19110922_ltb00161911_Landesausschussbericht_Umfrageergebnis_Ursache_und_Bekämpfung_Teuerung

Dateigröße 1.43 MB
Aktenzahl/Geschäftszahl
Letzte Änderung 05.07.2021, 14:08
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp10,ltb0,lt1911,ltb1911
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
Unterausschüsse
Kommissionen/Kuratorien
Verbände/Konkurrenzen
Verträge
Publikationen Landtag-Ausschussbericht
Aktenplan
Anhänge
Inhalt des Dokuments

16 Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. Beilage 1« Bericht des kandesausschufses über das Ergebnis einer schriftlichen Umfrage betreffend die Ursachen und die Bekämpfung der Teuerung in Vorarlberg. Hoher Landtag! Der hohe Landtag hat in der Sitzung vom 14. Oktober 1910 sich eingehend mit der Teuerung im Lande befaßt und auch über Mittel beraten, welche dagegen anzuwenden sind. In der Beschlußfassung wurden mehrere Forderungen an die k. k. Regierung gestellt, welche besonders die Versorgung mit Fleisch betreffen; ferner wurde ein entschiedener Kampf gegen den wuchertreibenden Zwischenhandel und unsolide Kartelle verlangt, sowie geeignete Bestimmungen bezüglich Festsetzung der Preise. Endlich wurde der Landesausschuß beauftragt: „Durch Einvernahme von Jnteressenvertretern und Sach­ verständigen festzustellen, welche Mittel etwa geeignet wären, die Teuerung im Lande abzuschwächen, das Volk ihr gegenüber widerstandsfähiger zu machen und die heimische Produktion zu heben." Die Durchführung dieses Auftrages konnte auf zweifachem Wege erfolgen, mündlich oder schriftlich. Während der Verhandlung im Landtage war die Anregung gefallen, eine mündliche Enquete einzuberufen, doch schien dem Landesausschusse dieser Weg vorerst etwas schwierig und umständlich, weshalb der Fragebogen vorgezogen wurde, zu dessen Beantwortung ein großer Kreis unserer Heimat eingeladen wurde. Der größere Teil hat der Einladung entsprochen. Der folgende Bericht soll das Resultat dieser Fragebogen zusammenfassen und möglichst gedrängt die verschiedenartigen Anschauungen wiedergeben bezüglich der Teuerung im Lande, sei es sowohl hinsichtlich der Ursachen, als auch der Hilfsmittel dagegen. Dabei soll das Bestreben gelten, die Hauptsache herauszugreifen, ohne durch nebensächliche Punkte das Ganze zu erschweren. Wir lassen daher in dem Berichte die einzelnen Kapitel des Fragebogens der Reihe nach folgen, erwähnen zuerst die am stärksten vertretene Meinung und bringen dazu einzelne, seien es ergänzende oder abweichende Anschauungen. Es folgen die Namen derjenigen Köiperschaften, welche die Fragebogen ganz oder teilweise ausfüllten. In der Folge werden wir anstatt des vollen Namens nur die bezügliche Nummer zitieren. 197 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. Gemeinde-Vertretung: 1 Bregenz 2 Dornbirn (Christlichsoziale Partei) 3 „ (Deutschfreiheitliche Partei) 4 „ (Sozialdemokratische Partei) 5 Braz 6 Mittelberg 7 Sonntag Handels- und Gewerbekammer und Genossenschaften: 8 Handels- und Gewerbekammer 9 Einkaufsgenossenschaft der Konsumvereine in Dornbirn 10 Verband gewerblicher Genossenschaften für Vorarlberg 11 Handelsgenossenschaft Bludenz 12 „ Dornbirn 13 „ Feldkirch 14 Landesfachgenossenschaft der Fleischhauer 15 Verband der Sticker- und Ferggergenossenschaften Vereine: 16 Landwirtschaftlicher Verein 17 Bund Österreichischer Industrieller, Sektion Vorarlberg 18 Verband für Fremdenverkehr 19 Katholischer Lehrerverein 20 Lehrerverein des Landes Vorarlberg 21 Müllerverband 32 Staatsbeamtenklub 23 Stickerbund. 198 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. I. Allgemeine Fragen. Als Einleitung waren drei Fragen gestellt. 1. Auf welchem Gebiete macht sich die Uenernng besonders geltend? Fast alle Antworten lauten auf Lebensmittel und Bedarfsartikel. Mehrere Fragebogen fügen „auf allen Gebieten". 10, 16, 17, 19, 22 betonen besonders auch die Wohnungspreise; 6 erwähnt nur die Dienstboten; 8 nur Fleisch­ versorgung. 2. Welche jWreise erfuhren in den letzten 10 Jahren eine besondere Steigerung? Lebensmittel, Bedarfsartikel und seit einigen Jahren auch Wohnungen. Besonders erwähnt wird von mehreren Fleisch, Mehl, Fett, Petroleum, Zucker, Futterartikel, Bier und Wein. 6: Dienst.botenlöhne; 8 erwähnt nur Fleischpreise; 12 erwähnt außerordentliche Steigerung von Schweinefett (80 — 90 h per kg); 9: Mehle 60%, Fette 40%, Käse 30 — 40%, Zucker 48%, Fleisch 50%, Futterartikel 50%; 16: Eier und Milch 30-40%, Brot, Futtermehle 30 — 40%; 21: Eine empfindliche Preissteigerung der Getreide­ preise haben wir seit 5 Jahren 1907 war schlechte Ernte und zum erstenmale machte sich der Getreidezoll voll geltend. 1907 stieg Theißweizen um 65 % und Roggen um 80 %. Ähnlich stiegen die Mehlpreise, doch nicht gleichmäßig die feineren Sorten. Trotzdem seither auch gute Getreideernten zu verzeichnen waren, ging der Preis doch nicht mehr wesentlich herunter Bei der Preisbildung hat heute der Schutzzoll eine Bedeutung, doch hängt der gegenwärtig hohe Preis davon allein nicht ab. Da aber Österreich-Ungarn nur mehr bei guter Mittelernte den eigenen Bedarf voll decken kann, so ist unser Zollgebiet bald so weit, daß der volle Schutzzoll ständig zur Geltung kommt. Seit 1907 stellt sich der inländische Getreidepreis loko Vorarlberger Station ungefähr auf die Höhe der Auslandsparität, was bei dem gegenwärtigen Schutzzoll für Vorarlberg jährlich eine Ausgabe von mehr als einer Million bedeutet. Die Ursache liegt in der großen Entfernung von Getreidebauzentren und den hohen Frachtsätzen, so daß der Weizenpreis des inländischen Weizens meistens so gehalten wird, bis Vorarlberg und Nordböhmen knapp vor der Rentabilität der ausländischen Weizen stehen. Dies wird von gewissen Kreisen, die Preise bilden, genau beobachtet. Die Wienerbörse hat wenig Einfluß, die Spekulation im Getreide ist international, der Herd liegt im Auslande, der Terminhandel in Budapest, ein großer Übel­ stand; von dort aus werden die Preise für Österreich diktiert. Die Aufhebung ist dringend notwendig. 3. Wodurch erscheinen diese Preissteigerungen begründet? Die Mehrzahl weist hin auf die Kartelle, Zwischenhandel, die höheren Arbeitslöhne, Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion. 2 erwähnt als speziellen Grund die isolierte Lage des Landes und die bedeutende Entfernung 199 16. Beilage zu den stenogr. Berichten deS Vorarlberger Landtages. " IV. Session der 10. Periode 1911. von den Produktionsländern des Ostens. 4: Die Steuern in Staat, Land und Gemeinde. 7: Die jungen Leute wollen nicht in der Landwirtschaft arbeiten8 findet als einzigen Grund die mangelnde Versorgung infolge Unter­ bindung des Imports und 11 die unglücklichen Zoll- und Handelsverträge. 14 erklärt die Fleischpreissteigerung mit Mißernten, Mangel an Frucht, weshalb weniger Vieh gemästet, auch Abschließung der Balkan st aaten und die dadurch verhinderte Einfuhr von Jungvieh und Schweinen. 18: Dadurch, daß mehr animalische Nahrung genossen wird, andererseits ein großer Teil der Bevölkerung die Arbeiten der Bodenprodukte ganz oder teilweise aufgab, entstand das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, so daß die Preissteigerung aller Produkte, diewirvon auswärts beziehen müssen, umso fühlbarer wurde. 17: Bevölkerungs­ zunahme, Gleichbleiben der agrarischen Produktion, größere Ansprüche an die Lebensführung in allen Schichten der Bevölkerung, zuviel unproduktive Arbeit, ungeheuerliches Anwachsen des Beamtenstandes, teure Urprodukte. Mehrere erwähnen hohe Frachtsätze. Bei verschiedenen Gelegenheiten kommen die Antworten auf die Frachttarife zu sprechen und erwarten eine Berücksichtigung der exponierten Lage des Landes. Es sollen für Lebens- und Futtermittel ebenso ermäßigte Tarife bewilligt werden, wie es einzelne Jndustrieartikel haben. Aus der Beantwortung ergibt sich, daß auch bei uns im allgemeinen dieselben Ursachen für die Teuerung gelten dürften, wie in anderen Ländern, daß aber einzelne Artikel hierzulande noch teurer sind, als anderswo muß wohl mit der Lage des Landes an zwei Zollgrenzen int äußersten Westen des Reiches, mit der stark aufblühenden Industrie und dem Rückgänge in der landwirtschaftlichen Produktion und der Bevölkerungszunahme erklärt werden. Ganz besonders aber klagen 9 und 12 die wuchertreibenden Kartelle und Großproduzenten an und verlangen mit anderen ein energisches Kartell­ gesetz gegen das räuberische Treiben. II. Versorgung mit Lebensmitteln. 1. Fleischversorgung. 1. Woher bezieht Aorarlöerg Misch? Vorarlberg deckt seinen Bedarf an Schlachtvieh vorwiegend aus Steiermark, Ungarn, Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und Kroatien. In den Wintermonaten beschaffen sich die Metzger Kühe aus dem Lande selbst. Schweine werden zum großen Teile auch eingeführt. Kalbfleisch kommt meist aus dem Lande selbst. 2. In welchem Werhältniste stehen «vsere Mischpreise zn denen von auswärts, speziell von Wien, des angrenzende« Deutschland und der Schweiz ? Durchschnittlich ist die Meinung, daß Vorarlberg höhere Fleischpreise hat, als wie sie anderswo gelten. 1 bringt folgende vergleichende Tabelle: 200 16 Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. Es notieren im März 1911 l Bregenz Innsbruck Salzburg Wien Graz Klagenfurt Prag Parenzo Lindau Kempten Ravensburg St. Gallen per kg Rindfleisch K 2 20 196 ff tl ll " „ -» n ff •i r ff ii .. 2— .. 146 .. 2-25 n >. .. „ .. tt .. 1-77 .. 185 „ 1'59 2-12 2-26 212 2 02 Schweines! K 2 30 .. 2 30 .. 1-95 .. 2 07 .. 1-96 .. 210 „ 140 .. 2-40 „ 212 „ 212 .. 1.90 .. 2-50 3. Warum find die Ikeisch preise einzelner Hrte des Landes höher als die anderer venachvarter? 1 Die Unterschiede der Fleischpreise in den einzelnen Städten dürften nicht mehr bestehen, da die Landesfachgenossenschaft eine einheitliche Regulierung eingeleitet hat. Die tieferen Preise in den Landgemeinden erklären sich durch Qualitätsunterschiede. Mehrere Antworten erwähnen die Schlachthausgebühren und kostspieligen Anlagen, 2, 3, 4, 10, 17 machen aufmerksam auf das Fehlen der Konkurrenz und auf die Organisation der Metzger. 17: Mangel an Gegenwehr durch Konsumenten und Gemeindevertretungen. 14 antwortet: Höhere Schlachthausgebühren, höhere Verzehrungssteuer in Dornbirn, kostspielige Anlagen, sowie höhere Entlöhnung der Arbeiter in Städten und Fabriksorten, sowie größere Anforderungen vonseite der Konsumenten. 4. Sind die lokale« Preisschwankungen stetig mit der allgemeinen Markttage z« vegründen? Mit nein antworten: 2, 3, 9, 10, 17. 1: Schwankungen nach oben dürften durch die Marktlage zu begründen sein, für eineSchwankung nach unten dagegen sind unsere Metzgermeister erfahrungsgemäß nicht sehr empfindlich. Ein Rückgang der Preise am Wiener Markte verpflanzt sich nur selten auf unseren Schlacht­ viehmarkt, weil die Viehlieferanten in diesem Falle durch beschränktere Beschickung des Marktes den Preis zu halten suchen. 14 meistens ja; 16 jetzt ja. 5. Ist eine regelmäßige Aestsetzung der preise für Rindfleisch dnrch die Gemeinde­ vertretungen möglich? Die Meinungen gehen in diesem Punkte stark auseinander. 2 und 22 wünschen die Festsetzung nach der in einigen Südtiroler Städten gesetzlich festgelegten Art. 8, 11 und 17 berufen sich auf § 51 der Gewerbeordnung. 4: Insofern dies in allen Gemeinden einheitlich geschieht, ja. 10: Dürfte möglich sein und würde von vielen Einwohnern begrüßt. Ebenso ist 18 für ja, doch müssen die Qualitäten genau unterschieden werden und auch die Zuwage geregelt. 1, 5, 6, 7, 9, 16 und 20 halten diese Festsetzung der Preise fürkaum möglich. l:Die voraussichtliche 201 16. Beilage zu den flenogr. Berichten des Vorarlberg« Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. Erfolglosigkeit einer Festsetzung der Preise für Rindfleisch ist wohl schon genügend erörtert worden. 14: Nein, dieses würde nur auf Kosten der Qualität erfolgen können. In den meisten Fällen, wo der Preis regelmäßig festgesetzt wird, führt man Fleisch minderer Qualität. 3: Gewiß, wenn es nicht mit Tarifierung geht, dann sicher mit Erschaffung einer preismäßigenden Konkurrenz. 2: Regel­ mäßige Festsetzung in den Südtiroler Städten bewirkt dort gegenüber unseren Verhältnissen 20—30% niedrigern Preisen. 6. Ist eilt gemeinschaftlicher Ankauf von Schlachtvieh für Worarlverg möglich? Die Meinungen gehen auch in diesem Punkte auseinander. Die Mehrzahl der Gutachten glaubt, daß ein gemeinschaftlicher Einkauf möglich sein sollte, wodurch natürlich eine Verbilligung des Fleisches zu erwarten wäre. 7, 8 bemerken wohl, daß dies nicht leicht durchführbar sei, 14 sagt: Die Durchführung sei sehr schwierig wegen der verschiedenen Ansichten der einzelnen Metzger über den Schlachtwert des Viehes; die in dieser Hinsicht unternommenen gemeinschaftlichen Einkäufe von Metzgervereinigungen haben sich nicht bewährt. 10, 16, 18 und 20 denken an eine Einkaufsgenossenschaft. 1: Ein gemeinschaftlicher Einkauf von Schlachtvieh mit Ausschaltung des Zwischenhandels dürfte wohl zu etwas billigeren Fleischpreisen führen, doch ist der Bedarf für Vorarlberg nicht so groß, daß wesentliches zu erwarten wäre. 3: Es brauchen sich nur die bedeutenden Konsumenten, die Jndustriegemeinden, zu diesem Zwecke zusammen­ schließen. 7. Welche Erfahr»« gen machte man mit dem argentischen Aleische? Die Antworten lauten, daß man im allgemeinen gute Erfahrungen gemacht hat. Die meisten Fragebogen verlangen die Möglichkeit einer ständigen Einfuhr. lO erwähnt, daß die Preise für I. Qualität zu hoch wären. 22: Der Verkauf ist- durch die Gemeinden durchzuführen, wo dies ganz unmöglich, sind die Preise von der Gemeinde fallweise festzusetzen. 14: Kann erst später darüber berichtet werden. 16: Das argen­ tinische Fleisch ist ein Notbehelf und sollte Österreich dazu kommen, den eigenen Konsum zu decken, bis dahin müssen die Grenzen für Fleisch geöffnet werden. 8. Welcher Matz eignet stch am eheste« als Warktstelle für servisches Aleifch? Für den Verkauf von serbischem Fleisch sind bekanntlich bestimmte Plätze in der Monarchie ausdrücklich genannt. Es handelt sich also darum, daß der Regierung gegen­ über auch in Vorarlberg ein solcher Platz bestimmt wird. Die meisten Fragebogen antworten: Alle Städte mit Kühlanlagen. 1: Für Bregenz, 11: Für Bludenz14: Der serbische Import ist hauptsächlich nur für Konservenfleisch zu verwenden, besseres gemästetes zu Siedfleisch, als Marktplatz dürfte sich Graz am besten eignen. 16: Dornbirn mit Rücksicht auf Bevölkerung und zentrale Lage. 9. Ist die Behauptung, daß die Ei»schlepp«ng von Senche« durch die Einfuhr ausländischen Schlachtviehes verursacht murde, Vegrüudet? Die Mehrzahl meint, daß Seuchen durch Import vom Auslande wohl eingeführt werden können, daß aber durch sanitäre Vorsichtsmaßregeln die Gefahr sehr eingeschränkt 202 16. Beilage zu den stenogr- Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. werden könnte und daß sie dann nicht so groß ist, um eine vollständige Sperre zu begründen 16: ja. 17: hält diese Behauptung für ein „agrarisches Schlagwort." Die Einfuhr werde künstlich unmöglich gemacht. 1: Die Behauptung, daß die Seuchen durch Schlachtvieh eingeschlept würden, mag richtig sein, erwiesen konnte sie nicht werden. Brot und Gemüse. 10. Kntsprechen die Brotpreise den Mehrpreisen; welchen Kinfluß hallen große Wehkavschlüffe anf die Mrotpreise? Die vorherrschende Meinung geht dahin, daß die Brotpreise so ziemlich den Mehl­ preisen entsprechen. 6 findet die Brotpreise zu hoch, 9: In einigen Orten des Landes entsprechen sie, während andere 30 40% höhere Preise haben. 8: Weggenbrot entsprechend, während bei Semmeln rc. die reinste Willkür herrscht, 13 findet Brot­ preise zu niedrig, 18 und >7 wünschen Kontrolle durch die Gemeinden. 10: Gesunde Konkurrenz kann für die Allgemeinheit wohltätig sein. 2 und 20 erwähnen speziell den Konsumverein Dornbirn als Preisregulator. Die zweite Frage wurde veranlaßt durch den Umstand, daß vor mehr als Jahresfrist bekannt wurde, daß trotz Fallen der Getreidepreise die Brotpreise doch nicht sanken, infolge großer Mehlabschlüsse, die in der Hochkonjuktur gemacht wurden. Die Mehrzahl erwartet von großen Abschlüssen keine Vorteile. 21: Große Mehlabschlüsse unter denen wohl langfristige zu verstehen sind, haben auf die Brotpreise den gleichen Einfluß, wie jede spekulative Unternehmung; gestaltet sich der Abschluß günstig so trachtet der Unternehmer den Vorteil für sich einzuheimsen, schlägt er aber fehl, wird der Schaden nach Möglichkeit auf die Gesamtheit überwälzt. 2 hält eine gut geleitete Einkaufsgenossenschaft der Bäcker als wünschenswert. Ähnlich äuß«rt sich 18 und 22. 11. Woher llezieht die Bevölkerung Gemüse, Kartoffel« usw.: kann das Land die eigenen Bedürfnisse decken? 16: Die Bevölkerung bezieht ihr Gemüse aus Italien und Deutschland, Kartoffel aus Tirol, Oberösterreich, Böhmen und Deutschland. Das Land könnte seinen Bedarf selbst decken. Fast alle Fragebogen erwähnen, daß Vorarlberg seine Bedürfnisse an Gemüsen rc. nicht decken kann. 2 erwähnt, daß der Zwischenhandel diese Preise zu sehr verteuert. Mehrere betonen, daß der Gemüsebau vernachlässigt sei. 7: Kartoffelbau rentiert sich nicht, da Arbeitslöhne zu hoch sind. 10, 16, 17 und 18 empfehlen besonders den Gemüsebau im Lande mehr zu pflegen. 17: Es fehlt in dieser . Hinsicht eine Führung und Belehrung aber auch Verkaufsorganisation. III. Landwirtschaftliche Produktion. 1 Welche landwirtschaftlichen Wrodnkte sollte« mehr gepflegt werden? Die Mehrzahl der Antworten empfehlen eine ausgedehntere Pflege des Gemüse­ baues. 2: will die rohen Mostobstsorten durch feinere ersetzen, der Gartenbau 203 16. Beilage zu den stenogr. Berichten deS Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. sollte vielmehr gepflegt werden, Bestreben dem Fabriksarbeiter einen Garten zu verschaffen. Die Lage des Landes und das Klima seien gerade für diesen Zweig wie in England sehr günstig 18 wünscht Hebung des Gemüsebaues auch auf Ackern. 4: Insoweit die Bodenkultur nicht eine bessere Berücksichtigung erfährt, ist es schwer zu sagen, welche Produkte außer Kartoffel und Kraut mehr gepflegt werden sollen. 10: Feld- und Gartenfrevel soll strenger bestraft werden. 2. Welche Produkte sollte« »e« eingeführt «erde»? 16 glaubt, Neueinsührungen sind nicht notwendig, sondern es handle sich darum, daß unsere Feldwirtschaft richtig int Stand gehalten und vergrößert werde. 3 und 10 empfehlen besonders Hülsenfrüchte, die hier sehr gut gedeihen, und vorzügliche Volksnahrung bilden. 3 und 30 wünschen größere Anpflanzung von Forst­ pflanzen, 17 gemeinsamer Bezug von Futterartikel. 4: es würde genügen, wenn die Einfuhr der alten Produkte durch Herabsetzung der Zölle und in den meisten Fällen durch Aufhebung der Zölle würde gesteigert werden. Feld-, Wiesen- und Obstbau. 3. Wodurch könnte der Mode« ertragreicher gemacht werde«? 3, 3, 8, 10, 15, 16, 18, 19, 30 empfehlen Entwässerung und größere Aufmerksamkeit auf rationelle Düngung, 16 empfiehlt außerdem Wechsel­ wirtschaft der Felder und bei Anlegung von Wiesen auf früher bebauten Flächen Ansaat von richtigem Grassamen statt wie leider jetzt üblich mit „Heu­ blumen". Acker die durch Jahrzehnte mit derselben Frucht bebaut wurden, sollten zu Wiesen gemacht werden und umgekehrt, alte Wiesen in Ackerland. Sowohl der Ertrag der Acker als auch der Wiesen würden bedeutend vergrößert. Wenn auf dem Gebiete des Obstbaues auch in Zukunft so weiter gearbeitet wird, wie in den letzten Jahren, so wird daraus guterErfolg kommen. 17: Die Bodenbearbeitung erfordert viel Hände und billige Arbeitskräfte, beide fehlen. Es fehlt aber auch an der Schulung der Bauern. Vorarlberg sollte eine gute, praktische, landwirtschaftlicheSchule haben. 3 und 17 erwähnen auch die Bedeutung der Z u s a m m e nlegung der parzellierten Grundstücke. 4. Könne« ttttb sollen das Hlheintak, Forf- «nd fanre Wöde« dnrch Meliorationen produktiver gemacht werde«: 3 macht aufmerksam auf die wohltätigen Folgen der Rheindurchstiche, wodurch der Spiegel des Grund Wassers um ein bis zwei Meter sinken wird. Die Streu eböden könnten in brauchbare Wiesen umgewandelt werden mit großem Obstbau. Die Rheinregulierung werde 50 km2 Boden der Kultur erschließen. Gutes Torfland werde bleiben, schlechteres aber als Wiesen und Ackerland ertragreicher. 3 empfiehlt Aufforstung, 8: durch Entwässerung soll geeigneter Boden für Viehzucht gewonnen werden, welche durch die Hausindustrie schwer gelitten hat und wieder gehoben werden sollte. lO und 15 empfehlen Hebung des Rheintales durch Entwässerung in 204 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. Verbindung mit dem Rheindurchstich 18 glaubt, daß manche Ländereien, wo jetzt nur Mais gepflanzt werde, durch entsprechende Maßnahmen in Gemüseland verwandelt 'werden könnten, macht aufmerksam auf den Betrieb und die Erfolge der Moorkulturen, wie sie das bayerische Ministerium des Innern int Dachauer Moor eingeführt hat und betreibt; Landesausschuß soll Initiative ergreifen. 16: Solange nicht eine größere Zahl Landwirte mit der Bearbeitung des Bodens tätig ist, wäre es vollständig verfehlt, die im Rheintale liegenden „Torf- und saure Böden" in Wiesengründe zu verwandeln, weil dieselben 1. nicht richtig bearbeitet würden und 2. weil sie rentabler und gesuchter sind als „Heu- und Ackerland". Viehzucht. 5. Wodurch Kann die Produktion von Schlachtvieh im eigeren Lande gehoben werden? 2 und 16 machen darauf aufmerksam, daß Vorarlberg kein Getreideland ist, und auch Kartoffel in großer Menge nicht erzeugt werden, daß daher die Mästung von Ochsen nicht durchführbar und auch nicht rentabel wäre. 17: Schlacht­ viehzucht eignet sich nicht für Vorarlberg. 14: Durch Prämierung von Schlachtvieh und Aufklärung über Aufzucht der Mast. 8: Durch ausreichende Prämierungen seitens des landwirtschaftlichen Vereines. 18: Schaffung eines Gesetzes, wodurch jeder Landwirt verpflichtet wird, aus der jährlichen Zucht eine entsprechende Anzahl als Schlachtvieh aufzuziehen. 7: Es mögen sich mehr Leute der Landwirtschaft widmen. 16: Eine Fleischversorgung wäre in Vorarlberg möglich, wenn durch gesetzliche Vorschriften die Schlachtung von Kälbern vor mindestens 3—4 Wochen strenge verboten wäre. Daraus würde ein bedeutend größeres Fleischgewicht resultieren, als dies jetzt bei 8—14 teigigen Kälbern der Fall ist. Dieses Verbot wäre aber auch auf die Ausfuhr von Kälbern auszudehnen, was int Interesse der Viehzucht sehr zu begrüßen wäre. 6. Welche einzelnen Zweige der Wiehzncht eigne» sich besonders z« intensiverer Pflege! 2 und 5, auch 18 empfehlen besonders die größere Pflege der Schafzucht. 2 macht aufmerksam, daß vor 100 Jahren Montafon die Schafe bis ins Algäu lieferte, durch Kreuzungen mit Merinos könnte die Qualität der Wolle erheblich verbessert werden. (Vergl. Schottland und Irland.) 5: Im Klostertal wurden früher viel Schafe gehalten durch deren Rückgang eine bedeutende Fleischquelle verloren ging. 2, 8, 10, 14, 19, 20 empfehlen vermehrte Schweinezucht. 16 bemerkt dazu: trotzdem daß die Schweine­ zucht in Vorarlberg sehr ausgedehnt ist, wäre es nicht ausgeschlossen, daß dieselbe noch mehr ausgebreitet würde. Besondere Aufmerksamkeit verdient aber die Vermehrung der Ziegen int Lande, die höchst notwendig ist, und die sich für kleine Landwirte, Industriearbeiter und Gewerbeleute sehr empfiehlt. Ab r auch für bäuerliche Betriebe empfiehlt sich besonders, wo Sennereien sind, die Ziegenzucht, da dann wenigstens gesunde Milch der Familie bleibt. 18 macht besonders aufmerksam, 205 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. daß man in Frankreich mit Kaninchen als Volksnahrung sehr gute Erfahrungen machte. 10 und 19 empfehlen gesteigerte Geflügelzucht 7. Wie ftatttt die Witchproduktioil gehoben werden? * 2: Intensivere Pflege der Rindviehzucht und systematische Züchtung von Milchviehrassen (Holland). EntsprechendeAbänderungdes Prämierungs­ systems. 3, 16 und 20: verbesserte Wiesenpflege und Hebung der Alpwirtschaft. 10: Aufzucht guter Milchkühe, ohne Rücksicht auf Rasse, Prämierung guter Milchkühe. 6: Vollständige Besetzung der Alpen. 8: Durch bessere Pflege und Fütterung der Kühe. 5, 10, 17: Mehr und billigere Futtermittel. 16: Einführung der Leistungskontrolle in Verbindung mit der Futterverbrauchs­ kontrolle, Kunstfutterbau im Rheintal, Auflassen der Waldweiöe, bessere Düngung der Alpen, öfterer Weidewechsel und frühzeitiger Auftrieb im Früh­ jahre, Umwandlung einmähdiger Wie-boden in zweimähdige mittels Kunstdünger, für die Zucht durchwegs die besten Milchtiere verwenden, gemischte Zucht (Zuchtvieh und Milchleistung). 5; Verbot der Ausfuhr einheimischer Futter­ produkte und der Riedstreue. 18: Erzeugung verschiedener Arten Rahmkäse wobei größerer Nutzen erwachse als durch den Verkauf von Molkereien. 19: Anwen­ dung anderer Futtermittel, Gerste, Hafer, mehr Kornfutter anpflanzen. 8. Wie werden die landwirtschaftliche« Kenntnisse im Wolke mehr verbreitet? 2, 3, 5, 10, 16, 17, 18, 19, 20: Errichtung einer landwirtschaftlichen Winterschule und Kurse. Einige empfehlen außerdem Wanderlehrer und Vortrüge. 3 und 20 Einhaltung der achtjährigen Schulpflicht; mehrere erwähnen auch landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften. 9. Werden Schlachtvieh nnd landwirtschaftliche Wrodnkte außer Landes verkauft, die in gleicher Haltung eingeführt werden? 16: Ältere Kühe und leere Rinder dürften dem Rhein entlang zur Schlachtung in die Schweiz verkauft werden, sonst findet eine Ausfuhr nur im Winter mit Kälbern statt. 2, 3, 10, 13, 16, 17, 18, 19, 20, 22: Ausgeführt werden Butter, Käse und bessere Obstsorten, minderwerrige Produkte dagegen eingeführt. 18: Es ist allgemein bekannt, daß hauptsächlich vom Bregenzerwald jährlich ansehnliche Quantitäten vorzüglicher Butter außer Land verkauft werden. Das Bedauerliche dabei ist, daß dieser Verkauf in so ausgiebiger Form betrieben wird, daß es Gastgewerbetreibenden oft nicht möglich ist, den Gästen nötigenfalls gute, frische Butter vorsetzen zu können. Das an Stelle der Vorarlberger Butter eingeführte Produkt ist leider nicht gleicher Gattung, sondern das in ganzen Waggonladungen eintreffende Fabrikat in den Kübeln und Kisten mit dem ominösen roten Strich. 22: Guter Käse wird ausgeführt, schlecht geratener meist zu vollen. Preisen im Lande abgesetzt. 206 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911 Hausindustrie und Landwirtschaft. 10. Welche Mittel find die geeignetsten, «m die landwirtschaftliche Produktion als Neben­ erwerb unserer Stickerei Kausindnstrie z« heben und die Kanssticker dafür z« gewinne»? 2, 3, 8, 10, 15, 16, 19, SO, 23 empfehlen den Sti ckern eine intensivere Pflege eines landwirtschaftlichen Kleinbetriebes, Gartenbau, Ziegen; soll durch Vortrüge erzielt werden. 5, 17: Normaler Arbeitstag; 15: Kredit soll vermehrt werden. 17 und 18 glauben, daß bei schlechter Stickereikonjunktnr eine größere Anzahl sich der Landwirtschaft zuwenden wird. 23 empfiehlt insbesondere Aufklärung darüber, wie viel Grund und Boden z. B eine Kuh oder zwei Ziegen usw. benötigen und auf welche Art und Weise eine kleine Land­ wirtschaft als Nebenbetrieb am besten ausgenützt wird. Welche Auslagen und welche Vorteile er bringt. 11. Welche Können der Kausindnstri« verdienen eine besondere Pflege als Nebenerwerb für unsere landwirtschaftlichen Metriebe ? 2, 3, 10, 16, 19, 20, 23: Kettenstickerei, feine Handstickerei, Nachsticken. 2, 3, 10, 16: Holzbearbeitung, landwirtschaftliche Küferei. 17: Vorarlberg genug Hausindustrie, zu viel Hausindustrie verdirbt die Bauern. 6: Die Handwerke für den eigenen Bedarf sollten mehr gepflegt werden. 23 macht besonders darauf aufmerksam, daß viel Stickereien nicht nachgestickt in die Schweiz kommen, da wohl viele Arbeitskräfte im Lande wären, besonders im Bregenzerwald, aber hiefür jede Organisation fehlt, das Nachsticken wird dann in der Schweiz gegen größere Entlohnung auf Kosten der Vorarlberger Sticker besorgt, während andererseits z. B. die Feldmühle große Mengen Stickereien aus der Schweiz in den Bregenzerwald schickt, wo sie bei geringeren Löhnen nachgestickt werden. Gerade das N a ch st i ck e n läßt sich wie die Kettenstickerei mit dem landwirtschaftlichen Hauptbetriebe leicht verbinden und verdient die Auf­ merksamkeit der Interessenten. IV. Lebensmittelpreise. 1. Welche Levensmittel eigne» sich da;«, daß ihr Nreis «ach bestimmte» Grundsätzen durch die Gemeindevertretungen oder in der Grundlage einheitlich von einer Landesstelke bestimmt werde? (Urform des § 51 der Gewerbeordnung ) Diese Frage wurde in den letzten Monaten öfter im Lande aufgeworfen, die Meinungen gehen ziemlich auseinander, weswegen wir es in diesem Falle angezeigt finden, sie der Reihe nach folgen zu lassen. 2: Alle jene, die auf gleichen Gestehungs- und Verschleißkosten als Massenkonsumartikel einen Liebhaberwert ausschließen. Die Festsetzung der Preise erscheint als letzter Notbehelf und kann nur von Lokalfaktoren durchgeführt 207 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 19111 werden. 3: Brot, Fleisch, Milch; übrigens haben Maximaltaxen bei allen Genuß­ mitteln, die in mehrfachen nicht leicht unterscheidbaren Qualitäten zum Verschleiß kommen wenig Wert. Wirksamer wäre in allen diesen Fällen von Gemeinden oder dem Lande ins Leben zu rufende preismäßigende Konkurrenz­ unternehmungen, oder Subventionierung solcher, die die normalen Preise halten. Reform des § 51 der Gewerbeordnung nicht nötig. 4: Fleisch, Brot, Mehl, Zucker, Bier, Wein und Branntwein. 6: teilte. 7: Die Lebensmittel­ preise einheitlich durch ein Landesgesetz feststellen, wird sehrschwierigsein. 8:Brot und Fleisch, bei letzterem käme aber in Betracht, daß darunter die Qualität Schaden leidet, wenn gutes und minderwertiges Fleisch gleich hoch in der Taxe steht und schwer würde es sein oder unmöglich, das Ochsenfleisch nach der Qualität zu taxieren 9: Brot, Fleisch, Milch. 10:Brot. 11: Fleisch und Brot. 15$: Nur solche, welche nach bestimmten Qualitäten resp. Typen behandelt werden und entsprechend auch gekennzeichnet sind, da sonst minderwertige Qualitäten zu den Preisen der besseren Qualitäten verkauft werden können. Ferner sind nur solche geeignet, welche nicht zu oft Preisschwankungen unterworfen sind. 13: Keine, da es doch nur auf Kosten der Qualität geschehen würde. 15: Brot. 16: Eventuell Brot. 17: Mehl, Fleisch, Brot, Milch, §51 ist beizubehalten. 18: Fleisch, Brot und Milch. 19: Fleisch und Brot, vielleicht auch Milch. 20: Wird wohl der Konkurrenz über­ lassen bleiben sollen, da schwierig durchführbar. 22: Brot und Fleisch. V. Ernährung. 1. Inwieweit muß die landesübliche Wolksernährnng als nicht zweckmäßig bezeichnet werden? Nur wenige antworten eingehender auf diese Frage. 2: Zu viel Kaffee und Kartoffel, es fehlen vielfach Eiweißstoffe und Fette, Milchspeisen, Hülsenfrüchte und Gemüse sollten mehr eingeführt werden. Die breiige Nahrung und das weiche Brot sind eine Hauptursache des beklagenswerten Zahn­ zustandes bei Kindern und noch mehr bei Erwachsenen. 8: Der Fischnahrung, Seefischen, soll das Wort geredet werden 10: Die Nahrungsmittel werden einseitig verwendet; Speisen mit rascher Herstellung, wenig Abwechslung. 12: Das Land konsumiert sehr viel Margarineschmalz, was infolge seiner zweifelhaften Zusammen­ setzung bedauerlich ist. 17: Zu viel Alkohol und Kaffee. 18: Volksernährung ist einseitig, mehr Gemüse und Hülsenfrüchte, zu viel Kaffee, hauptächlich bei der Kinderernährung. 19: Kinder bekommen zu früh Fleisch und Alkohol, Hülsenfrüchte fehlen fast ganz. 16 meint: Die landesübliche Durchschnittsernährung ist zu eiweißarm, wenig Gemüse und dieses durchschnittlich nicht geschmackvoll gekocht, billiger Reis fehlt, Mehlspeisen mit zuviel Fett gekocht, das Fleisch oft falsch zubereitet. Eine Verbesserung dieser Verhältnisse herbeizuführen ist eines der schwierigsten Probleme. Gesundheitsschädliches Kunstfett, zuwenig Mehlspeisen, die im 208 16 Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. im Lande in alter Zeit übliche Ernährung zweckmäßiger. Rückkehr zur früheren Lebensweise, zuviel Fleischnahrung. 23 betont, daß die tägliche Kost zuwenig Abwechslung bietet, daß bei Zubereitung der Speisen auf eine möglichst kurze Kochzeit gesehen wird. Kochkenntnisse beschränken sich auf kleine Speisenkarte. 2. Wodurch Kanu sie verbilligt, ohne dadurch Verschlechtert, wodurch verbessert, ohne teurer zu werde«. 2, 3, 5, 10, 16, 17, 19, 20, 23 empfehlen Aufklärung der Bevölkerung mit der Tendenz, wirklich nahrhafteGenußmittel einzuführen, Rückkehr zu einer einfachen Hausmannskost; Aufklärung über den Nährwert und die Kosten der verschiedenen Speisen. 3. Wie sollen die Kochkeuutnisie im Wolke verbreitet werden? 2, 3, 5, 8, 10, 13, 16, 17, 18, 19 empfehlen die Abhaltung von Kochkursen in möglichst billiger und populärer Form, die sich den einfachsten Verhältnissen anpassen müssen. 10 erwähnt die Notwendigkeit in den Landgmeinden, 17: Es soll keine Kochkunst, aber das Kochen gelernt werden. Volkstümliche Vereine sollen Vortrüge veranstalten. Kurse wären durch das Land zu errichten. 19 betont besonders Kurse für Jndustriearbeiterinnen und Obstverwertungs­ kurse. 23: Für die Frauen und Mädchen in der Stickereiindustrie, welche von ihrer Arbeit untertags nicht frei werden können, empfehlen wir jene Form der Kochkurse, welche der Arbeiterinnenverein Dornbirn seit Jahren mit großen Erfolgen abhielt. 4. Wie isi der Umstand zu erkläre«, daß gerade die Lebensmittelpreise in Worarlberg bedeutend höher sind, als sie durch Arachtsätze bedingt sind? Bekanntlich herrscht die Meinung, daß Vorarlberg zu den teuren Ländern gehört. Die Äußerungen zur gestellten Frage sind verschiedenartig. 8: Ist nur teilweise richtig, Mehl und Brot sind nicht teurer. 12: Lebensmittel sind nicht höher, sofern es sich um Kolonial- und Spezereiwaren handelt. 13: Daß Preise in Vorarlberg höher sind, ist unwahr; wenn Differenzen vorkommen, so kann es nur auf Kosten der Qualität geschehen. 2, 10, 18, 22 machen auf einzelne Verhältnisse im Geschäftsleben aufmerksam: Das Borgunwesen mrteuert die Preise, der Zwischenhandel zu groß, auch zu viel Händler. 14: Fremdenverkehr der Nachbarländer. 22: Nähe der Schweiz, Eigennutz der Kaufleute. 20: Ungleiche Kalkulation und ausgedehnter Zwischenhandel. 17: Höhere Verdienste als in Jnnerösterreich. Der Lebensunterhalt wird auf der ganzen Welt durch den Verdienst geregelt. Zu viel „Läden", die infolge des kleinen Umsatzes teurer arbeiten. 16: In Vorarlberg im allgemeinen eine bessere Lebenshaltung. Vorarlberg hat die teuersten Arbeits­ löhne, Grund und Boden sehr hochimPreis. 14: Kostspielige Geschäfts­ anlagen, größere Anforderungen. 4: Große Geduld des Volkes, auch die volkswirtschaftlich falsche Erziehung desselben, die Wucherabsichten mehrerer Händler. 3: Konkurrenz muß geschaffen werden. 209 16+ Beilage zu den stenogr. Berichten des VorarlSerger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 5. Wie kann dem zu starken Genusse von Alkohol, insbesondere von Branntwein entgegen getreten werden? Der Alkoholgenuß in Vorarlberg hat eine erschreckliche Höhe erreicht. Es läßt sich feststellen das Vorarlberg jährlich über 12, 230.000 1 Bier, 5, 350.000 1 Wein und 900.000 1 Branntwein trinkt. Diese traurige Tatsache veranlaßte die Fragestellung. 7, 13, 18, 19, 22 empfehlen die Einschränkung der Wirtschaftskonzessionen und insbesondere verlangen sie eine Einschränkung des Alkoholhandels in geschlossenen Gefäßen. In manchen Gegenden sind zu viel Wirtschaften. 2, 10, 17 verlangen strenge Strafen gegen Trunkenheit, Festlegung der Unklagbarkeit aller Trinkschulden, Verbot an Jugendliche, ohne Begleitung Alkohol abzugeben. Fast alle wünschen größere Aufklärung im Volke über die Schäden des Alkohol­ genusses, Unterstützung der Antialkoholbewegung, dann Förderung der alkoholfreien Getränke. 4; Verbilligung der übrigen Getränke, die mehr oder minder konsumiert werden müssen, solange selbst das Trinkwasser noch vielfach in den Gemeinden mangelt. 16; macht auf das viele Unglück aufmerksam, das durch den Branntweinverkauf in kleinen Geschäften angestellt wurde. 17 meint, daß die industrielle Arbeiterbevölkerung durch unzählige Versammlungen und Veranstaltungen zu viel zum Alkoholgenuß verlockt werde. 6. Welche Schäden werden durch die gesteigerten Sennereiöetrieöe in hygienischer Kinstcht verursacht? 2, 3, 8, 16, 17, 22 machen auf die Erscheinung aufmerksam, daß in vielen Familien fast alle Milch in die Sennerei gebracht wird und daß dadurch die Ernährung des Kindes im Vergleich zu früher viel schlechter geworden ist. 17: Auch die Aufzucht der Kälber leidet. 10 empfiehlt diesen Tatsachen gegenüber Aufklärung des Volkes. VI. Zollwesen. Die heute geltenden Zölle und Handel sv ertrüge stammen aus d em Jahre 1906 und sind durch den Ausgleich mit Ungarn gebunden. Die gestellten Fragen sollen einerseits dem Augenblicke gelten, insoweit der Staat Einfuhrzölle'herabsetzen kann, andererseits aber sollen sie die Stellungnahme Vorarlbergs für das Jahr 1917 vorbereiten, da dann die gegenwärtigen Zoll- und Handelsverträge ablaufen. Bemerkt muß dabei werden, daß Ungarn ein fast rein agrarischer Staat ist, und infolgedessen, ohne weiteres der Herabsetzung der Zölle für landwirt­ schaftliche Produkte nicht zustimmt; es verlangt hiefür Konzessionen; unter Umständen muß man sich darauf gefaßt machen, daß der nächste Ausgleich mit Ungarn an der Forderung Aufhebung oder ausgiebige Herabsetzung der Zölle für landwirtschaftliche Produkte scheitert. Ungarn verlangt heute schon für die beschränkte Einfuhr von argentinischem Fleische Konzessionen und Ungarn sowohl als auch die 210 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages IV. Session der 10. Periode 1911. landwirtschaftlichen Kreise Österreichs verlangen im Falle der Herabsetzung der Zölle für landwirtschaftliche Produkte, auch die Herabsetzung der Zölle der Jndustrieprodukte. Die Frage selbst gehört deshalb für Vorarlberg zu den wichtigsten und auch schwierigen, weil es soviel landwirtschaftliche Produkte vom Ausland bestellen muß, während seine große Industrie die Aufhebung der Zölle nicht ganz ohne Schaden ertragen dürfte. 1 Ist eine Urform der Zölle anzustreben? 2, 3, 4, 9, 12, 13, 14, 19 sind für eine allgemeine Reform der Zölle, die mit dem heutigen Hochschutzzollsystem bricht. 2, 10, 11, 18, 20, 22 wünschen die Herabsetzung der Zölle für Lebensmittel. 8: Mit dem ProhibitivSr> stein der Einfuhr-Sperre von Schlachtvieh aus den Balkanstaten, oder der ganz unzureichenden Kontingentierung wie im serbischen Handelsverträge muß gebrochen werden, soll die Fleischnot nicht noch schwerere Proportionen annehmen. 12 wünscht zeitweise, bei schlechten Ernten Ermäßigung der Zölle, damit das jüdische Großkapital in Zeiten des schwachen Angebotes nicht durch rücksichtslose Spekulation die Preise künstlich noch mehr in die Höhe treiben kann. 13: Bei Abschuß des gegen­ wärtigen Zolltarifs wurden die Gutachten des Mittel st andes gänzlich ignoriert; das kam daher, weil der Mittelstand in den Handelskammern viel zu schwach vertreten ist und wir eigentlich nur Jndustriekammern haben. 15 wünscht, daß die Grenzbewohner am Rhein Mehl und Brot zollfrei einführen können, da beide in der Schweiz billiger und besser seien. 16: Die Gefahr besteht, daß die Lebensmittelpreise noch mehr steigen werden und es wohl eine Staatsnotwendigkeit werde, bei Lebensmitteln auch eine außerordentliche Zollbehandlung ein­ treten zu lassen, und werde daher eine bedeutende Zollermäßigung aus Fleisch und Mehl und andere notwendige Lebensmittel sofort verfügt werden müssen. 17: Mit jenen Staaten, die der tatsächlichen Fleisch- und Mehlnot mit ihrem Überschüsse abhelfen können, weitgehendstes Entgegenkommen bei Abschluß der Zölle. Mit Industriestaaten niedrige Zollverhältnisse schassen, hieße: die Fleisch- und Brotpreise nicht ermäßigen, wohl aber würde durch die größere Konkurrenz von außen der Verdienst der industriellen Bevölkerung und damit ihre Kauf- und Konsumkraft herabgesetzt. 18 empfiehlt den Schweizer Zolltarif als Musterbeispiel für Vorarlberg. 2. Inwieferne verträgt die landwirtschaftliche «nd industrielle Produktion eine Zollermäßignng Bei besonderer Rücksichtnahme auf die Morarlberger Verhältnisse? Die Frage wurde veranlaßt durch den Um st and, daß die einseitige Auf­ hebung der agrarischen Zölle allein ohne Herabsetzung der Industriezölle nicht möglich sein wird, einerseits mit Rücksicht auf Ungarn, anderer­ seits aber auch mit Rücksicht auf die ebenfalls hohen Jndustrieschutzzölle, die zur Verteuerung aller Produkte auch sehr viel beitragen. 211 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. 2 sagt: Vorarlberg gleiche vielfach England, wo der Freihandel eingeführt wurde. Die Landwirtschaft Vorarlbergs werde durch die Zölle nicht geschützt. Die Herabsetzung der Zölle für landwirtschaftliche Produkte wäre sehr zu begrüßen. 3: Beseitigung der Getreide-, Vieh- und Fleischzölle, Hebung der Ausfuhr der Jndustrieartikel. 4: Zollermäßigung für Futterartikel, die Industrie müsse Zollermäßigung für die Rohartikel wünschen. 8: Ermäßigung des Zolles auf dem argentinischen Fleische anzustreben. 13.: Gleiches Recht für alle, die hohen landwirtschaftlichen Zölle sind ebenso verwerflich, wie die zu hohen Industriezölle. 15: Grenz bew ohner sollen ein größeres Quantum Kaffee zollfrei aus der Schweiz ein­ führen können. 16: Wie die Verhältnisse liegen, wird die Landwirtschaft Vorarl­ bergs durch die Herabsetzung der landwirtschaftlichen Zölle gewiß keinen Schaden erfahren. Der industriellen Produktion dagegen muß bei der verkürzten Arbeitszeit und den großen Zuschüssen zu Altersversicherung, Kranken­ kassen rc. und den hohen Staats- und Landessteuern, um all diesen hohen Anforderungen entsprechen zu können, ein entsprechender Schutz zukommen. 17: Vom Vorarlberger Standpunkt aus wäre es zu begrüßen — auch vom rein agrarischen Standpunkt aus — wenn wir überhaupt keine landwirtschaftlichen Zölle hätten. * * * Dies die wichtigsten Punkte unter den vielen und verschiedenen Meinungen; der Landesausschuß will nun dem hohen Landtage die Entscheidung überlassen, ob die Einberufung einer mündlichen Enquete zweckmäßig und erwünscht ist. Als Resultat aber kann heute schon, soweit es sich um grundsätzliche Fragen handelt, festgestellt werden 1. Die stetig steigenden Preise aller Lebens- und Gebrauchsartikel lassen sich nur zum gering st en Teile durch natürliche Gründe erklären; vielmehr trifft die S ch u l d die ausbeuterischen Kartelle, den überstüssigen Zwischenhandel und vor allem den unersättlichen wucherischen Kapitalismus, der immer mehr allen Besitz an sich zieht, während das Volk verarmt und trotz Fleiß und Arbeit kaum die Familien durchbringt. 2. Oesterreich kann gegenwärtig sich selbst nicht mit Lebens- und Futter­ mitteln hinreichend versorgen, weshalb die Spekulation die Preise ganz unglaublich hinauftreibt; es müssen, so lange diese Not besteht, die Grenzen für Fleisch geöffnet und die hohen Schutzzölle für Lebens- und Futtermittel herabgesetzt wurden, da der Auslandspreis für diese Artikel ehedem hoch g»nug ist. 3. Bezüglich der Einfuhr argentinischen Fleisches hat die ungarische Re­ gierung vertragsgemäß ein Einspruchsrecht, wenn sie begründete Bedenken wegen Gefahr der Einschleppung von Tierseuchen hat. In den letzten Tagen hat es sich nun aber gezeigt, daß Ungarn für solche Bedenken keinen Anhalspunkt hat und nun ganz offen die Bewilligung dieser Einfuhr von politischen 212 16. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. IV. Session der 10. Periode 1911. und anderen wirtschaftlichen Konzessionen abhängig macht; unter solchen Umständen ist Oesterreich bei der Einfuhr argentinischen Fleisches an die Zustimmung der ungarischen Regierung nicht gebunden. 4. Trotz einer ausgezeichneten Getreideernte ist der Preis für Getreide nicht gesunken, sondern wird besonders durch die Budapester Getreidebörse künst­ lich in der Höhe gehalten. Obwohl anläßlich des österreichisch-ungarischen Ausgleiches die Aufhebung des Blanko-Terminhandels in Budapest zugesagt wurde, ist die ungarische Regierung dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. 5. Nachdem Ungarn bekanntlich als Gegenwert für die Herabsetzung der landwirtschaftlichen Zölle verlangt, daß die hohen Jndustriezölle herab­ gesetzt werden und ja tatsächlich der Hochschutz für Industrie auch viel beiträgt zur gegenwärtigen Teuerung und dabei einzelnen Kartellen besonders für Eisen, Maschinen, Kohlen, Zucker usw. große Gewinne brachte, die das Volk zahlt, so erscheint es als gerecht und notwendig, daß bei den Verhandlungen mit Ungarn in eine Herabsetzung der hohen Jndustriezölle eingewilligt wird gegen Herabsetzung der Zölle für landwirtschaftliche Produkte. 6. Neben mancher abweichenden und ganz undurchführbaren Meinung über die Teuerung im Lande kann, wie aus dem Berichte hervorgeht, festgestellt werden, daß unser Land Vorarlberg darunter leidet, daß es bei der zunehmenden Industrie viel zu wenig Lebensmittel produziert; es mag zu den vornehmsten Aufgaben des Landtages gehören, durch geeignete Beschlüsse und Mittel auf die Behebung dieses Uebelstandes hinzuarbeiten und sowohl im eigenen Wirkungskreise als auch durch Unterstützung und Anregung auf eine möglichst große Gesamtleistung unseres Volkes hinzuarbeiten und dieses in einer zielbewußten Bekämpfung der Härten und Auswüchse unseres Wirtschaftslebens sowie im Kampfe gegen den Wucher zu unterstützen. Aus diesen Gründen stellt der Landesausschuß folgende Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: „1. Die k. k. Regierung und das Abgeordnetenhaus werden aufgefordert, endlich ein K a r t e l l g e s e tz zu schaffen und ein den heutigen Verhältnissen angepaßtes Wuchergesetz. 2. Die k. k. Regierung wird aufgefordert, unter Berufung auf gemachte Zusagen die sofortige Aufhebung des Blanko-Terminhandels an der Budapester Börse zu verlangen. 3. Die k. k. Regierung wird aufgefordert, die Einfuhr von argen­ tinischem Fleisch sofort zu bewilligen, da Ungarn kein vertrags­ mäßiges Recht auf Einspruch geltend zu machen in der Lage ist. Bregenz, am 22. September 1911. Für den Landesausschutz: INof. Dr. Drerek, Referent. 213 t