19081001_ltb00481908_Wahlreformausschussbericht_Abänderung_Landesordnung_Gemeindeordnung_Erlassung_Landtagswahlordnung_Gemeindewahlordnung

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Letzte Änderung 05.07.2021, 15:25
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp09,ltb0,lt1908,ltb1908
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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48 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 48. Bericht des wahlreformausschuffes in Betreff der Abänderung der Landes- und Gemeinde­ ordnung und die Grlaffung einer Landtagswahl- und Gemeindewahlordnung. Dem Wahlreformausschuffe wurden die Landesausschußvorlagen: a) auf Abänderung der Gemeindeordnung; b) Schaffung einer neuen Gemeindewahlordnung; c) Abänderung der Landesordnung und d) Erlassung einer Landtagswahlordnung zur Berichterstattung und Antragstellung zugewiesen. In dem bezüglichen Berichte des Landesausschusses, Beilage 15 der stenogr. Protokolle, auf welchen hiemit verwiesen wird, ist des näheren ausgeführt, daß der Landtag seit seinem Bestände sich beinahe in jeder Session mit diesen Gegenständen befaßt hat, wobei er stets das Bestreben hatte, das Wahlrecht auszudehnen. Bei fast jeder dieser Aktionen läßt sich nachweisen, daß die vom Vorarlberger Landtage angestrebten Wahlreformem dem allgemeinen Entwicklungsgänge des Wahlrechtes in Österreich vorausgeeilt waren und von feiten der verschiedenen Regierungen entweder abgelehnt oder eingeschränkt wurden. Auch die von diesem Landtage angestrebte Änderung des Wahlrechtes für Land und Gemeinde im Sinne des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes konnte wegen der entschieden ablehnenden Haltung der Regierung, welche mit Statthaltereinote vom 18. August 1908, Nr. 4931/Pr., dem Landesausschusse zur Kenntnis gebracht wurde, nicht durchgeführt werden. Zu den im Sinne dieser Regierungserklärung umgearbeiteten Landesausschußvorlagen hat die Regierung mit Erlaß vom 16. September 1908, Z. 8647/M. J., neuerdings Stellung genommen. Allen diesen Wünschen, welche unwesentlich und fast durchwegs nur stilistischer Natur sind, hat der Wahlreformausschuß in den nun vorliegenden Gesetz­ entwürfen vollständig Rechnung getragen. Im Nachstehenden soll nun zunächst auf die sachlichen Änderungen hingewiesen werden, welche der Wahlreformausschuß an den Landesausschußvorlagen vorzunehmen für notwendig hielt. Als eine der wesentlichsten Änderungen, welche der Wahlreformausschuß an der Gemeinde­ wahlordnung vornahm, stellt sich der Zusatz zu 8 6 derselben dar, welcher durch die Bestimmungen des § 12, Absatz 2, der G. W. O. hervorgerufen wurde. Nach denselben ist die von den Mitbesitzern einer steuerpflichtigen Realität entrichtete Steuer den einzelnen Mitbesitzern zuzuschreiben und begründet für 341 Beilage 48. 48 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. jeden einzelnen derselben ein Wahlrecht. Dadurch wäre in jenen Fällen, wo es sich um Gemeinschaftsalpen und Gemeinschaftsweiden handelt, die nicht ein im Sinne des Genossenschafts- oder Vereinsgesetzes genehmigtes Statut haben, eine Unzahl von Wählern geschaffen worden, welche nicht nur die Wahlhandlung kompliziert, sondern auch die Qualität des Wahlrechtes der übrigen Wähler in den betroffenen Gemeinden wesentlich beeinflußt hätten. Diesem unpraktischen und ungerechten Vehältniffe begegnet der Zusatz des Wahlreformausschusses zu § 6, indem durch denselben diesen Gemeinschaftsalpen und Gemeinschafts­ weiden ihr Wahlrecht, aber auch nur eine Stimme wie bisher gesichert wird, wenn sie auch keine auf genoffenschaftsgesetzlicher oder vereinsgesetzlicher Basis beruhenden Vereinigungen sind. Das Wahlrecht übt analog anderen Korporationen, Vereinen und Gesellschaften der zurzeit der Wahl berufene Vertreter der Vereinigungen nach außen, der Obmann, Alpmeister u. s. w., aus. Im § 10 wurde entgegen der Landesausschußvorlage die Verfaffung der Wählerlisten nicht dem Gemeindevorsteher, sondern dem Gemeindevorstande übertragen, um für diese wichtige grundlegende Amtshandlung die größte Genauigkeit zu erzielen und in zweifelhaften Fällen die Verantwortung der Entscheidung nicht der einzelnen Person, sondern der ganzen Korporation zu überbürden. Sinngemäß wurde diese Änderung auch in allen anderen Fällen, in den §§ 15, 21, 25 und 34, wo es sich nicht nur um rein administrative Funktionen handelt, vorgenommen. In den §§ 15 und 21 G. W. O. wurde eine Bestimmung aufgenommen, nach welcher von den in der Gemeinde des Wahlortes nicht heimatberechtigten Gemeindemitgliedern (Gemeindegenossen, § 6, Zl 2 G. O.) nur jene wahlberechtigt sind, die in der Gemeinde den ordentlichen Wohnsitz haben oder denen in der Gemeinde jährlich wenigstens K 4'— direkte Staatssteuern vorgeschrieben werden. Diese Bestimmung entspricht dem geltenden Gesetze und erscheint auch für die Zukunft gerechtfertigt, weil die ortsabwesenden Gemeindegenossen in der Regel wohl auch weniger Interesse an der Gemeinde­ verwaltung haben als die in der Gemeinde wohnenden Gemeindemitglieder. Im § 16, Zl. 3 und analog in den folgenden auf die Einreihung der Wahlberechtigten in die Wahlkörper bezughabenden §§ wurde im Sinne der möglichsten Ausdehnung des Wahlrechtes den Personen weiblichen Geschlechtes das Wahlrecht auch dann eingeräumt, wenn sie andere direkte Staats­ steuern als Grund-, Häuser- oder Erwerbsteuer entrichten. In den §§ 17 und 23 wurden unter die sogenannten Jntelligenzwähler auch jene Ingenieure aufgenommen, welche an einer inländischen Hochschule ein Diplom erworben haben. Der § 26 der Landesausschußvorlage enthält die Bestimmung, daß bei Reklamationen wegen Richtaufnahme von Wahlberechtigten in die Wählerliste in jedem Falle die Dokumente, welche für den Nachweis der Wahlberechtigung erforderlich sind, der Reklamation beizuschließen sind. Diese die Reklamierung des Wahlrechtes erschwerende Bestimmung wurde vom Wahlreformausschusse in seiner Vorlage eliminiert, weil die Umstände, welche die Wahlberechtigung begründen, dem Gemeindevorstande ohnedies bekannt sind. In der Landesausschußvorlage hatte der § 58 G. W. O. für die Verhältniswahlgemeinden vorgesehen, daß der Wähler seinen im amtlichen Kuverte befindlichen Stimmzettel selbst in die Wahl­ urne legt. Da bei diesem Vorgänge immerhin mit der Möglichkeit gerechnet werden mußte, daß ein Wähler zwei oder mehrere Kuverte in die Wahlurne legt, ohne daß es die Wahlkommission bemerkt oder es verhindern kann, so wurde im § 60 die Anordnung getroffen, daß im Falle des Vorhandenseins zu vieler Kuverte vor der Skrutinierung so viele Kuverte durch Losziehung entfernt werden, als sich überzählige in der Urne vorfinden. Gegen diese Bestimmung erhob die Regierung Bedenken, weshalb der Wahlreformausschuß im § 58 die Bestimmung aufnahm, daß der Wähler das den Stimmzettel enthaltende Kuvert dem Vorsitzenden der Wahlkommissio» übergibt, welcher es, nachdem der Name des Wählers in der Wählerliste vorgemerkt ist und die Wahlkommission sich überzeugt hat, daß die Be­ zeichnung des Wahlkörpers auf dem Kuverte mit der Eintragung in der Wählerliste übereinstimmt, ««eröffnet in die Wahlurne legt. Infolge dieser neuen Bestimmung wurde der § 60 der Landesaus­ schußvorlage gegenstandslos. Dagegen wurde im § 69 die Verfügung getroffen, daß die Statthalterei nach Einvernehmung des Landesausschusses auch die näheren Bestimmungen über die Beschaffenheit der 342 V Session der 9. Periode 1908, Beilage 48 Wahl urnen festzusetzen hab '. Nach Anschauung des Wahlreformausschusses sollen diese Urnen zweck­ entsprechend, verschließbar und die Einwursöffnung der Größe des Wahlknvertes genau entsprechend sein. Bezüglich der Gemeindeordnuug ist nur zu bemerken, daß der § 45 der Landesausschußvorlage zu entfallen hat, weil er in derselben Fassung bereits in der bestehenden Gemeindeordnung enthalten ist. Der Wahlreformausschuß hat an der die Landtagswahlordnung betreffenden Landesausschuß­ vorlage in den §§ 31 und 33 analog dem § 58 der G. W. O. ebenfalls die Bestimmung aufge­ nommen, daß der Wähler seinen im amtlichen Kuverte befindlichen Stimmzettel nicht selbst in die Wahl­ urne legt, sondern ihn dem Borsitzenden der Wahlkommission übergibt, welcher, sobald der Name des Wählers in der Liste vorgemerkt ist, das Kuvert uneröffnet in die Wahlurne legt. Die wesentlichsten Änderungen des Wahlrechtes für die Landtags- und die Gemeindewahlen bestehen darin, daß jeder Wahlberechtigte für seine Person und auch im Falle, als er für seine mit ihm in ehelicher Gemeinschaft lebende Gattin das Wahlrecht auszuüben hat, für beide zusammen imr eine Stimme abgeben kann. Ferner wurde der Grundsatz, daß unter Vormundschaft oder Kuratel stehende Personen kein Wahlrecht besitzen, konsequent zur Anwendung gebracht. Das Landtagswahlrecht betreffend, müssen als einschneidendste Änderungen gegenüber den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen erwähnt werden die Einführung der direkten Wahl in der Landgemeindenwählerklasse und der gemischten Wählerklasse, ferner die Ausschließung aller jener Personen vom Wahl­ rechte in der gemischten Wählerklasse, welche dasselbe schon in einer ande n Wählerklasse besitzen, und endlich die Herabsetzung des Zensus von K 8 — auf K 6 — für die Wahlberechtigung in der Städteund Landgemeindenwählerklasse. Die Landesordnung setzt eine Erhöhung der Mandate für die gemischte Wählerklasse um zwei fest, und zwar um je eines in den Bezirken Bregenz und Feldkirch. Speziell das Gemeindewahlrecht betreffend muß bemerkt werden, daß die Grundlage für die Wahlberechtigung eine Änderung erfuhr. Während bisher mehr die kapitalistische Tendenz im Ge­ meindewahlgesetze vorherrschend zur Geltung kam, tritt nun das persönliche Moment mehr hervor. Die Vermögenssteuer kommt für die Wahlberechtigung in keiner Weise mehr zur Anrechnung. Das Wahlrecht wird zunächst der bodenständigen Bevölkerung eingeräumt, indem für die Einreihung in die Wählerliste in erster Reihe die Grund-, Gebäude- oder Erwerbsteuer maßgebend ist. Es ist daher ein Verzeichnis aller wahlberechtigten Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes anzufertigen, die eine oder mehrere dieser Steuern zahlen und sind diese nach der Höhe der auf jeden entfallenden Grund-, Gebäude- und Erwerbsteuer in absteigender Ordnung aneinander zu reihen und mit fortlaufenden Zahlen zu bezeichnen. Die Zahl dieser Wahlberechtigten ist durch zwölf zu teilen und kommen die ersten 8/12 in den ersten, die nächsten 4/12 in den zweiten und die restlichen 5/12 samt dem bei der Zwölftelteilung etwa übrig bleibenden Reste in den dritten Wahlkörper. Diese Einreihung und Berücksichtigung bei der Zwölftelteilung hat auch dann zu geschehen, wenn einzelnen dieser Wahlberechtigten anf Grund persön­ licher Eigenschaften (Jntelligenzwähler) das Wahlrecht in einem höheren Wahlkörper, als es auf Grund der Zwölfte lteilung der Fall gewesen wäre, zukommt. In den erstenWahlkörper kommen nämlich neben den oben erwähnten 8/12 die Ehrenbürger und die in den §§ 16, bezw. 22 der G. W. O. an­ geführten Jntelligenzwähler m d endlich diejenigen Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes, welche seil zwei Jahren den ordentlichen Wohnsitz in der Gemeinde haben und denen an Personalsteuern (Personaleinkommen-, Renten- und Besoldungssteuer) seit mindestens einem Jahre mehr als K 100'— vorgeschrieben sind. Und ebenso kommen in den zweiten Wahlkörper die in den §§ 17, bezw. 23 näher bezeichneten Jntelligenzwähler und jene Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes, welche seit zwei Jahren in der Gemeinde den ordentlichen Wohnsitz haben und denen seit einem Jahre Personalsteuern von mehr als K 50'— vorgeschrieben sind. Wenn aber nach diesen Bestimmungen beispielsweise bei der Zwölftelteilung ein Wahlberechtigter dem zweiten Wahlkörper zugeteilt wurde, er aber als Jntelligenzwähler oder als Personalsteuerträger in den ersten Wahlkörper zu kommen hat, wird er gleichwohl dem ersten Wahlkörper zugeteilt. Das gleiche hat zu geschehen, wenn ein Wahlberechtigter bei der 343 Beilage 48. 48 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. Zwölftelteilung dem dritten Wahlkörper zugeteilt wurde, während er als Jntelligenzwähler oder Personal­ steuerträger in den zweiten Wahlkörper gehört. Zu bemerken ist noch, daß die Personalsteuern in keinem Falle zu den dem Wahlberechtigten etwa vorgeschriebenen Grund-, Gebäude- und Erwerbsteuern zuzu­ zählen sind, um dadurch die Einreihung des Wahlberechtigten in einen höheren Wahlkörper zu bewirken. Obwohl durch Einteilung von Wahlberechtigten in höhere Wahlkörper, die ursprünglich bei der Zwölftelteilung berücksichtigt wurden, die Anzahl der der Zwölftelteilung unterzogenen Wahlberech­ tigten vermindert wird, findet keine neue Zwölftelteilung statt. Es bleibe» vielmehr jene bei der Zwölftelteilung berücksichtigten Wahlberechtigten, die nicht als Jntelligenzwähler oder Personalsteuerträger einem höheren Wahlkörper zugeteilt wurden, jenem Wahlkörper einverleibt, dem sie nach der Ursprünge lichen Zwölftelteilung angehören. Eine große Bedeutung kommt der Einführung der Verhältniswahl in Gemeinden mit über 2000 Einwohnern zu. Man kann ruhig behaupten, daß der Proporz das Wahlsystem der Zukunft sein wird. In vielen Kantonen der Schweiz, in den benachbarten deutschen Staaten und in Belgien hat sich dieses System bewährt. In Österreich ist Vorarlberg das erste Land, welches für die Ge­ meindewahlen die Verhältniswahl einführt. Der Landtag hatte in Aussicht genommen, die Einführung der Verhältniswahl auch in kleineren Gemeinden zu ermöglichen, indem in den seinerzeitigen Entwürfen die Bestimmung aufgenommen war, daß, wenn in einer Gemeinde 25°/o der Wahlberechtigten die Ein­ führung dieses Wahlmodus verlangen, dies mit Zustimmung der Statthalterei und des Landesausschusses sofort geschehen könnte. Die Regierung nahm jedoch zu dieser Erweiterung eine ablehnende Haltung ein. In der Vorlage ist für die Proporzwahl die gebundene Liste in Aussicht genommen. Diese Form lehnt sich am ehesten an die heute faktisch bestehenden Verhältnisse an und ist am einfachsten durchzuführen. Die Parteien (politische, soziale, wirtschaftliche oder andere Gruppen von Wählern) haben vor der Wahl ihre Wahlvorschläge bei der Gemeindevorstehung einzureichen. Die Wahlvorschläge sind von 20 in die Wählerliste aufgenommenen Wahlberechtigten eigenhändig und leserlich zu unter­ fertigen. In einem Wahlvorschlage können die Parteien ihre Kandidaten separat für jeden Wahlkörper namhaft machen. Nachdem in Zukunft für die Wahl der Ersatzmänner keine eigenen Listen aufgestellt werden, kann der Wahlvorschlag für jeden Wahlkörper soviele Namen enthalten, als von ihm Ausschußmitglieder und Ersatzmänner zu wählen sind. Die Reihenfolge der Kandidaten ist für jeden Wahlkörper eigens mit fortlaufenden Zahlen 1, 2 u. s. w. zu bezeichnen. Jeder Wahlvorschlag und jeder Stimmzettel muß übereinstimmend die genaue Bezeichnung der Partei tragen, z. B. „Christlichsoziale"-, „Deutschfortschrittliche"-, „Sozialdemokratische Partei", „Bürger-, Alte-, Neue-, Oberdörfer-, Unterdorfer-Partei" u. s. w. Zur Gültigkeit des Stimmzettels ist außer der Parteibezeichnung erforderlich, daß er den Namen eines jener Kandidaten trägt, welchen die Partei im betreffenden Wahlkörper aufgestellt hat. Alle weiteren Namen sind für die Gültigkeit des Stimmzettels belanglos und kommen bei der Festsetzung des Wahlresultates in gar keiner Weise in Betracht. Sowohl die Ausschuß- als auch die Ersatzmänner eines jeden Wahlkörpers werden den Parteien nach Verhältnis der für sie abgegebenen Stimmen aufgeteilt. Die allfälligen Restmandate fallen der Partei zu, für die im betreffenden Wahlkörper die meisten Stimmen abgegeben wurden. Dagegen wird ein etwa sich ergebendes überzähliges Mandat jener Partei weggenommen, für welche am wenigsten Stimmen abgegeben wurden. Zur Ermittlung der jeder Partei zufallenden Mandate wird die Zahl der vom Wahlkörper zu wählenden Ausschußmitglieder um 1 vermehrt und durch diese Zahl die Zahl der für alle Parteien zusammen gültig abgegebenen Stimmen dividiert. Der Quotient, und wenn bei der Division ein Rest bleibt, die nächst höhere ganze Zahl, ist die Wahlzahl. So oft diese Wahlzahl in der für eine Partei abgegebenen Zahl von Stimmen enthalten ist, soviele Mandate fallen der Partei zu. Zum Beispiel: Angenommen es wären in einem Wahlkörper 10 Ausschußmänner und 5 Ersatz­ männer zu wählen und es wären für diese Wahl mit Wahlvorschlägen die „Christlichsoziale Partei", die „Deutschfortschrittliche Partei" und die „Sozialdemokratische Partei" hervorgetreten. 344 V. Session der 9. Periode 1908. Deutschfortschrittlicher Wahlvorschlag: Kandidaten: 1. N. N. Beilage 48. Christlichsozialer Wahlvorschlag: Kandidaten: 1. N. N. 2. n n 3- II II ~' 3 n n n n *1' n n 4" n n n n II n 6- „ 7. „ „ „ " n 7- „ „ 8- // n 8- „ » 0- II H b- n n Sozialdemokratischer Wahlvorschlag: . Kandidaten: 1. N. N. 2- n ii 8 II H n n O- n 6- „ 7, n „ „ 10- n h 11* n ti 12- „ „ 13. „ 1^* n n 10- „ „ Wenn nun von 850 Wahlberechtigte» beispielsweise 890 Stimme» abgegeben wurden, von welchen die Wahlkommission 793 als gültige anerkennt und davon für den deutschfortschrittlichen Wahl­ vorschlag 400, für den christlichsoziale» 250 und den sozialdeniokratischen 143 gestimmt haben, so ist zunächst die Wahlzahl zu suchen wie folgt: (10 Ausschußmandate + 1 = 11). Gültig abgegebene Stimmen 793 : 11 — 72 23 1 Die Wahlzahl nun ist die nächst höhere ganze Zahl, nämlich 73. Es entfallen daher auf die: deutschfortschritliche Partei 400 : 73 — 5 Mandate; christlichsoziale „ 250 : 73 — 3 „ sozialdemokratische „ 143 : 73 — 1 „ 9 Mandate. Da 10 Ausschußmandate zu vergeben sind, fällt nun das restliche Ausschußmandat der deutsch­ fortschrittlichen Partei zu als jener, für welche am meisten Stimmen abgegeben wurden und werden derselben nun sechs Ausschußmitglieder, der christlichsozialen Partei drei Ausschußmitglieder, den Sozialdemokraten ein Ausschußmitglied zugeteilt. Da nach der Landesordnung auf je zwei Ausschußmitglieder ein Ersatzmann und auf ein übrigbleibendes Ausschußmitglied ebenfalls ein Ersatzmann zu entfallen hat, ist das Resultat der Wahl in diesem Wahlkörper folgendes: a) Von der deutschfortschrililichcn Partei sind die im Wahlvorschlage unter 1 bis einschließlich 6 bezeichneten Kandidaten als Ausschußmitglieder und die unter 7 bis einschließlich 9 be­ zeichneten Kandidaten als Ersatzniänncr gewählt. b) Von der christlichsozialen Partei sind die in ihrem Wahlvorschlage von 1 bis einschließlich 3 verzeichneten Kandidaten als Ausschußmitglieder die unter 4 und 5 aufgeführten Kandi­ daten als Ersatzmänner gewählt. c) Von der sozialdemokratischen Partei ist der unter Zl. 1 aufgeführte Kandidat als Ausschuß­ mitglied und der unter Zahl 2 namhaftgemachte Kandidat als Ersatzmann gewählt. 345 10. „ Beilage 48. 48 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. Die Gemeindeordnung hat zunächst die durch die neue Gemeindewahlordnung notwendig ge­ wordenen Aenderuugeit erfahren. Weiters wurde die Anzahl der Ausschußmitglieder, welche die einzelnen Gemeinden zu wählen haben anstait nach der Zahl der Wähler nach der Einwohnerzahl der Gemeinden abgestuft aufgeteilt. Bezüglich der Ersatzmänner enthält die Gemeindeordnung die Bestimmung, daß auf je 2 Aus­ schußmänner ein und auf ein übrig bleibendes Ausschußmitglied ebenfalls ein Ersatzmann einfällt. Diese Bestimmung hat in den Verhältniswahlgemeinden auch bei den auf die einzelnen Parteien ent­ fallenden Ausschußmitgliedern sinngemäße Anwendung zu finden. Um der Gemeindeverwaltung eine größere Stabilität zu geben und die Gemeinden vor allznhäufigen Wahlen und Beunruhigungen zu bewahren, bestimmt die Gemeindeordnung, daß der Gemeindeordnung, daß der Gemeindeausschuß auf 5 Jahre zu wählen ist. Zusammenfassend ist von den Bestimmungen der in Frage stehenden Reformen zu erwähnen, daß zwar in Folge des von der k. k. Regierung eingenommenen Standpunktes trotz vielfacher Bemüh­ ungen in den mit der Regierung gepflogenen Verhandlungen nicht alle vom Landtage mit Einhelligkeit gefaßten Beschlüsse betreffend die Verallgemeinerung des Wahlrechtes für Landtag und Gemeinde zur Geltung kommen, ja daß für einzelne interessierte Kreise eine gewisse Einschränkung des Wahlrechtes eintritt. Das trifft insbesonders zu infolge der kategorischen Forderungen der Regierung, daß die Ver­ mögenssteuer in keiner Weise ein Wahlrecht begründen und in Anrechnung gebracht werden dürfe und daß ferner für die Wahlberechtigten zum Landtage, die keine direkte Staatssteuer entrichten, eine drei­ jährige Seßhaftigkeit verlangt wird. Andererseits enthalten die vorliegenden Entwürfe nicht wenige Neuerungen, welche eine Verall­ gemeinerung und Verbesserung des Wahlrechtes in qualitativer Hinsicht bedeuten. Für die Landtagswahlen wurde für alle Wählerklassen die direkte Wahl eingeführt, der Zensus in der Wählerklaffe der Städte und Landgemeinden von K 8'— auf K 6 - herabgesetzt, die Zahl der Mandate in der gemischten Wählerklaffe um zwei vermehrt und jedem Wahlberechtigten nur eine Stimme eingeräumt. Das Gemeindewahlrecht wurde geradezu auf neue Grundlagen gestellt. Die Einreihung in die Wahlkörper und die Einteilung derselben erfolgt nicht mehr auf Grund der Steuersumme, sondern nach der Zwölftelteilung, wodurch doch mehr das persönliche Moment zur Geltung kommt, durch die Schaffung eines vierten Wahlkörpers in den Gemeinden über 4000 Ein­ wohner erhalten viele Personen ein Wahlrecht, welche von demselben bislang gänzlich ausgeschlossen waren und die Einführung der Verhältniswahl in den größeren Gemeinden schließt die nach dem bis­ herigen Majorzsysteme möglichen Vergewaltigungen nicht unbedeutender Minorität, » aus und sichert in gerechter Weise jeder Partei den ihr gebührenden Einfluß. Die Bilanz aus den vorliegenden Reformentwürfen stellt einen großen Fortschritt der Ent­ wicklung des Wahlrechtes in demokratischem Sinne dar. Richt nur die Steuerleistung, das Geld, allein begründet ein Wahlrecht, sondern auch die Persönlichkeit des Menschen und weite Kreise, die bisher eines jeden Einflusses auf die öffentlichen Körperschaften in Gemeinde und Land bar waren, sind nun berufen an der Förderung des öffentlichen Wohles mitzuwirken. Der Wahlreformausschuß ist der Anschauung, daß der hohe Landtag durch die Annahme der vorliegenden Gesetzentwürfe zwar kein vollkommenes, aber immerhin ein bedeutendes Werk schafft, welches nicht ohne wohltätige Folgen auf das gesamte öffentliche Leben in Gemeinde und Land sein wird. Der Wahlreformausschuß stellt nun folgende Anträge: Das hohe Haus wolle beschließen: „1. Den vorliegenden Gesetzentwürfen, Beilagen 39, 40, 41 und 42: a) betreffend die Abänderung der Landesordnung; b) betreffend die Erlassung einer Landtagswahlordnung; 346 V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 48. c) betreffend die Abänderung der Gemeindeordnung; d) betreffend die Erlassuug einer Gemeindewahlordnung wird die Zustimmung erteilt. 2. Der Landesausschuß wird ermächtigt, vor Erwirkung der Allerhöchst kaiserlichen Sanktion dieser Gesetzentwürfe entweder aus eigener Initiative oder über Wunsch der Regierung etwa sich als notwendig herausstellende Textesänderungen beziehungsweise Ergänzungen, soweit sie weder grundsätzliche Bestimmungen schaffen noch auch solche tangieren, mit der Regierung zu vereinbaren und beschlußweise vorzunehmen. Bregenz, den 1. Oktober 1908. I &IS, , Jodok Fink, Obmann. Berichterstatter. Druck von I. 91. Teutsch. Bregenz. 347