19120213_ltb00371913_Zuschrift_VorarlbergerÄrztekammer_Rückständigkeit_Landessanitätsgesetz

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Letzte Änderung 05.07.2021, 13:38
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp10,ltb0,lt1913,ltb1913,memorandum
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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Inhalt des Dokuments

Hoher Landtag! Die bisherigen gesetzlichen Vorschriften für den Sanitätsdienst in den Gemeinden des Landes Vorarlberg entsprechen nicht mehr den Anforderungen der Gegenwart, sind lückenhaft und veraltet. In sämtlichen Kronländern des Reiches mit Ausnahme von Salzburg und Görz und Gradiska, die überhaupt kein Landessanitätsgefetz haben, find die diesbezüglichen Gesetze aus ähnlichen Gründen erneuert worden. Die Ärzte des Landes Vorarlberg haben seit langem die Rückständigkeit des geltenden Gesetzes sowohl als einen sachlichen wie auch persönlichen Nachteil empfunden und halten sich daher für berechtigt, beim hohen Landtage um die eheste Neuregelung des Gesetzes für den Sanitätsdienst in den Gemeinden des Landes anzusuchen. Die Ärzteschaft glaubt, die Sache ihrerseits dadurch fördern zu sollen, daß sie dem hohen Landtage ihre Wünsche in Form eines Entwurfes vorlegt, der sich auf das Studium der Sanitätsgesetze der übrigen Kronländer unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dort gemachten Erfahrungen aufbaut. Die Ärztekammer glaubt nicht, den vorliegenden Entwurf in den einzelnen Paragraphen, weder in meritorischer noch in formeller Hinsicht, heute schon eingehend begründen zu müssen, ist jedoch jederzeit gerne bereit, zu den seinerzeitigen Beratungen über diesen Gesetzentwurf einzelne Vertreter ihrerseits namhaft zu machen. Nach der Anschauung der Ärztekammer dürfte die fallweise Beiziehung von Beratern aus dem ärztlichen Stande zur Schaffung eines allseitig befriedigenden Gesetzes zweckdienlich sein. Indessen kann sich die Ärztekammer nicht versagen, schon bei Einreichung des Entwurfes aus einige wesentliche Neuerungen hinzuweisen. Die Neueinteilung der Sprengel soll mit Berücksichtigung lokaler und persönlicher Interessen ermöglicht werden (§ 3). Die Zahl der Mitglieder für den Gesundheitsausschuß soll eine angemessene und auserlesene Beschränkung erfahren (§§ 4, 5). Nach dem geltenden Gesetze ist der Wirkungskreis des Sanitätsausschuffes zu beschränkt und nicht klar umschrieben. Die §§ 10 und 11 des Entwurfes tragen diesem Mangel durch Erweiterung der Aufgaben und genaue Festlegung der Kompetenz des Gesundheitsausschusses hinreichend Rechnung. Dem Gemeindearzte als Referenten des Gesundheitsausfchufses ist zur Förderung der allgemeinen Gesundheitspflege ein ausreichender Einfluß gesichert. Sollte der Gesundheitsausschuß seiner Aufgabe nicht gerecht werden, so kann er der Kontrolle des Landes­ ausschusses und der politischen Bezirksbehörde unterstellt werden (§ 9). Die Gemeindeärzte wurden von den Sanitätssprengeln bisher nur Vertragsweise mit dem Rechte gegenseitiger Kündigung angestellt. Dieses Anstellungsverhältnis entspricht nicht der für den Gemeindearzt als öffentliches Sanitätsorgan unbedingt notwendigen Unabhängigkeit von unsachlichen und persönlichen Einflüssen. 1 Die §§ 16 und 22 des Entwurfes sollen daher dem Gemeindearzte eine definitive und unkündbare Stellung sichern und der § J 7 durch Verleihung des Beamtencharakters dessen Ansehen wesentlich heben. Die nur durch Dienstunfähigkeit oder im Wege des Disziplinarverfahrens lösbare definitive Anstellung ist nahezu allen öffentlich Angestellten in Land und Reich bereits gesetzlich gewährleistet, int besonderen auch für die Gemeindeärzte der übrigen Kronländer zu Recht bestehend. Das Amt des Gemeindearztes beschränkt wie kein anderer Beruf die persönliche Freiheit des Trägers durch die Residenzpflicht, überdies übernimmt der Gemeindearzt mit seinem Amte noch die schwere Pflicht, ohne zeitliche Einschränkung, zu jeder Stunde des Tages und der Nacht mit dem ganzen Einsätze seiner körperlichen und geistigen Kraft das höchste Lebensgut des Menschen, die Gesundheit, zu schützen, nicht selten sogar mit Hintansetzung seiner persönlichen Interessen und des Wohles seiner Familie. Im Hinblick darauf sind die int Entwürfe für den Gemeindearzt angesprochenen Dienstbezüge (§ 26) nur als eine Abschlagszahlung, als ein bescheidenes Entgelt anzusehen, und dies umsomehr, als er hiesür ohnehin noch eine Reihe unentgeltlicher Dienste für die Bewohner seines Sprengels zu leisten hat. Die angesprochenen Dienstbezüge des Gemeindearztes übersteigen nur wenig jene in den übrigen Kronländern und erscheinen in der Wohlhabenheit des Landes sowie in der hierzulande, im Vergleich zu den übrigen Ländern, weitaus teuersten Lebensführung berechtigt. Das Pensionsrecht des Gemeindearztes und die Versorgungsansprüche seiner Hinterbliebenen sind in den Sanitätsgesetzen aller Kronländer festgesetzt. Nach bent Entwürfe sollen die einzelnen Bestimmungen im Einklänge mit dem Pensionsrecht der Landesbeamten im allgemeinen nach den für die Staatsbeamten jeweilig geltenden Vorschriften beurteilt werden. Doch soll dem Gemeindearzte die Möglichkeit gewahrt bleiben, zu seiner Pensionierung auch seinerseits Stellung nehmen zu können (§ 31). Die jährlichen Beiträge des Gemeindearztes für den Pensionssonds entsprechen annäherungsweise den für Staatsbeamte und Vorarlberger Landesbeamte vorgeschriebenen Leistungen (§ 35). Der Arzt hat das längste, prüfungsreichste und teuerste Studium zu absolvieren und gelangt im allgemeinen weit später als Angehörige eines anderen Berufes zu einer selbständigen Lebensstellung. Der ärztliche Beruf zählt zu den aufreibendsten; der Arzt erreicht unter allen auf akademischer Bildung beruhenden Berufsständen die geringste Anzabl von Berufsjahren. Es erscheint daher vollends gerechtfertigt, daß er die volle Dienstzeit mit 30 Jahren erreiche (§ 28). Die (Anrechnung der nach erlangtem Doktorate geleisteten Spitalsdienste (§ 28) wüd den Promovierten noch öfter und leichter als bisher zur weiteren fachlichen Ausbildung anspornen, da ihm diese Jahre auch für den Gehalt und die Versorgungsansprüche nicht verloren gehen. Diese Einrechnung ist übrigens auch dadurch vollends gerechtfertigt, als eine solche berufliche Weiterbildung nur zum allgemeinen Vorteile für Gemeinden und Land gereicht. Ein jährlicher Urlaub gehört zur unbestreitbar notwendigen Erholung des Gemeindearztes und ermöglicht diesem auch gelegentlich den Besuch von Fortbildungskursen (§ 21). Eine vorübergehende Dienstunfähigkeit ist für den Gemeindearzt mit ganz besonderen Existenznachteilen verbunden. Jeder Arbeiter ist für den Erkrankungsfall auf längere Zeit versichert; der Gemeindearzt, besonders im Beginn seiner Praxis, soll im Erkrankungssalle für die Dauer eines Jahres wenigstens vor direkter Notlage geschützt werden (§ 20). Die besonderen Gefahren des Berufes sollen dem betroffenen Arzte und seiner Familie nach den Bestimmungen des § 41 einige Entschädigung bringen. Disziplinar- beziehungsweise Dienstgerichte sind in sämtlichenLandessanitätsgesetzen vorgesehen, doch entbehren dieselben durchwegs einer Regelung des Verfahrens. Der § 24 des Entwurfes 2 skizziert im Grundrisse das im Regierungsentwurf für die Staatsbeamten (Dienstpragmatik) vorgesehene Verfahren, dessen nähere Ausführung dem Verordnungswege vorbehalten bleiben muß, sofern der vorliegende Entwurf nicht übermäßige Formen annehmen soll. Den Gemeindeärzten soll bei Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes ihre bisherige Dienstzeit voll eingerechnet werden, wie dies auch in andern Ländern größtenteils der Fall ist (§ 46). Die Ärztekammer verbindet mit der Bitte die zuversichtliche Hoffnung, daß ihren im vorliegenden Entwürfe enthaltenen Wünschen die ehebaldigste gesetzliche Anerkennung nicht versagt werde. Bregenz, am 13. Februar 1912. Für die vorarlbergische Ärztekammer: Der Präsident: Dr. Ferdinand Hofbaner. Druck von I. 91. Teutsch, Bregenz. 3