Vom 'Rufen' zum 'Blättli'

Die Entstehung der Gemeindeblätter in Vorarlberg

Der Lustenauer Gemeindearchivar Wolfgang Scheffknecht, Verfasser der Gemeindechronik "100 Jahre Marktgemeinde 1902 bis 2002" schildert in Gestalt eines kurzen Aufsatzes die Entwicklung des Lustenauer Gemeindeblattes seit seinen Anfängen im Jahr 1883.

 

Vergleichsweise deutlich später - freilich in Bezug auf eine ganze Talschaft - wird im "Protokoll aufgenommen in der Gemeindekanzlei zu Schruns am 20. Februar 1905 vor dem gefertigten Standespräsentanten Jakob Stemer" unter Punkt 5 die Anschaffung eines Gemeindeblattes für Montafon "bis auf weiteres vertagt", und erst nach dem Weltkrieg (Standesprotokoll vom 7. Oktober 1919) wird diese Agenda erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Diesmal kommt man einen Schritt weiter und wählt "Behufs Einführung eines Gemeindeblattes im Tal Montafon" ein dreiköpfiges "Komite". Bereits ein Jahr später (Standesprotokoll vom 2. Oktober 1920, Punkt 1 der Beschlüsse) werden vom Herrn Vorsitzenden "die Berichte der einzelnen Gemeinden über die Stellungnahme der Gemeindevertretungen zur Schaffung eines Gemeindeblattes für das Tal bezw. den Gerichtsbezirk zur Kenntnis" gebracht, wobei ein zweiköpfiges "vorbereitende Komitee von Schruns" in "maßgebender Weise" an den Erörterungen teilnimmt. Man beschließt "endgültig" die Schaffung des Montafoner Gemeindeblattes.

In einer neunpunktigen Darlegung wird unter anderem festgestellt, dass

a) die Gemeinden Lorüns und Stallehr infolge ihrer territorialen Lage und ihrer hauptsächlichen Wirtschaftsbeziehungen zu Bludenz auf Grund der abgegebenen Erklärungen nicht als statutarische Mitglieder des Montafoner Gemeindeblattes sich beteiligen, das selbe aber und dessen Verbreitung wohlwollend unterstützen und fördern werden.

b) dass die Gemeinde Bartholomäberg auf Grund des Gemeinde Vertretungsbeschlusses vom 21. September 1930 bezw. des diesbezüglichen Berichtes sich dem Unternehmen fernhält und die Statuten nicht anerkennt.

e) Auf Grund der vorliegenden Offerte wird beschlossen, die Druckarbeiten der Fa.L. Sausgrubers Nachfolger Feldkirch zu übertragen. Zum Abschluss des diesbezüglichen Vertrages wird der engere Verwaltungsausschuss bevollmächtigt. Als Zeichnungsberechtigter für den ganzen Geschäftsverkehr dieses Ausschusses Fungiert der jeweilige Bürgermeister von Schruns.

h) Festsetzung der Reihenfolge der Einschaltungen; Die Manuskripte der übergeordneten Behörden haben rangmässig eingeordnet zu werden. Die Reihenfolge der Einschaltungen der Talgemeinden richtet sich nach der Einwohnerzahl (Antrag Fritz).

 

Dem Unternehmen war allerdings keine lange Dauer beschieden und es scheint ein Mißerfolg gewesen zu sein - wobei die näheren Umstände noch in Erfahrung zu bringen wären -, denn vier Jahre darauf (Standesprotokoll vom 19. April 1924, Punkt 10) wird der "Antrag der Handelsgesellschaft für den Gerichts Bezirk Montafon in Schruns" auf Einführung eines Gemeindeblattes mit folgender Begründung abschlägig beschieden: die Verhältnisse hätten seit den früher gemachten Erfahrungen keine günstigere Wendung erfahren und daher wird der Antrag trotz der Vorteile, die "ein derartiges Unternehmen bieten würde", "einstweilen" zurückgewiesen.

Ziemlich genau drei Jahre später wird die "Handels-Gewerbe-Genossenschaft für den Gerichtsbezirk Montafon mit dem Sitze in Schruns unter Mitwirkung verschiedener anderer Gewerbegruppen sowie des Bezirksgerichtes Montafon in Schruns" erneut bei der Standesvertretung vorstellig mit dem Wunsch, jene wolle die Schaffung eines Gemeindeblattes für den Bezirk Montafon beschliessen (Standesprotokoll vom 29. April 1927). Als Buchdrucker bietet sich erneut Ludwig Sausgruber von Feldkirch an, dessen Sohn zu den Beratungen über dieses Ansuchen beigezogen wird und zwei Möglichkeiten der Gründung des Gemeindeblattes vorschlägt, "und zwar: Bildung einer Konkurrenz der beteiligten Gemeinden mit eigener Haftung oder Herausgabe des Blattes auf Risiko des Buchdruckers". Wobei Grundbedingung für die Lebensmöglichkeit des Gemeindblattes allerdings die Einstellung des Publikationsverfahrens und eine erste Unterstützung der Gemeinden in Bezug auf Zuführung der Abonnenten, Sammlung des Druckmaterials und Veranlassung der Verteilung des gedruckten Blattes sei.

Schließlich kommt es zu einer siebenpunktigen Eingung und die Standesvertretung beschließt unter Hinweis auf den angeführten Vorbehalt (Punkt 6) einstimmig die Einführung des Gemeindeblattes für Montafon.

1) Herr Ludwig Sausgruber übernimmt den Verlag, die Redaktion und Verwaltung
des Gemeindeblattes auf eigenes Risiko.

2) Die Kundmachungen amtlichen Charakters des Standes Montafon undS
der Gemeinden des Tales (nicht Versteigerungen privater Charakters)
werden unentgeltlich eingeschaltet.

3) Die Gemeinden und der Stand Montafon verpflichten sich, ihre amtlichen
Kundmachungen, mit Ausnahme der ganz dringlichen, einzuschalten
und das Verlesen derselben zu unterlassen. Ausgenommen von dieser
Bestimmung sind Kundmachungen, welche nach Redaktionsschluss einlaufen
und als dringlich verlautbart werden müssen."

4) Die Gemeinden erklären sich bereit, für die Werbung von Abonnenten
Sorge zu tragen und die Verbreitung des Blattes zu unterstützen.

5) Es wird der Wunsch ausgedrückt, die Stadt Bludenz in den Ausgabebereich
des Gemeindeblattes mit einzubeziehen.

6) Die Erklärungen der Herren Gemeindevorsteher werden von der Zustimmung
der Gemeindevertretungen abhängig gemacht.

7) Der Bezugspreis pro Vierteljahr beträgt S 1,20 inclusive Zustellung
in's Haus oder Verteilung am Kirchplatze Sonntags.

 

Wiederum dürfte die Gründung des Gemeindeblattes - aus noch nicht näher bekannten Gründen - gescheitert sein, denn in der Standesvertretungs-Sitzung vom 19. Juli 1930 (Punkt 1) bildet "Die Frage der Einführung eines Gemeindeblattes neuerlich Gegenstand einer eingehenden Beratung", zumal festgestellt wird, der Statutenentwurf des Stadtrates Bludenz für ein Gemeindeblatt, umfassend einen Teil der Gemeinden des Tales Montafon "bildet keine geeigneteren Interessen des Tales Montafon entsprechend Rechnung tragende Grundlage". Die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Änderung bleibe unbestritten und die altgewohnte Verlautbarungsart, das Publizieren am Sonntag nach der Kirche, entspreche in keiner Weise mehr den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen. Zur Durchführung von Vorarbeiten werden Vertreter des Standes Montafon in das von der Marktgemeinde Schruns aufgestellte "Arbeitskomitee" entsendet.

Nunmehr bleibt das Thema Gemeindeblatt auf der Tagesordnung. Am 13. September 1930 (Tagesordnungspunkt 1) referiert im Anschluß an den Bericht und die Vorlage des Statutenentwurfs Oberlandesgerichtsrat Duelli aus Schruns als Vorsteher des Bezirksgerichtes Montafon über die "eminente wirtschaftliche Notwendigkeit", versichert dem Unternehmen "die grösste Unterstützung und Förderung und richtet in diesem Sinne an die verantwortlichen Gemeindefunktionäre Montafons einen warmen Appell".

Am 2. Oktober 1930 wird schließlich die Schaffung des Montafoner Gemeindeblattes "endgültig" beschossen. Und diesmal scheint es über den Beschluss hinaus auch zur tatsächlichen Gründung des Unternehmens gekommen zu sein - ein Vierteljahrhundert nach der ersten Erörterung im Standesausses.

Copyright

Vorarlberger Gemeindedokumentation,
Markus Kuhn

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