18970218_ltb00411897_Volkswirtschaftsausschussbericht_Gesetzentwurf_Lebensmittelaufsichtsorganebestellung

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Letzte Änderung 02.07.2021, 12:09
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,ltb0,lt1897,ltb1897
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
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XLI. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Beilage XLI. Wevicht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Gesetz-Entwurf, betreffend die Bestellung von Aufsichtsorganen sür den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen. Hoher Landtag! Der der Regierungsvorlage über den Gesetz-Entwurf, betreffend die Bestellung von Aufsichts­ Organen für den Verkehr mit Lebensrnitteln und einigen Gebrauchsgegenständen beigegebene MotivenBericht hat folgenden Wortlaut: „Das von den beiden Häusern des Reichsrathes bescklossene und bereits der Allerhöchsten Sanction des Kaisers unterzogene Gesetz, betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchs­ gegenständen, welches im April 1897 zur Kundmachung gelangen und sohin im October 1897 in Wirksamkeit treten soll, bezweckt, der immer mehr um sich greifenden Lebensmittelverfälschung, und zwar sowohl jener, welche durch Verwendung direct gesundhestschädlicher Stoffe eine Gefährdung der Gesundheit der Consumenten in sich schließt, als auch jener, welche zunächst nur den Ernährungswert der Lebensmittel verringert und hiedurch nebst der vermögensrechtlichen Benachtheiligung bei fortgesetztem Cvnsum gleichfalls eine Schädigung der Erwerbs- und Gesundheitsverhältnisse herbeizuführen geeignet ist, entgegenzutreten. Zu diesem Ende werden in dem Gesetze zunächst die bisherigen einschlägigen strafgesetzlichen Bestimmungen verschärft, detailliert, den modernen Verkehrverhältnissen angepasst, endlich durch neue Delictsdefinitionen und Strafbestimmungen ergänzt. Um jedoch den eingeführten strengeren Strafbestimmungen Wirksamkeit zu sichern, ist es unerlässlich, einerseits eine strengere Controle des Lebensmittelverkehres ins Leben zu rufen, anderseits durch Bestellung von vollkommen ausgerüsteten und mit tüchtigen Fachmännern besetzten technischen Untersuchungsanstalten dafür zu sorgen, dass in allen jenen Fällen, wo die Untersuchung höhere fach­ technische Kenntnisse und compliciertere Untersuchungsmethoden erheischt, die Befunde und Gutachten, welche der strafgerichtlichen Verfolgung zur Grundlage dienen, die weitestgehenden Garantien hinsichtlich ihrer sachlichen Begründung bieten. 275 Beilage XLI. XLI. der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Vorarlberger Landtages. In letzterer Beziehung sind im Sinne des Gesetzes die Vorbereitungen bereits getroffen, dass im October 189'7 zunächst fünf staatliche Untersuchungsanstalten, und zwar in Wien, Graz, Prag (2) und Krackau, ihre Thätigkeit aufnehmen können. Hinsichtlich der Organisation des Aufsichtsdienstes für den Verkehr mit Lebensmitteln und den in den Rahmen des Gesetzes fallenden Gebrauchsgegenständen kommen die §§ 1, 2, 3, 4 und 5 des Reichsgesetzes in Betracht, welche lauten: § 1. Der Verkehr mit Lebensmitteln (Nahrungs- und Genussmitteln, kosmetischen Mitteln, mit Spielwaren, Tapeten, Bekleidungsgegenständen, Ess- oder Trinkgeschirren, sowie Geschirren und Geräthen, die zum Kochen oder zur Aufbewahrung von Lebensmitteln oder zur Verwendung bei denselben bestimmt sind, ferner mit Wagen, Maßen und anderen Messwerkzeugen, die zur Verwendung bei Lebensmitteln zu dienen haben, die Verwendung bestimmter Farben zur Zimmermalerei, endlich der Verkehr mit Petroleum unterliegt den Bestimmungen dieses Gesetzes. § 2. Aufsichtsorgane, denen die in den §§ 3 bis 5 bezeichneten Befugnisse zustehen, sind die Organe der politischen Behörden (beziehungsweise Magistrate der Städte mit eigenem Statute), insbesondere die landesfürstlichen Bezirksärzte, sowie jene Organe der autonomen Körperschaften, welche hiezu durch die Landesgesetzgebung bestimmt sind. Die Regierung kann zur Handhabung ihres gesetzlichen Wirkungskreises in Angelegenheit dieses Gesetzes nach Einholung des Gutachtens des betreffenden Landtages besondere landesfürstliche Aufsichts­ organe bestellen. Dieselben unterstehen der politischen Landesbehörde. Der Landesgesetzgebung bleibt überlassen, zu bestimmen, welche autonomen Körperschaften besondere und beeidete Organe für die Handhabung der Gesundheits- und Lebensmittelpolizei zu bestellen haben. Es sind nur solche Organe mit dem Aufsichtsdienste zu betrauen und zu beeiden, welche eine für denselben zureichende fachliche Befähigung nachgewiesen haben. Die Regierung hat zu bestimmen, in welcher Weise der Nachweis der fachlichen Befähigung zu erbringen ist. Der gesetzliche Wirkungskreis der mit der Verwaltung der Gesundheits- und Lebensmittel­ polizei betrauten autonomen Körperschaften wird hiedurch nicht eingeschränkt. § 3. Die im § 2, Absatz 1 und 2, bezeichneten Organe sind befugt, in den Räumlichkeiten, in welchen Gegenstände der im § 1 bezeichneten Art seilgehalten werden, oder welche zur Aufbewahrung, Gewinnung oder Herstellung solcher zum Verkaufe bestimmten Gegenstände dienen, zum Zwecke der Handhabung dieses Gesetzes während der üblichen Geschäftsstunden oder während die Räumlichkeiten dem Verkehre geöffnet sind, Revisionen vorzunehmen. Sie sind ferner befugt, von den in den angegebenen Räumlichkeiten sich befindenden Gegen­ ständen der im 8 1 bezeichneten Art und den daselbst Vorgefundenen Substanzen, welche zur Herstellung dieser Gegenstände bestimmt sind, dann von Gegenständen der im §. 1 bezeichneten Art, welche an öffentlichen Orten, aus Märkten, Plätzen, Straßen oder im Umherziehen verkauft oder seilgehalten werden, nach ihrer Wahl Proben zum Zwecke der Untersuchung gegen Empfangsbescheinigung zu entnehmen. Die entnommene Probe ist in zwei Hälften zu theilen, deren jede mit dem amtlichen Siegel und über Verlangen der Partei auch mit deren Siegel versehen in zweckdienlichen Gefäßen zu bewahren ist. Über Verlangen der Partei ist ihr ein Theil der Probe, amtlich versiegelt, zurückzulassen. Die eine Hälfte dient als Material für die technische Untersuchung, die andere hat den Zweck, einerseits, wenn gegen die Jndentität der untersuchten Probe ein gegründeter Einspruch erhoben wird, eine Ver­ gleichung zu ermöglicheu, anderseits in den Fällen des § 27, um als Substrat zu einer Überprüfung verwendet zu werden. Diese Hälfte ist in amtlicher Verwahrung zu halten. 276 I. Session der 8. Periode 1897. Beilage XLI. Für die entnommene Probe ist auf Verlangen des Eigenthümers eine von der politischen Behörde zu bestimmende Entschädigung in der Hohe des üblichen Kaufpreises vom Staate zu leisten. Die Entschädigung entfällt, wenn auf Grund dieser Probe vom Gerichte entweder eine bestimmte Person verurtheilt und auf den Verfall der betreffenden Ware (§ 20, Absatz 2) erkannt worden ist. § 4. Die Geschäfte, welche sich mit der Gewinnung, Herstellung oder Verarbeitung oder mit dem Vertriebe von Lebensmitteln befassen, sind auch ohne besonderen Anlass zeitweise einer Revision zu unterziehen. Bei Vornahme der Revision nnd Entnahme von Proben ist eine Störung des Geschäfts­ betriebes und jedes Aufsehen so viel als thnnlich zu vermeiden. §• 5. Die entnommene Probe ist in der Regel an jene Untersuchungsanstalt (§§ 24 und 25) zum Zwecke der technischen Untersuchung einzusenden, in deren Sprengel die Gemeinde gelegen ist, aus welcher die Probe entnommen worden ist. Bei gesundheitsschädlichen Lebensrnitteln ist, wenn Gefahr im Verzug ist, oder wenn die Waren einer so raschen Verändernng oder inneren Verderbnis unterliegen, dass dadurch eine einwandfreie Beurtheilung ihrer bei der Beschau vorhandenen Beschaffenheit fraglich wird, von der Entnahme von Proben Umgang zu nehmen und in Gegenwart von zwei Zeugen nach Aufnahme eines Befundsprotokolles die Vernichtung der Ware anzuordnen. Die Vernichtung der Ware unterbleibt, wenn diese in genieß­ baren Zustand zurückversetzt oder anderweitig in einer die Gefährdung der Gesundheit zuverlässig aus­ schließenden Art verwendet werden kann, vorausgesetzt, dass kein Missbrauch zu besorgen ist. Die Regierung ist ermächtigt, im Verordnungswege die Art des Vorgehens der im § 2, Absatz 1 und 2, bezeichneten Aufsichtsvrgane bei der Revision und Entnahme von Proben festzusetzen, dann jene Untersuchungen zu bezeichnen, welche vor allen im § 2, Absatz 1 und 2, bezeichneten Organen oder nur von den beeideten, oder nur von gewissen Kategorien derselben vorgenommen werden dürste, sowie die dabei anzuwendenden Methoden vorzuschreiben. Auch kann die Regierung bestimmen, über welche durch einfache Mittel aus ihre Qualität bestimmbaren Lebensrnittel und über welche Beschaffenheit derselben von allen im § 2, Absatz 1 und 2, bezeichneten Organen, oder nur von den beeideten, oder nur von bestimmten Kategorien derselben auf Grund eigener Untersuchung Befunde und Gutachten ausgestellt werden dürfen. Wird in den, in den Absätzen 3 und 4 dieses Paragraphen gedachten Fällen von dem Aufsichtsorgane (§2, Absatz 1 und 2) ein Befund und Gutachten ausgestellt, so kaun die sich hiedurch beschwert erachtende Partei die tech­ nische Untersuchung oder eine Revision des Gutachtens durch eine Untersuchungsanstalt begehren und hat im ersteren Falle die Kosten der technischen Untersuchung sofort zu erlegen und finden in Hinsicht auf einen allfälligen Rückersatz dieser Kosten die Bestimmungen der Strafprocessordnung Anwendung. Wurde in einem der Fälle, von denen die Absätze 2, 3 und 4 handeln, von einem der im § 2, Absatz 1 und 2, bezeichneten Organe eine Beanständung erhoben, so ist unter Anschluss des Befundes und Gutachtens (Attestes) jenes Organes, welches die Amtshandlung gepflogen hat, die Anzeige au die Staatsanwaltschaft zu erstatten. Mit den beanständeten Waren sind die im öffentlichen Interesse nothwendigen Vorkehrungen nach den bestehenden Vorschriften zu treffen. Hienach ergibt sich, dass an dem den Gemeinden gesetzlich zustehenden Wirkungskreise, be­ treffend die Handhabung der Gesundheits- und Lebensmittelpolizei, nichts geändert werden soll, wobei jedoch vorausgesetzt wird, dass die Gemeinden den ihnen diesfalls obliegenden Verpflichtungen auch nachkommen. Um aber zwischen der Thätigkeit der Gemeinde-Organe und jener der im § 2 des Gesetzes bezeichneten sonstigen Aufsichtsorgane, sowie der staatlichen und der denselben gleichgestellten Unter­ suchungsanstalten eine für den Zweck des Gesetzes absolut unerlässliche Verbindung und gegenseitige Unterstützung herzustellen, ist es nothwendig, dass die Landesgesetzgebung im Sinne des § 2, Absatz 1 und 3 des Reichsgesetzes umgreife. 277 Beilage XLI. XLL der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Vorarlberger Landtages. Diese Absicht verfolgt der vorliegende Gesetzentwurf. Durch die Bestimmungen der §§ 1 bis 4, dann 6 soll zunächst erreicht werden, dass für Zwecke der Lebensmittelpolizei der Aufsichtsdienst an bestimmte, wenngleich unter Umständen auch noch mit anderweitigen Functionen betraute Organe der Gemeinde übertragen werde, welche die Bedingung der Unbescholtenheit erfüllen, von der politischen Verwaltung in Evidenz gehalten werden und in ihrer Thätigkeit an jene, zur Sicherung der Producenten und Handeltreibenden unerlässlichen formellen und materiellen Cautelen gebunden sind, welche hinsichtlich der Ausübung der in den §§ 3 bis 5 des Lebensmittelgesetzes den Äufsichtsorganen eingeräumten Befugnisse im Berordnungswege festgestellt werden sollen. Es ist selbstverständlich, dass der untersten Kategorie von Aufsichtsorganen, das heißt den ungeprüften und unbeeideten Organen, die aus ihren erwähnten Befugnissen erwachsenden Aufgaben nur innerhalb eines ganz eng und genau begrenzten Kreises auferlegt werden können. Im allgemeinen werden ihnen nur jene Functionen zufallen, welche sie heute schon in Ausübung der Gesundheits­ und Lebensmittelpolizei und der Überwachung des Marktverkehres innerhalb des Wirkungskreises der Gemeinden mehr oder minder anstandslos besorgen. Betrachtet man den in den §§ 3 bis 5 des Reichsgesetzes den Aufsichtsorganen überhaupt eingeräumten Wirkungskreis, so lassen sich darin folgende Aufgaben unterscheiden: 1. Revision der Geschäfte, welche sich mit der Gewinnung, Herstellung und Verarbeitung oder mit dem Vertriebe von Lebensmitteln und der im § 1 genannten Gebrauchsgegenstände befassen. Dabei wird die Aufsicht, insbesondere mit Rücksicht auf die nach § 6 des Reichsgesetzes zu erlassenden Vorschriften, über Herstellung, Gewinnung, Aufbewahrung, Verpackung, Feilhaltung und Verkauf vou Lebensmitteln zu üben sein. Vorschriften, welche sich selbstverständlich auch vielfach auf die hygienische Beschaffenheit der Geschäftsräume, auf die Verwendung und das Verhalten der Hilfs­ arbeiter und dergleichen mehr werden erstrecken müssen. 2. Entnahme von Proben der vorgefundenen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, sowie der Substanzen, welche zur Herstellung dieser Gegenstände bestimmt sind, behufs Untersuchung oder Zusendung an die geeigneten Untersuchungsstellen. 3. Untersuchung der in den Rahmen des Gesetzes fallenden Gegenstände und Ausstellung von Befunden und Gutachten darüber. 4. Anordnung der Vernichtung der Gegenstände nach Feststellung ihrer Gesundheits­ schädlichkeit wenn Gefahr im Verzüge ist, oder die „Waren" einer raschen Veränderung oder inneren Verderbnis unterliegen. 5. Die vorläufige Beschlagnahme von Gegenständen, welche unter dem gegrün­ deten Verbuchte der Gesundheitsschädlichkeit stehen. 6 Anzeige an die Staatsanwaltschaften über vorgenommene Beanständungen. 7. Berichterstattung an die Behörden über die bei Revisionen gemachten Wahrnehmungen, welche die Grundlage für Neuregelungen des Lebensmittelverkehres zu bilden haben werden. Von dem vorstehend gezeichneten Wirkungskreise der Aufsichtsorgane überhaupt wird nun den ungeprüften und unbeeideten Organen der Gemeinden nur ein geringer Theil auferlegt werden können. Da die Revision der Geschäfte in Bezug auf die Gewinnung, Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen eine Summe von Kenntnissen umfasst, die bei unge­ schulten Aufsichtsorganen nicht vorausgesetzt werden können, so wäre die Ausübung der Controle in dieser Hinsickt durch die letzteren wertlos und geeignet, Missgriffe und Behelligungen der Producenten herbeizuführen. Die Revision durch ungeschulte Organe wird vielmehr auf jene Geschäfte beschränkt werden müssen, welche sich mit dem Vertriebe (der Feilbietung und dem Verkaufe) von Lebens­ rnitteln befassen. Die Revision der Geschäfte, welche sich mit dem Vertriebe der im Gesetze ge­ nannten Gebrauchsgegenstände befassen, soll hingegen von diesen ungeschulten Organen nicht besorgt werden, da auch hier eine sachgemäße Controle ohne ein gewisses Maß von Fachkenntnissen nickt möglich, anderseits auch kein Bedürfnis einer möglichst häufigen Controle vorhanden ist. 278 I. Session der 8. Periode 1897. Beilage XLI. Bei der Revision der Lebensmittelgeschäfte, sowie bei der von ihnen gleichfalls zu besorgenden Überwachung des Verkehres mit Lebensmitteln auf offenem Markte oder beim Feilbieten von Haus zu Haus werden die ungeschulten Organe ihr Augenmerk hauptsächlich auf die sinnfällige Beschaffenheit der feilgebotenen und verkauften Lebensmitteln zu lenken haben. Außerdem werden sie sehr wohl befähigt sein, die Einhaltung gewisser Vorschriften über die Aufbewahrung und Verpackung von Lebens­ mitteln zu überwacken, zum Beispiel, ob die verschiedenen Nahrungsmittel vorschriftsmäßig bezeichnet sind, ob die Gefäße, in denen sie aufbewahrt werden, den Vorschriften entsprechen u. s. w. Irgend welche technische Untersuchungen dürfen ungeschulten Organen nicht übertragen werden, weil solche Untersuchungen nicht die Gewähr bieten, welche für gerichtliche Sachverständigengutachten erforderlich ist. Diese Organe werden hauptsächlich die Aufgabe haben, auf Grund der Feststellung der sinnfälligen Beschaffenheit verdächtige Lebensmittel der fachmännischen Untersuchung zuzuführen, sowie sinnfällig verdorbene und gesundheitsschädliche Lebensmittel zu vernichten, darüber Befunde aus­ zustellen und die Anzeigen an die Staatsanwaltschaften zu erstatten, beziehungsweise Lebensmittel, welche dringend verdächtig sind, gesundheitsschädlich zu sein, bis zur endgiltigen Endscheidung durch die fach­ männische Untersuchung mit Beschlag zu belegen. Mit den hiemit bezeichneten Aufgaben wird den von den Gemeinden bestellten Organen nicht mehr auferlegt, als ohnehin schon innerhalb des durch die Gemeindeordnung den ersteren eingeräumten selbständigen Wirkungskreises gelegen ist. Die weitere Bestimmung des vorliegenden Gesetzentwurfes (§ 5) soll die im § 2, Absatz 3, des Reicksgesetzes ausgesprochene und der näheren Ausführung durch die Landesgesetzgebung anheim­ gestellte Absicht verwirklichen, dass in Ortschaften, wo vermöge ihrer Bevölkerungszahl oder aber wegen besonderer Verhältnisse eine intensivere Handhabung der Lebensmittelpolizei angezeigt erscheint, besondere und beeidete Organe für diesen Dienst bestellt werden. Als Bedingung der Beeidung in der Eigenschaft eines Aufsichtsorganes für den Verkehr mit Lebensmitteln und den in den Rahmen des Reichsgesetzes fallenden Gebrauchsgegenständen erachtet es die Regierung als unerlässlich, eine der Absolvierung einer Bürgerschule entsprechende allgemeine Vor­ bildung, sowie die entsprechende Zurücklegung eines besonderen Unterrichtscurses vorzuschreiben, welcher im allgemeinen nach dem Muster des in Wien schon bestehenden Curses für Marktcommissäre einge­ richtet werden soll. Dieser Unterricht wird sich auf Vieh- und Fleischbeschau, auf Naturgeschichte, Erkennung und Unterscheidung der wichtigsten pflanzlichen Lebensmittel mit Rücksicht auf die vorkommenden Verfälschungen und deren empirischen Nachweis, auf Erkennung von Giftpflanzen, Pilzen u. s. w., endlich auf die einfachsten chemischen und physikalischen Untersuchungsmethoden, sowie auf die Kunde von den hinsichtlich des Lebensmittelverkehres bestehenden Gesetzen und Verordnungen erstrecken. Die Regierung beabsichtigt, solche Unterrichtscurse zunächst an den staatlichen Untersuchungsanstalten, sowie nach Maßgabe des Bedürfnisses und der zu Gebote stehenden Lehrkräfte und Lehrmittel auch in anderen Orten zu activieren. Gleichzeitig wird auch Vorsorge getroffen werden, dass Personen, welche die Absolvierung eines derartigen Curses nicht nachzuweisen vermögen, auf Grund sonstiger gleichwertiger Zeugnisse, event, einer abzulegenden Prüfung zur Beeidigung als Aufsichtsorgane zugelassen werden können. Dem geprüften und beeideten Aufsichtsorgane stehen selbstverständlich alle jene Berechtigungen zu, welche den unbeeideten Marktorganen zugestanden worden sind. Auch diese Organe werden die Lebensmittel hauptsächlich nach ihrer grobsinnlichen Beschaffenheit zu beurtheilen haben. Da diese geschulten Organe aber gründlichere Kenntnisse über die Herstellungs­ weise und natürliche Beschaffenheit der Lebensmittel, über ihren Verderb und ihre Verfälschung besitzen werden, so werden sie viel sicherer gute und schlechte, unverfälschte und verfälschte, unverdächtige und verdächtige Ware zu unterscheiden imstande sein und sie werden daher nicht bloß eine richtigere Aus­ wahl der zur fachmännischen Untersuchung bestimmten Proben treffen können, als die ungeschulten Organe, sondern auch in größerem Umfange selbst entscheiden, Befunde und Gutachten ausstellen dürfen. Auch wird man diese Organe mit der Anwendung einiger einfacher und rasch ausführbarer Unter» §uchungsmethoden betrauen dürfen. 279 Beilage XLI. XLI. der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Vorarlberger Landtages, Von größter praktischer Wichtigkeit wird es fein, dass diese Marktorgane mit der Fleisch­ beschau gründlich vertraut sind. Unter dieser Bedingung wird man ihnen weitgehende Befugnisse zur Vernichtung und Beschlagnahme von gesundheitsschädlichem, verdorbenem, ansteckungsgefährlichem und minderwertigem Fleisch und Fleischwaren geben können. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Fleischbeschau und auf die Nothwendigkeit, das Fleisch der unmittelbaren Beurtheilung durch die Auf­ sichtsorgane zu unterwerfen, werden bei Anstellung von Marktcommissären u. s. w. solche Personen zu bevorzugen sein, welche zugleich diplomierte Thierärzte sind. Was schließlich das Verhältnis der in den Gemeinden zur Handhabung der ihnen im selbst­ ständigen Wirkungskreise übertragenen Gesundheitspolizei bestellten Ärzte und Thierärzte zu dem durch das Reichsgesetz, betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen, geregelten Aufsichtsdienste anbelangt, so erschien es nicht nothwendig, hierüber im vorliegenden Gesetzentwürfe besondere Bestimmungen zu treffen, weil diese Sanitätspersonen an und für sich durch ihre Diplome die Befähigung als besondere Aufsichtsorgane nachgewiesen haben, bei den politischen Behörden auf Grund der bestehenden Vorschrift in Evidenz gehalten werden und übrigens mit Rücksicht auf ihre sonstigen Berufsaufgaben sich wohl nur ausnahmsweise mit der unmittelbaren Aufsicht über den Lebensmittelverkehr befassen können, vielmehr in der Regel nur die sonstigen, von der Gemeinde hiefür bestellten Organe zu über­ wachen und anzuleiten berufen sind." Diesen eingehenden Ausführungen hat der volkswirthschaftliche Ausschuss, der mit der Bericht­ Erstattung und Antragstellung über diesen Gegenstand betraut wurde, nur wenig beizufügen. Es muss mit Freude und Genugthuung begrüßt werden, dass in kürzester Frist ein Reichs­ Gesetz betreffend die Überwachung des Verkehrs mit Lebensmitteln ins Leben tritt, das berufen erscheint, der vielfach und unter den verschiedensten Formen vorkommenden Verfälschung der Lebensmittel ent­ gegenzutreten. Soweit datz Land zur Mitwirkung an der Ausführung dieses Gesetzes berufen ist, wird es seiner Aufgabe gern und willig nachkommen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubt daher auch die Annahme des vorliegenden Gesetz-Entwurfes, durch welchen für die Bestellung von Aufsichtsorganen gesorgt werden soll, der Landesvertretung empfehlen zu sollen, damit die Durchführung des Reichs­ Gesetzes keine weitere Verzögerung erfahre. ti Der volkswirtschaftliche Ausschuss hat am Regierungsentwurfe nur zwei Änderungen vorge­ Die erste betrifft den § 2. Derselbe lautete ursprünglich: „§ 2. Als Aufsichtsorgan kann nur derjenige bestellt werden, welcher: 1. die Staatsbürgerschaft in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern besitzt; 2. - das 20. Lebensjahr zurückgelegt hat." Wenn der volkswirrhschaftliche Ausschuss auch nicht verkannte, dass die Regierung wohl ihre guten Gründe gehabt haben dürfte, sich für die Zulässigkeit von Personen zu Aufsichtsorganen schon im Alter von 20 Jahren auszusprechen, indem Personen, die schon in höherem Alter stehen, sich wohl nicht mehr so leicht den für dieses Amt erforderlichen Studien zu unterziehen bereit sein dürften, so vertrat der Ausschuss die Ansicht, es sollte die Zulässigkeit von der Erlangung der Großjährigkeit abhängig gemacht werden. Die beantragte Änderung wird praktisch nicht von einschneidender Bedeutung sein, da in berücksichtigenswerthen Fällen die Großjährigkeitserklärung wohl auch für Personen im Alter von 20 Jahren erwirkt werden kann. Der erste Absatz des § 5 lautete nach der Regierungsvorlage: „Besondere und beeidete Organe für die Handhabung der Gesundheits- und Lebens­ mittelpolizei haben zu bestellen: 1. Städte mit eigenem Statute; 2. Gemeinden, welche als Curorte mit eigenen Curstatuten versehen sind; 3. Gemeinden, welche in Einer Ortschaft nach der letzten Volkszählung über 5000 Ein­ wohner anwesender Bevölkerung zählen." 280 nommen. I. Session der 8. Periode 1897. Beilage XLI. Die Verhältnisse des Landes und die erfolgreiche Durchführung des Reichsgesetzes, betr. die Vorsorge gegen die Lebensmittelverfälschung sprechen für die beantragte Änderung des alinea 1 des § 5. Städte mit eigenem Statute und Curorte mit eigenen Curstatuten besitzt Vorarlberg nicht. Die Bestimmung, nach der Gemeinden, welche in Einer Ortschaft über 5000 Einwohner aufweisen, zur Bestellung von Aufsichtsorganen verhalten werden, wurde zu einengend befunden und daher wurden die Worte „in einer Ortschaft" gestrichen. Weitere Änderungen erfolgten nicht. Es wird gestellt der Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Dem Gesetzentwürfe, betreffend die Bestellung von Aussichtsorganen für den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenständen wird die Zustimmung ertheilt." Bregenz am 18. Februar 1897. Fink Joseph, Martin Thurnher, Obmann. Berichterstatter. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 281 XLIA. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. L Session, 8. Periode 1897. Beilage XLI A. vom .... wirksam für das Land Vorarlberg, betreffend die Bestellung von Aufsichtsorganen für den verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenftänden. Mit Zustimmung des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich anzuordnen, wie folgt: § 1. Die Organe, welche zur Handhabung des den Gemeinden gesetzlich zustehenden Wirkungskreises hinsichtlich der Gesundheitspolizei, der Lebensmittel­ polizei und der Überwachung des Marktverkehres bestellt sind, haben nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen innerhalb des den Gemeinden zu­ stehenden Wirkungskreises als Aufsichtsorgane im Sinne des Reichsgesetzes vom , betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und einigen Gebrauchsgegenftänden, mit den in den §§ 3 bis 5 des bezeichneten Gesetzes festgesetzten Befugnissen zu fungieren. § 2. Als Aufsichtsorgan kann nur derjenige bestellt werden, welcher großjährig ist und die Staats­ bürgerschaft in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern besitzt. § 3. Personen, welche von dem Wahlrechte für die Gemeindevertretung ausgeschlossen sind, sind auch 283 Beilage XLI A. XLI A. Beilage zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. von der Ausübung geschlossen. des Aufsichtsdienstes aus­ § 4. Die Gemeindeverwaltungen haben binnen eines Monates vom Beginne der Wirksamkeit dieses Ge­ setzes die derzeit von ihnen zur Handhabung der Gesundheits- und Lebensmittelpolizei, ' dann zur Überwachung des Marktverkehres bestellten Organe der politischen Bezirksbehörde namhaft zu machen itiii) weiterhin jede einzelne Bestellung eines solchen Organes dieser Behörde von Fall zu Fall an­ zuzeigen. Fehlt einer solchen Person eines der im § 2 bezeichneten Erfordernisse oder obwaltet gegen sie einer der im § 3 bezeichneten Ausschließungsgründe, so hat die politische Bezirksbehörde die Verwendung dieser Person als Aufsichtsorgan zu untersagen und die Gemeinde hievon unter Freilassung der innerhalb der Frist von 14 Tagen einzubringenden Berufung zu verständigen. Über die Berufung entfcheidet die politische Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Landes­ ausschusse endgiltig. Die Berufung hat keine auf­ schiebende Wirkung. In gleicher Weise hat die politische Bezirks­ behörde vorzugehen, wenn gegen ein Aufsichtsorgan ein Ausschließungsgrund (§ 3) später eintritt. § 5. Besondere und ^beeidete Organe für die Hand­ habung der Gesundheits- und Lebensmittelpolizei haben die Städte Bregenz, Feldkirch und Bludenz, sowie der Markt Dornbirn, ferner alle jene Ge­ meinden, welche nach der letzten Volkszählung über 5000 Einwohner anwesender Bevölkerung zählen, zu bestellen. Dem Landes-Ausschusse steht es zu, im Ein­ vernehmen mit der politischen Landesbehörde die Gattung und Zahl solcher beeideter Aufsichtsorgane festzusetzen, welche von den Gemeinden zu bestellen sind. Der Landes-Ausschuss ist weiter ermächtigt, im Einvernehmen mit der politischen Landesbehörde auch Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern zur Bestellung von besonderen beeideten Aufsichts­ organen unter Festsetzung der Gattung und Zahl derselben zu verpflichten, wenn diese Gemeinden als Wallfahrtsorte, als Curorte, als Jndustrieorte oder als Verkehrscentren von Bedeutung sind. Beilage XLIA. l. Session der -8. Periode 1897. § 6. Die politischen Bezirksbehörden haben über alle in ihrem Sprengel den Aufsichtsdienst hinsichtlich des Verkehres mit Lebensmitteln und einigen Ge­ brauchsgegenständen ausübenden Personen Vormerke zu führen und in steter Evidenz zu halten. § 7- Dieses Gesetz tritt zugleich mit dem im § 1 citierten Reichsgesetze in Wirksamkeit. § 8. Mein Minister des Innern ist mit dem Voll­ züge dieses Gesetzes beauftragt. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 285