19000000_ltb00351900_RV_Gesetzentwurf_Abänderung_Realschullandesgesetz

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Letzte Änderung 05.07.2021, 13:18
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,lt1900,ltb0,ltb1900
Dokumentdatum 2021-07-05
Erscheinungsdatum 2021-07-05
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XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. IV. Session. 8. Periode 1900. Beilage XXXV. Negierungs-Borlage. Gesetz t>om .... wirksam für das Land Vorarlberg, womit die §§ 8, (4, 15 und 2\ des kandesgesetzes vom 30. April 1869 £. <S. Bl. Nr. 23, betreffend die Realschulen, abgeändert werden. Mit Zustimmung des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich anzuordnen, wie folgt: Artikel I. Die §§ 8, 14, 15 und 21 des Landesgesetzes vom 30. April 1869, L. G. Bl. Nr. 23, betreffend die Realschulen, treten in ihrer bisherigen Fassung außer Kraft und haben in Zukunft zu lauten: § 8. Unterrichtsgegenstände der Realschule sind: A. Obligate Lehrgegenstände. a) Religion, b) die deutsche Sprache, dann die italienische und die französische Sprache, c) Geographie und Geschichte, d) Mathematik (Arithmetik, Algebra, Geometrie), e) darstellende Geometrie, f) Naturgeschichte, g) Physik, h) Chemie, 157 XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages, Beilage XXXV. i) geometrisches und Freihandzeichnen, k) Kalligraphie, l) Turnen. B. Freie Lehrgegenstände. ' Die englische Sprache; dann Modellieren, Stenographie und Gesang. Andere freie Gegenstände können an den Real­ schulen nach Bedürfnis mit Genehmigung des Landesschulrathes eingeführt werden. Die Vertheilung der Lehrgcgenstände auf die einzelnen Classen und die darauf zu verwendende Stundenzahl wird nach Anhörung des Landesschulrathes im Verordnungswege festgesetzt. § 14. Zum Behufe des Nachweises, dass die Real­ schüler sich die für das Aufsteigcn in eine technische Hochschule erforderlichen Kenntnisse erworben haben, werden Maturitätsprüfungen abgehalten. Mit der Vornabme derselben werden besondere Commissionen betraut. Dieselben bestehen regel­ mäßig außer dem vorsitzenden Landesschulinspector oder dessen Stellvertreter aus dem Director und aus sänimtlichen Lehrern der obligaten Unterrichts­ fächer (Turnen ausgenommen) der obersten Classe der betreffenden Realschule. Inwieweit Lehrer anderer Gegenstände der Commission beizuziehen, und ob außerdem von Fall zil Fall Professoren der technischen Hochschulen oder sonstige Fachmänner im Lehrwesen vom Minister für Cultus und Unterricht in die Commission zu entsenden sind, bleibt den im § 16 vorgesehenen näheren Bestimmungen über die Maturitätsprüfungen vorbehalten. § 15. . Jeder Realschüler (öffentlicher Schüler oder eingeschriebener Privatist) wird »ach erfolgreicher Absolvierung des letzten Jahres der Oberrealschule zur Maturitätsprüfung zugelaffen. Privatstudierende (Externe), welche keiner öffentlichen Realschule als öffentliche Schüler oder ein­ geschriebene Privatisten angehören, können vonr Landesschulrathe zur Maturitätsprüfung zugelassen werden, wenn sie das 17. Lebensjahr vollendet haben, ooer noch in dem betreffenden Kalenderjahre, in welches die Ablegung der Maturitätsprüfung 158 Beilage XXXV. IV- Session der 8. Periode 1900. fällt, vollenden und sich über die Art ihres Bildungs­ ganges so auszuweisen vermögen, dass die erforder­ liche Vorbildung als vorhanden vermuthet werden kann. § 21. Der Director ist an vollständigen Oberreal­ schulen zu 6—8, an Unterrealschulen zu 8—10 und an Oberrealschulen mit vier oder mehr Parallelclassen zu 4—6 wöchentlichen Unterrichtsstunden verpflichtet. Den Lehrern der Sprachen sollen in der Regel nicht mehr als 17, den übrigen Lehrern wissen­ schaftlicher Fächer mit Einschluss des Religions­ lehrers nicht mehr als 20, den Lehrern des Zeichnens, der Kalligraphie und des Turnens nicht mehr als 24 wöchentliche Stunden zugewiesen werden. Im Falle des Bedarfes, insbesonders, wenn eine Lehrkraft zeitweilig zu supplieren ist, erwächst einem jeden Mitglieds des Lehrkörpers die Ver­ pflichtung, auch eine größere als die im ersten und zweiten Absätze dieses Paragraphen festgesetzte Zahl von wöchentlichen Unterrichtsstunden zu übernehmen. Dauert dies jedoch länger als zwei Monate ununterbrochen an, so hat das betreffende Mitglied des Lehrkörpers Anspruch auf die normalmäßige Remuneration für Mehrleistungen im Unterrichte. Der Director kann mit Genehmigung des Landesschulrathes einzelnen Lehrern die vorschriftsmäßige Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden mit Rück­ sicht auf das Lehrfach, die Menge der Schüler oder der Correcturen, die Beschäftigung in der Schülerbibliothek, die Größe des Lehrbedürfnisses, sowie aus anderen rücksichtswürdigen Gründen um wöchentlich 1—3 Stunden ermäßigen. Artikel II. Dieses Gesetz tritt mit Beginn des Schuljahres 1900/1901 in Kraft. Artikel III. Mit dem Vollzüge dieses Gesetzes ist Mein Minister für Cultus und Unterricht betraut. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 159 XXXV A. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. IV. Session, 8. Periode 1900. Beilage XXXV A. Erläuternde Beinerkungen ZU dein Gesetzentwürfe, mit welchem die tztz 8, 14, 15 und 2\ des Bealschulgesetzes für Vorarlberg vom 30. April 1869, G. Bl. Nr. 25, abgeändert werden. ad § 8. Nach § 8 des Realschulgesetzes für Vorarlberg bilden neben der Landessprache die französische und die englische Sprache obligate Unterrichtsgegenstände der Realschule, während das Italienische nur als Freifach zu lehre» ist. Thatsächlich wird aber bereits seit zwei Decennien an der Realschule in Dornbirn das Italienische von der ersten Classe ab als obligater Gegenstand gelehrt. Es lässt sich nicht leugnen, dass dies den Bedürfnissen des Landes entspricht und dass die Kenntnis der italienischen Sprache, die übrigens auch zu den obligaten Unterrichtsgegenständen an den Gymnasien Vorarlberg's gehört, für die in der Realschule vorgebildeten Berufsclassen in Vorarlberg ebenso erforderlich ist, wie in Tirol. Deshalb wurde mit dem vorliegenden Gesetzentwürfe das Italienische unter die obligaten, das Englische hingegen unter die freien Fächer eingereiht. Damit wird auch der seit langer Zeit eingeführte Lehrplan der Realschule in Dornbirn auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und überdies die Freizügigkeit der Realschüler in Vorarlberg und Tirol gefördert. Rach dem Gesetzentwilrfe findet weiters auch das Turne» als Obligatfach Aufnahme, was einem heute allgemein anerkannten Bedürfnisse entspricht. ad § 14. Der § 14 des geltenden Gesetzes fasst eigene Maturitätsprüfungscommissionen in's Auge, welche nicht bloß aus den Lehrern einer und derselben Anstalt bestehen, und denen dann Schüler verschiedener Anstalten zugewiesen werden könnten. Dies hat sich jedoch in anderen Kronländern, in welchen dieselben gesetzlichen Bestimmungen gelten, als undurchführbar erwiesen, da hiedurch die Schüler der Beurtheilung ihrer eigenen Lehrer ganz oder theilweise entzogen würden, so dass die Prüfung bedeutend erschwert und das Urtheil über die Reife des zu Prüfenden bloß auf die Wahrnehmungen bei der Prüfung beschränkt und deshalb nicht mit jener Sicherheit gefällt werden könnte, als wenn die eigenen Lehrer des Schülers ausschlag­ gebend bei dieser Beurtheilung wären. 161 Beilage XXXV A. XXXV A. der Beilage» zu den stcnogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Deshalb wurde schon mit der Ministerial-Verordnung vom 9. Mai 1872, V. Bl. Nr. 39, normiert, dass die Maturitätsprüfungscommissionen aus dem Landesschulinspector oder dessen Stell­ vertreter, dem Director, den Lehrern der Unterrichtsgegenstände der 7. Classe und jenen Fachmännern bestehen solle, welche der Minister für Cultus und Unterricht von Fall zu Fall zu Prüfungscommissären ernennt. Dasselbe normiert, soferne das betreffende Landesgesetz nichts anderes vorschreibt, auch die Ministerial-Verordnung voul 7. April 1899, Z. 9452, M. V. Bl. Nr. 17, mit welcher eine neue Vorschrift für die Abhaltung der Maturitätsprüfungen an Realschulen erlassen wurde; überdies setzt diese Verordnung auch fest, in welchen Fällen Lehrer anderer Gegenstände der Commission beizuziehen sind. Aus den vorerwähnten Gründen wurde nun mit dem vorliegenden Gesetzentwürfe der § 14 des Realschulgesetzes für Vorarlberg dahin abgeändert, dass die Prüfungscommissionen regelmäßig außer dem vorsitzenden Landesschulinspector oder dessen Stellvertreter, aus dem Director und aus sämmtlichen Lehrern der obligaten Unterrichtsfächer (Turnen ausgenonnnen) der obersten Classe der betreffenden Realschule zu bestehen haben. Bezüglich der Beiziehung von Lehrern anderer Gegenstände und der Entsendung von Professoren der technischen Hochschulen oder sonstiger Fachnlänner im Lehr­ wesen in die Conimission aber sollen die erforderlichen Verfügungen im Verordnungswege erlassen werden, ad § 15. Nach der derzeit bestehenden Bestimmung des § 15 des Realschulgesetzes für Vor­ arlberg wird jeder Realschüler am Schluffe des letzten Jahres des Realschulcurses zur Maturitäts­ prüfung zugelassen; und an die Privatstudierenden wird die einzige Forderung der Zurücklegung des 18. Lebensjahres gestellt. Demnach muss jeder Schüler der 7. Classe am Schluffe des 2. Semesters, gleichviel, ob er seine Semestralstudien mit gutem oder schlechtem Erfolge beendet hat, zur Reifeprüfung zugelassen werden. Diese Bestimmung widerspricht jedoch dem Zwecke der Maturitätsprüfung, welche doch zur Voraussetzuug haben muss, dass der Schüler die vom gefantlitten Lehrplane, daher auch die für die 7. Classe geforderten Kenntnisse sich angeeignet habe. Aber auch vom Standpunkte der Disciplin erweist sich eine Bestimmung, nach welcher ein Schüler, selbst wenn er in der 7. Classe den Anforderungen des Unterrichtes nicht genügt, zur münd­ lichen Maturitätsprüfung zuzulassen ist, als unhaltbar, da von vornherein angenommen werden kann, dass er die Prüfung nicht bestehen wird. Gelingt jedoch einem solchen Schüler unter glücklichen Um­ ständen die Prüfung, so ist dies ein Zufall, der, wenn er sich öfters wiederholt, den Ernst der Prüfung selbst in Frage stellt und das Ansehen des Lehrkörpers ob der Unsicherheit in der Beurtheilung der Schülerleistungen schwer schädigt. Dem wird nun durch eine Neutextierung dieses Paragraphen vorgebeugt, wonach in Hinkunft Realschüler nur nach erfolgreicher Absolvierung der 7. Classe zur Maturitätsprüfung zugelassen werden können. Privatstudierende aber werden verpflichtet, einen glaubwürdigen Nachweis ihrer Vor­ bildung zu liefern. Weiters wird auch für die Pnvatstudiereuden das Minimalalter, in welchem sie sich der Reifeprüfung unterziehen können, mit Rücksicht auf das im § 9 für den Eintritt in die erste Classe fixierte Minimalalter von 10 Jahren, das vollendete oder in demselben Kalenderjahre, in welches die Ablegung der Prüfung fällt, zu vollendende 17. Lebensjahr festgesetzt. ' Die im § 15 enthaltenen Bestimmungen, wo und wann die Gesuche um Zulassung zur Prüfung zu überreichen sind, wurden als untergeordnete Details auf den Verordnnngsweg verwiesen, ad § 21. Während die Lehrverpflichtung der Gymnasiallehrer durch die Ministerial-Verorduung vom 16. September 1855, Z. 10497, R. G. Bl. Nr. 180, in der Weise festgestellt ist, dass auf die Lehrer der alten und lebenden Sprachen höchstens 17, auf die Lehrer der übrigen Lehrgegenstünde aber regelmäßig 20 Lehrstunden wöchentlich entfallen sollen, enthält § 21 des Realschulgesetzes für Vorarlberg die Bestimmung, dass den wirklichen Lchrern wissenschaftlicher Fächer in der Regel nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich zugewiesen werden sollen, wogegen die Lehrer des Zeichnens bis zu 24 wöchentlichen Stunden verhalten werden können. 162 Beilage XXXV A. IV. Session der 8. Periode 1900. Infolge dieser Bestimmung wird den Lehrern der Sprachen an den Realschulen ein um 3 Stunden wöchentlich größeres Maß der Lehrverpflichtung als ihren Collegen an Gymnasien zugewiesen. Dies wird aber seitens der betreffenden Lehrcrkreise als eine nicht gerechtfertigte Mehrbelastung, und, da von der Festsetzung des Maximalausmaßes der Lehrverpflichtung auch die Höhe der Remuneration für die sogenannten „Ueberstunden" abhängt, auch als eine materielle Benachtheiligung gegenüber ihren Berufsgenossen an den Gymnasien empfunden. . Es muss auch thatsächlich anerkannt werden, dass der bestehende Unterschied im Pflichtaus­ maße der Philologen an den Gymnasien und Realschulen sachlich nicht begründet erscheint, da die geistige Arbeit dieser Lehrer an Realschulen beim Unterrichte in der Schule keineswegs geringer ist als jene an Gymnasien, und da die Zahl der Correcturarbeite» an beiden Kategorien von Mittelschulen sich gegenseitig die Wage hält. Mit Rücksicht hierauf erscheint in dem vorliegenden Gesetzentwürfe der § 21 des Realschul­ gesetzes für Vorarlberg im Sinne der Gleichstellung der Sprachenlehrer an den Realschulen mit ihren Collegen an den Gymnasien abgeändert. Weiters wird auch die Lehrverpflichtung des Directors an vollständigen Realschulen, wie an Unterrealschulen um wöchentlich 2 Stunden herabgesetzt, die des Directors an Oberrealschulen mit vier oder mehr Parallelclassen mit 4 bis 6 und jene der Lehrer der Kalligraphie und des Turnens mit 24 wöchentlichen Stunden festgesetzt. Die Entlastung des Directors erscheint im Hinblicke auf die demselben obliegende pädagogisch­ didaktische Leitung der Anstalt vollständig gerechtfertigt, während die Feststellung der wöchentlichen Lehr­ verpflichtung für den Lehrer der Kalligraphie und des Turnens bloß eine Präcisierung der bestehenden Praxis ist. Schließlich erfolgte auch eine Modification der Bestimmungen dieses Paragraphen dahin, dass der Director nur mit Genehmigung des Landesschulrathes einzelnen Lehrern die vorschriftsmäßige Lehr­ verpflichtung ermäßigen darf. Druck von I. R. Teutsch, Bregenz. 163