19000419_ltb00381900_Volkswirtschaftsausschussbericht_Landesbeitragsgesuch_dürftigeBesucher_StickereischuleDornbirn_und_LustenauerStickereigenossenschaftsbeitragsansuchen

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Letzte Änderung 05.07.2021, 13:10
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,lt1900,ltb0,ltb1900
Dokumentdatum 2021-07-05
Erscheinungsdatum 2021-07-05
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XXXVIIL der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. 1V. Session. 8. Periode 1900. Beilage XXXVIII. WsvicHt des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch des Leiters der k. k. Stickerei­ schule in Dornbirn um einen Landesbeitrag zur Unterstützung dürftiger Besucher dieser Lehranstalt und über das Ansuchen der Lustenauer Stickereigenossenschaft um einen Landesbeitrag zur Besoldung eines Fachlehrers. Hoher Landtag! Ein gleiches Ansuchen der k. k. Stickereischule wie das vorliegende wurde voriges Jahr durch deu hohen Landtag dahin erlediget, dass für das Jahr 1899 sl. 200 mit der Zusage bewilligt wurden, diese Ziffer in einem späteren Zeitpunkte zu erhöhen, wenn nämlich die Staatsverwaltung eine Erhöhung der gleichen Budgetpost eintreten lasse. Dieser Fall hat sich nun thatsächlich ereignet, denn lt. Statthaltereieröffnung vonl 5. Febr. l. I. hat das k. k. Unterrichts-Ministerium die gedachte Budgetpost für 1900 von 400 auf 800 K erhöht, aber diesen Betrag nur unter der ausdrücklichen Bedingung flüssig gemacht, dass der vorarlbergische Landes-Ausschuss auf Grund des Landtagsbeschlusses vom 30. December 1898 gleichfalls einen entsprechend größeren Landesbeitrag für Schülerunterstützungen bewillige. Angesichts dieser festen Forderung des Unterrichts-Ministeriums, und der im Landtagsberichte vom 23. December 1898 (Beilage 6) enthaltenen Zusage kann der hohe Landtag einer Erhöhung des erwähnten Landesbeitrages zu Schülerunterstützungen schicklicherweise nicht mehr ausweichen, und wäre es für den volkswirtschaftlichen Ausschuss nunmehr eine glatte Sache, beim hohen Landtage zu beantragen, es sei der Landesbeitrag zu Schülerunterstützungeu, dem Staatsbetrage gleich, von 400 K auf 800 K für das Jahr 1900 zu erhöhen. Aber es haben sich mittlerweile die Dinge mit der k. k. Stickereischule und dem Stickerei­ unterrichte in einer Weise geändert, dass die Landesverwaltung sich in Hinkunft nicht mehr mit diesem bescheidenen Geschenke begnügen darf, sondern dass sie diesem Unterrichtszweige eine erhöhte Auf­ merksamkeit widmen und demselben auch finanziell thatkräftiger zur Seite stehen müssen wird. 175 Beilage XXXVIII. XXXVIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Schon lange ist man in Stickereikreisen und im Schoße des Fachschulausschusses zur Ueber­ zeugung gelangt, dass das entschiedene, tiefe stickerische Unterrichtsbedürfnis in Vorarlberg durch die bestehende Fachschule nur in sehr unzulänglicher Weise seine Befriedigung finden könne, und dass sowohl für die Sticker als für die Nachstickerinnen ein praktisch angelegter und energisch durchgeführter Wanderunterricht, gleichwie er in der benachbarten Schweiz seit mehreren Jahren mit großem Erfolge gepflogen wird, noththue. Auch bei der k. k. Unterrichtsverwaltung fand diese Ueberzeugung endlich Eingang, und |fie entschloss sich mit Erlass vom 16. Februar, auf Grund der im November v. I. abgehaltenen Inspektion und der gepflogenen Erhebungen, einen Wanderunterricht für das Sticken und das Nachsticken ins Leben zu rufen. _ In Erfüllung dieser Absicht wurden seitens der k. k. Unterrichtsverwaltuug zwei Lehrstellen geschaffen, eine für den Wanderunterricht im Sticken und eine für den Wanderunterricht im Nachsticken. Die für das Nachsticken gewonnene weibliche Lehrkraft befindet sich seit Anfang des Monats in der Schweiz, um sich dort in ihrem Fache noch weiter zu vervollkommnen. Für ihre Ausbildung ist ein Zeitraum von drei Monaten vorgesehen, und ihr von der k. k. Unterrichtsverwaltung eine Reisen­ unterstützung von 400 K ausgefolgt worden. Die Stelle eines Stickfachlehrers war bis 7. d. M. ausgeschrieben und dürfte in nächster Zeit zur Besetzung gelangen. Diesem Wanderlehrer ist seitens der k. k. Unterrichtsverwaltung eine Jahres-Remuneration von 1800 K zugesichert, und wird demselben die Erlangung einer Pensions­ berechtigung im Sinne der Ministerial-Verordnung vom 6. November 1897 in Aussicht gestellt. Wer mit den Dingen einigermaßen vertraut ist, weiß, dass diese Bezahlung nicht ausreicht, einen wohlgeschulten und vom richtigen Eifer beseelten Wanderlehrer zu gewinnen. Und darauf kommt ja Alles an, wenn das Institut des Wanderunterrichtes die gewünschten und erwarteten Früchte tragen soll. Angesichts der wachsenden Ausbreitung des Stickereibetriebes im Lande Vorarlberg und angesichts der ganz hervorragenden wirtschaftlichen Bedeutung dieses Erwerbszweiges für weite Volkskreise steht es dem Lande wohl an, nicht hinter der Staatsverwaltung zurückzubleiben, sondern vereint mit ihr auf einen gedeihlichen Fortgang der eingeleitcten Action hinzuwirken, und mit den zu diesem Zwecke dienlichen Mitteln nicht zu sparen Wie ernstlich in Stickereikreisen die Frage des Wanderunterrichtes genommen wird, zeigt uns das Beispiel von Lustenau, der lebendigsten Stätte der vorarlbergischen Stickereiindustrie. Die dortige Stickereigeilossenschaft hat aus eigenen! Antriebe, und zunieist ans eigenen Mitteln jüngst einen Wander­ lehrer angestellt, der jährlich auf die Summe von 4000 K zu stehen kommt. Davon hat in höchst löblicher Weise die Gemeinde Lustenau kürzlich beschlossen, 800 K zu übernehmen. In der seitens der Gemeinde Lustenau an den Landes-Ausschuss am 6. d. M. gerichteten Eingabe, welche das Ansuchen der Genossenschaft um einen Landesbeitrag auf das kräftigste unterstützt, wird in der überzeugendsten Weise dargethan, dass Vorarlberg mit dem von der k. k. Unterrichtsverwaltung bewilligten Wander­ lehrer für die 3000 Maschinen in Vorarlberg nicht ausreichcn könne, und dass auf eine Verniehrung der Wanderlehrer allen Ernstes werde hingearbeitet werden müssen, wenn man in der fachlichen Aus­ bildung der einheimischen Sticker nicht noch immer weiter hinter die Schweizer zurückzustehen kommen wolle, die seit einer Reihe von Jahren einen ganz vortrefflichen und überaus wirksamen Wander­ unterricht organisiert haben. Das Bestreben Lustenaus und seiner Stickereigenossenschaft ist somit nur als eine wohlverstandene Mitwirkung und Stärkung des von der k. k. Unterrichtsverwaltung eingeleiteten Wanderunterrichtes zu begrüßen und zu schätzen, sohin auch seitens der Landesverwaltung mit gleicher Aufmerksamkeit zu beachten und zu fördern. Gleichzeitig mit der Einführung des Wanderunterrichtes hat die k. richtiger Erkenntnis der Sachlage das zwischen ihr und der nun erweiterten den Fachausschuss, durch fachliche Vertreter bedeutend verstärkt. Die Zahl von zwei auf sechs erhöht worden, unter welchen sich auch ein Vertreter des k. Unterrichtsverwaltung in Fachschule stehende Organ, der fachlichen Vertreter ist Landes-Ausschnsses befindet. Zugleich wurden diesem Ausschüsse in Bezug auf die Organisierung und Durchführung des Wander176 IV. Session der 8. Periode 1900. Beilage XXXVIII. Unterrichtes ziemlich wichtige Befugnisse eingeräumt. Es werden jedoch von demselben periodische Berichte über seine Wirksamkeit und über die erzielten Erfolge verlangt. Wie die Dinge nach alledem heute liegen, handelt es sich nicht mehr bloß um die Bewilligung eines Landesbeitrages zu Schülerunterstützungen, sondern hauptsächlich darum, den Wanderunterricht im Einvernehmen mit der k. k. Unterrichtsverwaltung so wirksam als möglich auszugestalten. In dieser Erwägung gelangt der volkswirtschaftliche Ausschuss zu folgendem ÄntKa Der hohe Landtag wolle beschließen: 1. Dem Schulausschusse der k. k. Stickereischule in Dornbirn werden für die Jahre 1900 bis einschließlich 1904 alljährlich 3000 K aus Landesmitteln zur Förderung des Stickereiunterrichtes und insbesondere des Wanderunterrichtes zur Verfügung gestellt. 2. Aus diesem Gelde ist der Stickereigenossenschaft in Lustenau zur Entlohnung des von ihr angestellten Stickfachlerers durch den Stickerei-Schulausschuss ein angenlessener Theilbetrag mit der Forderung ausznfolgen, dass dieser Stickfachlehrer mit dem seitens der k. k. Unterrichts­ verwaltung angestellten Wanderlehrer und dem Schulausschusse sich in organischer Verbindung halte. 3. Der Fachschulausschnss erstattet dem Landtage alljährlich am Schlüsse des Jahres über die Verwendung des ihm vom Lande zur Verfügung gestellten Jahresbeitrages Bericht. 4. Der Landtag behält sich vor, im nächsten Jahre oder in einem der nachfolgenden selbständige Bestimmungen über die Verwendung des Landesbeitrages aufzustellen. Jahre 5. Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, im Vereine mit dem Fachschulausschusse bei der Staats­ verwaltung um die Vermehrung der Wanderlehrer und die Mittel zu einer angemessenen Entlohnung derselben einzuschreiten. Bregenz, am 19. April 19OO. Der Obmann Der Berichterstatter Johann Kohler. Dr. Waibel. Druck von 3- N. Teutsch, Bregenz. 177