18950208_ltb0461895_Wahlreformausschussbericht_Entwurfsgrundzüge_Landtagswahlordnung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 18:46
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1895,ltb1895,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XLVL der Beilagen zu denstenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags- V. Session, 7. Periode 1895. Beilage XLVL Woricht des Wahlreform-Ausschusses die über Grundzüge zum kandtags-wahl-Grdnung. Entwürfe einer neuen - Hoher Landtag! In der VIII. Sitzung am 26. Jänner 1894 hat der hohe Landtag folgenden Beschluss gefasst: „Der Landes-Ausschuss wird beauftragt, in die Berathung über eine gründliche Revision der Landtags-Wahl-Ordnung einzutreten und dem Landtage eine dahingehende Vorlage in nächster Session zu unterbreiten." Der Landes-Ausschuss hat in seiner Sitzung am 9. April 1894 diesen Gegenstand zur Vorberathung und Berichterstattung einem Subkomitee überwiesen. Dieses Subkomitee sagt nun in seinem an den Landes-Ausschuss am 30* Jänner 1895 erstatteten Berichte: Es sei in Anbetracht, dass sich die hohe Landesvertretung in keiner Weise über die Grundsätze für die Landtags-Wahlreform ausgesprochen habe, nicht in der Lage, dermalen einen Gesetz­ entwurf auszuarbeiten, sondern finde für nöthig, dass der h. Landtag vorerst die Grundzüge, nach welchen der Entwurf einer neuen Landtags-Wahl-Ordnung ausgearbeitet werden sollte, feststelle. Das Subkomitee befaßte sich dagegen mit der Ausarbeitung der Grundzüge und unterbreitete an den Landes-Ausschuss folgende Anträge: a) „Für die Abänderung der Landtags-Wahl-Ordnung sollen als Grundsätze gelten, dass unter Beibehaltung der bestehenden drei Wahlgruppen und des directen Wahlrechtes für die Städte- und des indirecten für die Landgemeinden-Gruppe, in geheimer Wahl jedem männlichen 24 Jahre alten österr. Staatsbürger, welcher in einer Gemeinde des Landes an directen Staatssteuern wenigstens zwei Kronen zahlt und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, in der Gemeinde seines ordentlichen Wohnsitzes das Wahlrecht zustehe. Des­ gleichen sollen Personen, denen vermöge ihrer Bildung und Stellung das Wahlrecht ge­ bührt, (z. B. Beamte, Geistliche und Lehrer) wahlberechtiget sein, auch wenn sie keine 205 Beilage XLV1. XLVI. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen deS Vorarlberger Landtags. Steuer entrichten, dagegen sind vom Wahlrechte ausgeschlossen, juridische Personen, Frauens­ personen, Minderjährige und Curanden. Außerdem wäre in Erwägung zu ziehen, ob die Wahlbezirke innerhalb der Land­ Gemeinde-Gruppe zu vermehren seien. b) Dieser Act sei dem hohen Landtage in Vorlage zu bringen." Diese Anträge erhielten in der Landes-Ausschuss-Sitzung vom 31. Jänner 1895 die Zustim­ mung ; es gelangte infolgedessen dieser Act in der XL Sitzung am 1. Februar d. Js. als Landes­ Ausschuss-Vorlage an den hohen Landtag und wurde dem eigens hiezu gewählten Wahlreform­ Ausschusse zur Berichterstattung und Antragstellung zugewiesen. Vom Wahlreform-Ausschusse wurden vorerst die vom Landes-Ausschusse beschlossenen Grund­ sätze in Erwägung gezogen und nach reiflicher Prüfung von ihm als die seinigen angenommen. Die Erweiterung des Wahlrechtes ist der berechtigte Ruf unserer Zeit, sie ist die Verwirklichung des schon lange ausgesprochenen Willens der hoh. Landesvertretung, ein Akt des Rechtes und der Ge­ rechtigkeit. ' * Wenn aber auch jetzt noch ein Census von 2 Kronen festgesetzt wird- so liegt die Schuld nicht im Willen des Wahlreförm-Ausschusses, denn derselbe würde noch weiter gehen und das Wahlrecht auf alle Steuerträger sowie auf die Familienväter, die beim Militär gedienten Personen u. s. w. aus­ dehnen, wenn dieses bei der hohen Regierung erreichbar märe, dä es aber aussichtslos ist, so soll we­ nigstens das Erreichbare angestrebt werden. Die Erweiterung des Wahlrechtes in den Landtag hat zugleich auch die ganz einschneidende Ausdehnung des Wahlrechtes in die Handels- und Gewerbekammer zur Folge. Nach dem Gesetze vom 29. Juni 1868 Nr. 85 R.-G.-Bl., insbesondere § 7 übt der Landtags-Wahl-Census infoferne ein Einstuss auf die Höhe des Census bei Kammerwahlen, dass letzterer mit Ausnahme der Wählerklassen für die -Großhandel- und Großindustrie-Sektion nicht höher sein darf, als ersterer. Wie schon in der Beilage XXIV der stenogr. Protokolle der IV. Session pro 1894 hervorgehoben wurde, bekommen durch die Reducierung des Census auf 2 Kronen in der Landrags-Wahl-Ordnung statt 352: 8677 Gewerbetreibende das Wahlrecht in die Gewerbe-Section der Kammer. Schon dieser Erfolg würde das Eingehen in eine Änderung der Landtags-Wahl-Ordnung rechtfertigen, wenn dabei auch nicht allen gerechten Forderungen Genüge geschieht. Aber auch das Wahlrecht in den Landtag wird dadurch wesentlich erweitert und dem Rechte und der Gerechtigkeit näher gerückt. Es wird hoffentlich nicht ferner Zeit vorbehalten sein, auch den Familienvätern, welche eine Familie zu ernähren haben, und ihrer Besitzlosigkeit wegen keine directen Steuern bezahlen, dagegen aber sehr empfindlich indirekte Steuern und die schwerste aller Steuerlasten, die Blutsteuer tragen müssen, sowie den beim Militär gedienten Personen u. s. w., das Wahlrecht einzuräumen. Nach den in letzterer Zeit erstossenen Entscheidungen wurde den nur provisorisch angestellten Geistlichen das Wahlrecht abgesprochen; es soll aber dieser Unbilligkeit mit dem neuen Wahl-Gesetze abgeholsen und diesen, sowie den provisorisch angestellten Lehrern das Wahlrecht eingeräumt werden. Diese Personen haben für das Landeswohl gewiss wenigstens soviel Interesse, als die Steuerträger. Wenn für die Zukunft die Frauenspersonen, die Minderjährigen, Curanden und juridische Personen vom Wahlrechte ausgeschlossen werden, so entspricht dieses mehr dem persönlichen Rechte, da eigentlich eine Willensübertragung bei Ausübung dieses Rechtes kaum möglich ist. Auch würde damit einem bestehen­ den schon öfter auch vom hohen Landtage selbst gerügten Unwesen mit den Wahlvollmachten gänzlich abgeholfen. (Siehe XXXII. Beilage der stenogr. Protokolle der III. Session 1893.) Die Einführung der geheimen Stimmabgabe rechtfertiget sich insbesondere in drei Richtungen. Dadurch wird die Möglichkeit der Beeinflußung bei der Stimmabgabe, insbesondere dann, wenn Mittel und Wege gefunden werden, dass dieselbe auch factisch geheim ist, wenn nicht unmöglich gemacht, so doch sehr reduciert. Ferner wird eine stärkere Betheiligung an der Wahl herbeigeführt, weil es dem Wahlberechtigten leichter ankommt, seine Stimme geheim, als vor der Commission offen abzugeben. Endlich besteht der gleiche Modus bei den Gemeindewahlen schon längst. 206 Beilage XLVI. V. Session der 7. Periode 1895. Es liegt dermalen kein Bedürfnis vor, die bestehenden drei Wahlgruppen: Städte, Handelskammer und Landgemeinden zu ändern. Das Wahlrecht soll auch in Hinkunft m der Städtegruppe direct aus­ geübt werden. Dieser Wahlmodus ist ganz gerechtfertiget, denn jeder Wahlbezirk ist so situirt, dass jeder Wähler den Candidaten, welcher in der Regel aus dem bezüglichen Wahlkreise genommen wird, persönlich kennt. Auch bringt die Ausübung des directen Wahlrechtes bei dieser Gruppe keinerlei Schwierigkeiten mit sich, denn der enge Wahlkreis ist zugleich auch Wahlort. Bei der Gruvpe der Handels- und Gewerbekammer dürfte das jetztige Wahlverfahren auch verbleiben. Desgleichen soll bei der Land-Gemeinden-Gruppe der bisherige indirecte Wahlmodus bei­ behalten werden. Die Einführung der direkten Wahlen in den Landgemeinden würde sehr erschwerende Folgen haben. Die Wähler wären zumeist nicht in der Lage, die bezüglichen Kandidaten persönlich zu kennen, insbesondere dann, wann die Wahlbezirke wie sie jetzt bestehen, verbleiben. Würde nicht jede Gemeinde Wahlort sein und müssten die Wähler den weiten Weg zum Wahlorte zurücklegen, so wäre eine noch schwächere Betheiligung bei der Wahl zu befürchten. Übrigens zeigt sich in den Kreisen dieser Wähler-Gruppe im Allgemeinen kein Bedürfnis für directes Wahlrecht. Wenn es der Wahlreform-Ausschuss nicht als ein Bedürfnis ausspricht, dass eine Änderung der Wahlbezirke der Landgemeinden-Gruppe vorgenommen werden soll, so muss er erklären, dass er auch nicht fest an der jetzigen Eintheilung halte. Es dürfte rathsam sein in dieser Richtung in keiner Weise sich prinzipiell auszusprechen, denn es könnte ja der Fall sein, dass anlässlich der Verfassung des Gesetz-Entwurfes aus dem dann vorliegenden Aktenmateriale, welches derzeit dem Wahlreform-Aus­ schusse nicht zur Verfügung steht, eine diesbezügliche Änderung vortheilhaft ja nothwendig sich heraus­ stellen könnte, daher soll in dieser Hinsicht freie Hand bleiben. Gestützt auf diese Motive werden folgende Grundzüge zum Entwürfe einer neuen Landtags­ Wahl-Ordnung reassumiert: 1. Das Wahlrecht soll jedem männlichen, 24 Jahre alten österr. Staatsbürger, welcher in einer Gemeinde des Landes an directen Staatssteuern mindestens 2 Kronen zahlt und im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, in der Gemeinde seines ordentlichen Wohnsitzes, zustehen. Desgleichen sollen Personen, denen vermöge ihrer Bildung und Stellung das Wahlrecht bisher schon zugestanden war, das Wahlrecht haben, welches aber auch auf die provisorisch angestellten Geistlichen und Lehrer gesetzlich auszudehnen ist. 2. Vom Wahlrechte sind auszuschließen: Frauenspersonen, Minderjährige, Kuranden und juri­ dische Personen. 3. Die Stimmabgabe soll eine geheime sein. 4. In allen drei Wahl-Gruppen soll der bisherige Wahlmodus unverändert bleiben. 5. Über eine eventuelle Änderung der Wahlbezirke in den Landgemeinden oder Beibehaltung nach der gegenwärtigen Eintheilung wird sich nicht prinzipiell ausgesprochen. Der Wahlreform-Ausschuss stellt nun folgenden Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: Der Landesausschuß.wird beauftragt, einen Entwurf über eine neue Landtags-Wahl­ Ordnung auf Grund obiger Grundsätze auszuarbeiten und dem Landtage in der nächsten Session in Vorlage zu bringen. Bregenz, am 8. Februar 1895. Peter Paul Wette, Berchtold Pfr., Obmann. Berichterstatter. 207