19030914_ltb00301902_Volkswirtschaftsausschussbericht_SelbständigerAntrag_Zurückbehaltung_3.Altersklasse_im_Heerespräsenzdienst

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Letzte Änderung 05.07.2021, 17:15
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp09,ltb0,lt1902,ltb1902
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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XXX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I Session der 9. Periode 1903. Beilage XXX. Bericht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Antrag des Abgeordneten Thurnher und Genossen in Angelegenheit der Zurückbehaltung der III. Altersklasse im ssräsenzdienst des k. u. k. Heeres. Hoher Lanötggl Im Reichsrate der diesseitigen Reichshälfte wurde im Anfange dieses Jahres ein Gesetz­ entwurf angenommen, der das im § 14 des Wehrgesetzes vom 11. April 1889 R.-G.-Bl. Nr. 41 zur Erhaltung des Heeres und der Kriegsmarine mit 103.100 Mann festgesetzte jährliche Rekrutenkontinguit für das Jahr 1904 auf 125.000 Mann erhöhte, wovon 71.562 Mann auf die im Reichs­ rate vertretenen Königreiche und Länder, der Rest auf Ungarn entfallen sollte. Das bezügliche Gesetz vom 26. Februar 1903 R.-G.-Bl. Nr. 53 enthält jedoch im § 2 die Bestimmung, daß die tatsächliche Einreihung der Rekruten in das Heer, deren Aushebung durch das Gesetz für die im Reichsrate ver­ tretenen Länder bewilligt wird, nur dann und insofern zu erfolgen habe, als auch das betreffende, nach den Bestimmungen des § 14 des Wehrgesetzes auf die Länder der ungarischen Krone entfallende Rekrutenkontingent zur Einreihung gelange. Dieser Zusatz sollte bezwecken, daß für den Fall, als in Ungarn die Erhöhung des Rekrutenkontingents abgelehnt werden sollte, die Erhöhung auch für unsere Reichshälfte nicht rechtskräftig werde. Es fiel bei der Beratung und Beschlußfassung über diese, mit Zustimmung der Regierung aufgenommene Klausel wohl niemanden ein, daß durch diese Bestimmung auch die Bewilligung des frühern, nach § 14 des Wehrgesetzes vorgesehenen Rekruten­ kontingents in Frage gestellt werden könnte oder würde. Das unmöglich Erscheinende wurde aber zur Tatsache. In Folge der Obstruktion im ungarischen Reichstage gelangte der von der dortigen Regierung eingebrachte Gesetzentwurf, der die gleichen Bestimmungen wie das österreichische Gesetz enthielt, nicht nur nicht znr Verhandlung, sondern es konnte nicht einmal die Bewilligung des alten Rekrutenkontingents erwirkt werden. Durch die oben bezeichnete Bestimmung des § 2 des cisleithanischen Gesetzes ist' nun für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder die Einreihung der in diesem Jahre ausgehobenen Rekruten in das Heer ohne Außerkraftsetzung dieser Klausel gesetzlich auch nicht nach dem Ausmaße des alten Rekrntenkontingents zulässig. 187 Beilage XXX. XXX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Die Heeresverwaltung hat nun, um den gewöhnlichen Truppenstand trotz Nichteinreihung der diesjährigen Rekruten möglichst ungeschmälert zu erhalten, in Anwendung der §§ 8 und 12 des Wehr­ gesetzes die Zurückbehaltung der im dritten Dienstjahre stehenden Mannschaft des k. u. k. Heeres verfügt. Diese Verfügung hat nicht nur bei der betroffenen Mannschaft, sondern in der ganzen Be­ völkerung große Aufregung und Unzufriedenheit hervorgerufen. Es ist ja ohnedem der Wunsch der Gesamtbevölkerung, daß eine Verkürzung der Dienstzeit überhaupt eintrete und ist auch die Heeresverwalmng der Forderung der Einführung der zweijährigen Dienstzeit in der letzten Zeit näher getreten und hat die Erfüllung dieser Forderung in nicht allzuferner Zeit in Aussicht gestellt. Wenn nun aber schon die dreijährige Dienstzeit mit Recht als eine unnotwendige Belastung der Bevölkerung angesehen werden muß, wie sehr wird aber dann die Zurückbehaltung derjenigen Mannschaft, die bereits drei Jahre Präsenzdienst geleistet hat, schmerzlich empfunden und als drückend und ungerechtfertigt erklärt werden müssen, und zwar um so mehr, als die bezügliche Verfügung durchaus nicht in den bestehenden Ver­ hältnissen begründet erscheint. Wenn auch nicht in Abrede gestellt werden kann, daß nach dem Wortlaute der §§ 8 und 12 des Wehrgesetzes unter besonderen Verhältnissen eine Zurückbehaltung der Mannschaft über den 1. Oktober hinaus erfolgen, beziehungsweise die Mannschaft des ersten Jahrganges der Reserve zur aktiven Dienstleistung beigezogen werden kann, so muß dagegen mit aller Eittschiedenheit betont werden, daß die gegenwärtigen Verhältnisse, besonders hinsichtlich unserer Reichshälfte, nicht so geartet sind, daß aus denselben die Notwendigkeit oder auch nur die Zulässigkeit der getroffenen Verfügung gefolgert werden könnte. Der Präsenzstand der Truppen ist auch nach erfolgter Beurlaubung der Mannschaft des dritten Jahrganges und Nichteinreihung der diesjährigen Rekruten immer noch ein hinreichend starker, um die Ruhe und Ordnung im Reiche aufrechtzuerhalten. Würde aber in Rücksicht auf die äußere Lage die Aufrechthaltung der vollen Friedensstärke des Heeres als unbedingt notwendig erscheinen, so hätte in ben im Reichsrate vertretenen Königreichen und Säubern doch nicht das drastische Mittel der Zurückhaltung der Drittjährigen in Anwendung gebracht werden sollen, ja wenn man darf sagen, nicht angewendet werden dürfen, wenn einigermaßen die Jnterressen und Wünsche der Bevölkerung, wie nicht minder aber auch die Interessen des k. u. k. Heeres berücksichtigt und gewürdigt worden wären, sondern die Regierung hätte einfach dafür sorgen sollen, daß das im Wege stehende Hindernis der Einreihung der im Jahre 1903 assentierten Rekruten im Ausmaße des nach § 14 des Wehrgesetzes vorgesehenen Kontingentes, nämlich die Klausel des § 2 des Gesetzes vorn 26. Februar d. I., R.-G.-Bl. Nr. 53, rechtzeitig beseitigt worden wäre. Hätte die Regierung diesen klaren und einzig richtigen Weg eingeschlagen, so wäre die Bevöl­ kerung unserer Reichshälfte nicht dafür gleichsam mitgestraft worden, daß Ungarn ein Rekrutenkontingent überhaupt gar nicht bewilligt hat. Die Verfügung hätte, falls die Lage nach Außen die volle Auf­ rechthaltung der vollen Friedensstärke erfordert hätte, wohl nur für Ungarn Berechtigung gehabt, nicht aber für uns. Die Regierung hat aber den einzig richtigen Weg der gesetzlichen Eliminierung der mehrfach erwähnten Klausel des § 2 des Rekrutengesetzes aus übertriebener Rücksicht auf Ungarn nicht einge­ schlagen und dadurch die so harten, drückenden Folgen der Nichtbewilligung eines Rekrutenkontingentes seitens Ungarns auch auf die diesseitige Reichshälfte gewälzt, über bereit Interessen und deren Wohl­ fahrt zu sorgen und zu wachen, sie in erster Linie berufen ist. Die Frage, ob Ungarn, im Hinblicke auf dessen Verhalten in den letzten 36 Jahren gegen unsere Reichshälfte, eine solche Rücksicht, die uns so schwere Opfer auferlegt und den ohnedem bestehenden Mißmut der Bevölkerung gegen Ungarn und die überhaupt in unserer Monarchie bestehenden Verhältnisse auf's Äußerste steigert und sogar Mißmut und Aufregung in den Reihen des Heeres hervorruft, verdient, wird wohl auch von der k. k. Regierung nicht bejaht werden wollen. 188 I. Session der 9. Periode 1903. Beilage XXX. Nach Anschauung des volkswirtschaftlichen Ausschusies sollte unverzüglich der Reichsrat ein­ berufen werden, damit in gesetzlicher Weise für die rechtzeitige Einreihung der diesjährigen Rekruten vorgesorgt werde und so die Zurückbehaltung der Drittjährigen ohne Weiteres für unsere Reichshälfte entfallen würde. Es trat zwar im volkswirtschaftlichen Ausschusse vereinzelt die Anschauung zutage, die Ein­ berufung des Reichsrates im jetzigen Momente sei fruchtlos, und die Regierung sollte in anderer Weise für die Eliminierung der Klausel des § 2 sorgen; die überwiegende Mehrheit des Ausschusses glaubte aber an der Anschauung und Hoffnung festhalten zu dürfen, daß trotz aller Wirren in unserer Reichs­ hälfte und trotz der seit Jahren bestehenden Differenzen und Parteikämpfe im österreichischen Abgeord­ netenhause für Erledigung einer solchen Arbeit eine rasche Einigung der Parteien sicher möglich wäre und daß erst dann, wenn wider Erwarten der Versuch scheitern sollte, der Regierung immer noch die Lösung der Frage irrt Sinne der Anschauungen und Wünsche der Bevölkerung auf anderm Wege möglich wäre. Der volkswirtschaftliche Ausschuß stellt der: Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Die k. k. Regierung wird auf Grund des § 19 L.-O- dringend aufgefordert, dahin zu wirken, daß die Verfügung der Heeresverwaltung betreffend die Zurückbehaltung der irrt dritten Dienstjahr stehenden Mamrschaft des k. u. k. Heeres sofort zurückgenommerr werde. Für den Fall, als sich der Erfüllung dieser berechtigten Forderung Hindernisse entgegen stellen sollten, wird die k. k. Regierung dringend angegangen, für die sofortige Einberufurrg des Reichsrates vorzusorgen, um hiedurch die ordnungsmäßige und rechtzeitige Einreihung der Rekruten des Jahres 1903 zu ermöglichen." Wregenz, am 14. September 1903. Jodok Fink, Mart. Thirrnher, Obmannstellvertreter. Berichterstatter. ------------------ =4=§€«^N>f=<*c------------------ Druck v. I. N. Teutsch, Bregenz. 189