18970223_ltb00501897_Schulausschussbericht_Lehrervereinsgesuche

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Letzte Änderung 02.07.2021, 12:12
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,ltb0,lt1897,ltb1897
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
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L. der Beilagen zu den stcnogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Beilage L gäerid^t des landtäglichen öchul-Ausschusses über die Gesuche a. des katholischen Lehrervereines und b. des Lehrervereines des Landes Vorarlberg um Änderung des Gesetzes voin \7. Januar |87O über die Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes in Betreff der Gehalte der Lehrpersonen. Hoher Landtag! Mit den vorstehend bezeichneten Gesuche», die beut Schul-Ausschusse zur Vorberathüng. überwiesen wurden, ist wieder jene Frage ans die Tagesordnung der landtäglichen Verhandlungen und der öffent­ lichen Discussion gesetzt, die wohl leicht und mit gewisser' Berechtigung aufgeworfen, aber, wie die Er­ fahrung in allen Ländern zeigt, äußerst schwierig ist, sehr langsam und nur schrittweise einer Lösung zugeführt werden kann. Von den verwandten Fragen der Beamtengehalts- und Congrua-Regulierung, mit denen sich soeben wieder die Reichsgesetzgebung abmühte, macht nämlich die Lehrergehaltsfrage in Vorarlberg auch insoweit eine Ausnahme, als hier nicht allein finanzielle Schwierigkeiten, sondern noch weitere Hindernisse und erschwerende Umstände der gedeihlichen Lösung entgegenstehen. Die Erkenntnis dieser Sachlage hat daher den Schulausschuss veranlasst, vorläufig von den einzelnen Punkten des Inhaltes dieser Petitionen ganz abzusehen und zunächt auf eine sachliche Erörte­ rung der hier bestehenden Schwierigkeiten und Hindernisse einzugehen und hiedurch auf deren Beseiti­ gung hinzuwirken. Vorerst muss wohl erwähnt werden, dass der Zeitpunkt für die Wiederaufnahme dieser Fragen insoweit nicht günstig gewählt scheint, als ja die Landesvertretung im Laufe der letzten Jahre im Rahmen des bestehenden Gesetzes eine wesentliche Verbesserung der materiellen Lage der Lehrer vorgenommcn und hiebei so weit gegangen ist, als ihr nach der finanziellen Lage der Gemeinden möglich schien. Nun scheint die Klugheit zu gebieten, vorläufig sich diesen Zustand etwas einleben zu lasse», die Wirkung abzuwarten, nicht aber die ganze Gehaltsfrage sofort ivieder aufzuwerfen und damit einen verstärkten Widerstand der Gemeinden hervorzurufen. 313 Beilage L L. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Freilich glauben die Petenten diese Schwierigkeit mit dem kühnen Vorschläge aus dem Wege raumen zn können, die Lehrergehalte einfach von den Gemeinden auf das Laud zu übernehmen. Der Vorschlag ist nicht neu. Im Vorarlberger Landtage schon im Jahre 1869 verhandelt, ist er aber nach eingehender Prüfung immer abgelehnt worden und gegen die sachlichen Gründe der Ablehnung sind unseres Wissens Parteianschauungen immer zurückgetreten. Dass er heute noch auftaucht, nachdem andere Grönländer, die 1869 diese Einrichtung sich gegeben, so bittere Erfahrungen gemacht, ist wohl befrem­ dend. Nach all' dem glaubte der Schulausschuss auf diese Ablehnungsgründe nicht weiter eingehen zu sollen. Kurz gesagt ist es nun einmal die materielle Lage unseres Volkes, ob es nun als Land oder als die Summe aller Gemeinden betrachtet werde, welche Lage es seinen Vertretungen sehr schwer macht, zu den bedenklich gestiegenen öffentlichen Lasten neue zn übernehmen. Thatsächlich sind viele Gemeinden schon jetzt in misslicher finanzieller Lage und nahezu rathlos über die Deckung ihrer jährlich steigenden Auslagen. Die noch immer zunehmende Grundverschuldung spricht übrigens schon für sich allein mehr als alles Andere. Bei solchem Drucke öffentlicher Lasten und diesem sichtlichen Rückgänge wirtschaftlichen Lebens kann wohl nicht rücksichtslos mit Steigerung dieser Lasten vorgegangen werden, da ist immerhin nur ein langsames schrittweises Vorgehen möglich. Die Lösung der Lehrergehaltsfrage in unserem Lande und die Überwindung der finanziellen Schwierigkeiten wird aber noch besonders erschwert durch die religiöse und politische Haltung eines großen Theiles unserer Lehrer. Es liegt uns ferne, für das Verhalten einzelner den ganzen Stand verant­ wortlich zu machen. Anders liegt die Sache hier, wo ein ganzer Verein von Lehrer durch sein öffent­ liches Verhalten das religiöse Gefühl der Bevölkerung tief verletzt durch die Thatsache nämlich, dass er trotz der infolge übereinstimmenden Wunsches der Landesschulrathsmitglieder versuchten Einwirkung des k. k. Landesschulinspcctors, Blätter als Vercinsorgane hält, deren Richtung in strictem Widersprüche steht mit christlicher Lehre und christlicher Weltanschauung, bereit regelmäßige Seetüre ohne besondere Gründe dem Katholiken überhaupt nicht gestattet ist. Dass eine solche Haltung eines Theiles unserer Volksschullehrer das Ansehen des Standes selbst int katholischen Volke schädigen muss, bedarf wohl keines Beweises. Selbst die anerkannt correcte Haltung des größeren Theiles der Standesgenossen kann diese Wirkung nicht aufheben. Tritt ein Lehrer so in Widerspruch mit dem religiösen Bewusstsein der Eltern, so bildet sich eilte Kluft zwischen Schule und Haus, die sich dann noch' erweitert, wenn in Blättern und Versammlungen moderner Pädagogen von einer allseitig unabhängigen Schule gesprochen, und dantit leider der Bankerott an christlicher Lebens­ anschauung manifestiert tvird. Begreiflich, dass hiedurch ein Opfersinn, eine Bereitwilligkeit zur Über­ nahme neuer Lasten für die Schule in der christlichen Bevölkerung nicht geweckt wird, eine Lösung der Gehaltsfrage der Lehrer nur erschwert wird. Die größte Schwierigkeit muss jedoch schließlich in dem in der Praxis in Vorarlberg unveränderten Bestand der Schulgesetze vom Jahre 1869 und 1870 gesucht werden, welche allein eilte solche Haltung der Lehrer möglich machen. Die Erfahrung eines Vierteljahrhunderts hat nun gesprochen und gezeigt, wohin man geräth, wenn in der Schule die wahre Autorität gestürzt wird. Eine künstliche Autorität kann sich nicht halten. Die Schule selbst ist im Bewusstsein des Volkes nicht mehr, was sie sein sollte. Der Opfer­ sinn für sie ist erlahmt, die Schulfonde der Gemeinden wachsen nicht mehr; höchstens noch für Privat­ schulen zeigt sich Liebe und Vertrauen. Eine Änderung dieser Gesetze muss daher eintreten, wenn Fragen, wie die Regulierung der Lehrergehalte, in der nothwendigen Übereinstimmung mit der Bevölkerung zur Lösung gelangen sollen. Und diese Änderung muss eintreten in der Richtung, dass die durch den Schulzwang des eonfessionslosen Staates beunruhigten Gewissen der Eltern wieder beruhigt und nicht größere materielle Schullasten den schon überbürdeten Gemeinden auferlegt werden, als absolut nothwendig ist. 314 Beilage L. I. Session der 8. Periode 1897. In Realisierung und in Consequenz dieser doppelten Forderung muss dein Lande ein größerer Einfluss ans die Zusammensetzung der Schulbehörden, der Kirche aber jener maßgebende Einfluss auf die Schule eingeräumt werden, der den katholischen Eltern die Bürgschaft gibt, mit ruhigem (Gewissen ihre Kinder einer Schule anvertrauen zu können. Eine große Zahl von Gemeinden hat sich hierin, so gut es gieng, zu helfen gesucht mit Gewährung von Personalzulagen an ihre Lehrer, womit sie sich ihren Einfluss auf die Anstellung wahren konnten, und durch Besetzung ihrer Schulen mit Ordenspersonen, immer mit bestem Erfolge. Diese Möglichkeit, zur Anstellung von Ordenspersonen muss einer Gemeinde immer offen bleiben. Äer Schul ausschuss hat im Vorstehenden nun kurz jene Hindernisse und erschwerenden Umstände zu bezeichnen versucht, die einer gesetzlichen Regelung der Lehrergehalte derzeit entgegenstehen, und sich klar und bestimmt hierüber ausgesprochen in der Überzeugung, dass nur die unbedingte Hochachtung des unveräußerlichen Rechtes der christlichen Familie, die gerechte Rücksicht auf die materielle Lage der Gemeinden und wahre Liebe zu Schule und Lehrerstand die hohe Landesvertretung bei ihren Bemühungen zur Lösung der vorliegenden Frage leiten und ihre Bestrebungen auch das wünschenswerte Entgegen­ kommen seitens einer hohen Regierung finden werden. Gestützt auf diese Erwägungen stellt daher der Ausschuss den Antrag: „Die vorliegenden Gesuche des katholischen Lehrervereines und des Lehrervereines des Landes Vorarlberg um Abänderung des Landesgesetzes vom 17. Januar 1870 über die Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes, betreffend die Gehalte der Lehrpersonen, werden dem Landes-Ausschusse mit dem Auftrage abgetreten, im Sinne vorstehender Ausführungen wegen Änderung der bestehenden Landesschulgesetze mit der hohen Regierung Verhandlungen einzuleiten und über bereu Ergebnis dem Landtage in einer spätern Session Bericht zu erstatten." Das Mitglied des Ausschusses Herr Dr. Waibcl stellt den Minoritäts-Antrag: „Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, im Einvernehmen mit dem k. k. Landesschulrathe im Sinne der Petitionen des Landes-Lehrerveines und des kathol. Lehrervereines zum Zwecke der Aufbesserung der Lehrerbezüge in die Berathung einer Abänderung der einschlägigen Bestimmungen des Landesgesetzes vom 17. Januar 1870 zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Lehrerstandes einzutreten und dem Landtage in der nächsten Session eine entsprechende Gesetzesvorlage zu unterbreiten." Bregenz, am 23. Februar 1897. Johann Kohler, Johannes Zobl, Berichterstatter. Obmann. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 315