19081012_ltb00681908_Finanzausschussminoritätsbericht_Landhausbaufrage

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Letzte Änderung 05.07.2021, 15:27
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp09,ltb0,lt1908,ltb1908
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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68 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 68. Bericht der Minorität des Finanzausschusses über den ihm zugewiesenen Akt betreffend die sandhausbaufrage. Hoher Lanötag! Die ersten Protokolle des Vorarlberger Landtages aus dem Jahre 1861 geben Zeugnis von dem ungeheuren Jubel, der Freude und Begeisterung, welche damals im Lande herrschte über die neuerliche Anerkennung der früheren Selbständigkeit unseres Landes, über die von Sr. Majestät dem Kaiser sanktionierte Landesordnung und Landtagswahlordnung tont 26. Februar 1861. Unser Land, das damals so sehr jubelte über seine wieder erlangte Selbständigkeit, ist heute das einzige im Reiche, welches für seine Landesvertretung bisher kein eigenes Heim geschaffen hat. Trotzdem die Agenden des Landtages und Landesausschusses sich seither ungeheuer vermehrt haben, es sei nur erwähnt, daß der Voranschlag bes Landesfondes damals rund K 36.000"— betrug und im laufenden Jahre 1908 auf K 802.000"— angewachsen ist, trotzdem sich unser Land wirtschaftlich sehr emporgearbeitet hat und heute nach Niederösterreich das steuerkräftigste und erwerbfähigste Land Österreichs geworden ist, trotz dieser großen Entwicklung tagt heute noch, wie vor bald 50 Jahren, der Landtag und Landesausschuß unter fremdem Dache. Zuerst untergebracht im Bregenzcr Rathause, wurde im Jahre 1895 ein neues Mietsverhältnis abgeschlossen mit der k. k. Postdirektion in Innsbruck und ist seither die Landesvertretung im Post­ gebäude einlogiert. Die lange Dauer, dieses für das Land unwürdige Verhältnis ist nicht zuletzt zurück zu führen auf den Umstand, daß es außerordentlich schwierig ist, in der Landeshauptstadt Bregenz einen zentral gelegenen, einwandfreien Bauplatz zu finden, der sich für die Ausführung eines Monumental­ baues eignet, der die Bedeutung des Landes Vorarlberg zu repräsentieren vermag. Mit Landtagsbeschluß tont 13. Juli 1901 wurde als Landhaus das sogenannte Pfanner'sche Anwesen in der Kirchgaffe um den Betrag von K 110.000-—, zu welcher Kaufsumme die Stadt Bregenz den Betrag von K 50.000"— beisteuerte, gekauft. Im darauf folgenden Jahre wurden Pläne ausgearbeitet zu einem zweckentsprechenden Umbau dieses Hauses, deren Ausführung nach den vor­ liegenden Berechnungen sich auf K 167.000"— ohne die innere Einrichtung belaufen würde. Der beim Pfanner'schen Anwesen vorhandene Grundbesitz im Ausmaße von 3700 Quadratmeter würde die nötige Freiheit in der Grundrißentwicklung ermöglichen, jedoch würde ein solches Gebäude für das Stadtbild vollständig verloren gehen. Die Landhausbaufrage drängt sich neuerdings in die Landesvertretung herein durch ben Umstand, daß die im Postgebäude gemieteten Räume sich für die Verwaltung des Landes als zu klein erweisen. In Rücksicht auf diese Verhältnisse wurde von feiten des Landesausschusses der Herr k. k. Ober­ 423 Beilage 68. 68 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. ingenieur und Architekt Dittrich in Feldkirch, ein anerkannt tüchtiger Baukünstler, berufen, um in dieser Angelegenheit ein Gutachten abzugeben. Dieses Gutachten, eingelangt am 6. August 1907, hat folgenden ^Wortlaut: „Äußerung über die Eignung der für die Erbauung eines neuen Landhauses in Bregenz in Betracht kommenden Baugründe. Die Grundsätze, welche bei der Beurteilung der Eignung der in Betracht kommenden Baugründe maßgebend sein müssen, sind folgende: 1. In dem Neubaue sind nur jene Räume unterzubringen, welche mit Rücksicht auf die Tätigkeit des Landtages und die Verwaltung des Landes in unmittelbarem Zusammenhange stehen müssen. 2. Die Lage des Gebäudes muß eine zentrale sein und ist die Nähe der öffentlichen Ämter sehr erwünscht. 3. Die Form und Größe des Baugrundes muß eine vollkommeir zweckentsprechende und ein­ wandfreie Grundrißlösung gestatten. 4. Die Situation des Gebäudes muß eine monumentale, dem repräsentativen Charakter des Hauses entsprechende, würdige architektonische Lösung ermöglichen. Durch die Situierung des Gebäudes muß eine natürliche und ungezwungene Anlehnung an das Stadtbild ermöglicht werden und demselben zum Vorteil gereichen. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, ergibt sich die Beurteilung der in Betracht kommenden Gründe in nachstehender Weise." Der Hert Oberingenieur und Architekt Dittrich beurteilt dann der Reihe nach I. Kaiser Josef's Platz, II. Kornhaus, III. Gruner'sches Anwesen, IV. Landhaus Realität in der Kirchgasse und V. Area der alten Bezirkshauptmannschaft. In der Beurteilung dieses letzteren Platzes führt derselbe folgendes aus: „Die Wahl dieses Grundstückes für den in Rede stehenden Neubau müßte entschieden als die glücklichste, überhaupt mögliche Lösung dieser Baufrage bezeichnet werden. Die genannte Area liegt äußerst günstig, geradezu wie geschaffen, vollkommen int Zentrum der Stadt, nahe den öffentlichen Ämtern. Diese Area hat die entsprechende Größe (726 m2) und er­ möglicht eine in jeder Hinsicht einwandfreie Grundrißlösuug. Gerade an dieser Stelle ist die monumentale Ausgestaltung des Gebäudes, welche die Würde desselben verlangt, außerordentlich leicht erreichbar. Ein würdiger, charakteristischer Neubau, welcher sich in die Umgebung organisch und ungezwungen einfügt, würde gerade an dieser Stelle eine ungemein reizvolle Bereicherung des an sich schon so schölten Stadtbilves voit Bregenz bilden. Wegen der Lage des Neubaues in einem frequentierten Teile der Stadt können keinerlei Bedenken obwalten. Der Landtagssaal wäre in dem vorliegenden Falle in dem an der Kirchgasse gelegenen Teil des Gebäudes, durch ein breites Foyer von der Straßenfront getrennt, zu situieren und durch reichliches Oberlicht und hohes Seitenlicht zu beleuchten. Die Area der alten Bezirkshauptmannschaft ist sohiit für einen mouutnentalen Neubau, welcher die Bedeutung des Landes Vorarlberg zu repräsentieren bestimmt ist, ganz besonders geeignet und kann der Gefertigte diesen Bauplatz vor allen andern zur Genehmigung empfehlen." Um sich ein ganz genaues Bild zu verschaffen, wie auf dem Baugrunde der alten Bezirks­ hauptmannschaft die Landhausbaufrage gelöst werdeit könne, wurde dem Herrn Architekten Dittrich von feiten des Landesausschusses der Auftrag zu teil, einen Bauplan zu entwerfen, der am 20. Dez. 1907 in der Landesausschußkanzlei einlangte, mit folgendem Hrkäuterungsberichte zu dem Projekte eines Borarlverzzer Landhauses in Bregenz. „Über die Vorteile, welche die Wahl der Area der alten Bezirkshauptmannschaft für die Er­ bauung eines neuen Landhauses bietet, hat sich der Gefertigte bereits in seinem Gutachten über die verfügbaren Bauplätze eingehend geäußert. 424 Beilage 68. V. Session der 9. Periode 1908. Die allgemeine Grundrißdisposition ist eine derartige, daß der Landtagssaal samt den, mit demselben im Zusammenhange stehenden Nebenräumen, in dem Haupttrakte an die Kirchgasse sttuiert würde, während alle übrigen Räume — mit Ausnahme der Landeskaffe •— in den Längstrakt an der Römerstraße gelegt würden. Zwischen diesen beiden Raumgruppen befinden sich im Parterre und im 1. Stockwerke (Haupt­ geschoß) gemeinschaftliche Eingangshallen und daranstoßend hofseitig die Haupttreppe. Die Parterre­ halle ist direkt von der Römerstraße, die Halle im Hauptgeschosse mittels einer monumentalen Freitreppe von der Straße aus zugänglich. Ein Rebeneingang an der Seitengasse beim weißen Kreuz mit daranstoßendcr Rebentreppe dient zur Entlastung der Haupteingänge und Haupttreppe. Dem Landtagssaale, welcher durch 2 Stockwerke reicht (1. und 2. Stock) und durch ein in der Dachfläche befindliches, großes, hofseitiges Oberlicht erhellt wird, schließen sich straßenseitig tut Hauptgeschosse eine Wandelhalle für die Abgeordnete», im 2. Stockwerke 4 Logen an. An der Stirn­ seite des Saales befinden sich im Hauptgeschosse ein Garderoberaum, darüber im 2. Stockwerke eine Galerie. Für Logen und Galerie ist eine Wendeltreppe angeordnet, welche den Zugang von der Straße vermittelt. Im Hauptgeschosse befindet sich im Längstrakte an der Römerstraße ein großes Klubzimmer, Vorzimmer, Empfangs- und Arbeitszimmer des Landeshauptmanns, Sekretär- und Stenographenzimmer sowie eine Hauskapelle. Im Parterre sind im Trakte an der Kirchgasse die Räume der Landeskasse sowie eine Portier­ loge, im Längstrakte an der Römerstraße das Sitzungszimmer des Landesausschusses, die Referenten­ zimmer und Kanzleien angeordnet. Im 2. Stockwerke sind 2 Klubzimmer, die Räume des Landesbauamtes sowie 1 Reserveraum untergebracht. Im Dachgeschosse, dessen Grundrisse dem Projekte nicht angeschlossen erscheinen, wären im Trakte an der Römerstraße eine Dienerwohnung, tut Längstrakte verschiedene Reserveräume, falls solche bei Anwachsen des Geschäftsumfanges nötig werden sollten, unterzubringen. Was die äußere Erscheinung des Gebäudes betrifft, so hat der Gefertigte auf [eine [charakte­ ristische Durchbildung desselben besonderen Wert gelegt. Die malerische Gruppierung des Gebäudes mit dem über der Eingangshalle sich erhebenden Turme ergibt sich aus der Grundrißanordnung ganz natürlich und ungezwungen. Die malerische Ausgestaltung des Gebäudes kommt bei der günstigen Lage desselben zu äußerst eindringlicher Wirkung und bildet eine entschiedene Bereicherung des Bregenzer Stadtbildes. Die approximativen Kosten des Baues betragen für das Gebäude allein K 354.000. —. In dieser Summe sind die Kosten für Kanalisierung, Wasserversorgung, Zentralheizung (Warmwasserheizung), Beleuchtungsanlage (ohne Beleuchtungskörper), Trottoirherstellungen sowie t>ie Bauleitungskosten inbegriffen. Für die innere Einrichtung (Möbel, Beleuchtungskörper), Ausstattung des Landlagssaales und dessen Nebenräume dürfte unter Voraussetzung einer würdigen Ausstattung ein Betrag von K 36.000*— erforderlich sein. Das Gesamterfordernis wird sohin K 390.000'— betragen. Die Höhe dieser Kosten wird bei einer Detailprojektierung von dem Gefertigten keinesfalls überschritten werden." Dieses Projekt wurde dem löök. Sladtrat in Wregenz vorgelegt und richtete derselbe am 2. Jänner 1908 an den Landesausschuß folgendes Schreiben: „Der Gefertigte beehrt sich hiemit zur Mitteilung zu bringen, daß der Stadtrat in seiner Sitzung vom 28. Dezember 1907 vorbehaltlich der Genehmigung seitens des Gemeindeausschusses beschlossen hat, dem Lande Vorarlberg für den Bau eines Landhauses das alte Vezirkshauptmannschaftsgebäude unentgeltlich unter der Bedingung abzutreten, daß mit dem Landhausbaue nach dem vorliegenden Projekte des Oberingenieurs Dittrich innerhalb zweier Jahre begonnen wird. 425 68 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Der Gefertigte stellt Hiebei das höfliche Ersuchen, hinsichtlich Übergabe des Gebäudes dem Umstände Rechnung tragen zu wollen, daß dasselbe gegenwärtig Schulzwecken dient". Am 10. Oktober 1908, Z. 4731, berichtet der lobt. Stadtrat von Bregenz an den Landesausschnß: „Mit dem Schreiben vom 2. Februar ds. Js., Z. 14, habe ich namens der Stadtgemeinde Bregenz vorbehaltlich der Genehmigung seitens des Gemeindeausschusses dem Lande Vorarlberg für den Bau eines Landhauses das alte Bezirkshauptmannschaftsgebäude unter der Bedingung angetragen, daß mit dem Bau nach dem Projekte des Oberingenieurs Dittrich innerhalb zweier Jahre zu beginnen sei. Im Nachhange hiezu ersuche ich nun, zur Kenntnis nehmen zu wollen, daß diese Bedingung in dem Sinne aufzufassen ist, daß die Baupläne der Gemeindevertretung vor der Ausführung zur Äußerung und Begutachtung vorzulegen sind. Da gegen die Lage des Bauplatzes Bedenken erhoben worden sind wegen der durch den großen Fuhrwerksverkehr bedingten Unruhe, ergänze ich das obige Angebot in der Richtung, daß die Stadt­ gemeinde das bestehende Steinpflaster um das Gebäude herum durch ein Holzpflaster ersetzen würde, und zwar von der Ecke des Wagner'schen Hauses, wo der Randstein steht, einerseits bis zum Geng'schen Hause in der Kirchstraße und anderseits bis zum Hotel „weißes Kreuz" in der Römerstraße. Da nach den mir zugegangenen Mitteilungen einige Herren Abgeordneten das alte Kornhaus als Bauplatz für den Landhausbau vorziehen, so gestatte ich mir anzuführen, daß die Gemeindevertretung, als seitens der österreichisch-ungarischen Bank ein günstiges Angebot auf Ankauf des Kornhauses gestellt wurde, in der Sitzung vom 19. Oktober v. I. mit 21 gegen 8 Stimmen den prinzipiellen Beschluß gefaßt hat, das Kornhaus nicht zu veräußern. Bei der damals abgeführten, rein sachlichen Debatte sprach sich die Mehrzahl der Redner beider Parteien dafür aus, daß die Stadtgemeinde sich des einzigen int Weichbilde der Stadt gelegenen größeren Bauplatzes nicht begeben, sondern denselben für die Zukunft bereithalten soll. Ich bin der Überzeugung, daß die Stadtvertretung diesen prinzipiellen Standpunkt auch heute noch einnimmt, wenn auch ein Kaufsaugebot allenfalls in der Höhe von K 100.000*— gestellt würde. Diese Kaufsumme bedeutet nämlich jenen Betrag, welcher erforderlich ist, um für das alte Kornhaus durch einen Anbau an die Lagerhäuser am See Ersatz zu schaffen." In Berücksichtigung des Umstandes, daß die Stadt Bregenz durch die unentgeltliche Über­ lassung des Baugrundes ein weiteres sehr anerkennenswertes Entgegenkommen gezeigt hat, das die Er­ ledigung dieser Frage ganz besonders fördert; in Berücksichtigung, daß die Würde des Landes es ver­ langt, daß die jetzigen Mietsverhältnisse endlich ein Ende nehmen, in weiterer Berücksichtigung, daß Vorarlberg als Grenzland gegen Deutschland und die Schweiz auf seine Selbständigkeit, auf seine Ver­ fassung hinweisen soll in der Landeshauptstadt durch ein Repräsentationshaus, durch einen Monumen­ talbau für den Sitz seiner Vertretung, stellt die Minorität des Finanzausschusses folgenden Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Das Anerbieten des Stadtrates von Bregenz vom 2. Jänner 1908, Z. 14, und vom 10. Oktober 1908, Z. 4781, betreffend unentgeltliche Abtretung des alten Bezirkshauptmann­ schaftgebäudes als Baugrund für das Landhaus wird angenommen und wird der LandesauSschuß beauftragt, nebst dem vorhandenen Bauplane von einem oder mehreren anderen Architekten zweckentsprechende Pläne ausarbeiten zu lassen, welche bei einer späteren Tagung des Landtages zu weiterer Beschlußfassung vorgelegt werdeil sollen." Bregenz, am 12. Oktober 1908. Engelbert Luger, Minoritätsberichterstatter. Druck bon I. N. Teutsch, Breger«-. 426