19020626_ltb00221902_Landesausschussmotivenbericht_Landtagswahlordnungsabänderung

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Letzte Änderung 05.07.2021, 12:49
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,lt1902,ltb0,ltb1902
Dokumentdatum 2021-07-05
Erscheinungsdatum 2021-07-05
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XXII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages._ VI. Session der 8. Periode 1902* gelingt XXII. Mstiven-Bericht des Landes-Ausschusses zum Gesetzentwürfe betreffend die Abänderung mehrerer Paragraphen der Landtags-Mahlordnung. Hoher Landtag! Mit Landtagsbeschluß vom 27. Juni 1901 wurde der von Herrn Dr. Schmid und Genossen gestellte Antrag auf Abänderung der Landtags-Wahlordnung dem Landes-Ausschusse mit deni Auftrage zugewiesen, vorerst mit der k. k. Regierung neuerlich Verhandlungen bezüglich Herabsetzung des Zensus bei Landtagswahlen einzuleiten. Der Landes-Ausschuß unterzog sich diesem Auftrage, indem er unterm 12. August 1901 Z. 2903 sich in dieser Angelegenheit mit motivierter Eingabe an das k. k. Ministerium des Innern wandte und um Bekanntgabe des Standpunktes der Regierung zu dieser Frage ersuchte. In dieser Eingabe wurde darauf hiugewiesen, daß der Landtag bereits in der Session des Jahres 1896 einen Gesetzentwurf angenommen habe, der u. A. die Bestimmung enthielt, daß das Wahlrecht an die Entrichtung einer direkten Staatssteuer von nur 2 statt, wie es bis dorthin der Fall war, von 10 K geknüpft werde. Der Gesetzentwurf habe aber gemäß Erlasses des k. k. Ministeriums des Innern vom 13. Juli 1896 Z. 4536 die Allerhöchste kaiserl. Sanktion nicht erhalten und auch ein weiterer Versuch des Landes-Ausschusses, (Eingabe desselben an das k. k. Ministerium des Innern vom 8. August 1896 Z. 2841) mit welchem wenigstens eine Herabsetzung des Zensus auf 5 K er­ wirkt werden wollte, sei nicht von dem erwünschten Erfolge begleitet gewesen. Aus den Verhandlungen und Beschlüssen der Session des Jahres 1896, wie nicht minder aus den Verhandlungen des Landtages anläßlich der I. Lesung des eingangs bezeichneten Antrages in der Session des Jahres 1901 könne angenommen werden, daß voraussichtlich eine qualificierte Majorität im Landtage für die Beseitigung des Wahlrechtes der Frauen, der Minderjährigen, Kuranden, juristischen Personen u. dgl. zu gewinnen 111 XXII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. wäre, wenn für die dadurch herbeigeführte Wahlrechtseinengung eine anderweitige entsprechende Wahl­ rechtserweiterung durch Herabsetzung des Zensus erwirkt werden könnte. Das Fallenlassen des Wahl­ rechtes der Frauen u. s. w. würde eine Einschränkung des Wahlrechtes involvieren, der Landtag wolle sich aber für eine solche Einschränkung nicht aussprechen, wenn dieselbe nicht durch eine Wahlrechts­ erweiterung kompensiert werde. Die Herabsetzung des Zensus von 8 K auf 5 K wäre den Verhält­ nissen des Landes und den Wünschen der Bevölkerung weit mehr entsprechend, als der jetzige Zustand. Eine anderweitige Wahlrechtserweiterung z. B. die Einführung einer allgemeinen Wahlkurie begegne in Vorarlberg nach den diesfalls im Reichsrat gemachten Erfahrungen und aus andern Gründen keinen Sympathien. Trotz der eingehenden Motivierung ließ sich die Regierung nicht bewegen, von ihrem früheren Standpunkte abzugehen und wurde hievon dec Landes-Ausschuß auf Grund des Ministerial-Erlasses vom 7. September 1901 Z. 9308 durch den Herrn Regierungsvertreter im Landtage mit Zuschrift vom 16. September v. I. Z. 151/pr. in Kenntnis gesetzt. Infolge dieser ablehnenden Haltung der k. k. Regierung hielt der Landes-Ausschuß angesichts der vom Landtage in der Wahlreformfrage bisher eingenommenen Stellung eine Reform der Landtags­ Wahlordnung mit Aussicht auf Erfolg nur nach einer Richtung für möglich, nämlich der Einführung der geheimen Wahl und beschränkte sich daher in dem dem Landtage zu unterbreitenden Gesetzentwürfe auf diesen einen Punkt. Über Wert und Vorzug der geheimen, gegenüber der offenen Wahl ist in Vorarlberg seit mehr als 30 Jahren soviel gesprochen und geschrieben worden, daß füglich von einer weitern Er­ örterung dieser Frage Umgang genommen werden darf. Im Allgemeinen kann behauptet werden, daß die geheime Wahl sich bei dem Großteil der Bevölkerung größerer Sympathien erfreut, als die offene Wahl; zudem erscheint die Einführung der erstem schon aus dem Grunde wünschenswert, damit dadurch auch die künftigen Reichsratswahlen insbesondere die Wahlen der allgemeinen Kurie bedeutend erleichtert und vereinfacht werden. Der Landes-Ausschuß stellt den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Denk beiliegenden Gesetzentwürfe betreffend die Abänderung der Landtags-Wahl­ ordnung wird die Zustimmung erteilt". Bregenz, am 26. Juni 1902. Der Landes-Äusschnh. Martin Thurnher, Referent. Druck v, I. N. Teutsch, Bregenz. 112 XXII A. her Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. Beilage XXII A. Gesetz vorn . . . . wirksam für das Land Vorarlberg, womit die §§ 21, 26, sowie 30—39 der Landtags-Wahlordnung abgeändert werden. Über Antrag des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich anzuordnen, wie folgt: Artikel I. Die §§ 21, 26, sowie 30 bis inklusive 39 haben in ihrer gegenwärtigen Fassung außer Wirk­ samkeit zu treten und künftig zu lauten: § 21. Die Wahl der Wahlmänner hat am bestimmten Wahltage zur festgesetzten Stunde und in dem bezeichneten Versammlungsorte ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Wähler zu geschebcn und sind dabei die Bestimmungen der §§ 28, 29, 30, dann 32 bis einschließlich 36 in analoge Anwendung zu bringen. Jeder Wähler hat auf einen Stimmzettel so viele Namen aufzuschreiben, als Wahlmänner zu wäbleu sind. Zur Giltigkeit der Wahl der Wahlmäuner ist die absolute Mehrheit der Stimmenden notwendig. Wird diese bei der ersten Abstimmung nicht erzielt, so ist nach den §§ 37, 38 und 39 weiter vorzugehen. § 26. Zum Vollzüge der Wahl der Abgeordneten sind den Wählern, beziehungsweise den Wahlmännern mit den Legitimationskarten Stimmzettel auszu- 113 Beilage XXII A. XXII A. der Beilagen zu den steiiogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. folgen, welche auf die Wahl der zu Wählenden eingerichtet und mit dem Amtssiegel der politischen Bezirksbehörde und mit der Bemerkung versehen sein müssen, daß jeder andere nicht behördlich aus­ gegebene Stimmzettel als ungiltig behandelt wer­ den wird. Die den Wählern und beziehungsweise Wahlnlännern ausgefolgten Legitimationskarten berech­ tigen zum Eintritt in das bestimmte Wahllokale und haben als Aufforderung zu gelten, sich ohne jede weitere Vorladung (tu dem darauf bezeichneten Tage lind zu der festgesetzteil Stunde zur Vornahme der Wahl einzufinden. § 30. Die Wahl selbst beginnt damit, daß die wahl­ berechtigten Mitglieder der Wahlcommission ihre Stinimzettel in die Wahlurne legen. Hierauf werden durch ein Mitglied der Wahl­ kommission die Wähler in der Reihenfolge, wie ihre Namen in der Wählerliste eingetragen sind, zur Abgabe der Stimmzettel aufgerufen. Wahlberechtigte, die nach geschehenem Aufrufe ihres Namens in die Wahlversammlung kommen, haben erst, wenn die ganze Wählerliste durchgelesen ist, ihre Stimmzettel abzugeben und sich zu diesem Zwecke bei der Wahlkommission zu melden. § 31. Jeder Wähler hat auf seinem Stimmzettel so viele Namen zu verzeichnen, als im betreffenden Wahlkörper Abgeordnete zu wählen sind. Der Vorsitzende der Wahlkommisfion übernimmt von jedem Wähler den von letzterem zusammen­ gefalteten Stimmzettel, legt jeden einzeln in die Urne und wacht darüber, daß nicht anstatt eines, mehrere Stimmzettel abgegeben werden. Jeder Wähler hat bei Abgabe seines Stimm­ zettels seine Legitimationskarte vorzuzeigen. § 32. Wenn sich bei der (Stimmabgabe über die Identität eines Wählers Anstände ergeben, so ent­ scheidet darüber sogleich die Wahlkommission ohne Zulassung eines Rekurses. 114 VI. Session der 8. Periode 1902. Beilage XXII A. § 33. Die Abgabe des Stimmzettels ist in der Wählerliste neben dem Namen des Wählers in der dafür vorbereiteten Colonne ersichtlich zu machen. Die Eintragung besorgt in dem einen Ver­ zeichnisse der vom Wahlkommissäre der Wahlkom­ mission beizugebende Schriftführer und gleichzeitig ein Mitglied der Wahkominission in dem zweiten Verzeichnisse, welches als Gegenliste die Kontrole der Eintr gung bildet. § 34. Die Wahl ist zur bestimmten Stunde zu schließen. Es dürfen jedoch Wähler, welche noch vor Ablauf der bestimmten Schlußstunde im Wahllokale erscheinen und daselbst beim Schlüsse der Abstimmung anwe­ send sind, von der Stimmgebung nicht ausge­ schlossen werden. (§ 30). Treten Umstände ein, welche den Anfang, Fortgang oder die Beendigung der Wahl ver­ hindern, so kann die Wahlhandlung von der Wahl­ kommission mit Zustimmung des Wahlkommissärs auf den nächstfolgenden Tag verschoben oder ver­ längert werden. Die Bekanntmachung darüber hat für die Wähler auf ortsübliche Weise zu geschehen. Im Falle einer Unterbrechung der Wahl ist die Wahlurne unter ämtlichen Verschluß der Wahl­ kommission zu bringen. § 35. Nach Abschluß der Stimmgebung, welche von dem Vorsitzenden der Wahlkommission auszusprechen ist, und noch vor der Skrutinierung werden von demselben die Stimmzettel in der Wahlurne unter­ einander gemengt, sodann herausgenommen und gezählt. Bei der hierauf folgenden Skrutinierung ent­ faltet ein Mitglied der Wahlkommission jeden Stimmzettel einzeln und übergibt ihn nach genom­ mener Einsicht dem Vorsitzenden, welcher denselben laut abliest und zur Einsichtnahme an die andern Kommissionsmitglieder weiter reicht. Hiebei ist von zwei Mitgliedern der Wahl­ kommission über die Personen, welche Stinimen erhalten haben, je eine Stimmliste zu führen, welche beide Stimmlisten übereinstinimen müssen und von 115 Beilage XXII A. XXII A. der Beilagen zu den ftciwgr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. sämtlichen Mitgliedern der Kommission und dem Wahlkommissär zu unterfertigen sind. In der Stimmliste ist jeder, welcher als Ab geordneter eine Stimme erhält, namentlich zu ver­ zeichnen und neben seinem Namen die Zahl 1, bei der zweiten auf ihn fallendeil Stimme die Zahl 2, bei der dritten die Zahl 3 u. s. f. beizusetzen. § 36. Enthält ein Stimmzettel mehr Namen, als Abgeordnete zu wählen sind, so sind die über diese Zahl auf dem Stimmzettel zuletzt angesetzten Namen unberücksichtigt zu lassen. Sind weniger Namen auf dem Stimmzettel angeführt, so verliert er deshalb seine Giltigkeit nicht. Ist der Name einer und derselben Person auf einem Stimmzettel mehrmal verzeichnet, so wird er bei der Zählung der Stimmen nur einmal gezählt. Stimmen, welche auf eine in Gemäßheit des § 11 von der Wählbarkeit ausgeschlossene Person fallen; Stimmen, welche an Bedingungen geknüpft, oder denen Aufträge an den zu Wählenden I igefügt sind; endlich Stimmen, welche die bi h it bezeichnete Person nicht entnehmen lassen, sind ungiftig und werden den abgegebenen Stimmen nicht beigezählt. § 37. Das Resultat der Stimmzählung ist von dem Vorsitzenden der Wahlkommission sogleich bekannt zu geben. § 38. Als gewählter Abgeordneter ist derjenige an­ zusehen, welcher mehr als die Hälfte aller abgege­ benen giltigeil Stimmen für sich hat. Wenn mehr Personen, als zu wählen sind, die absolute Stimmenmehrheit für sich haben, so ent­ scheidet die überwiegende Stimmenzahl oder bei gleicher Stimmenzahl das von de Vorsitzenden der Wahlkommission zu zieheilde Lo darüber, wer von ihnen als gewählt anzuse hensei. Wurde die absolute Stimmenmehrheit nicht erlangt, so wird rücksichtlich der noch zu wählenden Abgeordneten zur engern Wahl geschritten. § 39. Bei der engern Wahl haben sich die Wähler auf jene Personen zu beschräuken, die bei dem 116 Beilage XXII A VI Session der 8. Periode 1902. ersten Skrutinium nach denjenigen, welche die abso­ lute Mehrheit erlangten, die relativ meisten Stim­ men für sich hatten. Die Zahl der in die engere Wahl zu bringen­ den Personen ist immer die doppelte von der Zahl der noch zu wählende» Abgeordneten. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los, wer in die engere Wahl zu bringen sei. Jede Stimme, welche bei der engern Wahl auf eine nicht in diese Wahl gebrachte Person fällt, ist als ungiltig zu betrachten. Sind bei der engern Wahl alle abgegebenen gütigen Stimmen zwischen sämtlichen in die Wahl gebrachten Personen gleich geteilt, so daß jede von ihnen die Hälfte aller Stimmen für sich hat, so entscheidet das vom Vorsitzenden der Wahlcom­ mission zu ziehende Los, wer von ihnen als gewühlt anzusehen sei. Insoweit außer diesem Falle die absolute Stimmenmehrheit nicht erzielt wird, ist die engere Wahl fortzusetzen, bis hinsichtlich aller zu wählenden Abgeordneten die absolute Stimmenmehrheit, oder die obgedachte gleiche Teilung zwischen allen in die engere Wahl gebrachten Personen erreicht ist, in welch' letzterem Falle schließlich das Los entscheidet. Wahlberechtigte sind deshalb, weil sie bei einem frühern Wahlgange ihr Stimmrecht nicht ausgeübt haben, bei dem folgenden Wahlgange von der Aus­ übung dieses Rechtes nicht ausgeschlossen. Artikel II. Dieses Gesetz tritt für den Zeitpunkt der Aus­ schreibung der nächsten allgemeinen Neuwahlen für den Landtag in Kraft. Artikel III. Mein Minister des Innern ist mit der Durch­ führung dieses Gesetzes betraut. Truck vHTeuIsch, Bregenz. 117