19010705_ltb00371900_Minoritätsbericht

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Letzte Änderung 05.07.2021, 13:03
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,lt1901,ltb0,ltb1901
Dokumentdatum 2021-07-05
Erscheinungsdatum 2021-07-05
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XXXVI. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. V. Session 8. Periode 1900/1901. Minoritäts-Bericht. Hoher Landtag! Das Verfassungslebea unseres Landes reicht zurück bis zum Jahre 1391. Am 18. August d. I. entließ Graf Albrecht III. von Werdenberg-Bludenz, der seinen Antheil au der Herrschaft, nämlich die Stadt Bludenz, Montafon und den Hof St. Peter, int Jahre 1376 an das Haus Österreich ver­ kauft hatte mit dem Vorbehalt, feilten Unterthanen noch bei Lebzeiten nach Gefallen Gnaden und Frei­ heiten zu gewähren, seine Hörigen ans der Leibeigenschaft und schloss mit dem Stadtammanu und Rath zu Feldkirch, einer der freiesten Städte des weiten, deutschen Reiches, einen Vertrag, der als erste Verfassungsurkunde unseres Landes bezeichnet werden muss. An diesem Vertrage nahmen theil: 1. der Vogt, die Räthe und Bürger der Stadt Bludenz, die Leute im Hofe zu St. Peter, das Thal Montafon und Silberberg, der Burgherr ans Bürs und alle zum Schlosse Bludenz Gehörigen, der Burgherr auf Alt- und Reuschellenbcrg, der Keller zu Wolsfurth sammt allen Leuten die vom Flusse Bregenz an aufwärts dem Grafen Albrecht gehörten. 2. Der Stadtammann, die Räthe und Bürger zu Feldkirch, der Burgherr auf der alten Ramschwag bei Nenzing, die Leute zu Tosters, der Landammann und das Gericht Rankweil und was zur Herrschaft Feldkirch gehörte, die Walser in Damüls und Laterns, Fußach und Höchst, die Leute zu Dornbirn, Stiglingen (Haselstauden) und Knie, der Hinter- und Vorderbregenzerwald, die Leute an der Langenegg und endlich der Vogt und die Leute der Festung Staufen im Königseggischen. Feldkirch, das nach dem Tode Rudolfs von Montfort int Jahre 1390 unter die Oberhoheit der Erzherzoge von Österreich gekommen war, die seine Freiheiten wiederholt bestätigten und garantierten, wurde Vorort und blieb es bis ins 19. Jahrhundert. Im Jahre 1451 erwarb Österreich die Herrschaft Hohenegg, 1511 Sonnenberg, 1523 den andern Theil von Bregenz durch Kauf, nachdem es i. I. 1451 die eine Hälfte der Herrschaft (die halbe Stadt und die Gerichte Hofsteig, Lingenau und Alberschwende) erworben hatte. Bregenz blieb 187 Beilage XXXVI. XXXVI. der Beilagen zu den stcnogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. leibeigen bis zum Jahre 1579 und erhielt erst i. I. 1643 die freie Wahl des Stadtammanns und Rathes. Damit wurde die Stadt Bregenz ein vollwertiges Mitglied des alten Ständeverbandes. Wann Bregenz zweite Dircctorialstadt wurde, ist nicht nachweisbar. Mit der Creicrung einer zweiten Directorialstadt entstand ein gewisser Dualismus und die Landtage wurden abwechselnd in Feldkirch und Bregenz abgehalten, die 24 Stünde wurden nach den gleichnamigen bekannten Gerichten in die Stande des Oberlandes und des Unterlandes getheilt mit getrennter Verwaltung; sie bildeten aber nur einen Körper und beriethen gemeinsam. So blieb es bis zum Jahre 1808, in dem die damalige bairische Regierung trotz gegebenen Versprechens die ständische Verfassung des Landes aufhob. Die Kaiserin Maria Theresia hatte zwar die Vogteiverwaltungen der vorarlbcrgischen Herrschaften i. I. 1750 einem Landvogte oder Kreisvorstande in Bregenz untergeordnet und ihn auch zum Präses der Stände er­ nannt; dieser Präses hatte aber in Landes- und Verfassungsangelegenheiten sehr wenig zu sagen, er durfte während der Berathungen der Standesrcpräsentanten nicht einmal zugegen sein. Kaiser Franz I. erneuerte am 12. Mai 1816 die ständische Verfassung. Da das Landgericht Weiler im Jahre 1814 bei Bayern verblieb, bestand der ständische Körper nur mehr aus 19 Mitgliedern, aus den Abgeordneten der 3 Städte und der 16 vormaligen Gerichte. Die Landtage sollten wie früher abwechselnd in Feldkirch und Bregenz abgehallen werde t, wobei die beiden Dircctorialstädte abwechselnd den Vorsitz führen sollten. Die Standesrepräscntanten wurden jedoch von 1816—1848 niemals einberufen. Jni bewegten Jahre 1848 sollten die Stände wieder reaktiviert werden, und da die früheren Standesbezirke nicht mehr maßgebend sein konnten, wollte der damalige Kreishanptniann von Ebner über eine neue Eintheilung und eine Wahlordnung berathen und rief zu diesem Zweck die noch dem Namen nach bestehenden Standesrepräsentanten des Bregenzerwaldes, von Montafon und Neuburg, dann die Bürgermeister der Städte, die Vorsteher der größeren Gemeinden und einige andere Vertrauensmänner zu einer Versammlung auf das Rathhaus in Feldkirch ein. Diese Versammlung wurde durch radikale Elemente, denen sie zu wenig freiheitlich erschien, gestört und, als Obstruktion von außen, durch fortgesetzten Lärm verhindert zu berathen, so dass sie resnltatlos anseiikander gehen musste. Dieser Vorgang war Ursache, wie ein Zeitgenosse berichtet, dass der später sodann gewählte und zusammengerufene Landtag im Sommer in Bregenz tagte und nicht in Feldkirch, wo man weitere ähnliche Störungen befürchtete. Nach der Zeit des Absolutismus der 50er Jahre, im Jahre 1861, als jene turbulenten Vorgänge noch in frischer Erinnerung waren, wurde Bregenz als Sitz des Landtages in der neuen Landesordnung mit Umgehung der ersten und ältesten Directorialstadt bestimmt. Es haben zwar die Abgeordneten des Oberlandes gleich in den ersten Jahren des konstitutionellen Landtages den Versuch gemacht, die Landesordnung in diesem Punkte zu ändern und den Sitz des Landtages in die erste ehemalige Dircctorialstadt zurückzuverlegen, sie ließen sich aber durch höhere Ein­ flüsse von ihrem Vorhaben, das als vollständig erfolglos geschildert wurde, abbringen, so dass cs zu keiner Verhandlung im hohen Hause kam. Der gegenwärtige Zustand, obwohl gesetzlich und seit 40 Jahren bestehend, ist unfertig und der Eiltwicklung der verfassungsmäßigen Verhältnisse im Lande nicht entsprechend. Vorarlberg, seit Maria Theresia als Kreis in der Verwaltung und später auch in der Justiz behandelt, wurde endlich in den Jahren 1860 und 1861 verfassungsmäßig als selbständige Landschaft anerkannt, aber, den damaligen Verhältnissen entsprechend, ohne Landeshauptstadt gelassen. Der Landtag und Landes-Aus­ schuss haben bis heute kein eigenes Heim. Ein Consortorium in Bregenz war int Begriff, dem Lande ein Hans in Bregenz als Landhaus zum Kaufe.anzubicten. Die Abgeordneten des Oberlandes mussten sich sagen, dass damit die Frage, wo der Landtag unwiderruflich seinen Sitz habeit werde, acut geworben sei und sie das Recht und die Pflicht hätten, das Ihrige zu thun, um die Rückverlegung des Landtages nach Feldkirch, der ersten ehemaligen Dircctorialstadt, dem Sitze der höchsten kirchlichen und der k. k. Behörden im Lande zu erwirken, sie mussten sich sagen, dass das ganze Oberland eine i. I. 1848 vorgekommene politische Ungeschicklichkeit in Feldkirch nun schon lange genug mitgebüßt Hütte. Nach der 188 Beilage XXXVI. V. Session der 8. Periode 1900/1901. Anschauung der Abgeordneten, soweit sie wenigstens in der Minorität des Ausschusses ihre Vertreter erblicken, sollte Feldkirch als Landeshauptstadt und als der Ort erklärt werden, in dem sich der Landtag in der Regel zu versammel» habe. Damit käme Vorarlberg auf gleichen Fuß mit allen übrigen Kronländern unserer Reichshälfte mit eigener Landesordnung. Auch die Stadt Feldkirch, die sich ihrer historischen und gegenwärtigen Bedeutung erinnerte, wurde aus solchen und ähnlichen Erwägungen veranlasst, zu der acut gewordenen Frage Stellung zu nehmen. . Die Vertretung dieser Stadt hat am 15. Juni d. Js. nämlich einstimmig folgenden Be­ schluss gefasst: „Für den Fall, dass das zukünftige Landhaus in Feldkirch gebaut wird, stellt hiezu „die Stadtgcmeinde Feldkirch einen geeigneten und angenehmen Platz nebst einer Bausumme „von 250.000 K — vorbehaltlich der Genehmigung des hohen Landes-Ausschusses — dem „Lande frei zur Verfügung." Der Stadtmagistrat Feldkirch brachte diesen Beschluss der Gemeindevertretung mit einer moti­ vierten Eingabe am 17. Juni d. Js., die dem stenografischen Protocolle einverleibt wurde, zur Kenutnis des hohen Hauses. Auch eine größere Zahl von Gemeinden und die Standesvertretung von Montafon sandten Petitionen im Sinne der Eingabe des Stadtmagistrates von Feldkirch. Gestützt auf die voranstehenden Ausführungen stellt die Minorität des Specialausschusses folgende Anträge Das höhe Haus wolle beschließen: „1. Das Angebot der Stadt Feldkirch, betreffend den Bau des Landhauses laut Ge­ meindeausschuss-Beschluss vom 15. Juni 1901 wird angenommen, und der Landes-Ausschuss beauftragt, wegen der nothwendig werdenden Aenderung der Landesordnung im Sinne der Eingabe des Stadtmagistrates von Feldkirch d. d. 17. Juni 1901 mit der k. k. Regierung in Unterhandlung zu treten und in der nächsten Session dem Landtage Bericht zu erstatten." „2. Das Offert, wird abgelehnt." betreffenv den Ankauf des Pfanner'schen Hauses in Bregenz Bregeuz, 5. Juli 1901. Alois Dreffel, Berichterstatter der Minorität. Josef Wegeler. Jos. Andr. Thnrnher. Druck von I. IX. Teutsch, Bregenz. 189