19021021_ltb00161903_Handelskammerschreiben

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Letzte Änderung 05.07.2021, 17:28
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp09,ltb0,lt1902,ltb1902
Dokumentdatum 2021-07-04
Erscheinungsdatum 2021-07-04
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Inhalt des Dokuments

XVI. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session der 9. Periode 1903. Beilage XVI. Handels- und GklnerbeKainnirr in Aeldkirch. Zl. 2009. Hofier Lrmötgg! Der gefertigten Kammer ist die nachstehende Eingabe, gefertigt von 7 Genossenschaften nnd von mehr als 600 Mitgliedern 26 weiterer Genossenschaften zugekommen. „Von Jahr zu Jahr wird die Konkurrenz, welche die Konsumvereine dem Handelsstande bereiten, drückender. Die Zahl dieser Vereine wächst rapid an, ist sie doch innerhalb der letzten 10 Jahre von 9 auf 48 gestiegen, wobei die sogenannten Bauernkonsumvereine oder Bezugsvereine für landwirt­ schaftliche Bedarfsartikel noch gar nicht mitgezählt sind, obgleich dieselben meistens auch Konsumartikel führen. Weilers dehnen diese Vereine den Umfang ihres Geschäftes fortwährend aus und führen durch­ aus nicht bloß Konsumartikel, sondern auch Schnittwaren, Schuhe, Kurzwaren, Konfektion, selbst Möbel ii. s. f. und schädigen so nicht nur immer weitere Kreise des Handels, sondern auch die Erzeugungs­ gewerbe ihres Standortes. Die Konkurrenz der Konsumvereine wird umso empfindlicher, als sie nur gegen Barzahlung verkaufen und ihre Mitglieder leider zum größten Teil nicht etwa unter den Arbeitern, sondern unter Gewerbetreibenden und Landwirten finden und somit den Kaufleuten gerade nur die auf Kredit angewiesene unbemittelte Kundschaft übrig lassen. Dadurch nötigen sie natürlich den Händler, der doch für die zu erwartenden Verluste Deckung suchen muß, seine Preise höher zu halten, und auf diese Weise gewinnen sie wieder ein neues Mittel zur Anlockung von Mitgliedern. Dabei halten sich diese Vereine noch dazu vielfach gar nicht an ihre Statuten, verkaufen auch an Nichtmitmitglieder oder lassen wenigstens durch Vereinsmitglieder Waren für Andere besorgen u. dgl. m." „Zu der direkten Schädigung im Erwerbe kommt noch hinzu, daß durch das Überhand­ nehmen der Konsumvereine die Steuerlast für Handel- und Gewerbe immer drückender wird. Der Umsatz der Händler im Bezirke eines Konsumvereines sinkt enorm herunter, trotzdem muß die Steuer­ gesellschaft das gleiche Kontingent wie früher aufbringen, d. h., es müssen selbst bei einer gerechten 53 Beilage XVI. XVI. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Steuerverteilung mindestens diejenigen, die der Konsumverein direkt noch nicht geschädigt hat, seinet­ wegen mehr zahlen als bisher. Da weiters die Konsumvereine infolge der Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen viel weniger Erwerbsteuer zahlen, als die Händler zahlen müßten, die sie ruinieren, müssen die Gemeinden, die mit einem solchen Konsumvereine gesegnet sind, die Umlageprozente erhöhen, um auch bei der kleineren Steuerbasis ihr Erfordernis zu decken, und damit entsteht wieder eine neue Belastung für den Handels- utib Gewerbestand dieser Orte." „Wenn der Handel nicht ganz zugrunde gehen soll, inuß dies anders werden, und vor allem muß der Zustand aufhören, daß die eben angedeuteten Mißstände seitens des Staates durch Steuer­ privilegien geradezu praejudiziert werden. Eine gerechte Steuergesetzgebung hat heute keinen Grund mehr, aus sogenannte« sozialpolitischen Rücksichten, diesen Konsumvereinen Steuerbegünstigungen zu gewähren, wo der größte Teil ibrer Mitglieder nicht etwa dem Arbeiterstand, sondern besitzenden Klassen angehört. Ja, wirklich gerecht wäre bei diesen Vereinen, die ja einen Reingewinn nicht erzielen wollen, eigentlich nur eine Steuer, die nicht nach dem Reinertrag bemessen wird, sondern den Umsatz dieser Vereine in dem gleichen Maße belastet, in welchem die allgemeine Erwerbsteuer den Umsatz eines anderen Kaufmannes trifft. Nur eine solche Umsatzsteuer könnte die Regiekosten für Konsumvereine und Kaufleute einigermaßen ausgleichen, und sie würde auch die früher angeführten unbilligen Folgen der staatlichen Steuerprivilegien etwas mildern, wenn sie zu Gunsten der Gemeinden und des Landes eingehoben würde, so daß die Vermögenssteuer- und Umlageleistungen um den Ertrag dieser Umsatzsteuer herabgesetzt werden könnten." „Wir ersuchen die Handels- und Gewerbekammer, die zu wiederholtenmalen die Berechtigung unserer Klagen gegen die Konsumvereine anerkannt hat, neuerlich energische Schritte einzuleiten, um uns endlich einen Schutz gegen die Übergriffe dieser Vereine zrr verschaffen und mindestens den ungerecht­ fertigten Steuerprivilegien derselben und ihren Folgen ein Ende zu machen." Die gefertigte Kammer bemerkt zu dieser Eingabe, daß die staatlichen Steuerprivilegien für Konsumvereine besonders vom Gesichtspunkte der Arbeiterfürsorge aus gewährt wurden, daß aber in­ folge der Entwicklung, welche das Konsumvereinswesen in einzelnen Teilen der Monarchie genommen hat, dieser Gesichtspunkt heute nicht mehr allgemein zutrifft, da z. B. in Nordsteiermark und besonders in Vorarlberg der weitaus größte Teil der Mitglieder dieser Vereine den selbstständig produzierenden Kreisen angehören. Da die Schädigung des Handelsstandes durch diese Ausdehnung der Konsumvereine, wie gesagt, nicht in allen Teilen der Monarchie so empfindlich fühlbar wird, und weil, wie die fort­ schreitende Ausdehnung der Stenerprivilegien für diese Vereine seit dem Gesetz vom 27. Dezember 1880 (151), bis zum Gesetz vom 25. Oktober 1896 (220) voraussehen läßt, auch sonst eine Zurück­ nahme dieser Begünstigungen durch die Reichsgesetzgebung nicht zu erwarten ist, glaubt die gefertigte Kammer eine Ausgleichung zwischen den Stenerleistungen der Einzelkaufleute und der Konsumvereine mit Aussicht auf einen raschen Erfolg nur im Wege der Landesgesetzgebung suchen zu dürfen. Nach § 18, 4 a der Landesordnung kann der Landtag hinsichtlich der Besteuerung für Landeszwecke die erforderlichen Anordnungen treffen. Nach Art. 15 des Gemeindegesetzes können die Gemeinden auch andere Auflagen und Abgaben als bloße Zuschläge zu den Staatssteuern beschließen, doch ist zu ihrer Einführung ein Landesgesetz erforderlich. Die Kompetenz des Landtages in der vorliegenden Angelegenheit ist also eine zweifellose. Die Feststellug des Steuersatzes dieser Umsatzsteuer kann billiger­ weise wohl nur in der Art erfolgen, daß für das Land bezw. die Gemeinde, denen durch das Steuerprivilegium der Konsumvereine einerseits und die mit der Minderung der Ertragsfähigkeit der übrigen Handelsunternehmungen sinkende Umlagebasis andererseits ein Entgang an Steuereingängen erwächst, der Konsumverein durch die Umsatzsteuer einen Ersatz für diesen Entgang bietet. Soweit der Kammer eine Schätzung möglich war, dürfte das Mindestmaß dieser Umsatzsteuer etwa mit V4 %° für je 10 % Um­ lage von der allgemeinen Erwerbsteuer angenommen werden, sodaß das betreffende Landesgesetz z. B. 54 Beilage XVI. I. Session der 9. Periode 1903. die Gemeinden ermächtigen könnte, von den Konsumvereinen eine Umsatzsteuer einzuheben, deren Steuer­ satz aber V4 °/°° der Zuschlagsprozente zur allgemeinen Erwerbsteuer in der Gemeinde nicht über­ steigen dürfte. „Die Kammer bittet daher, der hohe Landtag wolle die Einführung einer Landes­ steuer vom Umsatz aller Vereine, Genossenschaften oder sonstigen Verbindungen, welche sich mit dem Verkaufe von Verbrauchsartikeln an ihre Mitglieder befassen und ein Landesgesetz, welches die Gemeinden zur Einhebung einer gleichartigen Steuer für Gemeindezwecke ermächtigt, beschließen." Aeldkirch, am 21. Oktober 1902. die HanSels- tmö Geweröekammev für Vorarlberg. Der Präsident: Der Sekretär: Rud. tHauahl. Dr. Hermann. L. 8. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 55