiteantrages. Landeshauptmann; Ich glaube die neuerliche Verlesung des Antrages unterlassen zu können, weil ihn die Herren alle in Händen haben. Er geht dahin, eine Adresse an Se. Majestät den Kaiser zu erlassen. Der Wortlaut derselben liegt Ihnen vor, ich unterlasse daher eine abermalige Verlesung derselben und ersuche diejenigen Herren, welche damit einerstanden sind, sich von ihren Sitzen zu erheben. (Angenommen.) Mit diesem Gegenstande ist die heutige Sitzung erledigt, die künftige Sitzung findet, wie den Herren bereits bekannt ist, nächsten Montag 9 Uhr Vormittags statt Auch bleiben die Gegenstände derselben die gleichen, die im Protokolle verzeichnet stehen. Schluß der Sitzung 11 3/4 Uhr Vormittags. Druck und Verlag von A. Flatz in Bregenz. .4 Horarlöerger Landtag. 3. Sitzung am 19, Sepie in ber 1871 unter dem Vorsitze des Herrn Landeshauptmannes Sebastian v. Frosch au er. Gegenwärtig sämmtliche Abgeordnete mit Ausnahme der Herren Ferdinand v. Gilm, Carl Ganahl und Dr. August Thurnherr. Regierungsverireter Herr Statthaltcreirath Schwertling. Beginn der Sitzung um 10’/4 Uhr Vormittags. Landesha up lmann: Ich eröffne die Sitzung. Das Protokoll der vorhergehenden wird abgelesen. [Sefretäi verliest dasselbe.^ Da keine Bemerkung gegen die Fassung des Protokolles erhellt, nehme ich es als genehmigt an. Der Pelitionsausschuß hat zu seinem Obmanne den Abgeordneten H. Johann Thurnherr und zu seinem Berichterstatter H. August Rhomberg bestellt. Das Comite für das Landsturmgesetz wählte zu seinem Obmanne Johann Thurnherr und zum Berichterstatter Herrn Dr. Jußel. Der Pelitionsausschuß hat das Gesuch des Herausgebers des Vorarlberger Volksblattes Dr. v. Florencourt in Erwägung und Berathung gezogen und hat feinen Bericht gestern überreicht. Nachdem dasselbe von Seite des hohen Landtages als dringlich angesehen und behandelt wurde, habe ich mittelst Curenda von gestern aus heute Morgens Sitzung angeordnet und als Einzi­ gen Gegenstand den HH. Abgeordneten bekannt gegeben, daß derselbe in der Entgegennahme des Comiteberichtes betreffend dieses Gesuch bestehe. Ich ertheile dem Herr Berichterstatter das Wort. Rhomberg: Das Petitionscomite hat das Gesuch des H. Dr. v. Florencourt der Erwägung unterzogen und beehrt sich nun dem hohen Landtage folgenden Bericht zu unterbreiten. 14 Comite-Bericht über das Gesuch des Herrn Dr. v. Florencourt, Herausgeber des „Vorarlberger Volksblatt" um Verwendung des hohen Landtages bei Sr. Majestät dem Kaiser um allergnädigsten Nachlaß der noch zu verbüßenden Haft. Hoher Landtag! In Erledigung des Gesuches des Herrn Dr. Bernhard v. Florencourt, Herausgeber des „Vorarlberger Volksblatt" um Verwendung bei Sr. Majestät dem Kaiser um Nachlaß des Restes seiner Strafe beantragt das Comite, der hohe Landtag wolle folgendes Bittgesuch an Se. Majestät beschließen. Euer kaiserl. und königl. Majestät! Allergnädigster Herr und Kaiser! Der treugehorsamste Landtag von Vorarlberg bittet ehrfurchtsvollst. Allerhöchstdieseiben um gnädigsten Nachlaß des Strafrestes für Dr. Bernhard v. Florencnrt, Herausgeber des Vorarlberger Volksblattes, aus folgenden Gründen: 1. Ist das Strafausmaß für seine Vergehen nach dem Urtheil der competentesten Justiz­ männer ein außerordentlich hartes. 2. Hat derselbe von seiner Haft von 9 Monaten und 8 Tagen von heute an nur noch 6 Wochen abzubüßen. 3. Beginnt die Haft für seinen Gesundheitszustand sehr nachtheilig zu werden. 4. Hat das k. k. Landesgericht in Feldkirch in Begutachtung eines dießfälligen Majestäts­ Gesuches schon ehedem einen Strafnachlaß von 3 Monaten beantragt. Offenbar hatte der hohe Gerichtshof für diesen Antrag die im Urtheile mitausgesprochenen höchst gewichtigen Milderungsgründe im Ange. 5. Das Vergehen Florencourts als Zeitungsreporter für die conservative Partei des Landes ist wesentlich ein Preßdelict, dem die Allerhöchste Gnade der Amnestie bloß deßhalb nicht zu Theil wurde, weil das Delict nur aus streng formellen Gründen unter „Ehrenbeleidi­ gung" rilbrizirt wird. 6. Die von Florencourt vertheidigten patriotisch-conservativen Interessen lassen dem Volke seine Strafdauer nicht bloß als hart, sondern als einen Schlag gegen die conservativen Bestrebungen des Landes Vorarlberg erscheinen. Der ireugehorsamste Landtag von Vorarlberg. Bregenz, den 14. September 1871. August Rhomberg, Berichterstatter. Joh. Thurnherr, Obmann. Landeshauptmann: Wünscht Jemand das Wort zu nehmen? Dr- Jußl: Ich bitte ums Wort. Ich sehe mich bemüßiget, gegen den Antrag, wie er vom Comite gestellt worden ist zu stimmen, und als Abgeordneter verpflichtet, auch die Gründe dafür anzugeben. 15 Das Recht der Begnadigung durch Se. Majestät wird dort ausgeübt, wo es öffentliche Staatsrücksichten als zweckmäßig erscheinen lassen. Hier aber handelt es sich um Kränkungen von Privaten, um Ehrenbeleidigungen, um Rechte, denen der gesetzliche Schutz angedeiht wird. Das Gesetz spricht sich dahin aus, daß, wenn nach einer gewissen Art und Weise die Ehre des Nebenmenschen angegriffen ist, der Staatsbürger das Recht hat, gesetzliche Bestrasung zu verlangen. Die Amnestie selbst weist darauf hin und gibt als Grund an, daß sie sich auf das vorliegende Vergehen nicht er­ strecken könne, weil eben hier es sich um Privatrechte und nicht um öffentliche Staatsrechte handle; und das Recht, die Justiz ist zu wichtig und zu überwiegend im Staatsinteresse gelegen, als daß ihr in dieser Art und Weise durch eine Begnadigung entgegengetreten werden sollte. Uebrigens finde ich auch in dem Gesuche, wie mir aus der Vorlesung vom vorigen Sam­ stage noch erinnerlich ist, und auch im Berichte selber eine Kritik des im gesetzmäßigen Wege erflossenen richterlichen Urtheiles und ich glaube, daß dieses in einem Gnadengesuche nicht am Platze ist. Ich glaube auch, daß in diesem Falle wie in jedem andern gegen ungerechte Urtheile die Berufung offen gestanden ist. und nur das der Weg ist, wo man ein richterliches Urtheil angreifen kann. Auch scheint mir. ist in dem Berichte der Parteistandpunkt heroorgthoben. Als Abgeordnete des Landtages glaube ich, daß wir nur öffentliche und Staatsinteressen würdigen können. Eine Privatehrenbeleidi­ gung gehört nach meiner Anschauung nicht zu den Landessachen und deßwegen möchte ich solche auch nicht in den Landtag übertragen wissen. Es wird sein, daß der Gesuchsteller Hr. v. Florencourt die conservativen Interessen vertreten hat und es wird ihm das auch Niemand verdenken, denn die Frei­ heit, seiner Ueberzeugung Ausdruck zu geben, muß allenthalben in Schutz genommen werden. Es kann sich also nur um die Art und Weise handeln, in welcher man diese Interessen vertritt. Das richterliche Urtheil spricht dafür, daß diese Vertretung in einer Art und Weise erfolgt ist, die das be­ stehende Strafgesetz verletzt hat. Das sind meine Herren die Gründe, warum ich nicht für die Einlage stimme, obwohl ich so gut als jeder Andere nur wünschen möchte, wir hätten alle Arreste und Gefängnisse leer, wir brauchten keine und wie ich speziell wünschen würde, daß namentlich in der Journalistik nichts hervor­ treten würde, was Jemand den Händen der Justiz überliefert. Dr. O e l z: Ich bitte um das Wort. Ich erlaube mir einige Gegenbemerkungen gegen meinen Vorredner Herrn Dr. Jußel. Ich gebe dem Hrn. Dr. Jußel vollkommen recht, wenn er in Beziehung auf H. Dr. Florencourt der wegen Ehrenbeleidigung verurtheilt worden ist, sagt, daß die Justiz zu wichtig und zu sehr im öffentlichen Staatsinteresse gelegen sei, als daß ihr in der Regel durch die Gnade bei Ehrenkränkun­ gen, wo es sich überwiegend um Privatinteressen handelt, entgegengetreten werden dürfe. Jedoch kann dem H. Dr. Jußel nicht unbekannt sein, daß selbst unter den eminentesten Rechtsgelehrten Deutschlands diese Sache noch immer eine Streitfrage ist, und daß ferner selbst das h. Landesgericht in diesem Falle eine Ausnahme zu machen für gut sand, indem es einen dreimonatlichen Strafnach­ laß beantragte; — daß ferner Sr. Majestät das Recht der Gnade in allen Fällen Vorbehalten blei­ ben muß, selbst in dem Falle, wenn eine Privatehrenkränkung stattgefunden hätte. Der zweite Einwurf, welchen H. Dr. Jußel gegen das Gesuch macht, ist der, daß daselbe «ine Kritik des richterlichen Urtheils enthalte, die in Gnadensachen nicht am Platze sei. — Daß die Kritik in Gnadensachen in der Regel nicht am Platze ist, weil es sich dabei nicht um Rektifizirung des Urtheils, sondern blos um eine Nachsicht oder Gnade handelt, ist richtig; daß aber die Kritik im vorliegenden Falle dennoch am Platze ist — weil eminente Rechtsgelehrte sich einstimmend damit aus­ gesprochen haben und deßwegen darin ein großer Empfehlungsgrund für die Gnade liegen muß — ist ebenso gewiß. Ich kann selbst eminente Nechtsgelehrte nennen, welche die Strafe, bte über Dr. Florencourt ausgesprochen wurde, Übermäßig — oder wie sie sich ausdrückten — ungeheuerlich finden. Als ersten nenne ich den Hrn. Ignaz Baron v. Giovanelli, der gegenüber dem Hrn. Maldoner, Ministerialbeamten in Wien und Verwandten des Herrn Landesgerichtspräsidenten Mages in meiner Gegenwart sich ausdrückte, daß das Strafausmaß eine Ungeheuerlichkeit sei; ferner nenne ich 16 den Verfasser des gegenwärtigen Preßgesetzes, Hrn. Linnbacher, gewesener Oberstaatsanwalt und penfionirter Oberlandesgerichtsralh; dann nenne ich ferner den Ministerialkoazipisteii im Preßbureau Dr. LentUi-r, der selbst öfters in Preßsachen als Vertheidiger von Angeklagten sungirle. Der dritte Einwurf, den Hr. Dr. Jußel machte, ' ist, daß der Landtag durch das Gesuch einen Parteistandpunkt einnehme. Der Landtag ist offenbar ein konservativer; und offenbar ist dieser kon­ servative Landtag selbst die Veranlaffniig geworden zur Verurtheilung Florencourt: Es hat ein Hr. Abgeordneter eine Ehrenkränkung gegen die konservative Majorität des Landtages und selbst gegen die konservative Majorität des Volkes ausgesprochen. Dadurch hat sich der Redakteur eines konser­ vativen Blattes, der Redakteur des „Volksblattes für Vorarlberg", gegenüber der öffentlichen Meinung für verpflichtet halten müssen, gegen solche Ehrenkränknng aufzutreten. Das ist doch ganz selbstver­ ständlich, daß ein Redakteur eines konservativ-u Blattes in solchem Falle nicht schweigen sann. — Das sind die wenigen Bemerkungen, welche ich gegen Hrn. Dr. Jussel vorbringen wollte. Dr. Jußel: Ich muß noch einmal um das Wort bitten Nach meiner Anschauung heißt es in diesem Berichte auf der einen Seite, das Urtheil sei zu streng, „außerordentlich strenge" und es wird damit gleichsam die Instanz, welche dieses Urtheil ausgesprochen hat, der Härte beschudigt; andererseits wird doch wieder zugegeben, daß dieselbe Behörde, welche das Urtheil in erster Instanz ausgesprochen hat, selbst gutächtich einen Straft achlaßantrag der Oberbehölde als der gesetzlich berufenen vorgelegt hat. Darnach zu urtheilen muß man jedenfalls annehmen, daß das Gericht den Standpunkt einge­ nommen hat, den der Richter als unabhängiger gerechter Mann einzunehmen hat. Den Urtheilen der Persönlichkeiten die Herr Dr. Oelz vorgeführt hat, kann doch nach meiner Anschauung weniger Gewicht beigelegt werden, als dem Urtheile der gesammteu Justiz ; denn dieß Gnadengesuch ist durch alle Justizorgane bis zu Er. Majestät gelangt, ist also uisvejondere durch das Justizministerium geprüft worden; und ich glaube, man würde durch die Molivtrung des Connteberichtes sagen wollen, daß selbst die Justiz die im Urtheile gegen Florencourt angeblich enthaltene Härte nicht entdeckt hätte. ■ Dann, was das anbelangt, daß Aeußerungen eines Abgeordneten den Anlaß zu diesem Delikte gegeben haben sollen, so glaube ich kann das doch auch nicht angenommen werden. Ich bin nicht da, nm das Verhalten irgend eines Herren Abgeordneten zn krttlsiren oder zu rechtfertigen, aber ich glaube mit Recht hoffen zu dürfen, der h. Landtag werde ooch keineswegs die Verlreiung der konservativen Jntereffen in einer Art und Weise, wie sie den bestehenden Strafgesetzen widerspricht, für gerechtfertigt erkennen und zu seiner Sache machen wollen. Dr. O e l z: Ich erlaube mir nur noch eine Bemerkung gegen das von Herrn Dr, Jußel soeben Vorgebrachle. Das Gnadengesuch des Herrn Florencourt ist nämlich nicht bis zu Sr. Majestät gelangt, son» dem Se. Excellenz der Herr Justizminister hat sich in seiner exacten Gewissenhaftigkett mit Rücksicht auf die Aussprüche des Oberlandesgerichtes und obersten Gerichtshofes nicht für befugt erachtet, das Gesuch Sr. Majestät vorzulegen. Dehungeachtet haben wir, seitdem uns bekannt geworden ist, daß das h. LandeSgerichl in Feldkirch eine dreimonatliche Abkürzung der Strafzeit beantragt hat, es für unsere Ehrensache ge­ halten, für Florencourt, der eben durch die Verhandlungen im Landtage in die Lage gekommen ist, gestraft zu werden, noch einmal ein Gnadengesuch einzureichen, in der Hoffnung, daß es dießmal vor Sr. Majestät gebracht werde. Ich finde auch den Widerspruch nicht, den Herrn Dr. Jußel im Berichte zu finden glaubte zwischen der Härte des Gerichts im Urtheile und der Milde des Gerichtes im Strafnachlaßantrage. Es kann immerhin eine Härte im Urtheil stattgefunden haben und es ist auch keinem Gerichte ein Vorwurf daraus zu machen, daß eine Härte stattgefunden habe. Es sind aber so viel ich mich er­ innere, nachträglich Gründe bekannt geworden oder sind vielleicht schon beim Urtheile bekannt ge­ wesen, welche die Strafe für Herrn Florencourt mindestens für sehr hart erscheinen taffen, da der 17 Kläger Herr Baron Sternbach wirklich eine Behauptung aufstellte, die grundlos war und Dr. Floren­ court, wenn jener diese Behauptung zur rechten Zeit zurückgezogen hätte, gewiß auch nicht in die Lage gekommen wäre, eine Ehrenbeleidigung gegen ihn zu veröffentlichen. Hochw st. Bischof: Ich bitte auch noch ein Wort zu sprechen. Gefangene erlösen ist immer ein christliches Werk. Ich gehe in weitere Umständlichkeiten nicht ein. Gnade kann erfließen von Er. Majestät und wenn sich der Landtag bewogen findet um Gnade zu bitten so stimme ich auch ein und wünschte, daß keine weitere Debatte mehr stattfinden möchte. Landeshauptmann: Wenn Niemand mehr zu sprechen wünscht, so erkläre ich die Debatte für geschloffen und er hat noch der H. Berichterstatter das Wort. Rhomberg: Das Comite ist bei der Verfaffung seines Berichtes von dem Grundsätze aus­ gegangen, daß das Vergehen Dr. Florencourts, weßhalb er nun schon nahe zu 8 Monate im Ge­ fängnisse sitzt, wesentlich politischer Natur sei und seinen Ursprung hier im Landtage genommen habe. Nus Rücksichten der Humanitär umsomehr sind wir in das Gesuch des H. Dr. Florencourt eingetreten. Das Comite hegt die Ueberzeugung, daß die verehrten Herren Abgeordneten des h. Landtages gewiß wünschen, daß der lange Jnhaftirte endlich Gnade finde vor dem allerhöchsten Throne Sr. Majestät des Kaisers und deßhalb empfehle ich dem hohen Landtage die Annahme des Comiteantrages. Landeshauptmann; Ich glaube die neuerliche Verlesung des Antrages unterlassen zu können, weil ihn die Herren alle in Händen haben. Er geht dahin, eine Adresse an Se. Majestät den Kaiser zu erlassen. Der Worlaut derselben liegt Ihnen vor, ich unterlasse daher eine abermalige Verlesung derselben und ersuche diejenigen Herren, welche damit einerstanden find, sich von ihren Sitzen zu erheben. (Angenommen.) Mit diesem Gegenstände ist die heutige Sitzung erledigt, die künftige Sitzung findet, wie den Herren bereits bekannt ist, nächsten Montag 9 Uhr Vormittags statt Auch bleiben die Gegenstände derselben die gleichen, die im Protokolle verzeichnet stehen. Schluß der Sitzung lt‘/4 Uhr Vormittags. Druck und Vertag von A. F t» tz in Brezen, .