19010627_ltb00261900_Schulausschussbericht_Lehrerwitwengesuch

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Letzte Änderung 05.07.2021, 12:14
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,lt1901,ltb0,ltb1901
Dokumentdatum 2021-07-05
Erscheinungsdatum 2021-07-05
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XXVI. der Beilagen zu ven stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. V. Session der 8. Periode 1900/1901. Beilage XXVI. Bericht des ^chulausschusses über das Gesuch der Witwe des verstorbenen Lehrers 3ofef Moll in Reuthe. Hoher Landtag! Josef Moll wirkte als provisorischer Lehrer in Reuthe von 1885—1887 und dann bis 1897 als definitiver Lehrer und Schulleiter dortselbst. Bkit Urtheil des k. k. Kreisgerichtes Feldkirch vom 33. Juni 1897, Z. 2420, wurde derselbe wegen des Verbrechens der schweren körperlichen Beschädigung zu sechs Monaten schweren Kerkers verurtheilt. Der Thatbestand, auf welchen sich das gerichtliche Urtheil stützte, war folgender: Am 11. April 1897 entspann sich in Gegenwart des Moll in der Sonnenwirtschaft in Reuthe zwischen dem Wirte und einem anrüchigen, wegen Verschwendung unter Curatel stehenden Individuum des Ortes, namens Hiller, ein Streit, bei welchem letzterer dem Wirte mit einem Messer einen lebens­ gefährlichen Stich in die Seite versetzte. Während Moll sich mit dem blutüberströmten, jammernden Wirte beschäftigte, wurde der Attentäter von anderen Gästen aus dem Gastzimmer hinausgeschafft, trotz heftiger Gegenwehr zu Boden geworfen und über die außerhalb befindliche Steintreppe hinabgeschleift. Dann erschien auch Moll draußen und entrüstet über Hiller's unselige That gebrauchte er in seiner Aufregung den unüberlegten Ausdruck: „Schlagt den Kerl todt, er hat den Sonnenwirt erstochen!" Daraufhin schlugen die Burschen auf den vermeintlichen Mörder ein, und auch Moll versetzte ihm einige Hiebe. Der Umstand, dass die betheiligten Leute bei Gericht erklärten, sie würden nicht so zugehauen haben, wenn Moll sie nicht dazu ermuntert hätte, musste die Schuld des Moll erschweren und hatte obiges Urtheil zur Folge. 139 Beilage XXvi. XXVI. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Infolge dieses gerichtlichen Urtheiles sprach der Landesschulrath in der Sitzung vom 30. October 1897 auf Grund des § 52 des alten Lehrergesetzes die Entlassung Molls aus dem Schul­ dienste aus, mit Rücksicht aber auf die Umstände, unter welchen das erwähnte Verbrechen geschehen war, beschloss er zugleich, ein eventuelles Majestätsgesuch nm Erlassung der gesetzlichen Folgen des Urtheiles beim k. k. Ministerium zu befürworten. Ein von der unglücklichen Frail des Verurteilten eingebrachtes Majestütsgesuch wurde dann auch do. do. 5. Februar 1898 dem k. k. Ministerium unterbreitet und die Wiederverwendung Molls im Volksschullehramte, beziehungsweise Wiedereinsetzung desselben in die genossenen Rechte im Hinblick ans die 13 jährige verdienstliche Wirksamkeit desselben als Lehrer und in Anbetracht dessen, dass Moll nur durch eine unglückliche Verkettung von Umständen an dem Verbrechen der schweren körperlichen Be­ schädigung theilgenommen hat, befürwortet und der Entlassene der Allerhöchsten Gnade empfohlen. Mit Miuisterial-Erlass vom 29. Mai 1898, Zl. 10 692, wurde im Sinne der vom Landesschulrathe gestellten Anträge die Wiederverwendung Molls zum Schuldienste bewilliget. Moll wurde infolge dieses Ministerial-Erlasses zuerst als Lehrer in Bildstein, dann später wieder an der Schule in Reuthe und zwar in provisorischer Eigenschaft verwendet. Am 3. October 1900 wurde er zum definitiven Lehrer in Reuthe ernannt. Nach seiner Wiederanstellung zeigte Moll sowohl dienstlich als außerdienstlich ein vollständig correctes Verhalten, so dass er sich die volle Zufriedenheit der Schulbehörden erwarb. Die harten Schicksalsschläge hatten aber die Gesundheit des Mannes völlig erschüttert und nach langer Krankheit verschied derselbe am 24. Mai d. I. Er hinterließ eine Witwe mit vier unmündigen Kindern. Nach § 62 des Gesetzes vom 28. August 1899, L. G. Bl. Nr. 48, betreffend die Rechts­ verhältnisse der Lehrpersonen, steht den Hinterbliebenen des verstorbenen Moll kein Anrecht auf eine Pension zu, sondern sie haben nur Anspruch auf eine Abfertigung mit einem einmaligen Betrage in der Höhe des letzten von dem Verstorbenen bezogenen anrechenbaren Jahresgehaltes, da die früheren Dienstjahre Molls, weil eine selbstverschuldete Unterbrechung der Dienstzeit vorliegt, nicht in Anrechnung gebracht werden können. Würde die frühere Dienstzeit mit in Anrechnung gebracht, so entfiele auf die Hinter­ bliebenen die volle nach §§ 63 und 66 vorgesehene Pension, die im vorliegenden Falle 500 K pro Jahr betragen würde. Der k. k. Landesschulrath hat nun in Würdigung der besonderen Verhältnisse den ganzen Act dem Laudes-Ausschusse übermittelt und um eine Aeußerung wegen gnadenweiser Gewährung einer Pension an die Witwe ersucht. . Der Landes-Ausschuss erklärte in seiner Zuschrift vom 14. d. M., Z. 2529, dass er in Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse und die Nothlage der Familie einem Anträge auf Erhöhung des Abfindungsbeitrages zuzustimmen bereit wäre. Wenn aber für die Witwe und Kinder die Versorgungsbezüge nach §§ 63 und 66 des Lehrer­ gesetzes gewährt werdeir sollen, so würde dieses eine bleibende Belastung des Pensionsfondes involvieren; das Recht, in solcher Weise Gnade walten zu lassen, stehe aber nach Anschauung des Landes-Ausschusses nur dem Landtage zu, da ja auch das Land gesetzlich verpflichtet fei, die Abgänge des Pensionsfondes zu decken. Das nun im Sinne dieser Aeußeritng des Landes-Ausschusses dem Landtage unterbreitete Gesuch der Witwe Moll führt noch aus, dass das älteste der vier Kinder 9, das jüngste 4 Jahre zählt, dass der Nachlass des verstorbenen Lehrers Moll kaum nennenswert sei und in einem kleinen verschuldeten Anwesen bestehe, so dass die Hinterbliebenen der Armut und dem Elende preisgegeben wären, wenn der Bitte nicht willfahrt würde. Angesichts dieser Sachlage nmr der Schulausschuss der einhelligen Anschauung, es sollte von Seite des Landtages die Zustimmung zur Gewährung einer Pension in jenem Ausmaße, wie es sich bei einer anrechenbaren l 0-jährigen Dienstzeit einer Lehrperson ergibt, ausgesprochen werden. Der 140 V. Session. 8. Pcriode 1900/1901. Beilage XXVI. Schulausschuss kaun diese Anschauung um so mehr vertreten, als derartige Fälle wohl selten vor­ kommen dürften und dieser Gnadenact daher für die Zukunft wohl kaum irgendwelche Consequenzen nach sich ziehen dürfte. Der Schulausschuss stellt daher den Antrag: Der h. Landtag wolle beschließen: „Der Landtag erklärt, keine Einwendung zu erheben, wenn der k. k. Landesschulrath die Pension und Versorgungsgenüsse der Hinterbliebenen des Lehrers Josef Moll in Reuthe im Gnadenwege auf Grund der §§ 63 und 66 des Gesetzes vom 28. August 1899, L. G. Bl. Nr. 48, somit unter Anrechnung einer 16-jährigen Dienstzeit des Verstorbenen festsetzt." Bregenz, am 27. Juni 1901. Fink, Pfarrer, Martin Thurnher, Obmann. Berichterstatter. Drucf von I. N. Teutsch, Lregenz. 141