18990415_ltb00401898_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Mustersennerei_Lehrsennerei_Doren

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Letzte Änderung 02.07.2021, 08:58
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp08,ltb0,lt1898,ltb1898
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
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Inhalt des Dokuments

XL. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Laildtages. III. Session, 8. Periode 1899. Beilage XL. Wovicht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend die Errichtung einer Muster- und 5ehrsennerei in der Gemeinde Poren. Hoher Landtag! Aus Mittheilungen des k. k. Ackerbau-Ministeriums geht hervor, dass bei demselben seit einiger Zeit die Absicht bestand, in Österreich eine Muster- uud Lehrsennerei für die Fabrication von Laibkäsen zu errichten. Durch zwei fachliche Firmen, die Käsehandlungeu Burkart und Gebrüder Wild in Wien, wurde die Aufmerksamkeit des k. k. Ackerbau-Ministeriums auf Vorarlberg gelenkt, indem dieselben auf Grund ihrer geschäftlichen Erfahrungen Vorarlberg zur Errichtung einer solchen Anstalt für sehr geeignet erklärten. In weiterer Verfolgung dieser Angelegenheit fand am 10. März d. I. in der Landes-Ausschuss­ kanzlei in Bregenz eine Berathung statt, zu welcher der k. k. Hofrath im Ackerbau-Ministerium, Herr Meißl, sammt den Fachleuten Herrn Burkart und Wild aus Wien beigekommen waren, und an der die Vor­ standschaft des vorarlbergischen Landwirtschaftsvereines sowie die Mitglieder des Landes-Ausschusses sammt zwei Ersatzmännern theilnahmen. Herr Hofrath Meißl theilte den Anwesenden die Absicht der Regierung, in Vorarlberg eine Muster- und Lehrsennerei zu errichten, mit und erörterte in großen Zügen, wie die Sache gedacht sei. Die Vorstandschaft des vorarlbergischen Landwirtschaftsvereines sowie der Landes-Ausschuss begrüßten den Antrag des Ackerbau-Ministeriums und erklärten übereinstimmend, Doren sei der geeignete Ort zur Errichtung einer solchen Anstalt, weil dort den größeren Theil des Jahres hindurch eine genügende, ziemlich gleich bleibende Menge Milch zur Verfügung stehe und nach den in Doren bestehenden Viehhaltungsverhältnissen die Errichtung einer Muster- und Lehrsennerei der Hebung der Viehzucht nicht hinderlich sei. Der volkswirtschaftliche Ausschuss pflichtet diesen Anschauungen vollständig bei und glaubt zum allgemeinen Verständnisse über das Wesen und die Errichtung einer Muster- und Lehrsennerei in Doren und über die in Aussicht genommene Beitragspflicht des Staates und Landes dadurch am besten bei­ tragen zu können, dass er im folgenden die Vorschläge des k. k. Ackerbau-Ministeriums für die Errichtung einer Muster- und Lehrsennerei in Doren der Hauptsache nach bekannt gibt. Dieselben sind: 319 Beilage XL. XL. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. I. Wahl -es (Ortes für -ie Lehrsennerei. Die Errichtung der Mustersennerei in D o r e n bei Bregenz empfiehlt sich aus folgenden Gründen: 1. In Doren kann eine mehr als genügend große Milchmenge (einige Tausend Liter täglich) aus der nächsten Umgebung zusammengebracht werden. Die Milch ist von guter Qualität, namentlich von hohem Fettgehalt, und steht das ganze Jahr hindurch in ziemlich gleich­ bleibender Menge zur Verfügung. 2. Seit hundert Jahren wird hier die Käserei in größerem Umfange betrieben. geringen Umkreise bestehen ziemlich viele Küsereigenossenschaften. In einem II. Zweck -er Anstalt. 1. Verbesserung der Laibkäserei (Hartkäserei), besonders Einführung der Emmenthaler-Käserci. 2. Ausbildung von tüchtigem Käsereipersonale. 3. Als Musterkäserei und Auskunftsstelle für die einheinüschen Käsereien und Milchproducenten. 4. Förderung der Käsereigenossenschaften durch das Muster der Betriebsführung, durch Belehrung und Beistellung eines gut geschulten Personales. III. Durchführungsplan. Es wird vonl hohen k. k. Ackerbau-Ministerium oder aus den Mitteln desselben in Doren eine Muster- und Lehrsennerei errichtet, ausgestattet mit den neuesten und zweckmäßigsten Einrichtungen für Emmenthaler-Käserei, welche nach Fertigstellung in das Eigenthum des Landes Vorarlberg übergeben wird. Die nöthige Milch wird von den Genossenschaften Hubcn-Kaltschmitten-Beidenkirchen, eventuell auch Brenden und Amberg in der beiläufigen Menge von täglich 2500 bis 5000 Litern angekauft und ausschließlich auf Laibkäse verarbeitet. Erzeugt werden hauptsächlich Emmenthaler, nebenbei auch Halb-Emmenthaler und Groyer-Käse. Die Molke wird zurückgegeben, doch wird daraus zuvor noch Vorbruchbutter gewonnen. In der Sennerei werden jährlich etwa 12 Zöglinge in ganzjährigen Cursen ausgebildet. Die Zöglinge erhalten auch den nöthigen theoretischen Unterricht und werden in einem eigenen, adaptierten Gebäude untergebracht und verpflegt, sowie unter Aufsicht gehalten. Die Arbeiten in der Käserei werden zum größten Theile von den Zöglingen unter Aufsicht und Anleitung eines Oberkäsers und Hilfskäsers aus­ geführt; es ist deshalb wünschenswert, dass die Zöglinge vor dem Eintritte in die Lehrsennerei in der Käsereipraxis gestanden sind. Aus dem Erlös der Käserei werden (neben Bezahlung der gelieferten Milch) die Betriebs­ unkosten, die Gehalte des Lehr- und Hilfspersonales und die Instandhaltung der Anstalt bestritten. Die Deckung eines etwaigeil Betriebsabganges bis zum Marimalbetrage voll jährlich 1000 fl. übernimmt das Land Vorarlberg. Im Falle, als der Abgang 1000 fl. überschreiten sollte, behält sich das Ackerball-Ministerium die weitere Schlussfassung wegen Deckung des Abganges vor. Das Ackerbau-Ministerium erklärt sich bereit, in berücksichtigungswerteil Fällen Stipendieil zum Besuche der Käsereischule zu gewähren, und es wäre sehr erwünscht, wenn auch das Land Vorarlberg das Gleiche thun würde. Die einleitenden Schritte zilr Erwerbung des Baugrundes, Abschluss von Milchpachtverträgen, Einleitung des Baues, Beschaffung von Käsereipersonal rc. erbietet sich Herr S. Burkart in Gemein­ schaft mit den Beauftragten des k. k. Ackerbail-Ministeriums zu übernehmen. 320 Beilage XL. III. Session der 8. Periode 1899. IV. Einrichtung -er Lehr-Sennerei. Die Sennerei soll bestehen cui§: 1. Käseküche mit zwei Käsekesseln (1 mit Feuerwagen, 1 mit Warmwasserheizung), Käse' pressen u. s. w. 2. Salzraum mit Bassin für Salzbad. 3. Küsespeicher mit Warmwasserheizung. 4. Käsekeller mit zwei Abtheilungen. 5. Milchannahmeraum. 6. Kleinem Laboratorium. 7. Unterrichtsraum. Die Kosten für den Bau und die Einrichtung der Sennerei dürften sich auf etwa 30.000 fl. belaufen. Die Wohnungen für das Personal und die Schüler können durch Adaptierung eines vor­ handenen Genossenschaftsgcbäudes mit geringen Kosten beschafft werden. Die Oberleitung der Schule bleibt dem Ackerbau-Ministerium vorbehalten, während die im= mittelbare Leitung durch einen Aufsichtsrath und die Direction ausgeübt wird. V. Erfsvderliches Ferrssnal und Gehalte. 1. Ein Leiter, theoretisch und praktisch ausgebildet in der Käserei, hat die verantwortliche Oberaufsicht, führt die Milchprüfnngen durch und ertheilt den theoretischen Uiüerricht. Gehalt 1500 fl. nebst freier Wohnung und Molkereiproducten. 2. Ein Oberkäser; Gehalt 900 fl. und freie Wohnung. 3. Ein Käsergehilfe; Gehalt 300 fl. und Wohnung. VI. Lehrgang. Der größte Theil der Zeit entfällt auf die praktischen Arbeiten in der Käserei. Der theoretische Unterricht beschränkt sich auf Stallhaltung und Viehpflege, Erläuterungen zur Käserei und Milchwirtschaft überhaupt und Buchführung; er soll etwa eine Stunde des Nachmittags in An­ spruch nehmen, eine weitere Nachmittagsstunde wird der Vornahme von Milchprüfnngen zu widmen sein. Von Zeit zu Zeit werden die Zöglinge zu Stallinspectionen und praktischen Demonstrationen im Viehstall herangezogen und sollte diesbezüglich, sowie für allfällige Übungen im Melken und anderen Stallarbeiten ein Übereinkommen mit einem nahegelegenen Stallbesitzer getroffen werden. VII. rMlchliefernngs-Verträge. Um der Käserei den vollen Erfolg und einen ungestörten Betrieb zu sichern, wird für die Milcheinlieferung ein festes Milchregulativ, etwa nach dem Muster des Regulativs des Bernischen Käse­ verbandes, doch mit einigen Milderungen und den localen Verhältnissen angepasst, eingeführt werden. Die Milchbezahlung hat auf Grund einer Gehaltsprüfung zu geschehen. Die Einlieferung tadelloser Milch sollte durch besondere Prämien für die bestqualificierten Milchen gefördert werden. VIII. Änfnahine VSN Zöglingen. Ausgenommen werden normalerweise nur junge Männer, die über 17 Jahre alt sind und eine entsprechende Volksschulbildung genossen, sowie bereits eine längere Küsereipraxis haben. 321 Beilage XL. XL. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Die Aufnahme erfolgt durch den Aufsichtsrath über Vorschlag der Direction. Die Zahl ist auf 12 beschränkt. Der Lehrcurs dauert ein Jahr. Die Prüfung und Zeugnisertheilung kann erst mit deut Nachweise einer zweijährigen Praxis außerhalb der Lehrsennerei erfolgen. Für Verpflegung (Kost und Wohnung) und Unterricht hätten die Schüler einen entsprechenden Betrag von etwa 15—20 Gulden monatlich zu erlegen. Schüler mit mehr als einjähriger Käserei­ praxis können von dieser Gebür ganz oder theilweise enthoben werden, und wäre ihre Arbeit als Äqui­ valent dafür anzusehen. Für Schüler aus Vorarlberg kann die Gebür ebenfalls ermäßiget, dagegen für solche aus dem Auslande erhöht werden. IX. Hospitanten« Die Zulassung von Hospitanten ist von der Zustimmung des Aufsichtsrathes abhängig zu machen. Die Zahl der jeweiligen Hospitanten wäre auf vier zu beschränken und wäre von denselben ein höheres Honorar, beispielsweise von Einheimischen 10 fl., von Ausländern 20 fl. pro Woche einzuheben. Nach diesen Vorschlägen erfolgt die Errichtung der Muster- und Lehrsennerei in Doren, ausgestattet mit den „neuesten und zweckmäßigsten Einrichtungen" auf Kosten des Staates. Nach Errichtung und Einrichtung der Anstalt geht diese in das Eigenthum des Landes über. Erster Zweck der Anstalt ist, geschulteres Sennereipersonal überhaupt, insbesondere aber zur Verarbeitung der Milch auf Emmenthalerkäse heranzubilden. Zunächst ist in Aussicht genommen, jungen Männern von Vorarlberg, welche die Laibkäserei mit genauer Milchprüfung erlernen wollen, unter erleichterten Bedingungen hiezu Gelegenheit zu verschaffen. Von Seite der Regierung ist in Aussicht genommen, den Frequentanten der Sennereischule vom Staate Stipendien zu gewähren, wobei die Regierung die Anregung macht, auch vom Lande die Verleihung von Stipendien in Aussicht zu nehmen. Diesbezüglich ist der volkswirtschaftliche Ausschuss der Anschauung, dass an weniger bemittelte Vorarlberger, welche den einjährigen Curs an der gedachten Schule mit gutem Erfolge mitmachen, aus Landesmitteln Stipendien in Aussicht gestellt uud gewährt werden sollen. Wie aus den oben angeführten „Vorschlägen" der Negierung hervorgeht, hätte das Land bei einem allfälligen Betriebsdeficit zur Deckung desselben insoweit beizutragen, als aus Landesmitteln ein Beitrag bis zu jährlich 1000 fl. hiefür in Aussicht zu stellen wäre. Nachdem der Staat die Erstellung der Anstalt uud die Einrichtung derselben aus Staatsmitteln besorgt und dabei auf Rückvergütung der vom Staate hiefür verausgabten Mittel verzichtet; nachdem die Anstalt kostenfrei in das Eigenthum des Landes übergeht und dem Interesse der landwirtschaftlichen Bevölkerung entspricht, so ist der volkswirtschaftliche Ausschuss der Ansicht, dass zur Deckung eines allfälligen Betriebsdeficites ein Landesbeitrag bis zu 1000 fl. in Aussicht gestellt werden soll. Für den Fall, als in einzelnen Jahren Gebarungsüberschüsse erzielt würden, soll aus denselben ein Reservefond gebildet werden. Derselbe hätte zunächst zur Deckung der Bedürfnisse der Anstalt, sowie eventuell zur Ausgestaltung derselben, dann zur Dotierung von Prämien für die beste an die Käserei gelieferte Milch und endlich für hervorragende Leistungen auf milchwirtschaftlichem und vieh­ züchterischem Gebiete Verwendung zu finden. . Gestützt auf diese Sachlage und Erwägungen stellt der volkswirtschaftliche Ausschuss folgende Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: „1. Für den Fall, als auf Kosten des Staates in Doren eine Muster- und Lehrsennerei errichtet wird, wird zur Deckung eines allfälligen Betriebsabganges aus dem Fonde zur Hebung 322 in. Session der 8. Periode 1899. Peilcige XL der Rindviehzucht in jenen Jahren, in welchen ein solcher Abgang nachgewiesen wird, ein Beitrag bis zu 1000 fl. gewährt. 2. Wenn die in Aussicht genommene Muster- und Lehrsennerei in Doren vor der nächsten Landtagssessiou eröffnet wird, erhält der Landes-Ausschuss die Ermächtigung, an weniger­ bemittelte Vorarlberger Schüler, welche den einjährigen Curs an der Muster- und Lehr­ sennerei in Doren mitmachen, Stipendien aus dem Fonde zur Hebung der Viehzucht zu gewähren." Bregenz, am 15. April 1899. Jodok Fink, Johann Kohler, Obmann. Berichterstatter. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 323