18960128_ltb0521896_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Eingabe_Gaschurn_drohendeBergabrutschung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 20:58
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1896,ltb1896,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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LIL der Beilagen 311 den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. VI. Session, 7. Periode 1896. Beilage LIL AjsrieHt des volkswirtschaftlichen Ausschusses über die Eingabe der Gemeinde Gaschurn betreffend die drohende Bergabrntschung in parthenen. Hoyer Landtag! In dem vorliegenden Gesuche der Gemeinde Gaschurn wird darauf hingewiesen, dass die Bewohner der zur Gemeinde Gaschurn gehörigen Ortschaft Parthenen schon im Jahre 1893 und im Jahre 1894, in ganz außerordentlicher Weise aber im September und October des Jahres 1895 durch den Absturz von Felsblöcken vom Tavamont-Berge in Schrecken versetzt morden seien. Den ganzen Uinfang der Gefahr haben die Bewohner genannter Ortschaft aber erst dann erkannt, als auf Grund fachmännischer Erhebungen die k. k. Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Gemeindevorstehung hierauf aufmerksam gemacht und entsprechende Vorkehrungen angeordnet habe. Die Bitte geht dahin: „Der h. Landtag wolle Fürsorge treffen, dass bei den nach menschlichen Ermessen in kürzester Zeit über die Ortschaft Parthenen hereinbrechenden Unglückscreignissen den dadurch gänzlich ruinierten Bewohnern eine sofortige, unumgänglich nothwendige Unterstützung aus Landesmitteln zur Verfügung gestellt werden könne." Die erste Mittheilung über die der Ortschaft Parthenen drohende Gefahr an den LandesAusschufs erfolgte durch die k. k. Bezirkshauptschaft Bludenz mit Zuschrift vom 19. de praes. 21. November v. I. Nr. in welchem diese das Ansuchen stellte, mit thunlichster Beschleunigung den Herrn LandeScullur-Jugenieur mit den nöthigen Erhebungen zu betrauen, wobei bemerkt wurde, dass von Seile der k. k. Bezirkshauptmannschaft Baumeister Ignaz Wolf von Bludenz zu diesen Erhebungen mitentsendct würde. Das bezügliche technische Gutachten der beiden genannten Sachverständigen, die sich schon am Tage nach Eintreffen der Mittheilung der k. k. Bezirkshauptnrannschaft nach Parthenen verfügten, lautet wie folgt: „Entsprechend der Einladung der löblichen k. k. Bezirkshauptmannschaft vom 19. November d. I. Nr. ~ Erhebungen bezüglich der drohenden Bergabrutschung in Parthenen an Ort und Stelle zu pflegen, begaben sich die ergebenst Gefertigten Freitag den 22. November nach Parthenen bezw. auf 297 Beilage LIL LIL der Beilagen zu de» ficuogt. Protokollen ches Vorarlberger Landtags. die 2100 m hochgelegene Abbruchstelle, und beehren wir uns, über das Resultat der gepflogenen Er­ hebungen nachstehenden Bericht unter Anschluss einer Situationsskizze im Maßstabe von 1 : 25.000 er­ gebest zu erstatten: Das rechte Ufer der Jll zwischen den Ortschaften Gaschitrn und Parthenen wird von einer steil ansteigenden Bergeslehne flankiert, deren Krone bis zu Höhen von 2100—2300 m ansteigt, und deren höchste Erhebung die 2446 m hohe Versailspitze bildet. Diese Vergeslehne steigt jedoch nicht gleichmäßig an, sondern wird durch mehrere terrassenförmigc Absätze unterbrochen, von welche« die Tavamonl-Alpe in einer Seehöhe von 1500 m die größte bildet. In einer Höhe von 2100 m gerade oberhalb der Ortschaft Parthenen, auf dem Schafberge, wie der Volksmund dieses Plateau nennt, ca. I1/., km westlich von der Versailspitze findet sich ein weiterer, stellenweise muldenförmiger Absatz vor, auf welchem in einer Längenausdehnung von ca. 140 m und in einer Breite von 50—70 m mächtige Steinblöcke eingebettet liegen (Glimmerschiefer mit Gneisund Hornblendeeinlagerimgen), welche auf mindestens 40 m Mächtigkeit in die Tiefe reichen, und dort auf einem steil abfallenden Felsfuß aufruhen. Welchem Naturereignisse die Bildung dieser Lagerstätten von geborstenen und wildzeriffenen, mitunter colossale Dimensionen aufweisenden Felsblöcken zuzuschreiben ist, ob einem Bergstürze, oder glacialen oder eruptischen Einwirkungen in diesem Urgebirge, wird wohl schwer zu ergründen sein. Seit Menschengedenken schon erfolgten von Zeit zu Zeit Abstürze dieser Felsblöcke, von denen nicht wenige in der Thalniederung zwischen Gaschurn und Parthenen lagern. Seit zwei Jahren und wesentlich im Juni 1893, im Juli 1894 und in gerade erschreckender Weise im September und October 1895 wiederholten sich diese Abstürze so, dass sich bereits, wie aus der Situationsskizze ersichtlich ist, eine förmliche muldenförmige Abbruchstclle gebildet hat, von welcher das abgestürzte Material zunächst in Form eines mächtigen Schuttkegels, dessen Fuß auf der Tavämonter Alpe aufruht, zur Ablagerung gelangte. Über diesen ca. unter 45° geneigten Schuttkegel kollern nunmehr die abgelösten Steinblöcke mit rasender Schnelligkeit herab, und in so weit ein günstiger Zufall nicht ihre Ablagerung auf der Tavamonter Alpe veranlasst, stürzen selbe auf die die vorgenannten Terrassen abschließenden Felswände, um sodann in mächtigem Bogen, wovon die in einer Höhe von ca. 25 m ihres Wipfels beraubten Tannen Zeugnis ablegen, in directer Richtung auf die Ortschaft Parthenen die LVeiterwanderung zu Thäte auzutreteu, wo selbe dann mit einer solchen Gewalt ankommen, dass die meisten erst nach mehr­ maligem Aufschlagen im weichen Wiesengrunde auf der Ebene, welche sich in einer Breite von 70 bis 100 m zwischen dem Bergfnße und der Ortschaft ausdehnt, zur Ruhe kommen. Diese elementare Gewalt wird durch den Umstand begreiflich, dass bei einer horizontalen Distanz zwischen der Abgangund der Aufschlagstelle von ca. 1400 m oie Absturzhöhe nicht weniger als 1050 m ungefähr beträgt. Einige dieser Felsblocke, welche bei der Härtigkett des Gesteines trotz des wuchtigen Aufschlages auf den Felswänden nicht in Trümmer gehen, sondern ein Ganzes bleiben, und von welchen der größte 60 m3 misst, liegen bereits in der unmittelbarsten Nähe der Wohnhäuser von Parthenen. Wie die zahlreichen und mitunter ganz frischen Risse und Sprünge hoch oben im Absturz­ gebiete bezeugen, ist die Abstnrzbewegung stets im Gange, und kann die Störung oes Gleichgewichtes auch bei geringfügigem Anlasse, und der Absturz, sei es in einzelnen Blöcken oder in Massen, jeden Tag und jede Stunde erfolgen. Nach ungefährer Schätzung dürften 3 -400.000 m3 Material zum Abgänge bereit liegen. Dieser Absturzbewegling Einhalt zu thun, ist gleich wie es am Blisadonajoche und am Vensertobel der Fall war, ein Ding der Unmöglichkeit, und legt außer dem Bereiche des menschlicheil Könnens. Unter den geschilderten Verhältnissen muss es leider ausgesprochen werden, dass die 18 Wohn­ häuser und die dazugehörigen Ställe und Scheunen gleicher Zahl, welche zusammen einen Wert von ungefähr 50.000 fl. repräsentieren, in mehr oder minderer Gefahr der Zerstörung sich befinden-, für diejenigen aber, welche diese Stätte» bewohnen, wird wohl zur Sicherung des Lebens die Nothmeiwigkeil heranrücken, die altgewohnten Wohnstätten zu verlassen, und selbe an anderer gesicherter Stelle zu er­ richten. Leider ist auch die Kirche nicht sicher, von den hernnlerstürzeuden Felbsblöcken zerstört zu werden. 298 VI. Session der 7- Periode 1896. Beiloge LH. Das gleiche Unheil droht auch dem oberhalb Parthenen befindlichen Walde, und dem bereits vorgenannten zwischen dem Bergesfuße und den Wohnhäusern befindlichen Wiesengrundc, welcher in einem Ausmaße von ca. 3 ha zu den besten Culturgründen von Parthenen gerechnet wird, nach und nach aber von den herabgestürztcn Materialmassen occupiert werden wird. Damit werden aber leider die Existenzbedingungen für die an Culturboden ohnehin armen Bewohner von Parthenen um ein Erhebliches gekürzt. Dieselben scheinen übrigens, wie wir aus einer Besprechung mit mehreren Ortsinsassen zu entnehmen Gelegenheit yatten, der Gröhe der Gefahr nicht ganz bewusst zu sein, und da dürste es sehr angezeigt erscheinen, die Bewohner von Partheuen selbst auf Kosten der Beunruhigung der Gemüther und der Entwertung des Besitzstandes auf die drohenden Gefahren aufmerksam zu machen und selbe aufzufordern, sich selbst durch Augenschein an Ort und Stelle Klarheit zu verschaffen über die Lage, in rvelcher sie sich sammt ihren Wohnstätten befinden. Wenn auch im nnmnehr beginnenden Winter bei der allnräligen Erstarrung des Bodens die Gefahr eine geringere ist, so erscheint dieselbe im Frühjahre bei eintretendem Thauwetter und der Schneefchmelze im verdoppelten Maße, und der Eintritt einer Katastrophe nicht ganz unwahrscheinlich, welche sich für die armen Bewohner von Parthenen um so verhängnisvoller gestalten würde, je unvor­ bereiteter dieselben getroffen werden." Der Landes-Ausschuss, dem in feiner Sitzung vom 7. December v I. sowohl die Mittheilung der k. k. Bezirkshauptmannschaft Bludenz als das Gutachten der Sachverständigen zur Kenntnis gebracht wurde, erklärte sich mit Zuschrift an die k. k. Bezirkshauptmannschaft vom gleichen Tage Z. 3813 bereit, an all' jenen Actionen, welche geeignet erscheinen, die Bewohner von Parthenen vor der drohenden Gefahr zu schützen und denselben im Falle einer Katastrophe materielle Hilfe zuzuwenden, theilzunehmen und wurde hiebei der Erwartung Ausdruck gegeben, dass gegebenen Falles, wie es ja bet ähnlichen Elementarunfällen in der letzten Zeit immer geschehen sei, eine ausgiebige Hilfe des Staates zur Er­ möglichung der etwa nothwendig werdenden Delogierung der Bewohner und zur Milderung der Noth bei eintreteuder Zerstörung von Häusern oder Vernichtung der Felder gewährt werde. Die k. k. Bezirkshauptmannschaft Bludenz hat mit Erlass vom 17. December v. I. Z. — der Gemeindevorstehung von Gaschurn vom Inhalte des Berichtes der Sachverständige» Mittheilung gemacht und verfügt, dass alle Bewohner von Parthenen hievon in Kenntnis zu setzen und dieselben anzugehen seien, sich selbst über die Lage durch Augenschein an Ort und Stelle Klarheit zu verschaffen, ferner solle denselben nahe gelegt werden, im Frühjahr die zumeist gefährdeten Wirtschaftsgebäude zu verlassen. Gleichzeitig wurde der Gemeindevorsteher aufgefordert, beim Eintritte des Thauwetters Beobachtungsposten auf der Tavamont-Alpe bis zum zweiten Schafberge auszustellen und einen Signal­ dienst zu organisieren, um die Bewohner von Parthcnen von einer eventuell vrohenden Gefahr eines Bergsturzes rechtzeitig zu avisieren, da der Eintritt einer Katastrophe sich ohne Zweifel für die Bewohner von Parthenen um so verhängnisvoller erweisen würde, je unvorbereiteter sie von derselben getroffeit würden. Endlich wurde von der k. k. Bezirkshauptmannschaft Bludenz verfügt, dass der k. k. Bezirks­ Ingenieur in Feldkirch das in Rede stehende Gebiet im Frühjahre 1896 einer genauen Besichtigung zu unterziehen und im Einvernehmen mit dem Laüdescultur-Jngenieur Bericht über die eventuell möglichen Vorkehrungen zur Verhinderung oder Verminderung der drohenden Gefahr zu erstatten habe. Wie nach dem Sachverständigenbefunde zu schließen ist, kann der Absturzbewegung auch mit einem Aufwande von großen Kosten nicht Einhalt gethan werden. Es gilt daher nur zu sorgen, dass für den Fall des Eintrittes einer Katastrophe das Leben der Bewohner von Parthenen gerettet und ihnen auch genügende materielle Unterstützung zutheil werde, wenn ihnen ein Bergsturz ihr Hab und Gut vernichten sollte. 299 LII. der Beilagen zu den stciiogr. Protokollen des Vorarlberger Landtag?-. VI. Session, 7. Periode 1896. Was den Schutz der Personen anbelangt, so Hal die politische Behörde bereits durch Anordnung des Wach- und Signaldienstes dahingehende Verfügungen getroffen. Es muss aber auch die Möglichkeit einer nothwenoig werdenden Delogierung der Bewohner im Auge behalten werden. Durch den einznführenden Wachdienst erwachsen der Genieinde nicht unbedeutende Auslagen, und es wird daher eine angeniessene Betrags!eistung zu denselben von Seite des Landes nöthig satten. Ergibt sich aber die Nothwendigkeit einer Delogierung der Bewohner, oder tritt gar eine Katastrophe ein, so würde, wie es wohl bei allen derartigen in deit im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Ländern in den letzten Jahren eingetretenen Elementarereignissen der Fall war, die ausgiebige Staatshilfe in Anspruch genommen werden müssen. Es empfiehlt sich daher, schon jetzt mit der k. k. Regierung in Verhandlung zu treten, damit dieselbe rechtzeitig alle Vorkehrungen treffe, die geeignet erscheinen, die Sicherung der Personen zu erwirken, und für den Fall des Eintritts der Katastrophe rasche, ausgiebige, materielle Hilfe zu leisten. Immerhin wäre aber auch dem Landes-Ausschüsse die Ermächtigung zu ertheilen, aus Landes­ mitteln sich an der Hilfsaction in angemessener Weise zu betheiligen. Es wird gestellt der Antrag: Der h. Landtag wolle beschließen: „Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, mit der h. k. k. Regierung hinsichtlich der angesichts des drohenden Bergsturzes bei Parthcnen nothwendig erscheinenden Maßnahmen Verhandlungen zu pflegen, für den Fall der Delogierung der Bewohner oder des Eintrittes der Katastrophe ausgiebige Staatshilfe zu erwirken. Der Landes-Ausschuss wird gleichzeitig ermächtiget, angemessene Beitrüge aus Landes­ mitteln znr Durchführung der nothwendigen Maßnahmen zu gewahren." Bregenz. 28. Januar 1896. Jodok Fink, Mart. Thurnher, Obmannstellvertreter. Berichterstatter. Drnck von I N Teutsch, Bregenz 300