19081008_ltb00771908_Volkswirtschaftsausschussbericht_landwirtschaftlich_chemischeVersuchsanstalt_und_LebensmitteluntersuchungsanstaltBregenz

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Letzte Änderung 04.07.2021, 21:58
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp09,ltb0,lt1908,ltb1908
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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77 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. V. Session der 9. Periode 1908. Beilage 77, Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses betreffend die landwirtschaftlich-chemische Versuchs- und (ebensmitteluntersuchungsanstalt in Bregenz. Hoher FanStag! Die immer mehr um sich greifende Verfälschung der Lebensmittel hat gezeigt, daß mit dem Strafgesetze allein das Auslangen nicht gefunden werden kann. Regierung und Reichsvertretung haben daher die Frage, wie der die Bevölkerung schwer schädigenden Lebensmittelfälschung wirksame Schranken gesetzt werden könnten, in ernstliche Beratung gezogen, als deren Resultat das „Gesetz vom 16. Jänner 1896, R. G. Bl. Nr. 89 ex 1897, betreffend den Verkehr mit L>bensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen" zu betrachten ist. Dieses Gesetz bildet die Grundlage für die Handhabung der Lebensmittelkontrolle; es geht von dem Standpunkte aus, daß der Nahrungs- und Genußmittelfälschung nur dann einiger­ maßen mit Aussicht auf Erfolg begegnet werden kann, wenn die Herstellung und der Verkauf der Lebensmittel einer genügenden Beaufsichtigung seitens der hiezu berufenen Organe unterliegt und die Machtbefugnisse zum Eingreifen derselben jederzeit aegeben sind. § 2 des erwähnten Gesetzes, das in der Folge kurz „Lebensmittelgesetz" genannt werden soll, überläßt es der Landesgesetzgebung, jene Organe zu bestimmen, welche als Aufsichtsorgane int Sinne des Lebensmittelgesetzes zu gelten haben. Deshalb haben kurz nach dem Jnslebentreten des Lebens­ mittelgesetzes die Landtage der meisten Kronländer Landesgesetze beschlossen, die die Bestellung der Aufsichtsorgane zum Gegenstände haben. (Vorarlberger Landesgesetz vom 7. Juni 1897, Nr. 23.) Mehr als ein Dezenium ist jedoch seither verflossen, ohne daß das zitierte Landesgesetz in Vorarlberg zur Durchführung gekommen wäre (ebensowenig wie andere Kronländer an die Durchführung ihres Gesetzes schritten), und ohne daß sich der wohltätige Einfluß des Lebensmittelgesetzes int Lebens­ mittelverkehre unseres Landes besonders gellend gemacht hätte. Wohl beschäftigte sich der hohe Landtag des öfteren mit der in Rede stehenden Angelegenheit, und speziell war es der Herr Abgeordnete Dr. Waibel, welcher immer wieder deren endliche Erledigung urgierte, doch stellten sich derselben Schwierigkeiten entgegen, welche zu beheben nicht in der Macht des Landtages gelegen war. Diese Schwierigkeiten waren zweierlei Art: 1. Absatz 4 des § 2 des Lebens­ mittelgesetzes lautet: „Es sind nur solche Organe mit dem Aufsichtsdienste zu betrauen und zu beeiden, welche eine für denselben zureichende fachliche Befähigung nachgewiesen haben. Die Re­ gierung hat zu bestimmen, in welcher Weise der Nachweis der fachlichen Befähigung zu erbringen ist." Die diesbezügliche Verordnung des Ministeriums des Innern erschien jedoch erst am 25. Mai 1908, R. G. Bl. Nr. 156 ex 1908. Schon aus diesem Grunde war die Bestellung von Aufsichtsorganen üntunlich. 458 Beilage 77. 77 der Beilagen zu den stenogr. Berichten des Vorarlberger Landtages. Es war jedoch auch noch eine zweite Schwierigkeit zu beheben. Eine zweckentsprechende, fach­ gemäße Lebensmittelkontrolle bedarf immer der Unterstützung seitens einer Lebensmitteluntersuchungs­ anstalt und gerade in diesem Punkte ist es in den meisten Kronländern schlecht bestellt. Wohl hat der Staat solche Untersuchungsanstalten errichtet; wie unzulänglich aber die Zahl derselben ist, erhellt schon aus der Tatsache, daß Nieder- und Oberösterreich, Salzburg, Nordtirol und Vorarlberg noch bis vor kurzem zum Amtssprengel der Wiener Untersuchungsanstalt gehörten. Es sei nur erwähnt, daß derzeit in Österreich neben einigen Landes- und Privatanstalten 7 staatliche Lebensmitteluntecsuchungsanstalten sich befinden, gegenüber 183 Anstalten (insgesamt!) im deutschen Reiche. Das Bestreben des Landes war daher seit jeher darauf gerichtet, für Vorarlberg eine eigene Lebensmitteluntersuchungsanstalt zu bekommen. Am 12. Jänner 1904 wurde ein Ansuchen der k. k. Statthalterei um Subventionierung einer in Innsbruck zu errichtenden staatlichen Untersuchungsanstalt seitens des Landesausschusses dahin be­ antwortet, daß die Ausgestaltung der Bregenzer Versuchsstation geplant sei, und daß sich daher der Landtag kaum bereit finden dürfte, ein derartiges Unternehmen in größerem Ausmaße zu subventionieren. Im Jahre 1905 faßte dann der hohe Landtag den Beschluß, die 1876 vom Vorarlberger Landwirtschaftsvereine errichtete Landwirtschaftlich-chemische Versuchsstation in Bregenz in die Landes verwaltung zu übernehmen und ihre Anerkennung als den k. k. allgemeinen Untersuchungsanstalten für Lebensmittel int Sinne des § 25 des Lebensmittelgesetzes gleichgestellt anzustreben. Bevor jedoch um diese staatliche Anerkennung nachgesucht werden konnte, mußte ein Direktor mit der vorgeschriebenen Qualifikation (Lebensmittelexperten-Diplom) für die Landesanstalt gewonnen werden. Bei der öffentlichen Ausschreibung dieses Postens bewarb sich jedoch kein einziger „Lebensmiitelexperte" um denselben, was eigentlich begreiflich erscheint, nachdem ja bisher in ganz Oesterreich kaum 20 Fachmänner im Besitze des Expertendiploms sind. Der Landtag faßte deshalb den einstimmigen Beschluß, den sonst bestqualifizierten Bewerber, Ingenieur-Chemiker Josef Maria Krasser, provisorisch zum Leiter der Versuchsstation zu bestellen und den Landesausschuß zu beauftragen, alle zur Erreichung des gesetzten Zieles erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Landesausschuß beschloß einstimmig, dem nun­ mehrigen Leiter der Versuchsstation durch Gewährung eines zweijährigen Urlaubs die Möglichkeit zu bieten, das Lebensmittelexperten-Diplom zu erwerben. Der provisorische Leiter rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen vollkommen, indem er in der kürzesten gesetzlich zulässigen Zeit die Lebensmittelexperten-Diplomprüfung mit vielfacher Auszeichnung bestand. Infolgedessen faßte der hohe Landtag in seiner 23. Sitzung vom 30. März 1908 den Beschluß, den bisherigen Leiter der Versuchsstation unter gleichzeitiger Zuerkennung des Titels „Direktor" definitiv anzustellen. Da die staatliche Anerkennung im Sinne des § 25 des Lebensmittelgesetzes an die Zustimmung der k. k. Ministerien des Ackerbaues, der Justiz und des Innern, beziehungsweise des Lebensmittelbeirates geknüpft ist, so ging das betreffende Ansuchen des Landesausschuffes bereits am Ende des Monats November v. Js. an das k. k. Ackerbauministerium ab; und zwar wurden demselben vorgelegt: das Statut der „Landwirtschaftlich-chemischen Versuchs- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes Vorarlberg in Bregenz", sowie die „Dienstvorschriften" derselben, einschließlich des Gebührentarifs. Mit Erlaß vom 25. September 1908, Z. 30991/796, hat nun das k. k. Ackerbauministerium den eben erwähnten in Vorlage gebrachten Entwürfen des Landesausschuffes im Prinzipe zugestimmt und lauten die bezüglichen Stellen des Erlasses wie folgt: „Mit Beziehung auf die Note vom 23. Dezember 1907, Z. 5573, in Angelegenheit der Errichtung der landwirtschaftlich-chemischen Versuchs- und Lebensmitteluntersuchungsanstalt des Landes Vorarlberg in Bregenz, wird dem Landesausschusse eröffnet, daß das Ackerbauministerium der Fassung des vorgelegten Statutes und der Dienstinstruktion für die bezeichnete Anstalt unter der Voraussetzung zustimmt, daß auch seitens des Ministeriums des Innern hiefür die Genehmigung erteilt wird. Bezüglich des Analysen-Gebührentarifes sieht das Ackerbauministerium in besonderer Berück­ sichtigung der Note vom 14. Juli 1908, Z. 3417, deren Ausführungen das Ackerbauministerium zwar nicht in allen Punkten zu teilen vermag, von der Erfüllung des seinerzeit ausgesprochenen Wunsches, 454 Beilage 77, "V. Session der 9. Periode 1908. den Tarifentwurf jenem der staatlichen Versuchsanstalten möglichst anzupassen, ab und ist mit der vor­ geschlagenen Abänderung der Vorschriften über die Untersuchnngsgebühren einverstanden, die dahin geht, daß die nicht aus Vorarlberg stammenden Einsendungen nach dem für die staatlichen Anstalten mit Erlaß, Z. 24273/08, genehmigten Tarife berechnet werden. Gegen die vom Landesausschuffe in Aussicht genommene Bestellung des provisorischen Stations­ leiters Josef Krasser zum Direktor der neuen Anstalt erhebt das Ackerbauministerium keine Einwendung. Schließlich wird empfohlen, an Stelle des zu eliminierenden Punktes 8 der Dienstvorschriften, 1. Teil B, — da ein Verbot der Verwendung von Analysenzeugniffen seitens der Händler als Attest für die Verkaufsware sich in Praxis kaum durchführen läßt — bloß einen, auch bei den staatlichen Anstalten aufgenommenen Hinweis zu setzen, wonach sich die von der Anstalt ausgestellten Zertifikate nur auf die eingesandten Muster beziehen, was auch in jedem Zertifikate ausdrücklich betont werden sollte." Das Ackerbauministerium teilt noch mit, daß unter Einem der ständige Beirat für Angelegen­ heiten des Verkehres mit Lebensmitteln um sein Gutachten und das Mnisterium des Innern um baldige Eröffnung seiner Schlußfaffung eriucht wurde. Von Seite des Landtages wäre nun zunächst das Statut festzustellen. Das Ackerbauministerium hat dem vorliegenden Statutenentwurfe zugestimmt. Die gleichfalls erforderliche Zustimmung des Mini­ sterium des Innern steht zwar noch aus, es dürfte aber wohl keinem Zweifel unterliegen, daß auch von dieser Seite die Zustimmung erteilt wird, da der Statutenentwurf den gesetzlichen Bestimmungen über die Lebensmittelkontrolle Rechnung trägt. Der volkswirtschaftliche Ausschuß beantragt deshalb die Annahme des Statutenentwurfes. Bezüglich der Dienstvorschriften ist der volkswirtschaftliche Ausschuß dagegen der Meinung, daß sie vom Landesausschusse festzusetzen seien, wobei dann auch dem Wunsche des Ackerbauministeriums bezüglich Abänderung des Punktes 8 der Dienstvorschriften 1. Teil B, entsprochen werden kann. Nach Einlangen der Zustimmung des Innenministeriums kann die Anstalt ihre Tätigkeit auch als Lebensmitteluntersuchungsanstalt in größerem Umfange aufnehmen. Dabei ist es aber auch wünschenswert, ja notwendig, daß die Gemeinden der in wirtschaftlicher Hinsicht und für die Volks­ ernährung so wichtigen Lebensmittelkontrolle viel größere Aufmerksamkeit schenken, als es bis jetzt geschehen ist. Hiebei wird es auch Aufgabe des Landesausschuffes und der Lebensmitteluntersuchungsanstalt sein, den Gemeinden entgegenzukommen und sie bei Erfüllung ihrer Aufgabe zu unterstützen. Auf Grund dieser Erwägungen stellt der volkswirtschaftliche Ausschuß folgende Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: „1. Das vorliegende Statut wird genehmigt. 2. Der Landesausschuß wird beauftragt. Alles vorzusorgen, was zur baldmög­ lichsten Aktivierung der landwirtschaftlichen-chemischen Versuchs- und Lebensmittelunter­ suchungsanstalt in Bregenz und zur Einführung der Lebensmittelkontrolle im Lande Vorarlberg führt." Bregenz, den 8. Oktober 1908. Mart. Thnrnher, Jodok Fink, Obmannstellvertreter. Berichterstatter. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 465