19080914_ltb00151908_Landesausschussbericht_Abänderung_Landesordnung_und_Gemeindeordnung_und_Erlassung_Landtagswahlordnung_und_Gemeindewahlordnung

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Letzte Änderung 05.07.2021, 15:37
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp09,ltb0,lt1908,ltb1908
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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15 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 15. Bericht des Landesausschusses betreffend die Abänderung der Landes- und Gemeindeordnung und die «Erfassung einer Landtagswahl- und Gemeindewahlordnung. Hoher Lanötag! Mit beinahe derselben Regelmäßigkeit wie der Rechenschaftsbericht des Landesausschusses beschäftigt auch die Landes- und Gemeindeordnung sowie die Landtags- und Gemeindewahlordnung den hohen Landtag. In den Jahren 1861, 65, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 78, 81, 82, 83, 84, 85, 90, 92, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 1901, 1902, 1903, 1904, 1905 und 1907 wurden diesbezügliche Verhandlungen int h. Hause gepflogen. Daraus darf man wohl den Schluß ziehen, daß einerseits die geltenden Bestimmungen den Verhältnissen unseres Landes und unserer Zeit nicht angemeffen sind, andererseits die Lösung dieses Problems große Schwierigkeiten birgt, weshalb die Landesvertretung auch mit größter Vorsicht zu Werke geht. Eine eingehende Geschichte dieser Wahlreformbestrebungen zu bieten, würde den Rahmen eines Berichtes weit überschreiten, deshalb sei nur in kurzen Zügen die Vorgeschichte der nun vorliegenden Gesetzentwürfe im Zeitraume der gegenwärtigen Landtagsperiode dargelegt. Wenn die letzte Session der 8. Periode durch eine wesentliche Erweiterung des Landtags­ wahlrechtes durch die Einführung der allgemeinen Kurie und damit die Vermehrung der Mandate um 3 im Jahre 1902 sich auszeichnete, so beschloß der h. Landtag schon in der 5. Sitzung der I. Session in der gegenwärtigen Periode am 29. Dez. 1902 eine Änderung der Gemeindewahlordnung, welche durch die Einführung der Wahlkuverte für die Gemeindewahlen die Freiheit der Wahl mehr zu sichern suchte. In derselben Session, in der 19. Sitzung des Landtages am 6. Rov. 1903, wurde noch eine neue Gemeindeordnung beschlossen, welche die Rechte der Gemeindeglieder, Bürger, — heimatberechtigte und nichtheimatberechtigte Steuerzahler — der durch das Gesetz vom 5. Dezember 1896, R.-G.-Bl. 222, neugeschaffenen Situation entsprechend, neu regelte. Die Einführung von Wahlkuverten reichte aber nicht hin, die Reinheit und Freiheit der Gemeindewahlen zu sichern und darum stellte anläßlich der Behandlung der Gemeindeordnung im h. Landtage der Herr Abgeordnete Dr. Drexel (19. Sitz. I. Sess. vom 6. Rov. 1903) den Dringlichkeitsantrag: „Der Landesausschuß wird beauftragt, die Abänderung der G.-W.-O. in Verhandlung zu ziehen, dieselbe insbesondere inbezug der Erweiterung des Wahlrechtes umzugestalten, mit der Regierung in Verhandlung zu treten und dem Landtage in nächster Session Bericht und Antrag zu stellen." 107 Beilage 15. 15 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. Der vom Landesausschusse hiezu. bestellte Referent war jedoch in der nächsten (II.) Session noch nicht in der Lage, einen fertigen Entwurf vorzulegen, welcher mit Beibehaltung des bisherigen Wahlsystems allen Unzukömmlichkeiten und Unregelmäßigkeiten, welche bei Gemeindewahlen da und dort zutage traten, vorgebeugt hätte. In der 10. Sitzung der II. Session, am 21. Oktober 1904, wurde nun der Antrag gestellt: „Es wird ein siebengliedriger Wahlausschuß gewählt, welcher den Auftrag bekommt, noch in dieser Session dem Landtage die Grundzüge einer neuen Gemeinde­ wahlordnung vorzulegen", welcher Antrag in der 11. Sitzung am 26. Oktober auch angenommen wurde und die Wahl des besagten Ausschusses zur Folge hatte. Schon in der 14. Sitzung am 31. Oktober 1904 legte der Wahlausschuß folgende Anträge (Beil. 52. II. Sess. 9. Periode 1904) betreffend die Abänderung der Gemeindewahlordnung vor: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Der Landesausschuß wird beauftragt, bei der nächsten Tagung des Landtages den Entwurf einer neuen Gemeindewahlordnung vorzulegen. Hiebei sollen insbesondere berücksichtigt werden folgende Hrundzüge: 1. Wegfall der Frauenvollmachten2. Ausschluß der Minderjährigen und Kuranden vom Wahlrechte. 3. Vorkehrungen zur Ermöglichung tunlichst freier Wahl; daher Aufnahme von Bestimmungen gegen Wahlkorruption jeder Art. 4. Erweiterung des Wahlrechtes int Sinne eines gerechten, neben der Steuerleistung auch die Familie und das persönliche Moment berücksichtigenden Ausgleiches zwischen den einzelnen Kategorien von Steuerträgern und Gemeindebürgern. 5. Schutz der Rechte der Minoritäten durch Sicherung einer entsprechenden Vertretung im Gemeindevorstande und den Unterausschüssen; anderseits Maßnahmen gegen mutwillige Störung oder Verhinderung der Verhandlungei: im Gemeindeausschusse und den Unter­ ausschüssen." Die Behandlung dieser „Grundzüge" im Plenum des Hauses förderte eine Unmasse von Wahlschwindeleien und raffinierter Praktiken zutage, so daß dem ganzen Hause eine Reform der Gemeindewahlordnung als unabweisbar erschien und die Grundzüge einstimmige Annahme fanden. In der 4. Sitzung der III. Session am 19. Oktober 1905, berichtete der Referent des Landesausschusses in dieser Angelegenheit, daß der Landesausschuß, beziehungsweise das von demselben bestellie Subkomitee die Erreichung des Hauptzweckes der Wahlreform, nämlich die Beseitigung der Wahlmißbräuche für unmöglich halte, solange das Wahlrecht auf der Steuervorschreibung beruhe. Eine zweckentsprechende Reform der Gemeindewahlordnung, die auch den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Billigkeit entspreche, sei auf der Grundlage desallgemeinen, direkten, geheimen und bis zu einem gewissen Grade gleichen Wahlrechtes mit Anwendung der Verhältniswahl zu suchen. Diese vollständige Änderung des Wahlsystems für die Gemeindewahlen lasse aber auch die Änderung der Landtagswahlordnung nach ähnlichen Grundsätzen wünschenswert erscheinen. Daher stelle der Landesausschuß folgende Anträge (Beil- 16, III. Sess., 9. Per. 1905): Der hohe Landtag wolle beschließen: „In Ergänzung und näherer Präzisierung beziehungsweise Abänderung der mit Landtagsbeschluß vom 31. Oktober 1904 aufgestellten Grundzüge für die Abänderung der Gemeindewahlordnung bestimmt der Landtag: 108 V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 15. Für die Gemeindewahlen wird prinzipiell die Einführung der Verhältniswahl nach einer anderorts bestehenden, bewährten Wahlordnung in Aussicht genommen. Hiebei soll jeder österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes, welcher das 24. Lebensjahr zurückgelegt hat, lesen und schreiben kann, in der Gemeinde seines ordent­ lichen Wohnsitzes stimmberechtigt sein, wenn er in dieser Gemeinde heimatsberechtigt ist. Von den Nichiheimatberechligten männlichen Einwohnern einer Gemeinde sollen unter sonst gleichen Bedingungen nur jene stimmberechtigt sein, welche zur Zeit der Ausschreibung der Wahl durch wenigstens 5 Jahre in der Gemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Diese 5jährige Seßhaftigkeit soll auch für die von der Gemeinde freiwillig in den Heimatverband Aufgenommenen als Erfordernis für die Stimmberechtigung in die Wahlordnung Aufnahme finden. Endlich soll in der Wahlordnung auch die Wahlpflicht festgesetzt werden. Im Anschlüsse hieran beantragt der Landesausschuß: Der hohe Landtag wolle beschließen: Der Landesausschuß erhält den Auftrag, eine neue, aus dem System der Verhältniswahl beruhende Landtagswahlordnung auszuarbeiten, mit der k. k. Regierung hierüber in Verhandlung zu treten und den bezüglichen Gesetzentwurf dem Landtage in der nächsten Tagung in Vorlage zu bringen. Hiebei sollen insbesondere berücksichtigt werden folgende Hrunbzüge: 1. Sämtliche Landtagsabgeordneten sind in geheimer, direkter Wahl zu wählen. 2. Jede Gemeinde hat Wahlort zu sein. 3. Stimmberechtigt soll jeder österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes sein, welcher das 24. Lebensjahr vollendet hat, lesen und schreiben kann und in der Gemeinde des Wahlortes durch mindestens 5 Jahre seinen ordentlichen Wohnsitz hat. 4. Die Festsetzung der Wahlpflicht. 5. Vorkehrungen zur Ermöglichung tunlich freier Wahl, daher Aufnahme von Bestimmungen gegen Wahlkorruption jeder Art." Mit Stimmeneinhelligkeit wurden diese Anträge zum Beschlusse erhoben und einem 9 gliederigen Gemeindeausschusse, der in der 5. Sitzung am 23. Oktober 1905 gewählt wurde, zugewiesen. Der Bericht des Gemeindeausschnsses, welcher vom h. Hause in der 11. Sitzung der III. Session, am 8. November 1905, in Verhandlung gezogen und wieder einstimmig zum Beschluffe erhoben wurde, betont den günstigen Einfluß, der zu erwarten steht, „wenn das Stimmrecht anstatt auf der Steuervorschreibung auf der Grundlage der Stellung des Einzelnen zu Staat, Land und Gemeinde und der Würde des Mannes beruhen wird", ferner die Vorzüge der Verhältniswahl gegenüber der Mehrheitswahl, endlich die Notwendigkeit der Wahlpflicht und der Festsetzung einer angemessenen Seßhaftigkeitsfrist. Der Bericht resultiert in den Anträgen (Beil. 35, III. Sess., 9. Per. 1905): Der hohe Landtag wolle beschließen: „1. Die für die beabsichtigte Reform der Gemeindewahlordnung mit Landtagsbeschluß vom 31. Oktober 1904 aufgestellten Grundzüge bleiben aufrecht, insoferne dieselben mit den folgenden Grundsätzen nicht in Widerspruch stehen. Demnach stellt der Landtag für die Änderung der Gemeindewahlordnung weiters folgende 109 Beilage 15. 15 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. Grundsätze auf: Für die Gemeindewahlen wird prinzipiell die Einführung der Verhältniswahl nach einer anderorts bestehenden, bewährten Wahlordnung in Aussicht genommen. Hiebei ist jeder eigenberechtigte österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes, welcher das 24. Lebensjahr zurückgelegt hat, lesen und schreiben kann, in der Gemeinde seines ordentlichen Wohnsitzes stimmberechtigt, wenn er in dieser Gemeinde das Heimat­ recht besitzt. Von den nichtheimatberechtigten männlichen Einwohnern einer Gemeinde sind unter sonst gleichen Bedingungen nur jene stimmberechtigt, welche zur Zeit der Ausschreibung der Wahl durch wenigstens 5 Jahre in der Gemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Diese 5jährige Seßhaftigkeit ist auch für die von der Gemeinde freiwillig in den Heimatverband Aufgenommenen als Erfordernis für die Stimmberechtigung in die Wahlordnung aufzunehmen. Endlich ist in der Wahlordnung auch die Wahlpflicht festzusetzen. 2. Der Landes-Ausschuß erhält den Auftrag, eine neue, auf dem System der Verhältnis­ wahl beruhende Landtagswahlordnung auszuarbeiten, mit der k. k. Regierung hierüber in Verhandlung zu treten und den bezüglichen Gesetzentwurf dem Landtage in der nächsten Tagung in Vorlage zu bringen. Hiebei sollen insbesondere berücksichtigt werden folgende Grundzüge: 1. Sämtliche Landtagsabgeordneten sind in geheimer, direkter Wahl zu wählen. 2. Jede Gemeinde ist Wahlort. 3. Stimmberechtigt ist jeder eigenberechtigte österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes, welcher das 24. Lebensjahr vollendet hat, lesen und schreiben kann, mindestens in den der Wahl vorausgegangenen 5 Jahren sich in Vorarlberg aufgehalten und davon eine ent­ sprechende, vom Landesausschuß festzusetzende Zeit in der den Wahlort bildenden Gemeinde seinen ordentlichen Wohnsitz hat. 4. Die Festsetzung der Wahlpflicht. 5. Vorkehrungen zur Ermöglichung tunlichst freier Wahl, daher Aufnahme von Bestimmungen gegen Wahlkorruption jeder Art." Obschon nun diese, vom ganzen Hause einstimmig angenommenen Grundsätze schon am 2. Dezember 1905 unter Zahl 5146 der k. k. Statthalterci zur ehetunlichsten Vorlage an die hohe Regierung unterbreitet wurden, obschon die Stellungnahme der Regierung in diesen Angelegenheiten durch persönliche Einflußnahme des Herrn Landeshauptmannes und der Herren Abgeordneten, welche dem Reichsrate angehören, wiederholt urgiert wurde, war der Vorsitzende des hohen Hauses erst in der 13. Sitzung der IV. Session, am 9. März 1907, in der Lage, die Mitteilung zu machen, daß die Regierung aus prinzipiellen Gründen der Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechtes für Landtag und Gemeinden nicht zustimmen könne. Aus der Mitte des Hauses wurde dann an den Herrn Referenten Jod. Fink das Ersuchen gestellt, in der laufenden Session noch einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher der durch die Regierungs­ erklärung nun geänderten Situation Rechnung trage. Mit Zurückstellung aller übrigen Arbeiten wurde es dann dem Referenten möglich, in der 16. Sitzung der IV. Session, am 16. März 1907, Gesetzentwürfe betreffend die Reform der Gemeindeund Landtagswahlordnung, sowie Änderungen der Gemeinde- und Landesordnung dem Hause als Entwürfe des Landesausschußreferenten vorzulegen. Der nun vorliegende Entwurf der Gemeindewahlordnung basierte auf folgender Grundlage: die Frauenvollmachten kamen in Wegfall, Minderjährige und Kuranden wurden vom Wahlrechte aus110 V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 15. geschloffen, Vorkehrungen zur Sicherung der Reinheit und Freiheit der Wahlen nach Tunlichkeit auf­ genommen, für Gemeinden von über 2500 Einwohner obligatorisch und für solche von 1000—2500 Einwohner fakultativ die Verhältniswahl festgesetzt, das Gemeindewahlrecht allen 24 jährigen österreich­ ischen Staatsbürgern, welche die allgemeinen Erfordernisse zum Wahlrecht besitzen, bis zur untersten Grenze der Steuerleistnng für Gemeindeangehörige und bei einer Steuerleistung von mindestens 10 K den Gemeindegenoffen zuerkannt mit Hinzurechnung der sogenannten Jntelligenzwähler und in den Gemeinden mit Verhältniswahl alle Wähler in einem Wahlkörper vereinigt. Für die Landtagswahlordnung wurden als leitende Grundsätze zur Durchführung gebracht: Herabsetzung des Zensus von 8 K auf 6 K in der Wühlerklasse der Städte und Landgemeinden, geheime, direkte Wahl, wobei jede Gemeinde Wahlort ist, Herabsetzung der Seßhaftigkeit für die Wähler der allgemeinen Kurie auf ein Jahr analog der Reichsratswahl ordnung, Vermehrung der Mandate für diese Wählerklaffe um je eines in den Wahlbezirken Bregenz und Feldkirch, Zusammenfaffung der 4 Städte zu einem Wahlbezirke und Wahl der Abgeordneten der Landgemeinden und Städte mit Anwendung der Verhältniswahl ni d gleichzeitiger Wahl von Ersatzmännern. Änderungen au der Gemeindeordnung und Landesordnung wurden der Hauptsache nach nur in so weit vorgenommen, als sie durch die Änderungen der Wahlordnungen bedingt waren. Der Wahlreformausschuß wurde noch durch 4 weitere Mitglieder verstärkt und ihm dann diese Vorlagen zur Beratung und Antragstellnng zugewiesen. Der in der 20. Sitzung, IV. Session, am 27. März 1907, im Plenum des Landtages vom Wahlreformausschuffe erstattete Bericht über die von ihm vorgelegten oft erwähnten Gesetzentwürfe, die sich wesentlich mit den Entwürfen des Landesausschußreferenten deckten, schloß mit dem Antrag: „Der Landtag nimmt die vom Wahlreformausschuffe vorgelegten Entwürfe der Gemeindeordnung und Gemeindewahlordnung, der Landesordnung und Landtagswahlordnung zur Kenntnis und beauftragt den Landesausschuß, an Hand derselben und im übrigen mit Berücksichtigung der seinerzeit beschlossenen Grnndzüge über die Einführung der Verhältnis­ wahl für Land und Gemeinden mit der k. k- Regierung im schriftlichen Wege zu unterhandeln und dem Landtage in der nächsten Tagung über das Ergebnis der Verhandlungen Bericht zu erstatten und Anträge zu stellen." Wiederum konnte der Vorsitzende die einstimmige Annahme des vorstehenden Antrages vom ganzen Hause konstatieren. Unterm 31. Mai 1907, Z. 1584, wurden der Bericht und die im vorstehenden Antrage genannten Gesetzentwürfe der h. Regierung zur Stellungnahme vorgelegt. Mit Erlaß vom 10. August 1908, Nr. 6512/M. J., intimiert mit Statthaltercinote vom 18. August 1908, Z. 4931 /Pr., hat die hohe Regierung dem Landcsausschuffe mitgeteilt, daß die vom Wahlreformausschuffe ausgearbeiteten Entwürfe eines Gesetzes betreffend die Abänderung der Vorarlberger Landesordnung und die Erlassung einer neuen Landtagswahlordnnng für Vorarlberg, sowie betreffend die Abänderung der Vorarlberger Gemeindeordnnng und die Erlassung einer Gemcindewahlordnung für Vorarlberg in mehrfacher Beziehung zu grundsätzlichen Bedenken Anlaß geben. Die Regierung teilt dann im besonderen mit: a) bezüglich der Landtagswahlordnung: 1. daß sie nicht in der Lage ist, der Einführung des Proporzes für die Landgemeinden- und Städtewählerklaffe, bei welcher die Zusammenziehung aller Städte in einen Wahlbezirk notwendig wäre, zuzustimmen und zwar weil die Einführung der Verhältniswahl auf der proponierten Grundlage nicht mit den Zwecken der Interessenvertretung int Einklang stünde; 2. daß sie aber der Herabsetzung des Zensus von 8 auf 6 K in den Wählerklaffen der Städte und Landgemeinden und der Ausscheidung der Wähler in denselben aus der allgemeinen Wählerklaffe zustimme unter der Bedingung, daß das Wahlrecht in der 111 Beilage 15. 15 der Beilagen zu teil stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. letzteren, wenn es nicht durch eine Steuerleistung begründet erscheint, an einen drei­ jährigen Wohnsitz in der Gemeinde gebunden werde; 3. und daß sie sich endlich ihre Stellungnahme zur beabsichtigten Vermehrung der Mandate in der allgemeinen Wählerklasse vorbehalte; b) bezüglich der Gemeindewahlordnung: 1. daß sie die Beseitigung des Wahlkörpersystems in den größeren Gemeinden Vorarlbergs und den Ersatz dieses Systems durch die Verhältniswahl mit dem Artikel XI. des Gesetzes vorn 5. März 1862, R. G- Bl. Nr- 18, im Widerspruch finde; 2. daß aber die Einführung des Proportionalwahlrechtes innerhalb der Wahlkörper der Gemeinden mit mehr a's 2000 Einwohnern und die Bildung eines IV. Wahlkörpers in Gemeinden mit mehr als 4000 Einwohnern, dem neben den in den ersten , drei Wahlkörpern nicht wahlberechtigten Zensiten alle männlichen physisch großjährigen Staatsbürger, die einen dreijährigen Wohnsitz in der Gemeinde nachweisen, zuzufallen hätten, keinem Anstande unterliegen; 3. daß als Grundlage für die Bildung der Wahlkörper die Realsteuern und die allgemeine Erwerbsteuer zu nehmen sei und als Beispiel für die Aufteilung der Wähler in die einzelnen Wahlkörper die niederösterreichische Gemeindewahlordnung (Zwölftelteilung) genommen werden könnte; 4. daß die Vermögenssteuer nicht berücksichtigt werden dürfe; 5. daß die Personalsteuern mit entsprechender Reduzierung der Ansätze (100 K, 50 K und 20 K) ähnlich wie in Niederösterreich berücksichtigt und die Einreihung der Intelligenzwähler und die Aufteilung der Ausschußmandate ebenfalls nach dem Beispiel der nieder­ österreichischen Gemeindewahlordnung vorgenommen werden könnte. Schließlich wurde der Landesausschuß eingeladen, der Regierung Gelegenheit zu bieten, zu neuen, im obigen Sinne umgearbeiteten Entwürfen noch vor Vorlage derselben an den hohen Landtag Stellung zu nehmen. Nach dem Grundsätze: besser etwas als nichts und in dem Bestreben, wenigstens die möglichen, erreichbaren Reformen durchzuführen, hat dann der Laudesausschuß die nun vorliegenden int Sinne obiger, sehr bestimmt abgegebenen Regierungserklärung abgeänderten Entwürfe gemäß Landesansschußbeschlusses vom 25. August 1908 unter dem gleichen Datum, Z. 4115, der Regierung zur neuerlichen Stellungnahme unterbreitet. Bis jetzt ist die Stellung der Regierung zu den neuen Entwürfen nicht eingelangt. Nach dieser Stellungnahme der Regierung konnte der Landesausschuß bei Ausarbeitung der neuen Entwürfe nicht mehr alle vom Landtage seinerzeit aufgestellten Grundsätze berücksichtigen. Die Regierung hält daran fest, daß jenem Teile der Bevölkerung, welcher von einem Besitze, Erwerbe oder Einkomnien direkte Staatssteuern zahlt, der niaßgebendste Einfluß auf die Zusammensetzung des Landtages und der Gemeindeverwaltung gewahrt bleibe. Insoweit sie aber zugibt, daß auch den eigenberechtigten männlichen Personen, welche keine direkte Staatssteuer zahlen, das Wahlrecht für den Landtag und die Gemeinde eingeräumt wird, soll nur jener Teil berücksichtigt werden, der eine gewisse Stabilität ausweist, weshalb sie mindestens 3 jährige Seßhaftigkeit verlangt. Dagegen hat die Regierung die Einführung der Verhältniswahl (Proporz) für die Gemeindewahlens gcnehmigt; jedoch nur mit der Einschränkung, daß das Dreiwahlkörper-System aufrecht bleibe. Dagegen ist mit Zustimmung der Regierung in Aussicht genommen, in den größeren Gemeinden mit 4000 und mehr Einwohnern einen 4. Wahlkörper zu bilden, in welchem unter der Voraussetzung, daß die.allgemeinen Erfordernisse für das Wahlrecht (österreichische Staatsbürgerschaft, Alter von mindestens 24 Jahren, Eigenberechtigung u. s. w.) vorhanden sind, jenen Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes das Wahlrecht eingeräumt wird, die an direkten Personalsteuern jährlich weniger als 20 K bezahlen und vermöge ihrer persönlichen Eigenschaft in keinem der ersten drei Wahlkörper wahl­ berechtigt sind. 112 V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 15. Bei Vorhandensein der allgemeine» Erfordernisse für das Wahlrecht finden in den 4 Wahl­ körpern auch jene männlichen Personen Ausnahme, die zur Zeit der Ausschreibung der Wahlen in der Gemeinde des Wahlortes seit mindestens 3 Jahren ihren ordentlichen Wohnsitz haben- Die Regierung hat aber verlangt, daß auf den 4. Wahlkörper höchstens halb so viel Mandate entfallen dürfen, als auf einen der 3 ersten Wahlkörper. Bezüglich der Einreihung der Steuerträger in die Wahlkörper hat der Landesausschuß bei Verfassung der neuen Entwürfe dem Wunsche der Regierung Rechnung getragen, wonach die Vermögens­ steuer nicht anzurechnen ist, dagegen für die Einreihung der Wähler in die ersten 3 Wahlkörper die Grundsteuer, die Hauszins-, Hauskiafien- und Erwerbsteuer maßgebend sind. Die Wähler werden nach der Höhe der Steuersumme, die von einer oder mehreren dieser Steuern auf einen Wähler entfällt, in einem Verzeichnis in abfallender Ordnung aneinander gereiht. Von den in dieses Verzeichnis Aufgenommenen fallen die ersten 8/12 in den ersten, die nächsten 4/i2 in den zweiten und die restlichen 5/12 der Wahlberechtigten in den dritten Wahlkörper. Von den Personalsteuerträgern kommen die mit 100 und mehr Kronen in den I., die mit 50—100 Kronen in den II., und in Gemeinden mit 4 Wahlkörpern die mit 20—50 'Kronen in den III, und die unter 20 Kronen in den IV. Wahlkörper. In den übrigen Gemeinden kommen alle Personalsteuerträger unter 50 Kronen Jahressteuer in den III. Wahlkörper. Diese Einreihung erfolgt aber nur dann, wenn diese Personalsteuerträger nicht vermöge ihrer persönlichen Eigenschaften als Jntelligenzwähler das Wahlrecht in dem I. oder II. Wahl­ körper haben. Der Landtag hatte bei der Verhältniswahl die sogenannte halbgebundene Liste in Aussicht genommen. Der Landesausschuß bringt dagegen in vorliegendem Entwürfe der Gemeindewahlordnung die völlig gebundene Liste in Vorschlag. Bei der ganz gebundenen Liste stellen vor der Wahl die Parteien (politische, sozial-wirtschaftliche oder andere Gruppen von Wählern) ihre Kandidaten in der Reihenfolge auf, wie sie wünschen, daß sie gewählt werden. Bei der Aufteilung der auf die einzelnen Parteien entfallenden Kandidaten, ist sich an die Reihenfolge der Aufstellung der Kandidaten zu halten und es entfällt daher sowohl das Panachieren als auch das Cumulieren. Der Landesausschuß ist der Anschauung, daß dieser Wahlmodus der einfachste sei und sich insbesondere bei der Einführung des Proporzes am besten empfehle. — In Bezug auf die Abänderung der Landtagswahlordnung hatte der Landtag ebenfalls die Einführung des Proporzes in Aussicht genommen. Die Regierung hat dagegen Einwendung erhoben und darauf verwiesen, daß die Anwendung der Verhältniswahl zur Folge haben könnte, daß einzelne Städte und selbst größere Landesteile ohne unmittelbare Vertretung bleiben würden. Die in Vorschlag gebrachte Änderung der Landtagswahl­ ordnung beschränkt sich darauf, daß statt der indirekten Wahl die direkte Wahl eingeführt wird und daß in der Städte- und Landgemeindenkurie der Zensus von 8 auf 6 K herabgesetzt wird. — Die all­ gemeine Wählerklasse — in Zukunft „gemischte Wählerklasse" — wird um 2 Mandate vermehrt, wie das schon der Landtag in Aussicht genommen hatte. In der gemischten Wählerklasse haben das Wahlrecht alle jene Personen männlichen und weiblichen Geschlechtes, bei denen die allgemeinen Voraussetzungen für das Wahlrecht zutreffen und denen eine direkte Staatssteuer von jährlich weniger als K 6'— vorgeschrieben ist. Zu diesen Wählern kommen in der gemischten Wählerklasse diejenigen männlichen Personen, bei denen die allgemeinen Erfordernisse für das Wahlrecht zutreffen, wenn sie auch keine Staatssteuer entrichten, insoferne sie in der Gemeinde des Wahlortes seit wenigstens 3 Jahren ihren Wohnsitz haben. Demnach sind in der gemischten Wählerklasse nur solche Personen wahlberechtigt, die weder in der Städte- noch in der Landgemeindenkurie wahlberechtigt sind. Die Regierung hatte zwar einige Bedenken gegen die Vermehrung der Mandate in der allgemeinen Wählerklaffe, indem sie meinte, daß eventuell die Zahl der Wahlberechtigten in dieser Wählerklasse eine Vermehrung der auf sie entfallenden Mandate nicht rechtfertigen würde. 113 15 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Der Landesausschuß glaubt dagegen, daß die Überlassung von 5 Mandaten an die gemischte Wählerklasse umsomehr gerechtfertigt ist, als durch die mit dem Gesetze vom 1. Juli 1908, L. G. Bl. Nr. 34, eingeführte Auflage auf Bier und Wein auch die Nichtzensiten zu einer ganz bedeutenden indirekten Steuer an das Land herangezogen worden sind und dadurch sich auch das Recht auf ent­ sprechende Vertretung im Landtage erworben haben. Die Landesordnung und Gemeindeordnung hat in der Hauptsache nur solche Änderungen erfahren, welche vom Landtage bereits in Aussicht genommen wurden und durch die Änderungen der betreffenden Wahlordnungen notwendig resultieren. Wenn nun auch die neuen Vorlagen nicht in Allem den Wünschen des Landtages entsprechen, so bedeuten sie nach Anschauung des Landesausschuffes immerhin eine wesentliche Verbefferung gegen die bestehenden Bestimmungen und wären daher als das vorläufig Erreichbare anzunehmen. Der Landesausschuß stellt daher den Antrag: „Der hohe Landtag wolle den vorliegenden Gesetzentwürfen betreffend die Abänderung der Landes- und Gemeindeordnung und die Erlassung einer Landtags- und GemeindeWahlordnung die Genehmigung erteilen." Bregeuz, den 14. September 1908. Für den Landesausschu IodoK Zink, Referent. Druck von I. N. Deutsch, Bregenz. 114