19101019_ltb00671909_Volkswirtschaftsausschussbericht_Gesuch_Rieden_betreffend_selbständigeGemeinde_Kennelbach

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Letzte Änderung 05.07.2021, 14:26
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp10,ltb0,lt1910,ltb1910
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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Syntax Warning: Invalid number of shared object groups 67. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10, Periode 1910. Beilage 67. Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über das Gesuch der Gemeinde Rieden betressend die Abtrennung der Parzelle Kennelbach von der Gesamtgemeinde und Bildung einer selbständigen Gemeinde mit dem Namen Kennelbach. Hoher Landtag! Die Gemeinde Rieden besteht bekanntlich aus den Parzellen Rieden, Vorkloster und Kennelbach. Während die beiden erstgenannten Parzellen sozusagen enge aneinander angeschlossen sind, liegt die Parzelle Kennelbach gänzlich abseits von denselben und ist daher seit jeher nur in losem Zusammen­ hänge mit der Gesamtgemeinde. Hiezu trägt auch der Umstand wesentlich bei, daß Keunelbach eine eigene Pfarrgemeinde bildet, während Rieden-Vorkloster zur Pfarrgenieinde Bregenz gehört. Kennelbach hatte auch von jeher eine weitgehende Selbständigkeit inbezug auf die Gemeindeverwaltung, beziehungsweise auf die Besorgung der Parzellenangelegenheiten. So wurden z. B. seit mehr als einem halben Jahrhunderte nur die Erfordernisse für das Armenwesen, für die Gemeindckanzlei, für die Polizei- und Lehrergehalte aus die Gesamtgemeinde verumlagt. Für alle andern Bedürfnisse, wie Straßen-, Brücken-, Schulhaus­ bauten usw., hatte Rieden-Vorkloster einerseits und Kennelbach andererseits aus eigenen Mitteln aufzu­ kommen. Demzufolge hatten die Parzellen neben dem Voranschläge und der Rechnung für die Gesamtgemeinde eigene Parzellenvoranschläge und Parzellenrechnungen. In Kennelbach amtierte stets ein sogenannter Fraktionsvorsteher, dem die Agenden eines Gemeindevorstehers zufielen, der eine eigene Käuzlei führte, das Meldewesen besorgte, Arbeitsbücher, Leumundszeugnisse, Heimatsscheine rc. selbst ausstellte. In Rücksicht auf die weitgehende Selbständigkeit, sowie im Hinblicke auf die räumliche Ent­ fernung von Rieden-Vorkloster machte sich in Kennclbach schon seit geraumer Zeit das Bestreben geltend, die Parzelle von der Gemeinde Rieden vollständig abzutrennen und dieselbe zu einer eigenen Gemeinde Kennelbach zu konstituieren. Im Jahre 1905 hat sich die Gemeindevertretung mit dieser Angelegenheit eingehend befaßt und hat sich nach vorausgegangener Auseinandersetzung über die Aufteilung der Rechte und Pflichten laut Gemeindevertretungsbeschluß für die Abtrennung ausgesprochen. Auf Grund des § 76 der Gemeindeordnung mußte indessen auch ein Gemeindebeschluß eiugeholt werden, d. h. es mußten den Bestimmungen des genannten Paragraphen zufolge, zweidrittel der Gemeindewahlberechtigten ihre Zustimmung geben, welche zusammen mindestens Zweidrütel der gesamten Gemeindesteuern zu entrichten hätten. Das Resultat der Abstimmung ergab, daß sich zwar Zweidrittel der Wahlberechtigten für die Abtrennung ausgesprochen (die Nichterschienenen wurden der Mehrheit zugezählt), daß jedoch die erforderliche Zmeidrittelsteuersumme nicht erreicht wurde, weshalb die 359 67. Beilage zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. II. Session Der 10. Periode .910. Abtrennung als abgelehnt bezeichnet werden mußte. Die weitere Folge dieses Ergebnisses war nun, daß, als im Jahre 1906 der Voranschlag für die Gesanitgemeinde und jene der Parzellen zur Einsicht­ nahme auflagen, mehrere Steuerträger aus Vorkloster aus Gründen, die der Berichterstatter hier nicht näher anführen will, gegen diese Voranschläge an den hohen Landesansschuß rekurrierten mit dem Hinweise, daß dieselben den Bestimmungen der Gemeindeordnung nicht entsprechen, da z. B. die Erforder­ nisse für Straßen-, Schulbauten rc. nicht auf die Parzellen, sondern auf die Gesamtgemeinde zu verumlagen seien. Der Landesausschuß mußte, wie vorauszusehen war, diesem Rekurse Folge geben. Damit war nun aber eine völlig veränderte Situation geschaffen. Die Parzelle Kennelbach war durch diese Entscheidung um die seit einem halben Jahrhunderte innegehabte Selbständigkeit gekommen und wurde vollends zur Gesamtgemeinde herangezogen, was dort allgemein sehr unangenehm empfunden wurde. Für Nieden-Vorkloster aber gestaltete sich die Sachlage finanziell außerordentlich ungünstig. Es wurde bereits eingangs erwähnt, daß die einzelnen Parzellen für Straßen, Schulhausbauten, Brücken rc. seit alter Zeit aus eigenem aufkommen mußten. Rieden-Vorkloster hatte nun besonders im Laufe der letzten Jahre für Neuanlegung und Erhaltung von Straßen bedeutende Auslagen. Ferner haben die genannten beiden Parzellen im Jahre 1894 ein Schulhaus mit einem Kostenaufwande von zirka K 70.000"— und als sich dasselbe schon nach 10 Jahren als zu klein erwies, im Jahre 1907 ein solches mit einem Kostenaufwande von zirka K 150.000also zusammen K 220.000, erbaut. Selbstverständlich mußten zur Bestreitung der bezüglichen Kosten Darlehen aufgenommen werden. Diese Darlehen wurden laut Gemeindeausschußbeschluß ausschließlich zu Lasten der Parzellen Rieden - Vorkloster aufgenommen nnd haben nach der Entscheidung des Landesausschusses lediglich die beiden genannten Parzellen allein für Verzinsnng und Amortisation derselben aufzukomnien. Auf Grund der nämlichen Entscheidung dürfen aber derartige Bauten wie Straßen, Brücken und Schulhäuser künftighin nicht mehr auf Kosten der Parzellen, sondern nur auf Kosten der Gesamt­ gemeinde erstellt werden Das Nachteilige für Rieden-Vorkloster liegt nun darin, daß genannte Parzellen die erwähnten Lasten allein zu tragen haben. Kennelbach aber steht vor der Notwendigkeit eines Schulhausbaues und der Erstellung der auch für die Gemeinde mit bedeutenden Kosten verbundenen Schülanstraße, zu welchen Objekten nach der gegenwärtigen Steuerleistung der Parzellen, RiedenVorkloster 73°/i», Kennelbach 26*/io Prozent beizutragen hätte. Als nun die im Vorjahre neugewählte Gemeindevertretung sich neuerlich mit der Abtrennungs­ frage beschäftigte, haben im Hinblicke auf diese vollständig geänderten Verhältnisse diejenigen Kreise, die sich in Rieden-Vorkloster seinerzeit gegen die Trennung aussprachen, ihren Widerstand natur­ gemäß aufgegeben. In der Gemeindevertretungssitzung vom 1. Juli I. Js. wurde ein neungliedriges Komitee gewählt, welches die Bedingungen festznstellen hatte, ynter denen die Abtrennung erfolgen soll. In der Sitzung vom 18. August, bei welcher der Gemeindevorsteher, 6 Gemeinderäte, 16 Ausschußmitglieder und 2 Ersatzmänner anwesend waren, unterbreitete das Komitee den Antrag auf Abtrennung unter folgenden Bedingungen: I. Von der Nestbauschuld der Kustersbergerstraße übernehmen Nieden-Vorkloster 736/io %, Kennelbach 264/io %. II. Zu den Erhaltungsprozenten der Kustersbergerstraße hat die Gemeinde 16°/° beizutragen. Von diesen hat die Parzelle Kennelbach 6 %, Rieden 10 % zu übernehmen. III. Von der Schülanstraße hat die Gemeinde seinerzeit ein Fünftel der für Kennelbach entfallenden Baukosten übernommen. Als endgiltige Abfindung haben die Parzellen Rieden-Vorkloster bei Ausführung dieses Projektes ohne Rücksicht auf die Trace K 1500"—, sage eintausendfünfhundert Kronen, bei Beginn des Baues an die Gemeinde Kennelbach zu zahlen. IV. Von der Bregenzer Waldbahnschuld hat Kennelbach 264/io % zu übernehmen. V. Landspital: Kennelbach erhält bei einer allenfallsigen Auflösung oder Auslösung dieser Parzelle (beziehungsweise Gemeinde) 264/io % des Anteiles der Gemeinde Rieden. Kennelbach wird auch 360 67. Beilage zu den flenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 1910 das Recht eingeräumt, jederzeit aus dem Verbände des Landspitals auszuscheiden und die Auszahlung der 264/io % des Anteiles der Gemeinde Rieden nach dem zur Zeit der Auslösung bestehenden Werte von der Gemeinde Rieden zu verlangen. Bei Fortbestand oes Spitales hat Kennelbach nach erfolgter Abtrennung und Konstituierung zur selbständigen Gemeinde am Spital das gleiche Recht, wie Kennelbach als Teil der Gemeinde Rieden besessen hat. Voraussichtlich der Zustimmung der am Spitale beteiligten Gemeinden, soll Kennelbach gleich den anderen Gemeinden ein Stimmrecht in der Spitalverwaltung erhalten. VI. Vom Inventareder Gesamtgemeinde erhält Kennelbach nach dem Schätzungswerte 264/io % in barem ausgefolgt. VII Von der Konkurrenzkaserne in Lauterach übernimmt Kennelbach 264/io% des Anteiles der Gemeinde Rieden an den Rechten und Pflichten dieser Kaserne. VIII. Spritzenhaus Rieden: Von dem Werte desselben, inkl. Wert des hiezu erworbenen Grundes erhält Kennelbach 264/io % rückvergütet. IX. Bei Abtrennung der Parzelle Kennelbach erhält dieselbe ihr eigenes Jagdgebiet. Bei einer allenfallsigen Versteigerung der Gemeindejagd vor der Trennung soll diese Bedingung im Versteigerungsprotokolle ausgenommen werden. Es soll darauf hingewirkt werden, daß die Jagdversteigerung vor der in diesem Jahre geplanten Abtrennung nicht niehr zu erfolgen habe. Muß dieselbe dennoch vor Abtrennung auf weitere 5 Jahre versteigert werden, so soll in die Versteigerungsbedingungen die Klausel ausgenommen werden, daß der neue Jagdpachtvertrag durch die Abtrennuug der Parzelle Kennelbach aufgelöst werde und Kennelbach ab dem Trennungstage ein eigenes Jagdgebiet erhält und zu vergeben habe. X. Von dem Gemeindevermögen und Armenfonds erhält Kennelbach 264/io% von dem Aktiv- und Passivvermögen. XI. Punkt betrifft die Festsetzung der Gemeindegrenze und sei hiemit auf die Bestimmungen des § 2 des Gesetzentwurfes verwiesen. XII. Kennelbach übernimmt die Unterhaltung der Gemeindestraßen nur auf ihrem eigenen Gebiete. XIII. Heimatsberechtigung und Armenunterhalt: Alle jene Personen, welche zur Zeit der Trennung bereits im Genusse einer Armenversorgung stehen und nachweisbar von RiedenVorkloster stannnen oder dortselbst das Heimatsrecht ersessen haben, werden von Rieden-Vorkloster übernommen. Alle diejenigen Personen, welche in der Genieinde Rieden das Heimatsrecht auf Grund des ueuen Heimatsgesetzes ersessen haben, werden von derjenigen Parzelle übernommen, in welcher sie zur Zeit der Trennung ihren Aufenthalt hatten. Ferner hat noch § 4 des Heimatsgesetzes vom Jahre 1863 seine Giltigkeit, welcher lautet: Wird eine Gemeinde in zwei oder mehrere Gemeinden getrennt, oder mit einem Teile einem anderen Gemeindegebiete einverleibt, so sind die Heimatberechtigten dieser Gemeinve mit allen ihnen im Heimat­ rechte folgenden Personen jener Gemeinde als heimatberechtigt zuzuweisen, welche in dem Besitze desjenigen Gebietes ist, in dem sie zur Zeit der Trennung, beziehungsweise Einverleibung wohnten, oder, falls sie sich zu dieser Zeit in der Gemeinde nicht mehr, aufhielten, vor ihrem Abzüge aus derselben zuletzt gewohnt hatten. Insoweit die Zuweisung nicht nach diesen Bestimmungen durchgeführt werden kann, ist für dieselbe der Wohnsitz maßgebend, den derjenige, welchem die Zuzuweisenden im Heimatrechte folgen, zuletzt in der Gemeinde hatte. Heiinatberechtigte, bei welchen auch dieser Anhaltspunkt fehlt, sind, infoferne nicht zwischen den betreffenden Gemeinden eine Vereinbarung zustande kommt, einer dieser Gemeinden durch die Politische Behörde zuzuwcisen. 361 67. Beilage zu Den stenogr. Berichten des Borarlberger Landtages. II. Session der 10. Periode 191a Die gleiche Bestimmung gilt auch für Kennelbach. Es soll ein Verzeichnis angefertigt und dem Protokolle angefügt werden, welche Personen, die in Armenversorgung stehen, bei Trennung der Gemeinde auf Rieden-Vorkloster und welche auf Kennelbach entfallen. XIV. Unter der Voraussetzung, daß alle gesetzlichen Erfordernisse erfüllt werden, findet die Trennung am 1. Jänner 1911 statt. Von den 14 Punkten wurden 11 einstimmig, 3 mit großer Mehrheit angenommen. Am 26. September erfolgte sodann die auf Grund des § 76 der G- O. vorgeschriebene Abstimmung durch die Gemeindewahlberechtiglen, welche folgendes Resultat ergab: Von den 858 Wahl­ berechtigten erschienen 286 zur Stimmenabgabe. Hievon stimmten 281 für die Abtrennung, 5 gegen dieselbe. Die 281 Wähler entrichten zusammen eine Gemeindesteuer von K 12.633'68. Hiezu die Steuer der 577 Nichterschienenen, welche der Mehrheit zuzurechnen sind, (K 16.601'41) macht K 29.235'09. Die 5 Wahlberechtigten, die gegen die Abtrennung votierten, entrichten zusamnien eine Steuer von K 483'11. Hiemit wurde die Abtrennung nahezu einstimmig gutgeheißen. Die Gemeindevorstehung richtet nun unterm 27. September ein Ansuchen an den Landes­ ausschuß mit der Bitte, es möge das gemäß § 3 der G. O. vorgeschriebene Landesgesetz in der gegenwärtigen Landtagssession noch beschlossen werden. Der volkswirtschaftliche Ausschuß, dem das Gesuch der Gemeinde Rieden zugewiesen wurde, hat sich eingehend mit demselben befaßt und ist übereinstimmend der Ansicht, daß die Voraussetzungen für die Abtrennung Kennelbachs von der Gesamtgemeinde vorhanden sind, daß in Rücksicht auf die dort obwaltenden Umstände die Abtrennung entschieden wünschenswert erscheint, und stellt somit den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Dem vorliegenden Gesetzentwürfe (Beilage 61), betreffend die Abtrennung der Parzelle Kennelbach von der Gesamtgemeinde Rieden und Konstituierung einer eigenen Gemeinde mit dem Ramen Kennelbach wird die Zustimmung erteilt." Bregenz, am 19. Oktober 1910. Franz Loser, Jodok Fink, Berichterstatter. Obmann. Druck von I. N. Teutsch in Bregenz. 36.2