01 - Vorarlberg vor 200 Jahren - 01

Die Zeitungs-Lektüre eines Bartholomäbergers anno 1830

Ein Dokument aus Schachtel 1 (von 18) der "Gemeindearchiv Bartholomäberg Akten" ist ein Exemplar des "Boten". Das ist eine zwischen 1813 und 1919 gewöhnlich mehrere Male wöchentlich erscheinende Regionalzeitung, die ab 03.07.1820 als "Der Kaiserlich Königlich privilegierte Bothe von und für Tirol und Vorarlberg" tituliert und ab 02.01.1849 "Bothe für Tirol und Vorarlberg" genannt wird. Die Südtiroler "Landesbibliothek Dr. Friedrich Tessmann" hat alle Ausgaben als - leider nur gescannte, nicht durch OCR maschinenlesbar gemachte - Seiten ins Internet gestellt, so dass man dort einen Überblick gewinnen kann.

Der "Bothe" der Ausgabe vom 29.11.1830 ist formal in die Rubriken "Inland", "Europäisches Ausland", "Technologie" (Literaturrezension in Fortsetzungen), "Internationale Kurznachrichten" und "Wetterbericht" gegliedert.

Die bereits in Gebrauch stehende Nachrichtenübermittlungstechnik der Telegraphie erlaubt es dem Zeitungsherausgeber unter Kompilierung von zumeist wenigstens als solchen gekennzeichneten fremden Nachrichtenquellen, die Leser, zu denen der seinerzeitige Bartholomäberger Ortsvorsteher Franz Joseph Tschofen gezählt haben mag, mit einem Potpourri an Meldungen und Berichten zu versorgen.

Die Nachrichtenrubrik "Europäisches Ausland" bringt staatenweise gegliedert das Neueste wie Regierungsbildungen, seuchenartige Krankheitsfälle, Volksaufläufe, manchmal Politisches und Unpolitisches zusammengewürfelt. 

Besonders lesenswert sind die Nachrichten aus dem "Königreich der Niederlande" - aus "Brüßel" - berichten sie doch über die Staatsgründung Belgiens, welches dem Europäer des Jahres 2011 in den Medien immer wieder als innerlich zerrissener Staat ohne handlungsfähige Regierung vorgeführt wird.

 

Montag                                      95                             29. November 1830                                                           

Ungarn.

 

Preßburg, den 20. November. Am 15. November ist der

alleruntertänigste Vortrag der Stände über die Stellung

von 48.000 Rekruten Sr. Majestät unterbreitet

worden. Der wörtliche Inhalt desselben ist folgender:

„Eu.[ere] Majestät! Bei Verhandlung des dritten Punktes

Der königlichen Proposition, haben wir aus dem Inhalte

desselben, so wie aus jenem des königlichen Reskreptes

vom 8. Oktober l.[aufenden] J.[ahres] ersehen, daß Eu.[re]

Majestät durch außerordentliche Umstände aufgefordert,

allerhöchst ihre Sorgen, in der Absicht den Frieden zu befestigen,

auf die Begründung sicherer Vertheidigungsmittel

gerichtet haben, und auch in Anbetracht dessen, weil die

ungarischen Kriegsschaaren durch Sterbefälle,

Dienstuntauglichkeit und Entlassung bedeutend geschwächt

worden sind, ein Subsidium an Rekruten verlangt.

Mit Unterwürfigkeit verehren wir diese Vorsicht Ew. Majestät.

Sie ist uns ein neuer Beweis dessen, daß die Liebe

zum Frieden dem Herzen Ew. Majestät tief innewohne,

und daß Allerhöchstdieselben nichts heißer wünschen,

als nach dessen Befestigung dem Drange Ihres Herzens

folgen, und die Wohlfahrt Allerhöchstdero getreuer

Unterthanen unter dem Schutze Ihrer gerechten Regierung

Immer vermehren zu können. Diese Sorge für die

Beobachtung der Gesetze, eines so gerechten als gütigen

Fürsten würdig, regt uns nur um so glühender auf,

Majestät sind mit angeborener Huld unseren gesetzlichen

Wünschen zuvorgekommen, indem Allerhöchstdieselben

uns sowohl über die obschwebenden außerordentlichen

Umstände, als auch über den gegenwärtigen Stand der

ungarischen Heeresmacht verständigen zu lassen geruhten.

Im Sinne der Gesetze von der Notwendigkeit der

Rekrutenstellung überzeugt, und durchdrungen vom

Streben, unsere Ergebenheit und unseren Eifer in

Unterstützung der allerhöchsten Absichten darzuthun,

biethen wir Ew. Majestät ein Rekruten-Subsidium an: die Zahl

und Stellungsweise ist in dem hier beigefügten

Gesetzentwurf ausgesprochen. Obschon wir vollkommen

überzeugt sind, daß die in Betracht der vorwaltenden

außerordentlichen Umstände angebothenen 28.000 Rekruten

das ungarische Heer dergestalt verstärken, daß es feindlichen

Einfällen auf eine dem ungarischen Kriegsruhme würdige

Art kräftig zu widerstehen wäre, biethen wir

Überdies Ew. Majestät für den Fall eines feindlichen

Angriffes der Erbstaaten Ew. Majestät, und einer hieraus

entstehenden größeren Gefahr, einstweilen, bis auf

dem gesetzlichen Wege des Reichstages größere

Vertheidigungsmittel aufgeboten werden, 20.000 Rekruten an,

unter den Bedingungen, die im gedachten Gesetzentwurf

näher berührt sind. Geruhen Ew. Majestät huldreichst,

dieses unser Anerbieten anzunehmen, und dem Gesetzentwurfe

 die königliche Sanction zu ertheilen. Dem

erlauchten Erzhaus unerschütterlich treu, das theure Vaterland,

und unsern besten Vater innig liebend, werden

wir uns von unsern Vorfahren, deren Ergebenheit zur

Zeit als Ew. Majestät Großmutter herrschte, die Monarchie

erhalten hat, zu keiner Zeit übertreffen lassen.

Denn obgleich den Frieden liebend, scheuen wir, ungerecht

angegriffen, die Waffen nicht; und um Gefahr vom

Vaterlande abzuwenden, sind wir im Falle und Sinne

des Gesetzes jeden Augenblick bereit, unsere äußersten

Kräfte aufzubieten. So gesinnt, mit dem besten Fürsten

durch unlösbare Bande der Liebe und Treue verbunden,

im kräftigen Vertrauen auf die Stärke der Nation,

die wir vertreten, blicken wir aus dem Hafen der

Nation beglückt, mit ruhigem Gemüthe den Gefahren

der Kriege und Meinungen unerschrocken entgegen.“

 

 

Lombardisch=venetianisches Königreich.

 

Die Mailänder Zeitung vom 20. Nov.[ember] enthält Folgendes:

„Die Debats und der Constitutionel schlossen,

der eine ein Folge eines Befehles aus Wien, der andere

als eine von den Jesuiten erwirkte Gunstbezeugung, die

Universität von Pavia in dem Augenblick, in welchem

S[ein]e Excellenz unser Gouverneur sie feierlich eröffnete.

Beide berichteten, die Studenten, welche nicht von der

Stadt oder von der Provinz waren, seyen schon zu Hause

angekommen, und zwar gerade im Augenblick, in welchem

Die Studenten ihre Kurse fortsetzen. Was wollen

Wir von diesen und andern ähnlichen Nachrichten sagen,

womit die französischen Blätter von Zeit zu Zeit ihre

Leser über die italienischen Angelegenheiten beschenken?“

 

 

Königreich der Niederlande

 

Brüßel, den 17. November. In der gestrigen Sitzung

stattete H[e]rr Van de Meyer von dem Resultate seiner

Sendung noch London mündlichen Bericht ab, dessen

wesentlicher Inhalt in Folgendem bestand: „Hr. Van de

Meyer wurde durch Hern. Hobhouse beim Lord Aberdeen

aufgeführt. Nachdem er dem Minister die wahre

Beschaffenheit der Thatsachen vor  Augen gelegt hatte, fragte

er ihn geradehin, ob England hinsichtlich der belgischen

Angelegenheiten einen definitiven Beschluß gefaßt habe;

der Minister antwortete ihm, daß England entschlossen

sey, den Traktanten Achtung zu verschaffen, welche den

Frieden und die Stabilität von Europa garantirten, und

daß es sich in so lange nicht einmischen wolle, als seine

Interessen und seine Ehre nicht gefährdet werden. Hr.

v. de. M. sagte alsdann zum Lord Aberdeen, daß die Erklärung,

diese Traktate aufrecht erhalten zu wollen, und

dasjenige, was man die Stabilität von Europa nenne,

eben so viel sey, als den Krieg erklären; daß die Belgier

entschlossen seyen, jede Intervention, sowohl die

diplomatische, als die mit Gewalt der Waffen, zurückzuweisen,

und daß Belgien, würde es zur Verzweiflung

getrieben, eher, als diese Intervention zu dulden,

einer fremden Macht sich in die Arme werfen würde. Lord

Aberdeen antwortete, daß die großen Mächte im

Einverständnisse mit Frankreich handelten, und erwähnte in

dieser Hinsicht der Sendung des Hrn. Gendebien. Hr.

B. de. W. theilte hierauf ganz offen dem Lord Aberdeen

die von seinen Kollegen erhaltenen geheimen Instruktionen

mit, und versicherte ihm auf Ehre, jene des Hrn.

Gendebien seyen ganz die nämlichen. Der Minister sagte

hierauf, die provisorische Regierung sey mit sich selbst

im Wiederspruch, indem sie die Krone dem Herzoge von

Nemours antrage. Dieses Faktum verneinte Hr. V. de M.

geradezu, indem dadurch die provisorische Regierung

die Frage von Belgiens künftiger Regierungsform

abgeschnitten, und die Frage über Republik und Monarchie,

über welche zu berathschlagen sie den Kongreß berief, in

vorhinein entschieden hätte. Hr. Gendebien sollte zwar

die Gesinnung des französischen Kabinets zu erforschen

suchen, um zu erfahren, ob, wenn Belgiens künftige

Regierungsform monarchisch seyn sollte, Frankreich den

Vorschlag annehmen würde, einen seiner Prinzen auf

den belgischen Thron zu erheben; allein dieß sey von

dem Plane, irgend einem Fürsten die Krone anzutragen,

unendlich verschieden. Nach einer dreistündigen

Unterredung entfernte sich Hr. B. de W. Dieser vernahm

nun von einem seiner Landsleute, daß der Prinz

von Oranien mit ihm zu sprechen wünsche. Hr. B. de. M.

erklärte sich zu einem solchen Besuche, jedoch nur als

Bürger eines Landes, über welches seine Familie regiert

hatte, bereit. Der Prinz suchte sein Betragen zu Antwerpen

zu rechtfertigen, und fragte Hrn. B. de. W.

ob noch einige Aussicht für ihn vorhanden sey, in Belgien

zu regieren. Hr. B. de. M. antwortete ihm unumwunden,

daß er und seine Familie sich keine Hoffnung

 

 

378

 

jemals machen dürfen, in Belgien irgend eine Gewalt

zu bekommen, und daß es nicht klug für ihn wäre, wieder

den Fuß auf belgisches Gebieth zu setzen. Auf die

fernere Frage des Prinzen, ob diese Unterredung mit

ihm öffentlich werde bekannt gemacht werden, antwortete

Hr. B. de. M., er sey entschlossen, seinen Mitbürgern

nichts zu verschweigen; damit nahm er Abschied,

und hatte mit dem Prinzen keine weitere Unterredung.

Hr. B. v. M. wurde hierauf durch ein schmeichelhaftes

Schreiben des Herzogs von Wellington zu diesem beschieden.

Der Herzog sprach bestimmter und kategorischer

über das Prinzip der Nichtintervention; er erklärte,

England sey nie gesonnen gewesen, zu interveniren;

Die englische Regierung wolle auf die Wahl der belgischen

Regierung keinen Einfluß ausüben, wohl aber hoffe sie,

die Form der Regierung werde von der Art seyn, daß

sie die Sicherheit des übrigen Europa’s nicht kompromittire.

So viel Frankreich betrifft, so werden England

und die übrigen Mächte sich beständig der Vereinigung

Belgiens mit Frankreich widersetzen. Hr. B. de. M.

hatte nämlich gesagt, daß Belgien auf den Fall einer

Intervention seine Vereinigung mit Frankreich als

das letzte Rettungsbret betrachte. „Kein Rettungsbret,“

rief der Herzog – „ein Signal zu einem europäischen

Kriege würde sie seyn!“ – Der Herzog sprach von dem

Wahlgeschäfte des Kongresses, und rühmte die Klugheit

mehrerer getroffener Wahlen. Hr. B. d. M. entnahm

aus diesen Konferenzen die Ueberzeugung, daß die

großen Mächte nicht gesonnen seyen, zu intervenren, und

da Hr. B. de. M. hierüber eine öffentliche Erklärung

wünschte, so versprach ihm Hr. Hobhouse, am kommenden

Freitag dießfalls eine Motion zu machen.

Hr. B. de M. schloss seinen Bericht mit der Versicherung,

daß die belgische Sache im Parlamente heiße Anhänger

finden werde. – Auf die Frage des Hern Merbroeck-Pieters,

ob Hr. B. d. M. glaube, daß die hohen Mächte die

Freiheit der Scheldefahrt bewilligen werden, antwortete

dieser, daß er hieran nicht zweifle, nachdem das

Interesse der europäischen Mächte in dieser Hinsicht mit

Jenen Belgiens zusammentreffe. – Auf das Verlangen

des Kongresses versprach Hr. B. de. M. seinen Bericht

schriftlich aufzusetzen, damit er gedruckt, und ausgetheilt

werden könne. – Nach der Behauptung des Journals:

L’Union Belge wird der Fürst von Lieven dermal

in London erwartet; seine Gegenwart soll an die wegen

Belgien eingeleiteten Unterhandlungen die letzte Hand

legen. Briefe aus Petersburg lassen jedoch befürchten,

daß die dem russischen Bothschafter gegebenen Instruktionen

mit der von England und Frankreich angenommenen

Verfahrensart nicht ganz übereinstimmen.

 

Französische Blätter liefern unter der Aufschrift:

„Brüssel, den 18. Nov.“ Auszüge aus den Diskussionen,

welche der Nationalkongreß in den Sitzungen vom

17. und 18. Solchen Monats gehalten hat, und deren

Gegenstand der vom Hrn. De Celles gemachte Vorschlag,

die Unabhängigkeit von Belgien zu erklären, gewesen

ist. Hr. Lebau berührte hiebei die Frage wegen Luxemburg.

„Die Eigenschaft als Belgier“, sagte er, „ist für

die Luxemburger so gut, wie für die Einwohner aller

übrigen Provenzen, erwiesen. Außerhalb Kanonenschußweite

von der Festung geschahen die Wahlen ungezwungen

zum Kongreß, und die Unabhängigkeit des

Großherzogthums wurde faktisch durch die Zulassung seiner

Deputirten in der Versammlung proklamirt. Meine Herren,

lassen wir nicht ferner so wichtige und wesentliche

Fragen, welche aufzulösen wir berufen sind, vertagen.

Erst gestern noch haben Sie eine Frage von größter

Wichtigkeit (nämlich die Ausschließung der Nassaus) vertagt;

diese Vertagung ist auf verschiedene Art ausgelegt worden.

Ohne Zweifel, läse man in unseren Herzen, würde

niemand Besorgnisse schöpfen, allein dem ist nicht

so, und wir müssen keinen Vorwand zu Anklagen geben,

welche den Kongreß herabwürdigen, und die

öffentliche Ruhe gefährden könnten.“ Hr. Gendebien bestieg

die Tribune, um zu erzählen, was im Haag in

Beziehung auf Luxemburg vorgefallen war. „Als wir,“

sprach er, berufen wurden, um das Fundamentalgesetz

zu revidiren, war Luxemburgs Schicksal noch nicht bestimmt;

es geschah am 9. Juni darauf; der König schlug vor,

es mit Belgien zu vereinigen. Dieser Vorschlag

wurde angenommen, und ein Deputirter von Luxemberg

ward sogleich ernannt; es war Hr. d’Ametham,

Vater des Staatsrates. Von da an wurde das Fundamentalgesetz

für Luxemburg, so wie für die übrigen

Provinzen in Berathschlagung gezogen. Diese Thatsache

reicht hin, um dessen Einverleibung zu beweisen; denn

ich erkenne das politische Band der Nationen nur an

 

 

 

 

der Unterwerfung unter das nämliche Gesetz, und an

der Gewährleistung für die nämlichen Freiheiten. – Soviel

Luxemburgs Vereinigung mit Belgien auf eine besondere

Art betrifft, so wird selbe auf folgende Weise bewiesen:

Wir verlangten, daß die Deputirten von Luxemburg

in der Hälfte der den südlichen Provinzen bewilligten

Deputireten nicht einbegriffen seyn sollten, und daß

die zweite kammer der Generalstaaten von 110 auf 114

Mitglieder gebracht werden soll; allein dem widersetzten

sich die nördlichen Deputireten einmüthig, und es wurde

die Zahl der Deputirten von Luxemburg, welches von

dort als ein integrirender Theil von Belgien betrachtet

wurde, um vier vermindert. Willen wir übrigens in

die Geschichte zurückgehen, so werden wir sehen, daß

seit undenklichen Zeiten Luxemburg einen Theil von

Belgien ausgemacht hat.“ Hr. Rogier schlug vor, sogleich

die Unabhängigkeit Belgiens zu proklamiren, und in

Zukunft alle Incedenzfragen durch die Tagesordnung zu

entfernen. Hr. de Celles nahm bei diesen Debatten abermals

das Wort: „Mein Vorschlag“, sprach er, „ist von

der größten Wichtigkeit. Bei den Völkern gibt es dermal

drei untrennbare Worte: Unabhängigkeit, Vaterland,

Ehre. Das Vaterland liegt im Boden; die

Unabhängigkeit muß nach Außen hinwirken. Wir wissen

alle, daß unsere Vorvorderen immer durch die Mächte

aufgeopfert worden sind, durch Frankreich selbst, durch

die Bourbons; wenn daher die Franzosen unsere

Freiheiten vertheidigen, würden sie nur eine alte Schuld

an uns abtragen. Unsere Handelsverbindungen mit dieser

Nation würden es ihr überdies zur Pflicht machen,

uns im Nothfalle beizustehen. Diese Schuld Frankreichs

reicht auf den Traktat von 1785 zurück, wodurch der

sogenannte Fleischtopfkrieg (de la Marmite) beendet

worden ist. Durch den Pariser Traktat von 1814 wurde

festgesetzt, daß die Bourbons die Gränzen von 1790 wieder

erhalten, und Belgien unabhängig seyn soll, allein es

wurde abermals der Ruhe Frankreichs aufgeopfert.

Ganz Europa hört uns, es kann die Heiligkeit unserer

Sache beurtheilen.“ Nach geschlossener Diskussion sprach

der Präsident mit fester Stimme: „Der Kongreß

proklamirt einmüthig die Unabhängigkeit des belgischen

Volkes, unbeschadet der Verhältnisse Luxemburgs zum

deutschen Bunde.“ (Beifallrufen.) Hierauf schlug Hr. Boucquieu

de Villerain vor, man solle vor oder nach dieser

Erklärung ein Manifest erlassen, worin die

Beschwerden der Nation und die Beweggründe der Revolution

einfach und mit Mäßigung entwickelt werden. Man müsse

die Mächte aufklären, sagte er. Hr. Stafsart schlug vor,

Hr. Boucquieu möchte einen Entwurf eines Manifestes

übergeben, welcher sodann von den Sektionen und von

der Centralsektion geprüft würde. – Es ward ein Schreiben

der provisorischen Regierung abgelesen, worin gemeldet

wird, daß der Sekretär des Central=Ausschusses

sich mit der Verfassung eines Berichtes über die Lage

von Belgien beschäftige, welcher dem Kongresse

unverweilt wird mitgetheilt werden. Zuletzt kündigte der

Präsident an, daß sich der Kongreß am folgenden Tag um

Mittagszeit in einer öffentlichen Sitzung versammeln

werde, um die Berichte der Centralsektion über die

Regierungsform und die Ausschließung Nassaus anzuhören.

Diese beiden Vorschläge werden einer nach dem

andern diskutirt werden. Die Sitzung wurde um 5 Uhr

aufgehoben. – Der National behauptet, der König von

Holland habe sich geweigert, den Artikel des Londoner

Protokolls anzunehmen, welcher die Demarkationslinie

bestimmt, die Belgien von Holland trennen soll.

Dagegen behauptet das Journal ministeriel, der König

von Holland sey dem Londoner Protokolle vom 4.

Nov. am 13. beigetreten, wohl aber habe die provisorische

Regierung sich geweigert, die in diesem Protokolle

vorgeschlagene Demarkationslinie anzunehmen, und die

von London nach Brüssel geschickten zwei Personen,

welche wieder nach London zurückgekommen waren, seyen

am 16. Nov. Abermals nach Brüssel abgeschickt worden.

 

 

Frankreich.

 

Paris, den 20. Nov. In der Sitzung der

Deputirtenkammer vom 19. Nov. Wurde der Gesetzesvorschlag

des Hrn. Benjamin Constant wegen freier Profession eines

Buchhändlers und Buchdruckers durch Stimmenmehrheit

verworfen. – Der Mordbrenner Berrie wurde

gestern von der Untersuchungskommission des

Gerichtshofes der Pairs mit dem vom Assisengerichte von Caen

verurtheilten Mädchen von Kalvados konfrontiert; es ergaben

sich daraus keine bedeutenden Aufschlüsse über die

Feuersbrünste in der Normandie.

 

 

379

 

 

Spanien.

 

Nach einer telegraphischen Depesche vom 13. Nov.

welche der Präfekt von Perpignan am 14. Erhalten hat,

ist General Currea, welcher 500 Mann kommandierte,

da er durch Arragonien nicht eindringen konnte,

durch das Thal von Arran leghaft bis Urgel vorgedrungen,

wo er den Grafen d’Espanna schlug, welcher tödlich

verwundet wurde; ein Kavallerie=Regiment des

Letzern weigerte sich zu fechten. Die Sieger marschirten

nach Puncerda, welches sie militärisch besetzten. Die

Temps, welche diese Nachricht mittheilt, sagt, sie könne

selbe weder verwerfen, noch bestätigen. – Dagegen

versichert das Journal ministeriel, Currea sey geschlagen

worden, habe sich mit ungefähr 400 Flüchtlingen in das

Departement de l’Arriege zurückgezogen, und erwarte

nur eine Unterstützung der französischen Regierung, um mit

seinen Gefährten ins Innere von Frankreich abzugehen.

Nach dem Indicateur von Bordeaux hatte Hr. Lafitte

dafür, daß die französische Regierung alle spanischen

Flüchtlinge von der Gränze entferne, als Belohnung

vom Könige Ferdinand die Anerkennung der

Amerikanischen Staaten und jene des Darlehens der Cortes

gefordert.

Nach dem Memorial Bordelais werden der General

Morillo und einige andere lange schon ausgewanderte

Chefs der spanischen Konstitutionellen in Folge der vom

König Ferdinand ihnen angedeihten Amnestie sogleich

Nach Spanien zurückkehren.

 

 

Großbritannien.

 

Die Gazette de France liefert Auszüge aus den

englischen Blättern vom 18. Nov. Am 18. (Donnerstag)

war das Ministerium noch nicht gebildet, und man schien

über seine Zusammensetzung nichts zu wissen. Auf der

Börse liefen widersprechende Gerüchte um; doch ist

gewiß, daß Lord Grey mit dessen Bildung beauftragt ist.

Er soll als Grundlage des zu bildenden Kabinetes folgende

drei Bedingnisse gemacht haben: die strengste Sparsamkeit

in den Ausgaben jedes Ministeriums, die Nichtintervention

in die Angelegenheiten der übrigen europäischen

Länder, eine gemäßigte Reform des Wahlsystems.

Es heißt, der König habe diese Bedingungen

angenommen. Hr. Brougham hat dem Unterhause aufs

Förmlichste erklärt, er wolle nicht ins Ministerium treten,

und er verlange nur Repräsentant der Grafschaft

York zu bleiben.

Englische Blätter vom 19. Nov. Enthalten noch

keine bestimmten Nachrichten über die Zusammensetzung

des Ministeriums. Doch liefen Listen übe die neue

Administration um, worin der Marquis von Lansdown als

Sekretär im Department des Auswärtigen figurirt;

nach anderen Listen soll Lord Palmerston diese Stelle

erhalten. Die Times bemerken, daß zur Bildung des

Ministeriums Cannings 20, und zu jener des Ministeriums

Wellingtons 24 Tage erfordert wurden. Während

der Sitzung des Oberhauses lief folgende Liste des

neuen Ministeriums um. Mehrere Umstände scheinen

die Authentizität derselben zu verbürgen; unter andern

sagte Lord Aberdeen, als er aus der Kammer trat, daß

Lord Palmerston im Ministerium des Auswärtigen sein

Nachfolger seyn werde. Hr. Brougham, Lord=Kanzler;

Lord Grey, erster Lord der Schatzkammer; Hr. Palmerston

auswärtige Angelegenheiten; Hr. Melbourne,

das Innere; Hr. Goderich, Kolonien; Hr. Lansdowne,

Präsident des Konseils; Hr. Althorpe, Kanzler

der Erchequer; Hr. Durham, geheimes Siegel; Sir

J. Graham, Admiralität; Lord Holland, Herzogtum

Lankaster; Hr. Will, Befehlshaber der Armee; Hr.

Duncannon, Sekretär im Departement des Kriegswesens;

Hr. Grant, Richter General=Advokat; Hr. Deumann,

General=Prokurator; der Herzog von Richemond,

Großmeister der Artillerie. Hr. Brougham weigerte

sich zwar am 18. Nov. Noch, den Platz als

Kanzler anzunehmen, am 19. Nahm er ihn, jedoch nur

unter der Bedingung an, daß die Frage wegen der

Parlamentsreform den Kammern als eine ministerielle

Maßregel vorgeschlagen werden soll.

 

 

Türkei.

 

Die Preuß.[ische] Staatszeitung enthält folgendes Schreiben

Aus Konstantinopel vom 26. Okt.: Nedgib=Efendi,

Agent des Vicekönigs von Egypten, ist in diesen

Tagen zum Surre=Emini ernannt worden, das

heißt zum Begleiter der Pilgrimme und zum Ueberbringer

der Geschenke, die der Sultan jährlich nach Mekka

sendet. Ametsi=Efendi, der dem Reis=Efendi untergebene

Redakteur aller Berichte an den Sultan, hat die

Weisung erhalten, sich zum Groß=Wesir nach Rumelien

zu begeben, und wird in seinem Posten durch Raschid=Bey,

einstweilen ersetzt werden. – Die russische Fregatte

 

 

„Fürstin Lowitsch“, die sich hier zur Verfügung des Herrn von Ribeupierre befindet, und die im Begriff war, sich dem im mittelländischen Meere

Stationirten Geschwader anzuschließen, ist durch einen unglücklichen

Vorfall zurückgehalten worden. Eine als Kutter ausgerüstete

Schaluppe derselben, die Bujukdere gegenüber manövrirte,

schlug am 18. D. M. um; 1 Offizier und 5 Matrosen,

unter denen ein Unteroffizier, ertranken; der

zweite Kapitän der Fregatte und 4 Matrosen, die sich

gleichfalls auf dieser Schaluppe befanden, wurden durch

ein zu ihrer Hülfe herbeigeeiltes Boot eines griechischen

Fahrzeuges gerettet. Hr. von Ribeaupierre hat jedem der

auf dem Boot gewesenen griechischen Matrosen eine Uhr

zustellen lassen. – Am 22. Ist Pertew=Efendi von seiner

Gesandtschaftsreise nach Egypten wieder hier eingetroffen. –

Am 23. Starb, 6 Jahre alt, die Prinzessin

Fatime, eine Tochter des Sultans. – Um den übertriebenen

Forderungen der Maurer, Zimmerleute u.s.w.

ein Ziel zu setzen, hat die Regierung durch Fermans an

den griechischen und armenischen Patriarchen, so wie an

den Groß=Rabbiner, den Tagelohn der verschiedenen

Arbeiter festgesetzt. – Die Pforte hat so eben im Hafen

von Konstantinopel einen Platz angewiesen, auf dem diejenigen Fahrzeuge Quarantäne halten sollen, die von Orten am schwarzen Meere herkommen, wo die Cholera herrscht.

 

 

Rußland.

 

Petersburg, den 13. Nov. Die Berichte von den

Quarantänen und Gesundheits=Kordons, die errichtet worden,

um die Stadt Petersburg gegen die Cholera zu

schützen, sind sehr befriedigend; im Bezirk von Tischwin

(im Nowgorodschen Gouvernement und ungefähr 250

Werst von Petersburg) starben vom 31. Okt. An bis zum

5. Nov. Nur 3 Personen, und nur eine einzige lag krank.

In der Stadt Ustuschna (gleichfalls Gouv. Nowgorod)

starben vom 22. Bis zum 31. Okt. 2 Personen, und 2

andere blieben krank; in zwei andern Städten nimmt

die Krankheit zusehends ab; alle übrigen Ortschaften des

genannten Gouvernements erfreuen sich der besten

Gesundheit. – Am 6. Nov. Morgens belief sich in Moskau

die Zahl der an der Cholera krank liegenden Personen

Auf 1426. Im Laufe des genannten Tages kamen nach

amtlichen Angaben 107 Kranke hinzu, es genasen 90 und

starben ??Erkrankten 100; es genasen 54 und 56

starben. Am letztgenannten Tage blieben 1342 Kranke

übrig, von denen 427 große Hoffnung zur Genesung

gaben, und es waren von Anbeginn der Krankheit zusammen

4500 Personen erkrankt, von diesen 2340 gestorben

und 818 geheilt.

 

 

Deutschland.

 

Die Allg.[emeine] Zeitung enthält einen Artikel aus

Frankfurt a.[m] M.[ain] vom 22. Nov., worin es unter Anderm

heißt: ‚Das benachbarte Hanau war am gestrigen

Tage der Schauplatz blutiger Auftritte. Mittelbare Veranlassung

dazu gab ein Brodaufschlag, der schon am

Sonnabend einen Volksauflauf hervorrief, der jedoch

durch die Bemühungen des Linienmilitärs und der

Bürgergarden in kurzer Zeit gestillt ward. Mehrere Individuen

waren bei dieser Gelegenheit verhaftet worden;

ein Kommando von 40 Mann unter Anführung eines

Offiziers, sollte dieselben gestern nach Fulda geleiten.

Die Stunde des Abmarsches war um 1 Uhr Nachmittags

festgestetzt. Kaum aber war dies Vorhaben bekannt,

so erhob sich die Bevölkerung Hanau’s  in Masse und

stürzte dem Kommando nach, das sie vor dem Nürnberger

Thor erreichte. Hier kam es zu einem Handgemenge,

der Offizier ließ Feuer geben, wodurch mehrere

Personen aus dem Volke getödtet, eine größere Anzahl

aber, zum Theil schwer, verwundet wurde. Doch

gelang es dem Volke die Gefangenen zu befreien. In der

Stadt waren inzwischen mehrere Thore von den

Bürgergarde  besetzt, die Zugänge zu den Kirchthürmen

erstürmt und die Sturmglocke geläutet worden. Es zeigte

sich eine große Erbitterung zwischen Bürgern und

Soldaten; Mißhandlungen wurden gegenseitig verübt.

Gegen Abend, wo der Brief, aus dem diese

Notizen entlehnt sind, unter dem Einfluße des größten

Schreckens geschrieben wurde, war die Ruhe bei

weitem noch nicht hergestellt, die ganze Bevölkerung

stand unter den Waffen. Man sah häufig Verwundete

ins Spital tragen, und fürchtete sich sehr vor den

möglichen Ereignissen der spätern Abendstunden. – Nach

mündlichen Nachrichten, die ich so eben erhalte, deren

Authentizität ich aber nicht verbürgen kann, wäre die

Garnison aus der Stadt gerückt. So viel scheint

gewiß, daß man sich zwischen 5 und 6 Uhr noch in den

Straßen Hanau’s schlug.

 

 

 

376

 

 

Anhang

Witterungs=Beobachtung

1830 Nov.                                           Innsbruck

Trient

Früh um 7 Uhr

Nachmittag um 5 Uhr

Früh um 7 Uhr

Nachmittag um 5 Uhr

 Tag   Barom.     Therm.   Witterung         Barom.          Therm.   Witterung

          Zoll| Lin.   Grad                                   Zoll| Lin.       Grad

 Tag      Barom.     Therm.   Witterung        Barom.     Therm.   Witterung

             Zoll| Lin.   Grad                                  Zoll| Lin.   Grad

20     25     5 1/5   3             Nebel                   26    5 2/5   4 ½        trüb

17         27   6 3/5   6 3/5    Wolken           27        5 ½      8       Wolken

21     26     6           1 1/5     Wolken                26    6 1/5   3 ½       heiter

18         27   5 ½      7           Regen              27        4          7       Regen

22     26     6         - 2 1/2     heiter                   26    5          1 ½       heiter

19         27   5          7           heiter              27        6 4/5   9       heiter

23     26     5           1 1/5     Regen                  26    5         1 4/5     Regen

20         27   6          5 3/5    heiter              27        5 2/5   9       heiter

 

Technologie

(Fortsetzung)

 

 

 

“Man liebt,” sagt Johann Paul Kolbeck in seiner

Abhandlung über Leinbau= und Flachsveredelung S. 14,*)

„recht oft zu sehr die Bequemlichkeit, und sieht lieber,

daß alles, wie die Schwamme, ohne Pflanzung wachsen

solle, daß man’s zum Gebrauche nur wegzunehmen

habe; da muß dann freilich nicht selten der Boden, oder

der Himmelsstrich, oder ein zufälliges Mißrathen eines

Baues die Schuld tragen, die ganz allein der Mensch

ist, weil er die zum Leinbaue nöthigen Regeln nicht

beobachtet, und die hiezu nöthigen Arbeiten scheuet;

denn wie ist es möglich, daß der Lein an Orten gerathe,

wo das Leinfeld schlecht gehalten wird, da der Leinbau

die Kräfte des Baugrundes sehr in Anspruch nimmt?

Wo es sorgenlos bearbeitet und zugerichtet, oder der

Leinsame ohne Beobachtung einer Saatzeit, ohne sorgsamer

Reinigung in das nächst beste Feld gebracht, und

 seinem Schicksale überlassen wird, mag die Witterung

günstige oder ungünstige Einwirkungen haben: da, da

wird die Ernte freilich selten nach Wunsch ausfallen, und

wenig entsprechend das Flachshaar (der Flachs) werden,

 das durch fernere, vielleicht abermals unrichtige

Behandlungen höchstens zu verschiedenen Leinzeugen

von geringerm Werthe gebracht wird.“

 

Es scheint wirklich der Herr Verfasser eben benannter

Schrift habe in eben angeführter Stelle den tirolischen

Leinbau schildern und unser Klima rechtfertigen

wollen; allein da er für Baiern geschrieben hat, so hat

er durch diese Stelle nur zugleich auch uns in Tirol gedagt,

was er seinen Landsleuten sagen müssen geglaubt

hat. Auch Bernhard Sebastian Rau, Professor der

Kameralwissenschaften zu Mainz, sagt in seiner Anleitung

zur deutschen Landwirtschaft *) § 278, S. 206: „Der

Flachs, Lein, fordert ein gutgedüngtes, lockeres und

gutbearbeitetes Feld.“ Und §. 279, S. 207: „Die

Hauptursache, warum der Flachsbau noch an den

wenigsten Orten mit rechtem Eifer und Vortheil betrieben

wird, und derselbe oft mißlingt, liegt zuverläßig blos

darin, daß der Landmann nicht nach gewissen und

zuverlässigen Regeln, theils in der Wahl des Bodens,

theils in der Zurichtung desselben, theils in Ansehung

des Saamens und endlich der Saatzeit und Wartung

verfährt, oder hierzu die nötige Anweisung hat.“

 

Beide eben angeführten Stellen und oben bezeichnete

Schriftsteller klagen zwar darüber, daß zu ihrer Zeit

und in ihren Gegenden der Flachsbau, obgleich er es

könnte, doch nicht rentiere, indem die Behandlung

nachläßig und fehlerhaft seye, was gerade auch bei uns in

Tirol benahe durchgehends der Fall ist. Auf das Klima

wälzt keiner der vorgedachten Schriftsteller die Schuld

Des Nichtgedeihens; beide wälzen sie vielmehr auf

Unwissenheit, Unnachsichtigkeit und Trägheit, wie es auch

Wir thun zu müssen glauben, und Herr Kolbeck nimmt

sogar, wie wir, das Klima gegen Unwissenheit und

Trägheit in Schutz.

 

Daß das Klima den Flachsbau in Tirol begünstige

und daß zu diesem Baue gar nicht einmal ein so

außerordentlich ausgesuchtes Klima nöthig seye, bewirkte

einerseits der Umstand, daß die Güte des Tiroler Flachses

im Auslande gerühmt, und derselbe dahin begehrt

und verführt wird; anderseits die Beobachtung, daß der

Flachs unter wohl sehr mannigfaltigen klimatischen

Verhältnissen, z.B. in Tirol um Axamns herum und im

Oetzthale zu Oberlegenfeld  (wo gewiß verschiedene

klimatiche Verhältnisse obwalten), und außer Tirol,

der Schweiz, in Schwaben, Baiern, Franken, in der obern

und untern Pfalz; in den Niederlanden, in Holland und

Frankreich; dann in Böhmen, Schlesien, Schaden und

Preußen, ja bis in das nördlichste Rußland zwar mehr

oder weniger gut, aber doch immerhin gedeihet.

 

*) Regensburg bei Johann Baptist Rotermundt, 18??

**) Mainz in der kurfürst.[lichen] Universitätsbuchhandlung, 1788

Wir die Güte des tirolischen Flachses gerühmt lesen

will, der lese das Wochenblatt des landwirtschaftlichen

Vereines in Baiern, Jahrgang I., Nr. 30, S. 468, 470

und 499, vorzüglich aber früher S 137, Nr. 9 benannten

Jahrganges, und überhaupt zur Belehrung über den

Flachsbau diesen Jahrgang. Wer aber über den Begehr

unsers Flaches nach dem Auslande unterrichtet seyn will,

der erkundige sich in Axams, im Oetzthale und in Imst

hiernach, und er wird die nöthige Aufklärung erhalten,

und bald einsehen, daß der Flachs von Tirol gut wie

 das Klima seyn müsse, weil er sonst nicht so stark begehrt

werden würde. Ein bekannter Flachshändler von Oberinnthal

versicherte vor einigen Wochen, daß im vergangenen

Herbste von uns aufgekaufter Flachs in beträchtlicher

Qualität von Imst weg namentlich nach Ulm und

Neuburg an der Donau verführt worden seye, und

zuverlässig wahr ist es, daß gegen Ende November v. J.

(Jahr 1829), sein schöner Flachs in Axams und dortiger

Gegend mehr zu bekommen gewesen ist, und zwar

wegen der statt gehabten Ausfuhr nach Baiern. Wir

hätten auf Bestellung 30 bis 40 Pfund Handenvoll derlei

Flachses zu erhalten gewünscht, und haben uns, um

unser Begehren erfüllt zu sehen, an die verläßlichste

Person gewendet, aber nach der sorgfältigsten Bemühung

dieser Person die Auskunft erhalten, weil aller nach

Baiern verkauft worden seye. Unser Flachs hat also

Werth im Auslande, unser Klima kann also für die

Erzeugung desselben nicht so schlecht seyn, und es wandern

wenigstens 2 bis 300 Zentner desselben, und zwar des

besten und schönsten in das Ausland.

 

Nach M. Eubalds Toze’s herausgegebener und von

Valentin August Heinze in der vierten Auflage verbesserten

europäischen Staatskunde (Schwerin und Wismar

in der Bödnerischen Buchhandlung 8 1790), wird

in Irland eine große Menge Flachs und Hanf erzeugt,

(vide B. I. S. 291), und die irländischen Leinwanden

sind im Welthandel sehr bekannt, und doch ist nach S.

389 dieses Werkes die Luft in Irland dick und feucht und

Irland sumpfig und morastig. Auch von Irland sagt

vorbenannter Schriftsteller S. 391 in der Anmerkung

Lit. y, daß der Anbau des Hanfes und Flachses viel

vortheilhafter, als es geschehe, betrieben werden könnte.

Fast alle Schriftsteller, die über den Flachsbau geschrieben

haben, klagen über die fehlerhafte Bearbeitung und

Behandlung des Flachses, keiner aber über das Klima,

weßwegen also auch wir das Klima gegen die

Beschuldigungen dagegen in Schutz nehmen.

(Fortsetzung folgt.)

 

 

Verschiedenes.

 

Einem in Paris erschienenen Werke zufolge gab es

in Frankreich in den letztverflossenen 36 Jahren:

17 Minister der Finanzen; 22 Minister der Marine; 24 Minister

der Justiz; 27 Minister der auswärtigen Angelegenheiten;

27 Minsiter des Innern; 34 Minister des

Kriegs, und 15 Minister der Polizei.

 

Die russische Regierung läßt gegenwärtig in den Provinzen

jenseits des Kaukasus mit Akklimatisirung verschiedener

südlichen Pflanzen Versuche anstellen; auch

Nahm sie eine Anzahl Bötticher (Binder) auf drei Jahre

in Dienst, um ein Gewerb daselbst einzuführen, das fast

unbekannt, für den Weinbau aber unentbehrlich ist.

 

Auf Befehl des Königs von Spanien wird jetzt in

Sevilla eine Schule der Stierfechterei errichtet. Die

Schule soll aus einem Lehrer mit 12.000, einem

Gehilfen mit 8000 und zehn Zöglingen mit je 2000 Realen

Gehalt bestehen. Für das Haus, worin die beiden Lehrer

wohnen können, ist ein jährlicher Mietzins von 6000 Realen

bestimmt. Endlich sind 20.000 Realen zu Gratifikationen

und anderen zufälligen Ausgaben aller Art angewiesen.

 

 

Haupt=Redakteur: Dr. Schuler                                                                                          Verlegt von Johann Schumacher

 

 

Titelseite des "Boten", Ausgabe 29.11.1830

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