18980122_ltb00351898_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Petition_katholisch_konstitutionellesBürgercassinoDornbirn_gewerblicheFachschulen

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Letzte Änderung 02.07.2021, 09:13
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt08,ltb0,lt1898,ltb1898
Dokumentdatum 2021-07-02
Erscheinungsdatum 2021-07-02
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XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. II. Session, 8. Periode 1898. Beilage XXXV. des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Petition des kath.-constit. Bürgercasinos in Dornbirn in Betreff der Errichtung von gewerblichen Fachschulen im Lande. Hoher Landtag! Das kath.-constit. Bürgercasino Dornbirn hat mit der durch den Herrn Landeshauptmann überreichten Petition d.d. 14. November 1897 die Bitte an den hohen Landtag gestellt, bei der hohen Regierung „die Errichtung gewerblicher Fachschulen wärmstens zu befürworten." In gleichem Sinne petitioniert der Verband der Genossenschaften handwerksmäßiger Gewerbe in einer Eingabe de präs. 14. d. M., welche gleichfalls vom Herrn Landeshauptmanne eingebracht wurde. Wenu auch die Argumente der Petitionen nicht im vollen Umfange als zutreffend anerkannt werden können, da es beispielsweise den thatsächlichen Verhältnissen nicht entspricht, dass der Hand­ werkerstand in Vorarlberg durch die maschinelle Arbeit reduciert wurde, indem er gerade in jenen Orten, wo die Industrie zur größeren Entfaltung gelangt ist, einen in die Augen springenden Auf­ schwung genommen hat, so kann doch nicht verkannt werden, dass die Errichtung gewerblicher Fach­ schulen im besonderen Interesse des Handwerkerstandes und des ganzen Landes gelegen wäre. Es kann auch nicht eingeräumt werden, dass das Stuccaturgewerbe in seiner Leistungsfähigkeit zurückgegangen ist, und muss der Grund, warum die Stuccatur bei Kirchenbauten derzeit so wenig in die Erscheinung tritt, lediglich in den angewendeten Baustilen gesucht werden. Nachdem nun aber der Rococostil, welcher der Phantasie in der plastischen Dekoration einen weiteren Spielraum gewährt, neuerdings bei Profanbauten wenigstens vielfach Anwendung findet, so dürfte es als zeitgemäß erkannt werden, gerade diesem Gewerbe durch Fachschulen einen kräftigeren Impuls zu verleihen. Dass eine bessere Ausbildung den Handwerker erwerbsfähiger macht, indem sie ihm das Mittel in die Hand gibt, durch erhöhte qualitative Arbeitsleistung den Concurrenzkampf mit in- und ausländischen Erzeugnissen zu bestehen, kann nicht bestritten werden. Und wenn in allen Provinzen dieses Reiches Gewerbe- und Fachschulen entstehen, welche die Kunstfertigkeit und den Geschmack der 197 Beilage XXXV. XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages. Holzarbeiter, Schlosser rc. rc. zu heben geeignet sind, so muss es als eine Beeinträchtigung des ein­ schlägigen Handwerkerstandes von Vorarlberg betrachtet werden, wenn ihm das Diittel zur höheren Ausbildung versagt bleibt. Vorarlberg erscheint, wie in der Petitioll zutreffend hervorgehoben wurde, in dieser Richtung bisher etwas stiefmütterlich behandelt, was aus dem Vergleiche mit dem Aufwande erhellt, welcher für die Zwecke gewerblicher Ausbildung für Tirol vom Staate geleistet wird. Während in Vorarlberg nur eine k. k. Fachschule für Maschinenstickerei mit einer Kostensumme von ft. 5210 besteht, zu welchem staatlichen Aufwand noch zu zählen wären: die Subvention der gewerblichen Fortbildungsschulen von st. 2060, sowie die st. 600 Handwerkerstipendien für Vorarlberger zuni Besuche der Gewerbe­ schule in Innsbruck, wonach sich die Gesainmtleistung des Staates für gewerblichen Unterricht in Vor­ arlberg auf fl. 7870 beläuft, unterhält der Staat in Tirol die Gewerbeschule in Innsbruck mit Filiale in Hall, eine Handwerkerschule in Imst und zwölf Fachschulen mit einem Gesammtkostenaufwande von circa st. 119.000. Wenn nun auch nicht verkannt werden kann, dass die Staatsgewerbeschule in Innsbruck auch den Vorarlbergern zugänglich ist, indem der Weg dahin aus Vorarlberg nicht weiter ist als aus manchen Gegenden Tirols, so geht doch aus obigen Ziffern klar hervor, dass auf dem Gebiete der Fachschulen für Tirol vom Staate ungleich mehr geleistet wird als für Vorarlberg. Es erscheint demnach das Begehren, dass der Staat unserem Lande zur Förderung gewerblichen Unterrichtes in größerem Maße entgegenkomme, gerechtfertiget. Wie dies geschehen sollte, ist vom volkswirtschaftlichen Ausschüsse, welcher das Wünschenswerte nur im Rahmen des Erreichbaren verfolgt, in reifliche Erwägung gezogen werden. Der volkswirtschaftliche Ausschuss findet nun, dass eine Staatsgewerbeschule, welche für eine ganze Gruppe gewerblicher Fächer Befriedigung böte, aus dem Grunde nicht anzustreben sei, weil in Vorarlberg so volkreiche Mittelpunkte gewerblichen Lebens nicht vorhanden sind, dass mit Wahrschein­ lichkeit auf eine entsprechende, den bedeutenden, mit einer solchen Schule verbundenen Lasten recht­ fertigende, den Fortbestand derselben verbürgende Frequenz geschlossen werden könnte. Es kann aber durch Fachschulen die gewerbliche Ausbildung gehoben werden, nur dürfte dies nicht einseitig geschehen, sondern es müsste eine ganze Gruppe im Lande bestehender Gewerbe mit Fachanstalten bedacht werden. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubt daher, dass die Errichtung von je einer Fachschule für Holzbearbeitung, für Schlosserei und für Stuccatnr angestrebt werden möge und stellt sich damit auf den Standpunkt der vorliegenden Petitionen. Wenn aber das hohe Ministeriunl für Cultus und Unterricht sich nicht geneigt finden sollte, diesem Wunsche in der ganzen Ausdehnung zu entsprechen und etwa nur die eine oder die andere der genannten Fachschulen zu errichten sich herbeilassen wollte, so wäre einer solchen halben Maßregel, welche nur einem Gewerbe zustatten käme, vorzuziehen, dass Staatsstipendien für angehende Handwerker aus Vorarlberg zum Besuch von Staats-, Gewerbeund Fachschulen anderer Provinzen in einem Gesammtausmaße, welches den approximativen, mit mindestens 4000 Gulden anzunehmenden jährlichen Kosten einer Fachschule entspräche, gewährt würden. Wenn auch die Sumnre von 4000 Gulden für Handwerkerstipendien auf den ersten Blick etwas hochgegegriffen erscheinen mag, so muss doch anerkannt werden, dass damit eine allgemeine Förderung der im Lande bestehenden Gewerbe mit einem Aufwande erzielt würde, welcher das Durch­ schnittserfordernis einer einzigen Fachschule, mit der doch nur ein partieller Erfolg erzielt werden könnte, kaum erreicht; es muss auch anerkannt werden, dass Vorarlberg dadurch noch keineswegs auf dem Gebiete gewerblichen Unterrichts so begünstiget wie Tirol erschiene. Die Centralcommission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichts hat schon im Jahre 1882 das Stipendienspstem als weniger kostspielig und sicherer im Effect empfohlen; es wurde auch darauf hingewiesen, dass damit hervorragendere Talente als gesuchtes und oft entbehrtes Schülermateriale für die höheren Anstalten des Reiches gewonnen werden könnten. 198 II. Session der 8. Periode 1898. Beilage XXXV. Von vorgehenden Erwägungen geleitet, stellt der volkswirtschaftliche Ausschuss den Antrag: „Der hohe Landtag wolle beschließen, den Landesausschuss zu beauftragen, beim hohen Ministerium für Cultus und Unterricht um Errichtung aus Staatsmitteln von je einer Fachschule für Holzbearbeitung, für Schlosserei und Stuccatur an geeigneten Orten des Landes einzukommen, im Falle aber eine hohe Unterrichtsverwaltung auf eine solche Action zur Förderung gewerblichen Unterrichtes nicht in dem ganzen Umfange eingehen sollte, sich dahin zu verwenden, dass Staatsstipendien im Gesammtbetrage von 4000 Gulden für angehende Handwerker und Kunsthandwerker aus Vorarlberg zum Besuche höherer gewerb­ licher Lehranstalten aller Kategorien -gewährt werden." Bregenz, den 22. Jänner 1898. Johann Kohler, A. Ganahl, Obmann. Berichterstatter. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 199