18970212_ltb00291897_Volkswirtschaftsausschussbericht_SelbständigerAntrag_gesetzlicheRegelungMargarinefabrikation

Dateigröße 2.22 MB
Aktenzahl/Geschäftszahl
Letzte Änderung 02.07.2021, 12:17
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,ltb0,lt1897,ltb1897
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
Unterausschüsse
Kommissionen/Kuratorien
Verbände/Konkurrenzen
Verträge
Publikationen Landtag-Ausschussbericht
Aktenplan
Anhänge
Inhalt des Dokuments

XXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Session, 8. Periode 1897. Beilage XXIX. MovieHt des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den selbständigen Antrag der Abgeordneten Pfarrer Fink und Genossen in Sachen der Margarinebutter, Atargarineschinalz und Margarinekäsefabrikation. Hoher Landtag! Der diesbezüglich am 3. Februar d. I. in der V. Sitzung eingebrachte Antrag lautet dahin, es wolle der hohe Landtag in Erwägung dessen, dass die Margarinebutter, -Schmalz und -Käsefabrikation und der vielfach fraudulöse Handel mit deren Knnstproductcn die Landwirtschaft und die Eonsumenten schwer schädiget, — sich bei der hohen Regierung dahin verwenden, dass geeignete Vorkehr, ungen getroffen werden, damit die unreelle Concurrenz und die dadurch verursachte Schädigung der Landwirtschaft beseitiget und möglichst verhindert werde. Der volkwirtschaftliche Ausschuss hat diesen Antrag in eingehende Erwägung gezogen, und ist der Überzeugung, dass die gesetzliche Regelung der Margarinefabrikation, der Margarineindustrie und des Handelsverkehres mit solchen Kunstproducten nach folgenden Grundsätzen nothwendig sei. Vorerst erlaubt sich derselbe zur sachlichen Klarstellung eine Erklärung des Begriffes „Margarine" und die Anführung der bezüglichen Gesetzesbestimmungen in verschiedenen Staaten. I. Mas ist Margarine? Aus Rohtalg d. h. aus den Fetten verschiedener Thiere wird durch Motorenbetrieb das Fett geschmolzen, und nach bestimmten Graden der Verdichtung desselben das flüssige Fett abgelassen. Dies bildet das Oleo-Margarin. Das Sediment im Bottiche wird unter hydraulischem Drucke geschieden; das Flüssige bildet wieder Oleo-Margarin von geringerer Qualität; der Presskuchen, bestehend aus Faserstoff, Glycerin re., gibt das Stearin. Fettrohstoff und Oleomargarin werden an der Börse gehandelt und notieren gewöhnlich Ersterer per 100 Kl. st. 25 — 28, Letzteres ca. 36 fl. per 100 Kl. 203 Beilage XXIX. XXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Dieses Oleomargarm ist eigentlich das billige Speisefett, welches zu fabricieren die Margarine­ fabrikation ursprünglich bezweckte. Es wird aber seit Jahren als solches verhältnismäßig wenig in den Consnm gebracht, dient vielmehr einer neuen Industrie nämlich der Margarinebutter-Schmalz und Margarinekäsefabrikation. Margarinebutter wird fabriciert, indem Oleomargarin in Milch oder Rahm mit der Maschine gebuttert wird, damit es durch Aufnahme des Buttyrin (Buttersäure) schmeckt und aussieht wie Naturbutter. Ferner wird Margarinebutter auch dadurch bereitet, dass Margarine einfach mit Naturbutter vermischt wird. Margarineschmalz, auch Kunstschmalz genannt, welches im Lande Vorarlberg viel consumiert wird, ist je nach Qualität aus verschiedenen Fetten hergestellt, z. B. zu Margarineschmalz „Superior" wird Oleomargarin mit Sesamöl und Farbe gemischt und kostet im Detailhandel per Kilogramm ca. 88 kr. Zu Bereitung von Kunstschmalz geringerer Qualität werden verschiedene minderwertige Fette verwendet z. B. Pferde- und Hammelfett, amerikanisches verfälschtes Schweineschmalz und wohlfeile Öle zu hohen Procenten. (Erdguß-, Cokos- und Baumwollsamenöl). Dr. Wolnp behauptet, dass das in Hamburg gehandelte Schmalz mit 90 Procent Öl verfälscht sei. Herr von Blankenburg-Zommerhausen und Wilhelm Helm theilen mit, dass das amerikanische Schweineschmalz meist mit Baumwollsamenöl verfälscht sei, und weil es int Sommer zu weich werde, von Händlern im Jnlande zum zweitenmal verfälscht werde mit Talgpresslingen (Stearin), angeblich um es haltbarer zu niachen. Margarinefettkäse werden bereitet dadurch, dass man der durch Centrifugen entrahmten Magermilch Oleomargarin, besonders aber Öl, zu erforderlichen Procenten beimischt und dann die Käsung vornimmt. Bei der Margarinefabrikation und -Industrie bildet das Färben eine Hauptsache, damit die Kunstproducte den Naturprodukten möglichst ähnlich aussehen. II. Stand der Gesetzgebung bezüglich Margarine in verschiedenen Staaten. Alle Culturstaaten Europas, auch Russland und Staaten Nordamerikas, haben Gesetze zur Regelung der Fabrikation und des Verkehres mit Margarine, z. B. Schweiz, Frankreich, Italien, Portugal, (Steuer pro Kilogramm 80 Reis), Dänemark, Schweden, Deutschland. In Deutschland wurde schon mit Reichsgesetz vom 12. Juli 1887 ein Margarinegesetz erlassen, in welches die Bestimmungen ausgenommen wurden, dass Geschäftsräume und Verkaufsstellen in welchen Margarine verkauft wird, in unverwischbarer Inschrift: „Verkauf von Margarine" tragen müssen (§ 1) ebenso für die Umhüllungen der Margarine im Einzelwerk aus die Würfelform mit eingedrücktem Worte „Margarine" vorgeschrieben wurde (§ 5). Die Vermischung mit Butter war nur bis zu 10% gestattet (§ 2). Der Begriff „Margarine" festgestellt: „Margarine im Sinne des Gesetzes sind diejenigen, der Milchbutter ähnlichen Zubereitungen, deren Fettgehalt nicht ausschließlich der Milch entstammt" (§ 1 alinea 2). Im Jahre 1890 kam der deutsche Landwirtschaftsrath mit einem Berichte an den königl. preußischen Staatsminister v. Bötticher mit der Forderung der Verschärfung des Gesetzes zum Schutze des reellen Butterhandels und des consumierenden Publicums. Im Jahre 1894 giengen Abänderungsvorschläge zum Gesetze von 1887 vom Bunde deutscher Landwirte an den deutschen Reichstag, in welchen diese verlangten, dass auch Conditoreien, Gastwirt­ schaften, in denen Margarine benützt wird, durch Inschrift dies anzeigen müssen, ferner dass die Ver­ mischung der Margarine mit Butter zum Zwecke des Handels verboten und die Verwendung von Milch oder eines Milchproductes zur Herstellung von Margarine, zur Nachahmung von Milcherzeugnissen unter­ sagt, das Verbot des Färbens ausgesprochen, der Verkauf und die Aufbewahrung von Margarine in solchen Geschäftsräumen, wo gleichzeitig Naturbutter verkauft wird, verboten, Polizeicontrole über 204 i. Session der 8. Periode 1897. Beilage XXIX. Margarinefabrikation und über die zur Verwendung kommenden Rohstoffe und größere Strafen für Zuwiderhandelnde verlangt wurden. In Österreich haben wir kein Margarinegesetz, und ist daher die Margarinefabrikation und der Handelsverkehr zum schweren Schaden der Konsumenten und der Landwirtschaft fast ganz frei; der betrügerische Handel nur durch Bestimmungen des allgemeinen Strafgesetzes zu ahnden. Wir constatieren, dass auch in Österreich gesetzliche Bestimmungen und die Regelung der Margarinefabrikation und des Handelsverkehrs mit diesen Kunstproducten ein wahres, tiefempfundenes Bedürfnis sei zum Schutze der schwer geschädigten Landwirtschaft und des kaufenden Publicums. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubt daher, es sollten auch bei uns im Wege staatlicher Gesetzgebung bezüglich Margarincfabrication, Margarine-Industrie und Handelsverkehr folgende Grund­ sätze zur Geltung kommen: a) Derselbe ist nicht gegen die Margarinefabrikation im allgemeinen, stimmt aber mit dem Bericht­ erstatter im deutschen Reichstage (1887) Dr. Drechsler darin überein, dass es Aufgabe der Gesetzgebung sei: „Die Fabrikanten von Kunstbutter von einem Irrwege, den sie betreten . haben und auf dem sie nie zu dem Ziele kommen, zu dem sie kommen sollen, abzulenken, sie hinzuführen auf den Weg, auf dem allein das Ziel ihrer Fabrikation, nämlich für die arbeitenden Classen der Bevölkerung, ein billiges Buttersurrogat zu schaffen, erreicht werden kann." Heute ist die Margarinefabrikation von ihrem ursprünglichen .Ziele, für die ärmeren Bevölkerungs­ classen ein wohlfeiles Speisefett zn schaffen, abgeirrt. Die Fabrikanten suchen vielmehr den ganzen Fettconsum der ganzen Bevölkerung an sich zu reißen, und die Naturbutter und neuestens auch die Naturkäse zu verdrängen. Vor fünf Jahren hat ein Margarinefabrikant von Wien in einer Zuschrift an die Regierung sich geäußert, man sollte die Milch als solche verspeisen, da die Margarinefabrikation die ganze Bevölkerung mit Speisefett versehen könne. Die Margarinefabrication ist zur Massenproduction geworden. Leider ist in unserem Vater­ lande das statistische Material über die Menge solcher Kunstproducte nicht bekannt, und wegen der Geheimthuerei der Fabrikanten privatim nicht zu erfahren, doch kann bemerkt werden, dass in Wien allein acht Fabrikanten theils Oleomargarin, theils Margarine-Butter und -Schmalz erzeugen. Was eine Fabrik zu leisten tut Stande ist, zeigt das eigene Bekenntnis des Herrn Margarinefabrikanten Mohr von Altona. Er erzeugte in einem Jahre (1893) über 34.000, 000 Pfund Margarine, und fabriciert in über 100 seiner großen Meiereien Margarinkäse. Um eine solche Masse Naturbutter erzeugen zit können in einem Jahre, würde es .195.000 Kühe brauchen. (Allgäuer Anzeigeblatt Nr. 139 vom 23. August 1894.) b) Wird es Zweck der Gesetzgebung sein müssen, dafür zu sorgen, dass die Kunstproducte nach ihrem wahren Werte gemessen, und jede Täuschung vermieden werde, dass dett Missbräuchen nach Möglichkeit gesteuert uitb die Nachtheile, welche mit jenem Gewerbszweige für das consumierende Publicum und die Landwirtschaft verbunden sind, beseitiget werden. III. Gemäß den ausgesprochenen Grund säßen verlangt der nolksmirtschaftliche Ausschuss der der öden bezeichneten Gesetzgebung die Kerncksrchtigung folgender Gesichtspunkte. 1. Es ist erforderlich, dass die zur Herstellung von Speisefetten zur Verwendung kommenden Rohstoffe amtlich controliert werden, ob dieselben hygienisch zulässig seien. Es liest sich in Abhandlungen über Margarinefabrikation ganz nett, wenn es heißt, dass Margarine aus frischem Nierentalg der Ochsen hergestellt tverde. Doch es ist bekannt, dass der frische Nierentalg bei der Massenproduction voit Margarine nur einen 205 Beilage XXIX. XXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. kleinen Theil des benöthigten Rohstoffes ausmache. Okas von Holstein hat berechnet, dass zur jährlichen Maffenproduction in Deutschland allein die Schlachtung von fast 28 Millionen Ochsen nothwendig wäre! Die Fabrikanten kaufen die Fettrohstoffe einfach vom Weltmärkte. Es wird an der Börse gehandelt; dieselben kennen wohl meistens selbst nicht deren Provenienz. Mit Grausen erinnert man sich an das deutsche Reichspatent Nr. 19011, worin einem Herrn Huct ein Verfahren zur Gewinnung von Fett von Abdeckereien zur Kunstbutterfabrikatton patentiert wurde. Ferner ist bekannt, dass in solchen aus Amerika importierten Rohstoffen gesundheits­ schädliche Parasiten gefunden wurden.- In Großstädten werden von Margarinefabrikanten ungenießbare, schimmelige Butter und andere derartige Fetten zu Heilten Preisen angekauft, sogar Preßkuchen, das unverdauliche Stearin zur Magarine verwendet. Es werden zur Magarine-, Butter-, Schmalz- und Käsefabrikatton oft gesundheitsschädliche minderwertige Öle aus überseeischen Ländern und zwar mitunter in hohem Prozentsätze verwendet, z. B. Erdnuß-, Eokos- und Baumwollsamenöl. Baumwohlsamenöl in größeren Mengen genossen, sei entschieden gesundheitsschädlich. Aus den Mittheilungen des Herrn Herter-Burschen ist zu ersehen (Milchzeitung Nr. 49, Jahrgang 1893) dass in Japan Baumwollsamenöl als sicher wirkendes Mittel gebraucht werde zu Verbrechen, tvelche in Oesterreich nach § 144 des Strafgesetzes strafbar sind. Baumwollsamen-Kuchen sollen in größeren Mengen gefüttert, ein Verwerfen der Kühe zur Folge haben. Im Sommer 1893 hat Departements­ Thierarzt Tietze in Schleswig-Holstein mittelst Section an mehreren 9—12 Monate alten Rindern als directe Todesursache die Verfütterung von Baumwollsamenöl fcstgestellt, (Organ für thierärztl. Verein Schleswig-Holstein, Dezemberheft 1893.) Die Gesetzgebung hat demnach aus sanitärer Rücksicht die Bevölkerung zu schützen gegen die Verwendung gesundheitsschädlicher, oft eckelerregender Fettrohstoffe. Speisefett ist ein täglich nothwendiges Nahrungsmittel und ein besonderes Bedürfnis der arbeitenden Bevölkerung. Diese soll ihre Kräfte restaurieren und den guten Magen erhalten können. Sie darf nicht gefahrlaufen, Speisefette genießen zu müssen, die aus Roh­ stoffen erzeugt werden, welche nicht rein sind von gefährlichen Parasiten, aus Abdeckereien stammen oder mit Ölen gemischt sind, welche gesundheitsschädlich und moralisch nicht zu billigen sind. Es genügt daher nicht, dass ein Margarin-Fabrik-Betrieb bei der Gewerbebehörde angemeldet werde. Es hat der volkswirtschaftliche Ausschuss die Anschauung, die ständige behördliche Überwachung der Margarine-Fabrikation namentlich auch in Bezug auf die in Verwendung kommenden Rohstoffe sei dringend geboten. 2. Es soll gesetzlich vorgesorgt Margarine-Käsefabrikation. werden, für Erlassung des Verbotes der neu erstehenden . Schon vor zwei Jahren betrieb der deutsche Margarinenfabrikant Mohr uebst seinen vielen Margarisl-Meiereien in Deutschland auch 6 solcher in Galizien. In denselben werden beliebte Käsesorten: Romatur, Tilciter und Limburger-Käse imitiert. Diese alle segeln unter der Flagge von Naturprodukten und schädigen offenbar das kaufende Publicum und die Alpenwirtschaft. Minister von Hammerstein betonte im deutschen Reichstage (1896) „die land­ wirtschaftliche Verwaltung hätte gegen das Verbot von Margarineküse nichts einzuwenden, da die deutsche Landwirtschaft durchaus gesunden Käs herstelle. „Dies findet gewiss umsomehr auf unser Vaterland mit seinen herrlichen Älpenländern und seiner vielfach sehr intensiven Viehzucht und Molkerei Anwendung." Für die ärmere Elasse der Bevölkerung ist vorgesorgt durch wohlfeilen Magerkäse, der von Kleinbauern besonders produciert wird. 206 I. Session der 8. Periode 1897. Beilage XXIX. 3. Es sollte verboten werden, die Vermischung von Butter mit Margarin oder andern Speise­ fetten zum Zwecke des Handels mit diesen Mischungen, sowie der gewerbsmäßige Verkauf und das Feilhalten derartiger Mischungen. Es möchte bestimmt werden, dass zur Herstellung von Margarine und überhaupt zur Nachahmung von Milcherzeugnissen Milch oder ein Product von Milch nicht verwendet werden darf. Anfänglich war die Margarinefabrikation so wenig fortgeschritten, dass von den Fabrikanten behauptet wurde, dass Margarine ohne diesen Zusatz ein abstoßendes, eckelerregendes Aussehen haben würde. Inzwischen ist aber die Technik in der Bereitung der Margarine derartig fortgeschritten, dass die Margarine dieses Zusatzes von Buttcrfctt entbehren kann und dennoch in der Lage ist, das herzustellen, was sie' herstellen soll, ein genießbares, billiges Speisefett. — Aber gerade durch die Mischung mit Butter und Gestattung von Milch oder Rahm ivird der Zweck eines Gesetzes vereitelt, da hiedurch die Margarine das Aussehen und Aroma der Naturbutter bekommt und es unmöglich macht ohne langwierige, chemische Untersuchung festzustellen, ob man es mit Naturbutter, Mischbutter oder reinen Margarine zu thun habe. Das hat sich der weniger reelle Theil der Butterhändler zu Nutzen geniacht. 4. Der volkswirtschaftliche Ausschuss wünscht die gesetzliche Bestimmung für Margarine dahin, dass jedes Speisefett, welches einen noch so geringen Theil Margarine enthält, als „Margarine" bezeichnet werde. Täuschende Titel, wie „I Qualität Kunstbutter", „Süßrahm-Margarine" „Sennerei­ Margarine" rc. sind nicht gestattet. Italien und mehrere Staaten haben bereits solche gesetzliche Bestimmungen getroffen. 5. Der volkswirtschaftliche Ausschuss verlangt das Verbot des Färbens von Margarine, sowie der zur Fabrikation von Margarine zur Verwendung kommenden, pflanzlichen, mineralen und thierischen Fette, um der Margarine das äußere Ansehen von Naturproducten zu geben. Bei dem in Punkt 4 erwähnten Fortschritte der Technik in der Margarinefabrikation kann das Färben entbehrt werden, weil die ungefärbte Margarine bei Auswahl des Rohstoffes ein gleichmäßiges, weißgelbes Aussehen hat. Gerade diese Bestimmung wird die Margarinefabrikanten zwingen bei Auswahl des Rohmateriales vorsichtiger zu verfahren und die verdorbenen Rohmaterialien von der Ver­ wendung auszuschließen, da diese geeignet sind, der Margarine ein schlechteres, fleckiges Ansehen zu geben. Schon im sanitären Interesse der Bevölkerung ist dieses Verbot des Färbens nothwendig. Die Farbe ist accedentell, ändert das Speisefett substanziell nicht; und doch legen die Fabrikanten auf das Färben der Magarine ein Hauptgewicht, ja ein Fabrikant behauptet in abgenannter Zuschrift, dass das Verbot des Färbens die Margarinefabrikation ruinieren würde. Diese Behauptung ist eine Täuschung. — Das Farben hat besonders den Zweck, den minderwertigen Speisefetten das Ansehen der Naturproducte zu geben, im Verkauf der durch die Farbe substanziell im Werte nicht erhöhten Margarine, einen höheren Preis zu erzielen; es ist geeignet, die Cünsumenten zu täuschen, zu Übervortheilen und den Naturproducten der Landwirtschaft fraudulöse Cancurrenz zu bereiten. — Mit demselben Gewichte, mit welchem die Margarine-Fabrikanten das Färben betonen, betonen wir das Verbot des Färbens in der Margarine-Fabrikation und Margarine-Industrie. In wohlverstandener Erkenntnis dessen, was zum Schutze des Publicums und der Landwirtschaft erforderlich ist, haben andere Staaten das Verbot des Färbens gesetzlich fcstgestellt. Massachusetts (Nord­ e amerika) verbietet jede Färbung des Oleomargarins. (Deutsche Molk'Ztg. 1891 Nr. 17.) 207 Beilage XXIX. XXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Frankreich die Färbung der Margarine (dieselbe 1894, Nr. 2); England jede Färbung; Rußland ebenso (russ. Gesetz vom 8. April 1891.) Dänemark schreibt sogar für Margarine eine Helle Farbe vor. In Deutschland wird dieses Verbot von den Abge­ ordneten ebenfalls verlangt. 6. Es ist erforderlich, dass die Geschäftsräume und sonstige Verkaufsstellen, in welchen Margarine gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten wird, an in die Augen fallender Stelle die deutliche, nicht vermischbare Jnnschrift tragen: „Verkauf von Margarine" und dass der Verkauf und die Aufbewahrung von Margarine in solchen Gewerbebetrieben nicht stattfinden darf, wo gleichzeitig Naturbutter und Naturschmalz verkauft wird; auch sollen int Groß- und Einzel­ verkauf die Gefäße und Umhüllungen der Margarine das Wort „Margarine" und den Namen des Fabrikanten tragcit müssen. Der Käufer soll wissen, dass er im bestimmten Locale nur Margarine bekommt, also ein Produkt, wofür er einen niedrigen Preis zu zahlen braucht. Diese Bestimmungen erleichtern auch die Controle beim Verkaufe und schützen den gewissenhaften Verkäufer gegen den unreellen, gewissenlosen Concurrenten. Wie groß die Versuchung zum Betrüge für die Butterhändler ist, wenn die Mög­ lichkeit geboten, in demselben Locale Margarine und Naturbutter zu verkaufen, beweiset im erschreckenden Maße der Berliner sogenannte „Butterkrieg". Der Verband hinterpommerscher Molkereien ließ mit dem ersten September 1893 beginnend, allmühlig 1900 Buttereinkäufe bei 1200 Butterhändler in Berlin machen. Das Resultat war, dass 419 derselben auf die Anklagebank geführt und verurtheilt wurden. Es hat sich herausgestellt, dass der betrügerische Verkauf dort in großem Umfange herrsche. Im Staate New-Jork hat die Polizei verordnet, dass in allen Localen, in denen Speisen oder mit Butter bereitete Backwaaren verkauft werden, durch Anschlag deutlich bekannt zu machen ist, wenn die betreffenden Speisen mit Kunstbutter hergestellt sind ; gegen die Nichtbefolgung sind sehr hohe Strafen festgesetzt. (Deutsche Molkerei-Ztg. 1893, Nr. 34.) 7. Nothwendig ist die Feststellung verhältnismäßig empfindlicher Strafen gegen fraudulöse Margarine-Fabrikanten und Händler. Eine Strafe von etlichen Gulden wäre geradezu unwirksam. Es sollen zu diesem Zwecke spezielle strafgesetzliche Bestimmungen erlassen werden. Aus den obigen Anführungen und Begründungen geht klar hervor, dass auch in unserem Vaterlande ein Margarinegesetz nothwendig ist, damit einerseits das kaufende Publicum, anderseits die schwer bedrückte Landwirtschaft des staatlichen Schutzes, den sie so sehr bedürfen, theilhaftig werden. Die Margarine-Industrie ist derartig angelegt, dass sie zur großen Übervortheilung des kaufenden Publikums, besonders aber der Minderbemittelten, führt. Wenn ein Arbeiter durch Margarine gefälschte Butter kauft, erhält er fein preiswertes Product; er muss für die in der Mischung befindliche Margarine mehr bezahlen, als wenn er sie rein bekäme und die Mischung selbst vornähme. Wird ihm reine Margarine für Butter gegeben, so muss er das Doppelte des Wertes zahlen. Und der Butter­ process in Berlin hat bewiesen, dass die angeklagten Butterhündler auf taufend Verkäufe in 48, 88 °/0 Füllen reine Margarine für Butter verkauften! Auch die reine Margariite wird vertheucrt durch den großen Absatz derselben zu Fälschungen. Nicht minder bedarf die Landwirtschaft, die Producenten der Naturproducte, des staat­ lichen Schutzes, da durch die Massenproduction und Fälschungen der Preis der Butter unter die Productionskosten herabgedrückt wurde. Herr Ingenieur Helm zu Berlin hat übersichtlich dargestellt, wie viel Menschen und Betriebs­ capital und Betriebsmittel dazu gehören, um täglich 200 Eentner Margarine zu produeieren und dem­ gegenüber 200 Centner Naturbutter. , 208 1. Session der 8. Periode 1897. Beilage XX1X. Es sind erforderlich zur Production von täglich 200 Centner: a. Die Production selbst: Margarine: Arbeiter Anlagecapital Kessel Dampfmaschine Centrifugen Buttermaschinen Knetmaschinen Mauersteine 1 Träger Röhrenbrunnen Butter: 1 1890 80 80 2 2 2 2 27 160 240 15 5 20 ' / 4 äftittioii 1 zu 40 qm 1 zu 20 HP 0 2 4 1 Million 30000 kg 1 vereinigt zu 80 Genossenschaften. Vorsitzende des Vorstandes l Verwalter % Verband-Directoren a Revisoren ? Molkerei-Lehranstalten , Jnstructoren. Amtsrichter. Mitglieder des Vorstandes Mitglieder des Aufsichtsrathes Mitglieder des Verbandsansschusses außer den 80 Verwaltern 160 Arbeiter. 4 */4 Millionen. 80 zu 12 qm. 80 zu 6 HP. 160 160 80 20 Millionen. 800000 kg. 80 .qushEsynroq Unternehmer Geschäftspersonal b. Expedition: Bahnhof Fuhrwerkunternehmer 1 1 27 80 c. Steuern: Gewerbe- und Einkommensteuer von einem Unter- I Grundsteuer, Einkommen- und nehmer. ! von 1890 Unternehmern. d. Anfuhr des Rohmateriales. Waggonladung 1 1890 1890 1890 14000 209 Wagen Milchkutscher Pferde Milchkannen indirecte Steuern Beilage XXIX. XXlX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. e. Production des Rohstoffes. Nebenproduction ans den Schlachthäusern, Fettabfülle aller Art, Nebenprodncte der Bekleidnngsindustrie, nämlich besonders Banmwollsamenöl, auch andere Öle aus tropischen Gewächsen. 50000 300000 5000 1890 500000 Kühe mit qm Stallraum. Melkerinnen oder Melker. Stallwärter. Morgen Land nebst ihrer Bestellung sowie Füttereinfuhr. Diese Berechnung beweiset die erschreckliche Concurrenz, welche dem Bauernstande durch die Margarine-Industrie erwächst. Früher hatte unser Vorarlberg die begehrten Producte seiner Butter und Käse preiswürdig absetzen können in das Inland, nach Italien und Belgien. Unsere gute Alpbutter wurde nach Belgien abgesetzt zur Versorgung der' Schiffe, weil sie haltbar ist. Dieses Absatzgebiet hat eine englische Margarinefabrik an sich gerissen. Alan thut schwer bei der unreellen Concurrenz von Seite der Margarinefabrication und Margarine-Industrie die echten Producte der Butter und Käse abzusetzen, und ihr Preis bleibt tief unter den Productionskosten. Cs wird gewiss mit Recht die gefährliche Lage des Bauernstandes beklagt und die Frage, wie ihm aufzuhelfen, ist eine brennende geworden. Eine nicht zu unterschätzende Ursache der tristen Verhältnisse der Landwirte liegt auch in der fast schrankenlosen Concurrenz vonseite der Margarinefabrikation und dem Handelsverkehr mit deren Kunstprodukten. Vorarlberg hat eine schöne milchreiche Viehratze, zu deren Erhaltung und Verbesserung auf privatem und genossenschaftlichen Wege, auch durch Subvention von Seite des Landes und Staates Anstrengungen gemacht werden. Wohin muss es aber mit der kostspieligen Viehzucht kommen, wenn die Molkerei so schwer geschädiget wird?! Unser Bauernstand kann sich doch nicht herbeilassen zur Mästung der Rinder, um deren Fett billig an die Margarine-Fabrication abzugeben, da im Lande ein Ackerbau nicht betrieben wird und sohin das zur Mästung benöthigte Futter fehlen würde. Auf eine andere Gefahr noch muss der volkswirtschaftliche Ausschuss aufmerksam machen. Wenn nicht ein gutes Margarinegesetz zur Regelung der Margarinefabrication, und des Handelsverkehres geschaffen wird, müssen die Molkereien auch zur Fälschung der Butter und Käse kommen, um auf die Dauer irgendwie der Concurrenz widerstehen zu können. Dies hätte aber den Ruin unserer preiswürdigen Naturprodukte zufolge und wäre ein großer Schaden am ehrlichen Charakter unserer Bevölkerung. Es stellt der volkswirtschaftliche Ausschuss die diesbczügl. Postulate nochmals in Folgendem zusammen. Er verlangt: 1. Die ständige behördliche strenge Überwachung der Margarinefabrication und namentlich auch in Bezug auf die in Verwendung kommenden Rohstoffe. 2. Das Verbot der neu erstehenden Margarinc-Käscfabrication. 3. Das Verbot der Vermischung von Butter mit Margarine oder andern Speisefetten zum Zwecke des Handels mit diesen Mischungen, sowie des gewerbsmäßigen Verkaufes und des Feilhaltens derartiger Mischungen. Ferner, dass zur Herstellung von Margarine und überhaupt zur Nachahmung von Milcherzeugnissen Milch oder ein Prodct von Milch nicht verwendet werden darf. 4. Die gesetzliche Bestimmung des Begriffes „Margarine" dahin, dass jedes Speisefett, welches einen noch so geringen Theil Margarin enthält, als Margarin bezeichnet werde. 210 I. Session der 8. Periode 1897. Beilage XXIX. 5. DasMerbot des Färbens von Margarine, sowie der zur Fabrikation von Margarine zur Verwendung kommenden Fette, um der Margarine das Ansehen von Naturprodukten zu geben. 6. Dass Geschäftsräume und sonstige Verkaufsstellen, in welchen Margarine gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten wird, an in die Angen fallender Stelle die deutliche Jnnschrist: „Verkauf von Margarine" tragen müssen und dass der Verkauf und die Aufbewahrung von Margarine nicht iit solchen Gewerbebetrieben stattfinden darf, wo gleichzeitig Naturbutter imb Naturschmalz verkauft wird, auch sollen int Groß- und Einzelverkauf die Gefäße und Umhüllungen der Margarine das Wort „Margarine" und den Namen des Fabrikanten tragen. 7. Die Feststellung verhältnismäßig empfindlicher Strafen gegen fraudulöse Margarine­ Fabrikanten und Händler und Schaffung diesbezüglicher strafgesetzlicher Bestimmungen. Auf Grund obiger Erörterungen stellt der volkswirtschaftliche Ausschuss den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Die k. k. Regierung wird in Gemäßheit des § 19 V. L.-Q. aufgefordert, zum Schutze der Landwirtschaft und des kaufenden Publikums dem Reichsrathe eine Gesetzes­ vorlage zu unterbreiten, womit int Sinne genannter Erörterungen gesetzliche Bestimmungeit zur Regelung der Margarine-Fabrikation, Margarine-Industrie und des Handelsverkehres mit dieseit Kunstprodukten erlassen werden." Bregenz, den 12. Februar 1897. Martin Thurnher Fink Jos. Obmannstellvertreter. Berichterstatter.