18970201_ltb00181897_katholischerLehrervereinsbitte_Abänderung_Landesgesetz_18700117_Lehrerpersonengehalte

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Letzte Änderung 02.07.2021, 12:12
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,ltb0,lt1897,ltb1897
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
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XVIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8 Periode 1897. Beilage XVIII. Witte des katholischen Lehrervereines um Abänderung des Landesgesetzes vom \7. Jänner 1870 betr. die Gehalte der Lehrpersonen des Landes Vorarlberg. Hoher Landtag! Ein Vierteljahrhnndcrt ist verflossen, seit der hohe Landtag von Vorarlberg durch Schaffung des Gesetzes vom 17. Jänner 1870 die Gehalte der Lehrpersonen des Landes Vorarlberg gesetzlich festsetzte. Wenn auch damals die finanziellen Verhältnisse des Lehrerstandes bedeutend gebessert wurden, muss doch gesagt werden, dass schon durch jenes Gesetz die Lehrpersonen Vorarlbergs die schlechtes! dotierten waren in ganz Cisleithanien. Mögen politische oder wirtschaftliche Verhältnisse die Ursache dieser niedrigen, in ihren Abstufungen ungerechten Gehaltsansätze sein, eines ist sicher, dass der hohe Landtag, besonders der der letzten Periode, in anerkennenswerter Weise bestrebt war, den Lehrpersonen des Landes die gewiss großen Mängel des Gesetzes vom 17. Jänner 1870 weniger fühlbar zu machen. Infolge dessen wurden denn auch Vorschiebungen in höhere Gehaltsclassen vorgenommen, Zuschüsse aus dem Normalschulfonde, resp. Landesfonde an Lehrer und Schulgemeinden gegeben, Sub­ ventionen für pensionierte Lehrer bewilligt, die Einberechnung systemisierter Zulagen seitens der Ge­ meinden in die Pension gestattet, Unterlehrer- zu Lehrerstellen erhoben, Expositurschulen in selbständige verwandelt; endlich wurden Gemeinden veranlasst, für ihre Lehrer passende Wohnungen zu stellen. Für alle diese Hilfen verdient der hohe Landtag Dank. Weil aber alle diese Maßnahmen nur provisorische sind, nur als Nothbehelfe betrachtet werden müssen; weil dadurch nur einzelnen Lehrpersonen momentane Hilfe geboten wurde, nicht aber dem Lehrcrstaude; weil jenes Gesetz, welches alle diese Maßnahmen des hohen Landtages durch seine Mängel veranlasste noch unverändert fortbesteht und die Härten und Ungerechtigkeiten desselben derj Lehrerstand fühlen muss; weil aber dieser Stand doch eine wichtige Aufgabe in der menschlichen Gesellschaft zu erfüllen hat; weil die absolut unzureichenden Existenzmittel, welche der Lehrerberuf den meisten Trägern desselben für sich und ihre bescheidene Familie bietet, die Gefahr Hervorrufen, dass der Lehrer ob seiner übermäßigen Sorge für das tägliche Brot seiner schweren und verantwortungsvollen Berufsarbeit nicht mehr gewachsen ist; weil einerseits in Vorarlberg das Leben vielleicht am theuersten ist unter allen Kron­ ländern dec Monarchie; weil aber andererseits das Land und das Volk von Vorarlberg sich eines Wohl143 XVIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. standes erfreut, um welchen es von den übrigen Kronländern mit Recht beneidet wird; weil ferner die Gehalte der Lehrer nicht nur an sich zu niedrig sind, sondern noch geringer als in den wirtschaftlich tiefer stehenden übrigen Kronländern, von den Nachbarstaaten des Auslandes ist gar nicht zu reden; weil endlich der Lehrerstand von Vorarlberg sich ohne Selbstüberhebung sagen kann, dass er bislang seine Pflicht getreulich erfüllt hat: darum muss es als gerechtfertigt und billig erscheinen, wenn der Lehrerstand bestrebt ist, für den Lehrer einen Gehalt zu erlangen, welcher ihn und seine Familie mit den bescheidensten Anforderungen ernährt. Das, was den Lehrerstand in materieller Hinsicht ani weitesten im Verhältnis zu den übrigen Ständen zurücksetzt, ist der Mangel eines Avancements. Der Beamte, der Handlungsangestellte, der Arbeiter weiß, dass sich in einer absehbaren Reihe von Jahren seine finanziellen Verhältnisse bessern, insvferne er sich keine Fahrlässigkeiten im Berufe zu schulden kommen lässt. Der Lehrer hat aber gar keine Aussichten; denn heutzutage bezieht beispielsweise ein Lehrer der II. Gehaltsclasse im- 9ten Dienstjahre immer noch seine 400 ft., während sein Gehalt von seinem 10. bis 20. Dienstjahre — er ist indessen ein Mann von 40 Jahren geworden — erst 440 ft. beträgt, ein Mehr, welches kaum in Rechnung gezogen werden kann. Nicht ohne Grund sucht daher der Lehrerstand von Vorarlberg anstatt der Decenal-Quinquennalzutagen zu erlangen, wie sie auch mit Ausnahme von Tirol überall bestehen. Als größte Ungerechtigkeit des jetzt bestehenden Dotations-Gesetzes für die Lehrer Vorarlbergs muss wohl der Unterschied bezeichnet werden, den dasselbe zwischen Lehrer und Unterlehrer macht. Der Unterlehrer muss sich durch dieselben Studien für seinen Beruf vorbereiten wie der Lehrer, er hat sich denselben Prüfungen zu unterziehen, in Bezug auf Arbeitsleistung werden an ihn dieselben Anforderungen gestellt. Warum soll er- nicht für seine Mühe und Arbeit dieselbe Entlohnung er­ halten wie der Lehrer? Er hat mit diesem nebst der Arbeit nur gemein, die Unmöglichkeit des Bor­ rückens, wenn er seine Stelle behalten will oder muss. Eine weitere Härte der Gehaltsbestimmnngen für die Lehrer Vorarlbergs ist die, dass nur den Leitern der Schule das Recht auf eine Wohnung, resp. Quartiergeld zuerkannt wird. Die meisten Lehrpersonen sind aber nicht Leiter einer Schule und müssen, weil früher oder später die meisten Familie haben, es schwer empfinden, wenn sie einen großen Theil ihres ohnehin kleinen Gehaltes für Wohnung verausgaben müssen. Doppelt gerechtfertigt ist das Bestreben, für alle definitiven Lehrpersonen ein entsprechendes Quartiergeld zu erreichen in Vorarlberg, wo die Wohnungsmieten sehr hohe sind. Nicht nur die durch das bestehende Gesetz den Lehrern zugesicherten Bezüge, welche aber völlig unzureichend sind, die Bedürfnisse des bescheidensten und einfachsten Haushaltes einer Lehrerfamilie zu decken, zwingen den. Lehrerstand eine Verbesserung seiner Gehaltsverhältnisse anzustreben, sondern auch die Thatsache, dass den Lehrpersonen ihre Gehalte in vielen Fällen sehr unregelmäßig ausbezahlt wer­ den. Es ist für kleine Gemeinden vielleicht so schwer, ihrem Lehrer den Gehalt regelmäßig auszubezahlen, als es für diesen drückend ist, denselben unregelmäßig beziehen zu können; wohl unmöglich ist es für manche Berggemeinden mit mehreren Schulen ihren Lehrern einen auskömmlichen, wenn auch beschei­ denen Gehalt zu bezahlen, darum können dieselben wohl nie zu geordneten Schnlzuständen kommen, wenn nicht das Land die Ausbezahlung der Lehrergehalte übernimmt. Wenn auch nicht mehr viele, so gibt es doch noch manche Lehrer in Vorarlberg, welche schon als Erzieher der Jugend im Dienste des Volkes gestanden sind, bevor die jetzigen Schulgesetze eingeführt wurden. Ist es billig und gerecht, dass diesen Männern, welche Generationen herangebildet haben, welche ihr Leben der Erziehung der Jugend widmeten, jene Jahre der Arbeit, wo sie noch iin Voll­ besitze ihrer Kraft waren, wo sie wie jetzt bestrebt waren, das Beste zu leisten, bei Berechnung des Ruhegehaltes nur halb angerechnet werden? Zudem kann nicht verschwiegen werden, daß die Bestimmung des Gesetzes, wornach sich die Pension nur quinquenuienweise erhöht, wohl einer Abänderung bedürftig wäre, und dass jener Lehrer, welcher durch 40 Jahre die Mühen und Beschwerden eines Volksschnllehrers getragen, es wvhl verdiente, wenn er das Recht hätte, in den Ruhestand zu treten. 144 XVIII. der Beilagen zu des stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. In Anbetracht der misslichen Verhältnisse, unter welchen die Lehrerschaft Vorarlbergs zn leiden hat, wagen es die ergebenst Gefertigten im Namen nnd Anftrage der dem katholischen Lehrervereine angehörenden Lehrpersonen an den hohen Landtag mit der ergebenen Bitte heranzutreten, das Landes­ gesetz vom 17. Jänner 1870 abzuändern und hiebei gütigst die int Nachstehenden dargelegten Wünsche der Lehrerschaft einer wohlwollenden Berücksichtigung zu würdigen. I. a) Im S'nue des § 21 des Gesetzes vom 17. Jänner 1870, Abschnitt II werden die Ge­ meinden in drei Classen eingetheilt und der Jahresgehalt für Lehrer in Gemeinden der I. Classe mit 700 st., in Gemeinden der II. Classe mit 600 ft., in Gemeinden der III. Classe mit 500 fl. festgesetzt. Der Gehalt eines Bürgerschnllehrers beträgt 800 fl. Lehrerinnen erhalten 80% von obigem Gehalte. b) Vom Tage der Lehrbefähigungsprüfung an gerechnet haben die Lehrpersonen Anspruch auf 10°/o Quinquennalzulagen. c) Die Functionszulage der Oberlehrer und Leiter der Volksschulen beträgt in Gemeinden der I. Classe 200 fl., in Gemeinden der II/ Classe 100 fl. und in Gemeinden der III. Classe 50 fl„ die der Bürgerschul-Directoren 300 fl. d) Jede definitive Lehrperson hat Anspruch ans eine entsprechende Wohnung oder eine Quar­ tiergeld-Entschädigung, die in Gemeinden der I. Classe mit 150 fl., in Gemeinden der II. Classe mit 100 fl. und in Gemeinden der III. Classe mit 50 fl. zu bemessen ist. Wünschenswert wäre es, dass dem Lehrer auf dem Lande überdies ein Stück Feld zwecks Anlage eines Versuchsgartens zur Ver­ fügung gestellt würde. II. Die Ausbezahlung der Lehrergehalte übernimmt das Land. III. Nach zurückgelegtem 10. Dienstsache vom Tage der Lehrbefähignngsprüfung an gerechnet erhalten die Lehrpersonen 34% des anrechenbaren Gehaltes als Pension. Diese Pension erhöht sich mit jedem weiteren Dienstjahre um 2'2% bis zum vollendeten 40. Dienstjahre, mit welchem Zeitpunkte jede Lehrperson das Recht hat, in den Ruhestand zu treten. Jenen Lehrpersonen, welche schon vor dem In­ krafttreten des Reichsvolksschulgesetzes im Dienste der Schule thätig waren, sind die bis jetzt nur zur Hälfte anrechenbaren Dienstjahre als voll anzurechnen. Hoher Landtag! Die im Vorstehenden dargelegten Wünsche sind hervorgegangen aus den Be­ rathungen in den Lehrer- und Katecheten-Conferenzen, welche der katholische Lehrerverein in allen Theilen des Landes abhielt. Der katholische Lehrerverein verhehlt sich nicht, dass die gesetzliche Regu­ lierung der Lehrergehalte vielen und großen Schwierigkeiten begegnet, wagt es aber dem h. Landtage vorstehende Wünsche und Bitte zu unterbreiten im Vertrauen auf die Fürsorge des hohen Landtages für alle Stände des Landes, im Vertrauen auf das Wohlwollen für die Lehrerschaft und die Sorgfalt für das vaterländische Schulwesen, welche der hohe Landtag bei jeder Gelegenheit beweist, im Vertrauen darauf endlich, dass die Wünsche der Lehrerschaft gerechte und billige sind. W o l f u r t, im Jänner 1897. Kermann Jenny, Bartholomäberg. Adalbert KiWrand, Bludenz. Jol). Jos. Käusle, Klaus. Josef Assensoh», Götzis. Andre Kss, Dornbirn. Arz. Jan. Kakder, Bregenz. Jrz. Ant. Aenersiein, Großdorf. Math. Wachter, Oberlehrer in Wolfurt, dzt. Obmann des katholischen Lehrervereines. Johann Mrunner, Obmann-Stellvertreter, des kath. Lehrervereines. Womas Knecht, Rankweil. Anton Ander, Religionslehrer, Ausschussmitglied des kath. Lehrervereines. J. Anton KiWrand, Braz.