18960121_ltb0371896_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_SelbständigerAntrag_Normenabänderung_Polizeistundenhandhabung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 21:01
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1896,ltb1896,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXXVII. der Beilagen zu den ftenogr, Protokollen des Vorarlberger Landtags. VI. Session, 7. Periode 1896. Beilage XXXVII. des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den selbständigen Antrag der Abgeord­ neten Kink und Genossen betreffend die Abänderung der Normen in Angelegenheit der Handhabung der Polizeistunde. Hoher Landtag! Die Antragsteller führen aus, dass durch die Statthaltereiverordnung vom 3. Juni 1895 L.-G.-Bl. Nr. 30 die bis dahin geltenden Normen betreffend die Einhaltung der Polizeistunde in einer Weise eine Abänderung erfuhren, welche geeignet sei, die Überwachung der Polizeistunde durch die Organe der Localpolizei sehr zu erschweren, ja in ausgedehnten Gemeinden fast illusorisch zu machen. Diese Verordnung enthält unter anderem die Verfügung, dass die Organe der Localpolizei bei wahrgenommenen Übertretungen zunächst den dafür verantwortlichen Inhaber des Gewerbes an die Erfüllung seiner Pflicht zu erinnern haben. Bleibt diese Erinnerung selbst nach Verlauf einer halben Stunde fruchtlos, so sind jene Gäste, tvelche über die von den erwähnten Organen an sie unmittelbar gemachte Aufforderung sich nicht sofort entfernen, hiezu zu verhalten, und unterliegen, insoferne nicht eine durch das allgemeine Strafgesetz verpönte Handlung mit unterläuft, der Bestrafung. Die Bestimmung steht in Rücksicht auf die Bestrafung der verantwortlichen Gewerbeinhaber zum Mindesten im Widerspruche mit Punkt 3 der citierten Verordnung, welche verfügt: „Werden Gast-, Schank- oder Kaffeehaus-Localitäten über die festgesetzte oder erweiterte Polizeistunde offen gehalten, oder werden sie zwar nach dieser Stunde gesperrt, wird aber dennoch Gästen der Zutritt oder das längere Verbleiben in denselben gestattet, so sind die Inhaber nach der kaiserlichen Verordnung vom 20. April 1854, R.-G.-Bl. Nr. 96, zu bestrafen.". Hiernach sollte man annehmen dürfen, dass der Gewerbeinhaber sich der Übertretung schuldig gemacht habe und somit strafbar wäre, wenn er die betreffenden Locale zur festgesetzten Stunde, also in den Städten und Märkten, sowie in Orten mit 4000 und mehr Einwohnern um 12 Uhr, in allen übrigen Orten um 11 Uhr nachts, nicht gesperrt habe. Wenn nun im oben citierten Punkt 4 den Organen der Localpolizei zur Pflicht gemacht wird, bei wahrgenommenen Übertretungen zunächst den dafür verantwortlichen Inhaber der Ge217 Beilage XXXVII. XXXVII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. werbe an die Erfüllung seiner Pflicht zu erinnern und wenn weiter bestimmt wird, dass, wenn diese Erinnerung selbst nach Verlauf einer halben Stunde fruchtlos bleibt, die Organe der Ortspolizei erst einschreiten können, steht das offenbar im Widerspruch mit dem citierten Punkte 3 und wohl auch mit dem Eingang des Punktes 4, welcher von „wahrgenommenen Übertretungen" spricht. Diese sich widersprechenden Normen erweisen sich nun in der Durchführung zur Erreichung des angestrebten Zweckes als ganz unzulänglich und unpraktisch. Insbesondere ist die Bestimmung, dass die Organe der Localpolizei bei wahrgenommenenübertretungen zunächst den Inhaber des Gewerbes an seine Pflicht zu erinnern und dann erst nach Verlauf einer halben Stunde eigentlich einschreiten können, geeignet, die Über­ wachung der Polizeistunde in ausgedehnten Gemeinden fast unmöglich zu machen. Es ist gar nicht einzusehen, weshalb bei wahrgenommener Übertretung sowohl dem Inhaber des Gewerbes, als auch den Gästen noch eine halbstündige Frist zu. gewähren sei. Ebenso ist es unerklärlich, dass die Gäste, wenn sie nach Verlauf einer halben Stunde sich' noch nicht entfernt haben, noch straflos ausgehen sollten, wenn sie sich dann sofort entfernen. Soll die Polizeistunde zweckentsprechend gehandhabt werden können, so ist die Änderung dieser Bestimmungen dringend geboten, Es sollte bestimmt werden, dass der Inhaber der bezeichneten Gewerbe zur festgesetzten Stunde den anwesenden Gästen die Polizeistunde in Erinnerung zu bringen und sie unter Hinweis auf die sie treffenden Folgen aufzufordern habe, das Local zu verlassen, wobei er selbstverständlich denselben nichts mehr verabreichen darf und wobei aus seinem ganzen Benehmen zu ersehen ist, dass er den Weggang der Gäste wünscht. Desgleichen sollte dem Gewerbeinhaber untersagt sein, nach dieser Stunde ankommenden Gästen den Zutritt zu den Gast- und Schank-Localitäten zu gestatten. Wenn nun die Organe der Localpolizei nach der festgesetzten Polizeistunde in den Localen der Gast- und Schankgewerbe erscheinen, hätten sie zuerst'den, Inhaber des^ Gewerbes oder, in Ab­ wesenheit desselben, dessen Stellvertreter in Gegenwart der Gäste zu befragen, ob er seine Pflicht erfüllt habe. In dem auch von Seite der Gäste unwidersprochen bejahenden Falle sollte der Inhaber des Gewerbes straflos ausgehen, dagegen sollten in diesem Falle die Gäste zur Verantwortung ge­ zogen und gestraft werden. Die Organe der Localpolizei hätten daher die anwesenden Gäste vorzu­ merken, um sie bei der Gemeindevorstehung zur Anzeige zu bringen. Nach geschehener Vormerkung hätten die genannten Organe an die Gäste unmittelbar die Aufforderung zu richten, sich sofort zu entfernen und sie eventuell dazu zu verhalten. Für den Fall, als bei wahrgenommener Übertretung durch die Polizeiorgane oder die Ver­ handlungen der Gemeindevorstehung festgestellt werden kann, dass der Inhaber des Gewerbes seine Pflicht in irgend einer auf die Handhabung der Polizeistunde bezughabenden Weise nicht erfüllt hat, so sollte der Inhaber des Gewerbes der Bestrafung unterliegen, während in diesem Falle die Gäste unter der Bedingung, dass sie über die von den erwähnten Organen unmittelbar an sie gerichteten Aufforderung, sich zu entfernen, sofort Folge leisteten, straflos bleiben sollen. Wenn der Inhaber des Gewerbes von dem Gemeindevorstande gestraft wird, sollte, wie das in einzelnen Bezirken angeordnet ist, jede derartige Bestrafung der politischen Bezirksbehörde als Gewerbebehörde I. Instanz zur Anzeige gebracht werden, damit dieselbe in die Lage versetzt wird, bei wiederholter Übertretung dem betreffenden Gewerbeinhaber die Gewerbeberechtigung zeitweilig oder für immer zu entziehen. Wenn die Normen bezüglich der Einhaltung der Polzeistunde in diesem Sinne abgeändert würden, wären dieselben durchführbar und würde doch Niemanden Unrecht geschehen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss glaubt daher, der hohe Landtag solle die k. k. Regierung dringend auffordern, in dem angedeuteten Sinne die Normen für Einhaltung der Polizeistunde ab­ zuändern. Bei den heute bestehenden Vorschriften wird die den Gemeinden übertragene Überwachung der Polzeistunde sowohl für die Organe der Localpolizei als auch den Gemeindevorständen, insoweit 218 VI. Eesfion der 7. Periode 1896. Beilage XXXVII. diese Gemeindefunctionäre ihre Pflicht erfüllen, zu einer mit vielen Mühen unb Widerwärtigkeiten verbundenen Agende, die den angestrebten Zweck trotzdem nicht annähernd erreicht. Der Vorarlberger Landtag hat sich schon öfter dahin ausgesprochen, diese Normen sollten genau und präcis gefasst und insbesondere derart sein, dass, wenn eine Übertretung constatiert wird, die Schuldtragenden zur Verantwortung gezogen werden können und sollen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss hält es deshalb für ganz gerechtfertiget, dass sich der hohe Landtag in Anbetracht der fast gänzlichen Undurchführbarkeit der heute bestehenden Normen, dann aber insbesondere deshalb, weil er überzeugt ist, dass präcise und leicht durchführbare Bestim­ mungen zur Einhaltung der Polizeistunde auch den guten Zweck derselben erfüllen würden, an die k. k. Regierung zu wenden habe. Die genaue Einhaltung der Polizeistunde ist nicht blos vom Standpunkte der Aufrechthaltung von Ruhe und Ordnung in einer Gemeinde, sondern insbesondere auch im Interesse der Einschränkung der Trunksucht und des Spieles, sowie im Interesse der geistigen und materiellen Wohlfahrt der Bevölkerung von hoher Wichtigkeit. In Anbetracht dessen erhebt der volkswirtschaftliche Ausschuss den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Die k. k. Regierung wird aufgefordert, die heute geltenden Normen, betreffend die Einhaltung der Polizeistunde, im Sinne der vorstehenden Andeutungen abzuändern, damit die Einhaltung der Polizeistunde im Lande Vorarlberg ermöglicht und gefördert werde." Bregenz, den 21. Januar 1896. Johannes Thuruher, Jodok Fink, Obmann. Berichterstatter. Druck von Z. 31. Teutsch, Bregenz. 219