19130930_ltb00291913_Volkswirtschaftsausschussbericht_Stickereiindustrieförderung

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Letzte Änderung 05.07.2021, 13:33
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp10,ltb0,lt1913,ltb1913
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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2S. Beilage zu den stenogr. Berichten deS Vorarlberger Landtages. VI. Session der 10. Periode 1918/14. Beilage 29. Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Förderung der ötickereiindustrie. Hoher Landtag! Dem volkswirtschaftlichen Ausschusse wurden 3 Gesuche zur Erledigung zugewiesen und zwar: die Eingabe der Stadt Dornbirn um einen Beitrag zu den sachlichen Erfordernissen der Stickereifachschule, der Stickereigenossenschaft Lustenau um einen Beitrag für den dortigen Wanderunterricht und das Gesuch des Genofsenschaftsverbandes um eine Subvention. Ohne besondere Zuweisung sah sich der volkswirtschaftliche Ausschuß veranlaßt, auch die Förderung der Kettenstichstickerei in Beratung zu ziehen, um anläßlich der Beratung des Voranschlages auch die Förderung dieser Industrie im Jahre 1914 sicherzustellen, denn wenn auch noch kein Jahresbericht des Landesausschusses vorliegen konnte, so sind doch die bisherigen Resultate genügend, um eine weitere Unterstützung zu begründen. I. Die sachlichen Erfordernisse der k. k. Stickereifachschule in Dornbirn. Unsere Stickereifachschule ist nun vollständig ausgebaut und erfreut sich eines rührigen und erfolg­ reichen Betriebes. An Stelle des früheren Fachschulleiters Herrn Bickel trat Herr Bossart, früher Wander­ lehrer des Kreises Götzis, der zur allgemeinen Zufriedenheit die Schule in gutem Geiste weiter führt. Erfreulicherweise ist auch die Abteilung der Handmaschinen durchwegs gut besetzt und kann man mit Befriedigung darauf hinweisen, daß die verschiedenen Mahnungen, es mögen unsere Handsticker eine Verfeinerung ihrer Leistungsfähigkeit anstreben, gutes Gehör fanden. Daß die Schiffchenmaschinen mehr als voll besetzt sind, braucht wohl nicht wunderzunehmen. Ganz besondere Erwähnung aber verdient auch der Nachstickunterricht an unserer SchuleDem Fachschulausschusse und der Fachschulleitung ist es gelungen, eine Reform mit einer neuen Unterrichtsform durchzuführen, und während früher nur wenige Schülerinnen sich meldeten, ist heute der Andrang so groß, daß viele immer auf den Eintritt warten. Die Stadt Dornbirn, welche für die sachlichen Erfordernisse der Schule aufzukommen hatte, erhielt von Anfang an einen Landesbeitrag hiezu, der im letzten Jahre K 6696'— betrug. In dem sachlichen Bedürfnisse der Schule ist keinerlei Änderung eingetreten, weshalb mit Hinweis auf die Begründung des gleichen Gesuches in fniheren Jahren der Antrag gerechtfertigt ist, der Gemeinde Dornbirn für das Jahr 1914 den gleichen Betrag zu bewilligen. 113 29. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 10. Periode 1918/14. II. Der Wanderunterricht im Lande. Heute läßt sich bereits auch ein Urteil bilden über die vom Landtage ausgehende Aktion der Kreiswanderlehrer. Dieses neue Unterrichtssystem hat sich durchwegs bewährt. Einige Störungen gab es nur noch durch einen verhältnismäßig starken Wechsel in den Lehrpersonen und durch Pausen, welche mit Neubesetzungen zusammenhängen. Es steht aber wohl zu erwarten, daß auch da feste Verhältnisse eintreten und sei hier neuerdings der Wunsch ausgedrückt, daß eine kräftige Anzahl von Vorarlberger Stickern so weit sich ausbildet, daß man im Bedarfsfälle sorglos aus ihrer Mitte Wanderlehrer entnehmen kann. Auch die mit der Unterrichtsverwaltung vereinbarte Form des Landesbeitrages, nämlich pro Jahr und Wanderlehrer K 1000'—, hat sich ebenfalls als praktisch erwiesen. Wenn ein Kreis mehr als ein Vierteljahr verwaist ist, so kommt der bezügliche Landesbeitrag nicht in Zahlung Bisher bestanden 4 Hand- und 3 Schiffchenkreise. Nach Verhandlungen des Landesausschuffes und des Fachschulausschuffes mit der k. k. Regierung hinsichtlich der Kreiseinteilung, wie sie ursprünglich durchgeführt war, erfolgte eine Änderung dahin, daß nun 3 Hand- und 4 Schifflikreise bestehen. Die Verschiebung wurde notwendig durch die starke Vermehrung der Schiffchenmaschinen, während die Hand­ maschinen sehr stark zurück gingen. III. Der Wanderunterricht in Lustenau. Seit vielen Jahren unterhält die Genoffenschaft in Lustenau 2 eigene Wanderlehrer. Nach längeren Verhandlungen zwischen Genoffenschaft und k. k. Regierung wurde erzielt, daß auch diese 2 Wanderlehrer verstaatlicht werden. Der Landesausschuß hat das Bestreben der Lustenauer Genossenschaft in dieser Hinsicht selbstverständlich unterstützt, da es nur billig war, daß auch Lustenau wie das ganze übrige Land durch den staatlichen Wanderunterricht besorgt werde. Die Übernahme durch den Staat war an die Bedingung geknüpft, daß die Regierung erwarten könne, es werde der gewohnte Jahresbeitrag von K 1.000"— per Wanderlehrer im Falle der Übernahme auch für die 2 Lustenauer Lehrer bewilligt werden. Der Landesausschuß äußerte sich, daß keine Bedenken bestehen, daß der Landtag in diesem Sinne beschließen werde. Da die Übernahme der beiden Lehrer unmittelbar bevorsteht, so hält es der volkswirtschaftliche Ausschuß für angezeigt, um diese Angelegenheit endgültig zu regeln, dem Landtage einen Antrag in der Richtung zu stellen, daß der k. k. Unterrichtsverwaltung für die 2 weiteren Kreislehrer ebenfalls ein Jahresbeitrag von je K 1.000"— geleistet werde und zwar von dem Termine an, von welchem die Lehrer von der Genossenschaft übernommen werden. Es braucht keiner weiteren Begründung, bis dahin, vorläufig für das Jahr 1913 der Stickereigenoffenschaft Lustenau den Betrag von K 2.000"— zu bewilligen. IV. Der Verband der Sticker- und Ferggergenossenschasten. Der Verband der Sticker- und Ferggergenossenschasten legt seinen Jahresbericht vor, der sich im alten Geleise bewegt. Der Rechnungsabschluß ist aktiv und gestattet einen Einblick in die Tätigkeit, die in der Hauptsache Unterrichtszwecke fördert. Es wird beantragt, dem Verbände auch für 1912 den Betrag von K 400*— zu gewähren. V. Förderung der Kettenstichstickerei. Wenn auch noch kein abschließender Jahresbericht vorliegt, so scheint es doch zweckmäßig, über die bisherigen Erfolge dieser Aktion mit einigen Worten zu berichten. Es wurden seit dem September 1912 bis zum heutigen Tage 12 Kurse abgehalten durch die Wanderlehrern« Frau Bonaventura Tofoletti-Greber und zwar in Sulzberg (Teilnehmennnen 29), Egg (28), Andelsbuch (18), Au (34), Schoppernau (33), Hittisau (36), Bezau (24), Schwarzenberg (16), Langen (29), Doren (54), Krumbach (39) und Thal (18). 114 29. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. VI. Session der 10. Periode 1913/14. Der erste Versuch, den Wanderuuterricht in der Kettenstichstickerei einzuführen, bot mancherlei Schwierigkeiten. Einmal hatte man keine Vorbilder hiesür, auch in der Schweiz nicht, es mußte erst die Methode und der Unterricht selbst sich aus der Erfahrung heraus entwickeln. Auch den Stickerinnen war dieser Unterricht etwas ganz Neuartiges und insbesondere die Kurse in Sulzberg und Bezau boten Schwierigkeiten, die man freilich jetzt heute leichter überwindet als damals, wo sie das erstemal auftraten. Im allgemeinen aber darf man mit den ersten Erfolgen sehr zufrieden sein, und auch die beteiligten Kreise machten aus ihrer Freude über diese Neueinführung kein Hehl. Es konnte auch sichtlich ein Fortschreiten in der fachlichen Tüchtigkeit beobachtet werden. Der Berichterstatter überzeugte sich von dem Fortgang dieser Kurse wiederholt selbst, neben der eigentlichen Stickerei wurde auch der Maschinenkenntnis und dem Zeichnen Aufmerksamkeit geschenkt. In jedem Kurse aber wurde auch aufmerksam gemacht auf die Schäden, welche gerade diese Industrie der körperlichen Gesundheit bringen kann, wobei auf die Folge der überlangen Arbeitszeit in schlecht gelüfteten Zimmern besonders hingewiesen wurde. Insbesondere die Tuberkulose müsse als ein besonderer Feind im Auge behalten werden. Diese Maschine sei auch in besonderer Weise geeignet, eine Verkrümmung des Körpers zu verursachen. Die Kurse dauerten durchschnittlich 3-4 Wochen und fanden fast ausnahmslos eine wohlwollende Unterstützung seitens der Gemeindevertretungen, welche in vielen Fällen das Lokal zur Verfügung stellten, aber auch der Fabrikanten und Fergger, welche nach einigem mißtrauischen Zuschauen schließlich zur Erkenntnis kamen, daß die möglichst tüchtige Ausbildung der Stickerei nur dienen könne. Die Bestrebungen unseres Landtages fanden auch das volle Verständnis der Fabrikanten. Der Obmann der Kettenstichfabrikanten, HerrSchelling in St. Gallen, stellt einen tüchtigen Mechaniker zur Verfügung, der in Verbindung mit diesen Kursen in mehreren Orten Vortrüge über die Behandlung der Maschinen und deren Fehler hielt. Das Bestreben des Landtages, durch diesen Unterricht die Stickerinnen in die Lage zu versetzen, höhere Löhne zu verdienen, wird auch vom Fabrikantenverein gewürdigt und anerkannt. In dem Organ dieses Verbandes heißt es an leitender Stelle in der Oktobernummer 1912: „Für die Hebung der Kettenstich-Hausindustrie, sowohl in qualitativer als materieller Hinsicht, werden im Lande Vorarlberg auf Betreiben des Landesausschusses und seines Referenten, Herrn Dr. Drexel, nun ernstliche Anstrengungen gemacht. Der erste Schritt des Programmes besteht darin, daß durch eine Wanderlehrerin bei allen Mitgliedern des Bundes der Vorarlberger Stickerinnen die Maschinen kontrolliert werden. Wir alle wissen, daß in Bezug auf den Belriebsstand der Maschinen im allgemeinen mehr Aufmerksamkeit verwendet werden sollte. Die Fabrikanten sind am besten imstande, zu beurteilen, in welchem Umfange das sogenannte „Absticken" vorkommt. Um die Schäden des „Abstickens" möglichst zu verhindern, sollen nun die Stickerinnen auf die veranlaffenden Ursachen aufmerksam gemacht und für die Behandlung der Maschine alle erforderliche Anleitung gegeben werden. Der Wanderlehrerin kommt es ebenfalls zu, die Stickerinnen in der Stichart, der guten Einhaltung der Formen und über die kompakten Füllungen zu instruieren und sie auf die Pflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber aufmerksam zu machen. Anschließend an diese Wandeckurse soll dann auch Vorsorge getroffen werden für zuver­ lässige Reparaturgelegenheiten. Die Leiter dieser Bewegung verfolgen die sehr verdienstliche Absicht, den Verkehr zwischen Fabrikanten und Ferggern und zwischen den letztern und den Stickerinnen auf geschäftlich korrekte Grundlage zu bringen und alle ausscheidbaren Hemninisse zu vermeiden. Wir Fabrikanten können über diese Bewegung nur erfreut sein und haben alles Jnterefle daran, dieselbe zu unterstützen. Wir stehen zu diesem Zwecke auch schon länger in Fühlung mit den leitenden Kreisen des Vorarlbergs und werden denselben auch noch näher treten für Ausarbeitung eines gemeinsamen Programmes für alle diejenigen Punkte, deren Regelung am besten zusammen geschieht. Uns kommt es zu, darauf Bedacht zu nehmen, daß die Qualität der Arbeit gehoben und die Stellung der Arbeiterin gebessert wird. Nur auf diesem Wege ist es möglich, uns die jetzigen Arbeitskräfte zu erhalten und neue zu gewinnen. Alle Bemühungen in dieser Richtung sind schätzbar und unter diesem Gesichtspunkte werden wir Herrn Dr. Drexel Dank wissen und seine angestrebten Ziele von uns aus freudig unterstützen." 115 29. Beilage *u den ftenogr. Berichten des Borarlberger Landtages. VI. Session der 10 Periode 1918/14. Der Anfang ist gemacht, mögen insbesondere die Kettenstichstickerinnen nun selbst an der Verbesserung ihrer Zukunft ganz besonders arbeiten. Und in dem Berichte des kaufmännischen Direktoriums in St. Gallen (1913) über das Jahr 1912 heißt es: Als sehr zweckmäßig müssen die vom vorarlbergischenLandtage ausgehenden Bestrebungen gelten, die Kettenindustrie als Hausindustrie möglichst zu heben und ihre Lage zu verbessern. Zu diesem Behufe werden nun vorläufig im Bregenzerwald von Doif zu Dorf Stickkurse abgehalten, sowohl für die weitere Heranbildung von Arbeiterinnen, wie auch Kurse müssen im Interesse der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer mitnmsomehrBefriedigungbegrüßt werden, wenn man bedenkt, daß in den fraglichen Arbeitsgegenden sich vorwiegend altes Maschinenmaterial befindet, wodurch die schädigende Begleiterscheinung des sogenannten „Abstickens" immer mehr an Ausdehnung gewinnen und die Qualität der Ware sehr benachteiligen müßte. Der volkswirtschaftliche Ausschuß glaubt daher genügend begründet zu haben, wenn er für eine Fortsetzung dieser Aktion mit einem eigenen Antrage eintritt. Förderung der Stickerei im Lande im Jahre 1914. Unter der Voraussetzung, daß die folgenden Anträge vom hohen Landtage angenommen werden, drückt sich die Förderung unserer heimischen Stickereiindustrie durch den Vorarlberger Landtag durch folgende Zahlen aus: Für neun Wanderlehrer K9 OOO'— Für zwei Wander-Nachsticklchrerinnen . ... „ 1.000*— Für Kettenstickerei-Wanderunterricht . ... „ 2.500'— Dem Genoffenschaftsverbande................................... „ 400"— Schülerunterstützungen.................................................... „ 600*— Für sachliche Erfordernisse der Fachschule . . . .. 7.000*— Zusammen K 20.500*— Der volkswirtschaftliche Ausschuß stellt daher folgende Anträge Der hohe Landtag wolle beschließen: „1. Der Stickergenoffenschaft Lustenau wird für das Jahr 1913 ein Betrag von K 2000 — bewilligt. 2. Der k. k. Unterrichtsverwaltung werden vom Tage der Übernahme der zwei Lustenauer Wanderlehrer an für die Dauer der Landtagsperiode per Jahr und Wanderlehrer je K 1000— bewilligt. 3. Dem Verbände der Sticker- und Ferggergenoffenschaften wird für das Jahr 1913 ein Beitrag von K 400.— gewährt. 4. Der Landesausschuß wird ermächtigt für die Hebung der Kettenstichstickerei im Jahre 1914 den Betrag von K 2500* zu verwenden. 5. Der Stadt Dornbirn werden für die sachlichen Erfordernisse der k. k. Stickereifachschule K 7000 — bewilligt." Dregenz, am 30. September 1913. Jodolk Fink, Pros. Dr. Drexcl, Obmann. Berichterstatter. Druck von I. 91. Teutsch tn 116