18990405_ltb00371898_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Eingabe_Dornbirn_eigenerSanitätsbezirkVorarlberg

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Letzte Änderung 02.07.2021, 08:53
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,ltb0,lt1898,ltb1898
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
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XXXVII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. III. Session, 8. Periode 1899. Beilage XXXVII. WsvitHI des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe der Genieinde Dornbirn, betreffend die Errichtung eines eigenen öanitätsbezirkes für Vorarlberg. Hoher Landtag! Die Gemeinde Dornbirn weist in ihrer Eingabe darauf hin, dass die wiederholten Bemühungen, für Vorarlberg die Errichtung eines eigenen Sanitätsbezirkes zn erlangen, bisher erfolglos geblieben seien. Trotz dieser erfolglosen Bestrebungen könne sich die Bevölkerung Vorarlbergs in ihrem Bestreben, für Vorarlberg die Schaffung eines eigenen Sanitätsbezirkes zu erwirken, nicht irre machen lassen. Wenn nicht schon frühere Erfahrungen es unzweideutig gezeigt hätten, so hätte dies jedenfalls der jüngst verflossenen Zeit gelingen müssen, und gerade der Umstand, dass Erscheinungen der jüngsten Vergangenheit den Bestand eines einzigen Sanitütsbezirkes für Tirol und Vorarlberg als eine gewiss nicht zu vertheidigende Maßregel erscheinen lassen, rechtfertige auch den Versuch, auf die bisher fruchtlos gebliebenen Schritte immer wieder zurückzukommen. Im weitern wird in der Eingabe der Gemeinde Dornbirn darauf hingewiesen, dass in Vor­ arlberg die Viehzucht eine Haupterwerbsguelle eines großen Theiles der Bevölkerung bilde, und dass die Viehzucht in Vorarlberg, den Eigenthümlichkeiten des Landes entsprechend, in fortschreitender Ent­ wicklung begriffen sei. Dieser Umstand sowie der weitere, dass Vorarlberg mit dem Absätze und der Verwertung seines Viehexportes vielfach auf die angrenzenden auswärtigen Staaten angewiesen sei, sprechen dafür, dass Vorarlberg einen eigenen Sanitätsbezirk bilde. Endlich wird in der bezogenen Eingabe noch die Forderung erhoben, dass bis zur Verwirklichung der Errichtung eines eigenen Sanitütsbezirkes in Vorarlberg für das aus Tirol nach Vorarlberg ge­ langende Vieh eine Contumazierung angeordnet werde. Der volkswirtschaftliche Ausschuss anerkennt voll und ganz die Berechtigung der in der Eingabe der Gemeinde Dornbirn aufgestellten Forderungen. Der Landtag hat wegen Errichtung eines eigenen Sanitütsbezirkes für Vorarlberg schon wiederholt seine Stimme erhoben. Dies geschah insbesondere durch die Landtagsbeschlüsse vom 1. April 1893, 5. März 1893 und 26. Februar 1897, auf welche hiemit verwiesen wird. 311 Beilage XXXVII. XXXVII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Außerdem hat der Landes-Ausschuss mehrmals durch eingehende, wohl motivierte Vorstellungen bei der k. k. Regierung das gleiche Petit erhoben. Es bedarf wohl keiner besonderen Betonung, dass die Viehzucht in Vorarlberg der wichtigste, ohne Zweifel belangreichste landwirtschaftliche Factor ist, zu dessen Förderung mit aller Kraft gearbeitet werden niuss, für welchen aber auch schon namhafte Opfer von Seite des Staates, Landes und einzelner Gemeinden gebracht worden sind. Dadurch wurde der löbliche vorarlbergische Landwirtschaftsverein, welcher sich um die Hebung der Viehzucht im Lande durch seine vieljährige erfolgreiche Thätigkeit große Verdienste erworben hat, in die Lage gesetzt, die bäuerliche Bevölkerung soweit zu bestimmen, um wenigstens den heutigen Zustand zu erreichen. Diese Thätigkeit auf dem Gebiete der Hebung der Viehzucht kann aber nicht als abgeschlossen betrachtet werden, sondern es ist wünschenswert, ja nothwendig, dass auch fernerhin auf dem betretenen Wege fortgeschritten wird, und dass die bezeichneten Factoren auch in der Folge durch materielle linier stützung und einheitliches Zusammenwirken sich den Erfolg für die gebrachten Opfer und Bemühungen zum Wohle der Viehzüchter sichern. Die Eigenart unseres Viehschlages, die wesentlich verschiedene Behandlung, Fütterung und zum Theil auch Leistungsfähigkeit desselben, bedingen eine engere Begrenzung der centralen Beaufsichtigung behufs entsprechender, den Landesverhältnissen mehr anpassenden Handhabung der Veterinär-Polizei. Diese Eigenthümlichkeit wird durch die exponierte, auf drei Seiten vom Auslande eingeschlossene Lage des Landes, sowie durch die Art und Weise des Verkehrs gewiss nur verstärkt. In einem mehr gleichförmig gestalteten Lande mit wenig verschiedenen Bodenverhältnissen, ziemlich einheitlicher Cultur und Viehhaltung, lässt sich mit Hilfe des Telegraphen, auch wenn das zu beaufsichtigende Territorium ein viel größeres Areale aufweist, ohne Schwierigkeit amtieren und verfügen. Hier im Statthaltereigebiet Innsbruck aber, wo die Verschiedenheiten in jedem Thale herrschend hervor­ treten, wo sogar in dem kleinen Vorarlberg die einzelnen Gerichtsbezirke unter sich schon wesentlich modisicierte Cultur- und Viehhaltungs-Nothwendigkeiten erfordern, wird die centrale behördliche Thätigkeit durch die weite Ausdehnung zuverlässig erschwert und dadurch nicht selten verfehlt und ganz lahm gelegt. Hiezu kommt noch ein wichtiger Umstand, nämlich das unerlässliche Erfordernis einer genauen Landeskenntnis. Die unmittelbar amtierenden Organe des Sanitütsbezirkes Innsbruck sind aber durch die schon angedeuteten Verschiedenheiten darauf angewiesen, sich sehr viele solcher Localinformationen an­ zueignen, die dauernd und fruchtbringend nur erworben werden können, wenn die betreffenden Landes­ theile oft und viel in allen ihren Einzelheiten besucht und recht zahlreiche Berührungspunkte mit der Bevölkerung aufgesucht werden können. Dass dies nicht geschieht, im vorliegenden Falle auch nicht geschehen kann, wird wohl allseitig zugegeben werden müssen. Dafür sind die Localbehörden und die Landesorgane officiöser oder rein privatlicher Eigenschaft da, in deren Zusammenwirken der Sache zweifellos besser gedient sein wird. Die Ergebnisse der bisherigen Verfahrungsweisen haben auch zur Genüge bewiesen, dass den Verhältnissen in Vorarlberg nicht die richtige Würdigung zutbeil geworden ist, dass über von hier vorgebrachte Wünsche mehrfach hinweggeschritten, und so dem strebsamen, auf die Ordnung und Consolidierung seiner Veterinär-Zustände emsig bedachten Lande auf diesem Gebiete Hindernisse bereitet, ja mancherlei Nachtheile zugefügt worden sind. Im abgelaufenen Jahre wurde die Hierlands sehr gefürchtete Maul- und Klauenseuche mit Handelsvieh, das Viehhändler aus Südtirol nach Vorarlberg brachten, in das zur damaligen Zeit seuchenfreie Land wiederholt eingeschleppt. Dadurch wurde eine größere Anzahl Viehhalter in Vorarl­ berg schwer geschädiget; der Großtheil der Viehbesitzer entgieng einem unberechenbaren Schaden nur durch Anwendung von ganz energischen Maßnahmen zur Unterdrückung der Seuche. Einzelne Vieh­ besitzer jener Gemeinden, in welche diese Seuche eingeschleppt wurde, sowie einzelne Gemeinden haben in anerkennenswerter Weise keine Opfer gescheut, und das Möglichste gethan, um diese Seuche rasch zum Erlöschen zu bringen. Hiebei wurde soweit gegangen, dass einzelne Seuchenherde durch Keulung 312 III. Session der 8, Periode 1899. Beilage XXXVII. des Viehstandes beseitiget wurden. In anderen Fällen wurde der von der Seuche befallene Viehstand, selbst auf hochgelegenen Alpen, während der ganzen Zeit der Seuchendauer unter Stallsperre gehalten, wobei die Herbeischaffung des Futters selbstverständlich mit großen Kosten und Mühe verbunden war. Diese Maßnahmen waren vom besten Erfolge. Dieselben gieugeu zweifelsohne in mancher Beziehung über die zur Bekämpfung von Seuchen bestehenden gesetzlichen Vorschriften hinaus. Es ist wohl klar, dass es leichter und mit weniger Kosten verbunden ist, Maßnahmen gegen die Einschleppung von Seuchen in ein Land zu treffen, als bereits eingeschleppte Seuchen zu unter­ drücken. Wenn dem Lande Vorarlberg nicht das Recht eingeräumt wird, selbständig Verfügungen gegen die Einschleppung der Seuchen zu treffen, so wird auch nach und nach der Eifer in Bekämpfung der Seuchen in der Bevölkerung erlahmen. Es ist daher unverständlich, wie die Regierung bei dieser Sach­ lage in veterinär-sanitärer Hinsicht immer noch an Einrichtungen centraler Beaufsichtigungen und Ver­ fügungen festhält, und diese Einrichtungen nicht den Eigenthümlichkeiten des Landes Vorarlberg ent­ sprechend anpassen will. Es muss daher nach alledem immer wieder die Forderung erhoben werden, das Land Vorarl­ berg in Handhabung seiner Veterinär-Polizei auf eigene Füße zu stellen, demselben in Berücksichtigung seiner vorgeschobenen, viel mehr als alle anderen Kronländer mit dem Auslande in Berührung stehen­ den geographischen Lage, die Einrichtungen eines eigenen Veterinür-Sanitäts-Bezirkes zuzuwenden, und so die Möglichkeit zu verschaffen, seine Bedürfnisse in Betreff der Zucht, der Haltung und des Verkehres mit Nutzthieren nach den im Lande selbst als heilsam erkannten Grundsätzen, selbstverständlich im Rahmen der bestehenden staatlichen Vorschriften, selbständig zu ordnen. Bis zur Verwirklichung der angeregten Maßregel sollte einstweilen, wenn in Tirol eine Vieh­ seuche besteht, eine Contumaz für das nach Vorarlberg über die Tiroler Grenze einzuführende Vieh entweder an der Einbruchsstation oder an den vorhandenen Ausladestationen verfügt werden, durch welche dem Lande Vorarlberg wenigstens ohne Aufschub ein Schutz gegen die nur zu häufig durch das importierte Handelsvieh auch mitgebrachten Seuchen zutheil werden könnte. In Anbetracht dieser Umstände stellt der volkswirtschaftliche Ausschuss folgende: Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Die k. k. Regierung wird dringend ersucht: 1. Die Errichtung eines eigenen Veterinär-Sanitäts-Bezirkes für Vorarlberg zu bewilligen und die geeigneten Maßnahmen zur Durchführung zu treffen; 2. bis zur Verwirklichung der Errichtung eines eigenen Sanitäts-Bezirkes die Verfügung zu treffen, dass, wenn in Tirol eine Viehseuche besteht, das über die Tiroler Grenze nach Vorarlberg gelangende Handelsvieh einer Contumazierung unterzogen werde." Bregenz, den 5. April 1899. Johann Kohler, Jodok Fink, Obmann. Berichterstatter. Truck von I. N. Teutsch, Bregenz. 313