19020715_ltb00571902_Volkswirtschaftsausschussbericht_Landesausschussvorlage_Regelung_Verhältnisse_in_LandesirrenanstaltValduna

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Letzte Änderung 05.07.2021, 12:53
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,lt1902,ltb0,ltb1902
Dokumentdatum 2021-07-05
Erscheinungsdatum 2021-07-05
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Inhalt des Dokuments

LVIL der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 8. Periode 1902. Beilage LVIL Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Landes-Ausschußvorlage betreffend die Regelung der Verhältnisse in der Landesirrenanstalt valduna. Hoher Landtag! Anläßlich der Verhandlung des Landtages in der letzten Session über Anschaffung eines neuen Kochherdes in der Landesirrenanstalt Valduna (Beilage XXXIV. der stenographischen Protokolle pro 1901), gelangten auch die Zustände der Anstalt, sowie ihr Verhältnis zur Wohltütigkeitsanstalt eingehend zur Erörterung. Es machte sich schon damals allgemein die Anschauung geltend, die jetzt bestehenden Zustände seien nicht haltbar und die Durchführung angemessener Reformen in der Landesirrenanstalt sowie in dem Verhältnisse derselben zur Wohltätigkeitsanstalt sei dringend geboten. Die Landesirrenanstalt kann ihrer Hauptaufgabe als Heilanstalt nicht genügend entsprechen. Zwei Umstände behindern sie an der Erfüllung derselben. Einesteils sollte die Irrenanstalt alle unheilbaren und dabei nicht gemeingefährlichen Irren an die Wohltütigkeitsanstalt abgeben können, damit sie sich ganz und vollständig der Heilpflege widmen und sich vor Überfüllung sichern könnte. Die Anzahl der in der Anstalt befindlichen Kranken ist im Verhältnis zu den Raumverhältnissen eine zu große, und würde auch dann noch, wenn von der Auf­ nahme von Ausländern abgesehen würde, eine zu große bleiben. Es sollte sonach in erster Linie Vorsorge für Abgabe der die Pflege der Irrenanstalt nicht mehr benötigenden Kranken in die Wohltütigkeitsanstalt getroffen werden. Der zweite Übelstand der Landesirrenanstalt besteht darin, daß den Kranken nicht eine ange­ messene und hinreichende Arbeit angewiesen werden kann. Die Arbeit ist in der Regel das beste Mittel zur Heilung, und insbesondere sind es die Arbeiten im Freien, die in hervorragender Weise günstig auf Geist uud Körper einwirkeu. Die Landesirrenanstalt besitzt aber nur einen kleinen Garten; die Wohltütigkeitsanstalt ist in dieser Hinsicht viel besser bestellt. Ihr ausgedehnter Grundbesitz würde allein hinreichen, die Insassen beider Anstalten in ausreichender Weise zu beschäftigen. 259 Beilage LVII. LVII. der Beilage» zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Es lag sonach schon aus diesem Grunde der Gedanke nahe, eine wenn auch nur vorübergehende Vereinigung der beiden Anstalten, beziehungsweise die Stellung derselben unter die gleiche Leitung herbeizuführen. Die Vereinigung beider Anstalten würde aber nicht nur dazu dienen, den beiderseitigen Kranken angemessene Arbeit und der Irrenanstalt durch Überweisung der nicht heilfähigen Kranken an die Wohltätigkeitsanstalt genügenden Raum und die Ermöglichung der Erreichung ihres Hauptzweckes zu erzielen, sondern die Vereinigung, beziehungsweise die gemeinsame Leitung würde wesentlich dazu beitrageu, die Interessen des Landes, der Gemeinden, der Bevölkerung, wie auch die Verbesserung der Lage der Kranken und Hilfsbedürftigen zu heben und zu fördern. Nicht der Umstand, ob eine der Anstalten einen etwas höhern materiellen Ertrag erzielt, wie es z. B. durch Heranziehung auswärtiger Kranken ja der Fall sein kann, darf bei Beurteilung der Sachlage ausschlaggebend sein, sondern in erster Linie die Rücksicht auf die Wohlfahrt des Landes und seiner Kranken. Und von diesem Standpunkte aus betrachtet, kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß die einheitliche Leitung der Anstalten unberechenbar große Vorteile für die Bevölkerung bringen würde. Die Bemühungen des Landes-Ausschusses, nach dieser Richtung eine Vereinbarung mit der Wohltätigkeitsanstalt zu erzielen, sind aber vorläufig gescheitert. Jede andere Kombination hinsichtlich Regelung der Verhältnisse in Valduna wird aber bedeutende Opfer erfordern. Bleiben die Anstalten getrennt, so wird an die Landesirrenanstalt die Notwendigkeit herantreten, Kulturgründe zu erwerben, um den Geisteskranken angemessene Arbeit anweisen zu können. Die von einigen Seiten gemachte Anregung, die Landesirrenanstalt an die Wohltütigkeitsanstalt käuflich zu tiber­ lassen, ist nicht durchführbar, ohne das Land auf Jahrzehnte hinaus in finanzielle Kalamitäten zu stürzen. Das Eingehen in diesbezügliche Verhandlungen wurde zwar von der Wohltätigkeitsanstalt nicht abgelehnt, aus der bezüglichen Antwort konnte aber entnommen werden, daß der zu erzielende Kaufschilling dem Werte der Anstalt keineswegs als entsprechend angesehen werden könnte und daher der Bau einer neuen Anstalt nur zu einem geringen Teile Deckung aus dem Erlöse finden könnte. Das Land ist durch die zahlreichen Fluß-, Bahn- und Straßenbauten, insbesondere aber durch die infolge der vorjährigen Hochwassertatastrophe notwendig gewordenen Schutzbauten für die nächsten Jahre finanziell in einer Weise in Anspruch genommen, daß es weiser Sparsamkeit bedürfen wird, um ohne Erhöhung der Umlagen und ohne Aufnahme von Darlehen alle die bereits beschlossenen Arbeiten durchzuführen, und dabei doch den weiters an uns herantretenden dringlichen und unabweislichen Auf­ gaben entsprechen zu können. Die Idee des Baues einer neuen Anstalt ist daher schon vom finanziellen Standpunkte aus betrachtet unausführbar. Wie aus dieser Darstellung der Verhältnisse zu entnehmen ist, wäre vor allem die Vereinigung der Anstalten, beziehungsweise die gemeinsame Leitung derselben die beste Lösung der Frage. Selbstver­ ständlich bliebe die Eigentumsfrage unberührt und wäre die gemeinsame Leitung vorerst nur probeweise auf 5—10 Jahre anzustreben. Wenn nun auch der erste dahingehende Versuch der Lösung der Frage auf dieser Grundlage nicht von Erfolg begleitet war, so liegt es sehr im Interesse des Landes und beider Anstalten, daß die Verhandlungen neuerdings ausgenommen werden. Die Mitglieder des Verwaltungsrates der Wohltätigkcitsanstalt sind alle Söhne unseres Landes, sie wollen sicher und gewiß die Interessen desselben fördern, sie wollen auch, daß die Pflege in der Wohltätigkeitsanstalt auf der Höhe der Zeit bleibe, daß die Anstalten in Harmonie im Interesse und zum besten der Kranken wirken, und darum dürfen wir die Hoffnung hegen, daß ihr Votum schließlich ein solches sein werde, wie es den Interessen der Bevölkerung und insbesondere jenen der einheimischen Kranken entspricht. Mittlerweile iväre, nachdem der frühere Verköstigungsvertrag zwischen den Anstalten erloschen ist, provisorisch eine neuerliche Vereinbarung in dieser Richtung zu treffen. 960 VI. Session der 8. Periode 1902. Beilage LVIL Auf Erwerbung von Grundstücke» für die Anstalt wäre das Augenmerk erst dann zu richten, wenn eine gemeinsame Leitung der Anstalten nicht zu erzielen wäre. Der volkswirtschaftliche Ausschuß stellt folgende Anträge: „1. Der Landes-Ausschuß wird beauftragt, hinsichtlich der Verköstigungsfrage ein neuerliches Übereinkommen mit der Wohltätigkeitsanstalt zu treffen. 2. Der Landtag spricht sein Bedauern aus, daß die Verhandlungen des Landes­ Ausschusses mit der Wohltütigkeitsanstalt hinsichtlich der Vereinigung der Anstalten bisher zu keinen« Erfolge geführt haben. 3. Der Landes-Ausschuß wird beauftragt, neuerliche Verhandlungen einzuleiten, uni die schwebende Angelegenheit einer angemessenen Lösung zuzuführen und über das Ergebnis der bezüglichen Verhandlungen in der nächsten Session Bericht zu erstatten, eventuell dem Landtage Anträge vorzulcgen." Bregenz, am 15. Juli 1902. Martin Thurnher, Berichterstatter. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 261