18951014_ltb0021896_Gesetzentwurf_Tanzunterhaltungsgesetz

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Letzte Änderung 01.07.2021, 21:11
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1895,ltb1895,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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IL der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. VI. Session, 7« Periode 1896. Beilage II. Gesetz vorn wirksam für das Land Vorarlberg, . womit Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzunterhaltungen gegeben werden. Über Antrag des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich anzuordnen wie folgt: § 1- . Zur Abhaltung öffentlicher (allgemein zugäng­ licher) Tanzunterhaltungen in geschlossenen Localen oder im Freien ist die Bewilligung von Fall zu Fall bei dem Gemeindevorsteher einzuholen. Als öffentlich sind auch solche Tanzunter­ haltungen anzusehen, welche auf gemeinschaftliche Rechnung von Theilnehmern oder gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes, sei es in öffentlichen oder in Privatlocalen veranstaltet werden. Tanzunter­ haltungen, welche den Charakter von Haus- oder Familienunterhaltungen haben und in Privatlocalitäten stattfinden, sind hievon ausgenommen. Die Bewilligung erfolgt durch die Ausstellung eines Erlaubnisscheines, der die Zeit und die Dauer der Tanzunterhaltungen zu enthalten hat. Dieser Erlaubnisschein ist von dem Unter­ nehmer der Tanzunterhaltung vorher einzuholen. Die Ertheilung desselben kann aus wichtigen Gründen versagt, oder auch beschränkt oder bedingt werden. Die Versagung kann auch dann erfolgen, wenn der Erlaubnisschein nicht mindestens 48 Stunden vor Abhaltung der Tanzunterhaltung eingeholt wurde. 17 Beilage II. II. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Die Gemeindevorsteher sind verpflichtet, dem Landes-Ausschusse jährlich im Monate Jänner eine Liste über die Zahl und die Dauer der im ab­ gelaufenen Jahre bewilligten Tanzunterhaltungen einzureichen. § 2. Für jede ertheilte Bewilligung ist eine Gebühr und zwar in Gemeinden mit 3000 Seelen und darüber von 3 fl., und in kleineren Gemeinden von 2 fl. vor Ausfolgung des Erlaubnisscheines zu Gunsten des Ortsarmenfondes zu erlegen. Der Landes-Ausschuss kann auf Grund gehörig gefaßter und kundgemachter Beschlüsse der Gemeinde­ vertretungen eine höhere, nach der Art und Dauer der Tanzunterhaltung abgestufte Gebühr bis zum Höchstbetrage von IO fl. bewilligen. Eine weitere Erhöhung ist nur dnrch ein Landesgesetz zulässig. § 3. Die k. k. Statthalterei kann im Einvernehmen mit dem Landes-Ausschusse nach Anhörung der betreffenden Gemeindevertretungen die Abhaltung von öffentlichen Tanzunterhaltungen unmittelbar nach der Lohnauszahlung in Fabriksbezirken oder in Orten, die vorwiegend von Fabriksarbeitern bewohnt werden, für bestimmte Zeit ganz oder theilweise untersagen. Die gleiche Bestimmung hat auch für Bezirke und Orte zu gelten, in denen größere Straßen- und Bahnbauten, sowie Fluss­ regulierungen durchgeführt werden, und zwar bis zur Vollendung der bezüglichen Arbeiten. § 4. Die Gemeindevertretung kann beschließen, dass öffentliche Tanzunterhaltungen zu gewissen Zeiten oder unter gewissen Umständen nicht abgehalten werden dürfen; ein solcher Beschluss ist einen Monat vor seiner Wirksamkeit durch 14 Tage öffentlich kundzumachen. § 5. Schulpflichtigen Kindern ist der Besuch von öffentlichen Tanzunterhaltungen und auch das Ver­ weilen als Zuseher in der Nähe des Tanzlocales ohne Ausnahme verboten. 18 Beilage II. VI. Session der 7. Periode 1896. Jugendliche Personen vom 14. bis zum voll­ endeten 18. Lebensjahre dürfen nur in Begleitung ihrer gesetzlichen Vertreter oder der von denselben bestimmten großjährigen Personen an öffentlichen Tanzunterhaltungen theilnehmen. Für die Beobachtung dieser Bestimmung sind die Gast- und Schankwirthe, die Unternehmer und Leiter einer Tanzunterhaltung und die gesetzlichen Vertreter der gedachten Personen bei Strafe verantwortlich. § 6. Tanzgäste und Musiker, welche trotz Ermahnung des Gastwirthes, beziehungsweise Unternehmers oder der zur Überwachung berufenen Gemeindeorgane der Tanzunierhaltung vom Tanze oder Musicieren nicht ablassen, sind straffällig. § 7. Den Gemeindebehörden steht die Überwachung der öffentlichen Tanzunterhaltungen und das Recht der Anwesenheit bei denselben zu. § 8. Gast- und Schankwirthe, beziehungsweise deren Stellvertreter und Pächter, die den Bestimmungen dieses Gesetzes zuwiderhandeln, unterliegen einer Strafe bis 20 st. oder im Falle der Unein­ bringlichkeit bis 4 Tage Arrest; diese Strafe ist im Wiederholungsfälle zu verdoppeln und soll den mehr als dreimal gestraften Gast- und Schank­ Wirten die Abhaltung von Tanzunterhaltungen nicht mehr bewilliget werden; auch hat der Ge­ meinde-Vorstand in letzterem Falle hiervon die Anzeige an die Gewerbebehörde zu erstatten. Unbeschadet der zu verhängenden Strafe ist die Gebühr bei nicht eingeholter Bewilligung in dem nach § 2 entfallenden Höchstbetrage, bei 'Über­ schreitung der bewilligten Tanzdauer aber die bereits entrichtete Gebühr nochmals zu zahlen. Die von den in § 5 und 6 bezeichneten Per­ sonen begangenen Übertretungen dieses Gesetzes, werden mit einer Strafe bis 10 fl., oder im Falle der Uneinbringlichkeit bis 2 Tage Arrest geahndet. Die Strafgelder fließen gleich den Gebühren in den Ortsarmenfond. 19 Beilage II. II. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. § 9. Das Strafrecht steht dem Gemeindevorsteher mit 2 Gemeinderäthen (§ 57 G.-O.) zu. Die politischen Bezirksbehörden sind berechtiget, über unmittelbar an sie gelangte Anzeigen von Übertretungen, die Erhebung, Strafamtshandlung und den Strafvollzug auszuüben und zu diesem Behufe den Übertretungsfall unter Verständigung des competenten Gemeindevorstandes an sich zu ziehen. Gegen Straferkenntnisse der Gemeindevorstehung steht der Recurs an die Bezirkshauptmannschaft und gegen unmittelbar von letzterer erfolgte Straf­ erkenntnisse der Recurs an die Statthalterei inner­ halb der gesetzlichen Fristen offen. Eine weitere Berufung gegen zwei gleichlautende Straferkenntnisse der politischen Behörden ist un­ zulässig. § 10. Die Gemeindevorstehungen sind verpflichtet, Gesuche um Abhaltung von Tanzunterhaltungen binnen 24 Stunden unter Verständigung des Gesuch­ stellers zu erledigen. Bei Nichtbefolgung dieser Vorschrift, sowie bei Nichterfüllung anderer durch dieses Gesetz auferlegten Pflichten können die Mitglieder der Gemeinde­ vorstehung nach § 90 G.-O. zur Verantwortung gezogen werden. Beschwerden gegen Verfügungen der Gemeinde­ vorstehung sind binnen 14 Tagen einzubringen und binnen weitern 14 Tagen vom Zeitpunkte der Überreichung an gerechnet von der Gemeindever­ tretung zu erledigen. Der Recurs gegen Beschlüsse der Gemeinde­ vertretung ist in gleicher Frist an den Landes­ Ausschuss zu richten. § 11. Der Landes-Ausschuss kann im Falle, als im Berufungswege dem Begehren um Abhaltung einer Tanzunterhaltung zwar stattgegeben, diese aber in Folge Ablaufes des bestimmten Zeitpunktes nicht mehr möglich wäre, eine neue Bewilligung für einen bestimmten Termin ertheilen. § 12. Die für die Gesuche um Bewilligung zur Abhaltung einer Tanzunterhaltung und für die 20 Beilage II. VI. Session der 7. Periode 1896. Erlaubnisscheine bestehenden Stempelvorschriften, sowie die Bestimmungen über die Polizeistunde und die sonstigen Polizeivorschriften werden durch dieses Gesetz nicht berührt. Hinsichtlich der der Licenzgebühr unterliegenden Tanzunterhaltungen (§ 2) ist eine besondere Gebühr für das Offenhalten der Locale über die Polizei­ stunde nicht zu entrichten. § 13. Dieses Gesetz tritt 2 Monate Kundmachung in Wirksamkeit. nach seiner § 14. Mein Minister des Innern ist mit dem Voll­ züge desselben betraut. $TU<t von J N. Teutsch, Bregenz. 21 IIA. der Beilagen zu den ftenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. VI. Session, 7. Periode 1896. Beilage IIA. W seicht des Landes-Ausschusses über den Gesetzentwurf betreffend die Erlassung von Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzunterhaltungen. Hoher Landtag! Laut Erlasses des h. k. k. Ministeriums des Innern vom 28. August d. I. Zl. 4064 und Eröffnung der k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg vom 3. September ds. Js. Nr. 22495 haben Se. k. u/ k. Apostolische Majestät mit Allerh. Entschließung vom 25. August dem vom Landtage des Landes Vorarlberg beschlossenen Entwürfe eines Gesetzes, womit Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzmusikunterhaltungen gegeben werden, die Allerh. Sanktion nicht zu ertheilen geruht. Die Gründe der Ablehnung sind nach den Mittheilungen der k. k. Regierung in der Erwägung gelegen, dass die im § 3 des fraglichen Gesetzentwurfes enthaltene Bestimmung, in welcher die Ab­ haltung öffentlicher Tanzunterhaltungen an Samstagen überhaupt untersagt werden sollte, in den Ver­ hältnissen Vorarlbergs nicht begründet und daher unzuläßig sei, da eine solche in die socialen Verhälrnisse so tief einschneidende und eine die Gesellschaftskreise selbst auch der bessern Stände stark tangirende Bestimmung, welche auch die Gewerbsrechte der Gast- und Schankwirthschaften wesentlich beeinträchtige, bei dem Abgänge besonderer sie begründender Verhältnisse sich nicht rechtfertigen ließe. Zudem habe man sich der Überzeugung nicht verschließen können, daß der dem Landtagsbeschlusse zu Grunde liegende Zweck durch die in Rede stehende Maßnahme allein nicht erreicht zu werden vermöchte. Hinsichtlich aller übrigen Bestimmungen des Entwurfes wurden seitens der k. k. Regierung keinerlei Einwendungen und Bedenken erhoben. Wenn nun auch gerade die Bestimmung des § 3 des Entwurfes hinsichtlich des Tanzverbotes an Samstagen einen wesentlichen Bestandtheil des Gesetzes bildet und sowohl vom Landtage als vom Landesausschusse als äußerst wichtig angesehen wurde, und es daher sehr zu bedauern ist, daß die Re­ gierung gegenüber dieser Bestimmung eine ablehnende Haltung einnahm und auch in der nächsten Zu­ kunft voraussichtlich einnehmen dürfte, so enthielt der in der letzten Session beschlossene Gesetzentwurf doch außerdem noch eine Reihe anderer Bestimmungen, die als eine Verbesserung und Ergänzung der dermalen geltenden angesehen werden dürfen. Hieher sind zu rechnen die Festsetzung von Taxen, die 23 II A. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. VI. Session, 7. Periode 1896. Ermöglichung des Verbotes von Tanzunterhaltungen seitens der Statthalterei unmittelbar nach der Lohnauszahlung an die Arbeiter, die Regelung der Befugnisse der Gemeinden, die Hintanhaltung der Theilnahme schulpflichtiger Kinder und anderer jugendlicher Personen u. s. w. Diese Bestimmungen sind an und für sich wichtig und zeitgemäß und wurden schon im Be­ richte des volkswirthschaftlichen Ausschusses vom 23. Jänner 1895 (XXIII. der Beilagen zu den steno­ graphischen Protokollen 1895) eingehend motivirt. Der Landes-Ausschuß ist daher sicher, den Intentionen der Landesvertretung zu entsprechen, wenn er den bezüglichen Gesetzentwurf unter Modificirung des beanständeten § 3 und unter Berufung auf den vorcitirten Bericht des volkswirthschaftlichen Ausschusses in neuerliche Vorlage bringt. Er erhebt daher den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Dem beiliegenden Gesetzentwürfe betreffend die Erlassung von Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzunterhaltungen wird die Zustimmung ertheilt." Bregenz, am 14. Oktober 1895. Der Landes-Ausschuß. Mart. Thurnher, Referent. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 24