18950201_ltb0391895_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_selbständigerAntrag_Gebührenbemessungen_bei_Übertragungen_bäuerlicheBesitzungen_und_Grundstücke

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Letzte Änderung 01.07.2021, 18:45
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1895,ltb1895,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895 Beilage XXXIX. W erdicht des volkswirtschaftlichen Ausschusses, betreffend den selbstständigen Antrag der Ab­ geordneten Nägele und Genossen, betreffend die Gebiihrenbemessungen bei Über­ tragungen von bäuerlichen Besitzungen und Grundstücken. Hoher Landtag! Die Antragsteller heben in der Begründung ihres Antrages hervor, dass die k. k. Gebühren­ bemessungsbehörden entgegen der Allh. Entschließung vom 11. Jänner 1860 bei Besitzübertragungen von bäuerlichen Besitzungen und Grundstücken vom vollen Kaufwerthe die Gebühr bemessen, sowie, dass es auch vorkomme, dass die Behörden zweiter Instanz Bemessungserkenntnisse I. Instanz, welche der citierten Allerh. Entschließung Rechnung trugen, aufgehoben und den Parteien Nachtragszahlungsaufträge über den vollen Werth der Grundstücke zugesandt haben. Die Gesuchsteller haben dem Ausschüsse auch die näheren Daten mitgetheill, auf die sich ihre Beschwerde hauptsächlich gründet; demnach hat die k. k. Finanz-Bezirks-Direction Feldkirch gegenüber der nach Anschauung der Antragsteller richtigen Gebühren­ bemessung des k. k. Steueramtes Dornbirn von Kaufverträgen über bäuerliche Grundstücke und Be­ sitzungen, deren Werth 1800 fl., 1160 fl. und 710 fl. betrug, nach den Zahlungsaufträgen vom 12. März 1894, Z. 4752, 4753 und 4754 Nachtragsbemessungen nach dem vollen Werthe vorgenommen mit der einfachen Begründung, dass die Käufer bezüglicher Grundstücke nicht dem Bauernstande angehören, ohne aber auch das Motiv anzugeben, warum dieselben nicht dem Bauernstande angehören sollen, oder sich zu erkundigen, ob dieselben auch Landwirtschaft betreiben, was im vorliegenden Falle aber vollständig zutrifft, indem der Eine circa 9 Joch Wiese und Weidegrund mit einem Katastralreinerträg von rund 46 fl., ein anderer über 6 Joch Wiese und Weidegrund mit einem Katastralreinertrag von 35 fl. besitzen und denselben selbst bewirtschaften. Allerdings haben die Betreffenden außer dem Landwirtschafts­ betriebe auch eine Nebenbeschäftigung, so dass denselben in den Kaufverträgen, beziehungsweise im Bersteigerungsprotokoll zu Bor- und' Zunamen, das Prädikat: „Bauunternehmer", „Brunnenmacher", „Wirt" beigelegt wurde, um wegen der vielfach vorkommenden gleichen Namen den richtigen Mann ausfindig machen zu können, und es liegt sehr nahe, dass die k. k. Bemeffungsbehörde aus diesen Titeln 169 Beilage XXXIX. XXXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. den Anlass genommen hat, die Gebühr nach dem vollen Werthe zu bemessen. Über im Recurswege erfolgtes Einschreiten einer Partei, nämlich des Johann Sylvester Lutz von Gaißau habe die k. k. Finanz-LandesDirection Innsbruck laut Mittheilung der k. k. Finanz-Bezirks-Direction Feldkirch Z. 17781 entschieden wie folgt: „Die h. k. k. Finanz-Landes-Direction in Innsbruck hat mit dem Erlasse vom 10. Oct. 1894 Z. 20297 . Ihrem Recurse gegen die zu Post B Reg. 297 II. vom Jahre 1894 des k. k. Steueramtes in Dornbirn vom 12. März 1894, Z. 4753 vorgeschriebene Gebühr per 31 st. 50 kr. keine Folge gegeben, weil nicht erwiesen ist, dass der Recurrent eine Person ist, welche die Grundstücke zum Zwecke der Erzielung eines landwirtschaftlichen Ertrages bearbeitet und weil diese auch vom frühern Besitzer selbst bearbeitet worden sind. Ein eventueller Recurs gegen diese Entscheidung kann binnen 30 Tagen nach Zustellung bei der k. k. Finanz-Landes-Direction in Innsbruck eingebracht werden. Hiervon werden Sie unter Rückschluss des gegenständlichen Rachtragszahlungsauftrages in Kenntnis gesetzt. K. k. Finanz-Bezirks-Direction, Abtheilung für Stempel und Gebühren. Feldkirch, am 14. Jänner 1895. Unterschrift unleserlich." Der volkswirtschaftliche Ausschuss ist auch der Anschauung, dass gerade die angezogene Allh. Entschließung sehr oft zu Ungunsten der Parteien ausgelegt und daher bei der Gebuhrenbemeffung vielfach nicht angewendet wird, wo es ctni Platze wäre. Dieselbe lautet: „Zufolge Atlh. Handschreibens vom 11. Jänner 1860 haben Seine k. k. Apostolische Majestät in Erwägung der besonderen Verhältniße sich bestimnlt gefunden, ausnahmsweise zu gestalten, dass in Tirol und Vorarlberg von allen bäuerlichen Besitzungen und Grundstücken, deren Werth 4000 st. nicht übersteigt, bei Übertragungen unter Lebenden und von Todeswegen nur die Hälfte des Werthes der Gebührenbemessung zu Grunde zu legen ist. . Es handelt sich daher bei der Frage, ob bei einer Gebührenbemessung die Allh. Entschließung anzuwenden sei, hauptsächlich um zwei Momente, nämlich ob die zur Übertragung kommenden Grundstücke „bäuerliche Besitzungen und Grundstücke" seien oder nicht und ob deren Werth 4000 st. nicht übersteigt. Über den Begriff, was unter bäuerlichen Besitzungen und Grundstücken zu verstehen sei, gibt der hohe Finanz-Ministerial-Erlass vom 4. April 1860, Zl. 19023 folgenden Aufschluss: „Unter bäuerlichen Besitzungen sind nur jene behausten Bauerngüter zu begreifen, welche beim Ableben des Eigenthümers nach der Erbfolgeordnung für Bauerngüter in Tirol zu behandeln sind, mit Einschluss jener Grundstücke, welche, wenn auch für sich verkäuflich, zu einem solchen Gute gehören. Grundstücke, welche nicht mit einem behausten Gute, sondern abgesondert veräußert oder vererbt werden und Gegenstand landwirtschaftlicher Bewirtschaftung sind, kommen gleichfalls nach der Allerh. Entschließung vom 11. Jänner , 1860 zu behandeln. Auf den städtischen Besitz kann diese Allerhöchste Entschließung nicht ausgedehnt werden." Nach dieser Entscheidung steht wohl fest, dass alle Besitzungen und Grundstücke in Tirol und Vorarlberg, welche der Landwirtschaft dienen pnd nicht zum städtischen Grundbesitz gehören, unter die „bäuerlichen Besitzungen und Grundstücke" zu rechnen sind, gleichviel ob der Besitzer derselben sie selbst bewirtschaftet oder bewirtschaften läßt, und ohne Rücksicht darauf, ob der Vorfahrer dieselben selbst be­ baute oder nicht. Diesfalls könnte nur noch ein Zweifel aufkommen, wenn bei einer Übertragung von bäuerlichen Besitzungen und Grundstücken auch solche sind, denen diese Eigenschaft nicht zukommt, z. B. wenn mit bäuerlichen Grundstücken gleichzeitig eine Ziegelei oder ein nur für die Stickerei bestimmtes und eingerichtetes Gebäude u. s. w. mit übertragen wird. Wie bei der Gebührenbemessung in diesem Falle vorzugehen sei, gibt der hohe Finanz-Ministerial-Erlass vom 10. Mai 1860, Zl. 20772, Auskunft, welcher lautet: „Bei vereinten Käufen und Verkäufen von bäuerlichen Besitzungen in Tirol und Vorarlberg und solchen, denen diese Eigenschaft nicht zukommt, hat eine Preis- und Werthabsonderung stattzufinden." 470 Beilage XXXIX. V. Session der 7. Periode 1895. Man sollte nun glauben, dass es auf Grund der angeführten Allerhöchsten Entschließung und der bezogenen Entscheidungen nicht so schwer fallen würde, bei der Gebührenbemessung das Richtige zu treffen. Auch wäre es gewiß am Platze, dass in Fällen, wo noch irgendwie aus dem Wortlaute der der Gebührenbemessung zu Grunde liegenden Urkunden Zweifel obwalten, vom Gebührenbemessungsamte vor Erlassung des Zahlungsauftrages die erforderlichen Erhebungen gepflogen würden. Entgegen diesem wohl Jedem selbstverständlich scheinenden Vorgänge wird nun die Gebühr thatsächlich oft ganz willkürlich ohne vorherige Erhebung in der denkbar höchsten' Ziffer bemessen, wobei es nicht selten vorkommt, dass einzelne Bemessungsbeamte ihr Vorgehen im besten Falle damit entschuldigen, dass es der Partei freistehe, zu recurrieren. Der volkswirtschaftliche Ausschuss ist daher der Anschauung, dass von den Gebührenbemessungs­ behörden oft recht willkürlich und zum Schaden der diesfalls meistens unwissenden oder vertrauensseligen Parteien vorgegangen wird. Im Anschlüsse an diese von den Antragstellern gerügten Missstände glaubt der Ausschuss noch auf weitere, hauptsächlich im Gebührengesetz selbst liegende Mängel und Ungerechtigkeiten Hinweisen zu sollen. Das bestehende Gebührengesetz ist äußerst kompliziert und insbesondere der vielen Nachtrags­ verordnungen und Verwaltungsgerichtshof-Entscheidungen wegen selbst dem Fachmanne vielfach unver­ ständlich. Den besten Beweis hiefür liefern die vielen Rectificationen an den ursprünglichen Zahlungs­ aufträgen, sei es denn, dass dieselben infolge Einschreitens der Parteien im Recurswege oder von amtswegen durch Erlassung von Nachttagszahlungsaufträgen erfolgen. Bei dieser Sachlage erscheint es für die Parteien, welche in der Regel das Gebührengesetz nicht kennen, besonders hart, dass das Gesetz vom 19. März 1876 , Nr. 28 R.-G.-Bl. bestimmt, dass gegen einen ämtlichen Zahlungsauftrag nur innerhalb einer Frist von 30 Tagen Beschwerde erhoben werden könne. Wenn sonach die Partei, welche nicht gesetzeskundig zu sein verpflichtet ist, innerhalb 30 Tagen gegen den erhaltenen Zahlungsauftrag nicht einschreitet, steht ihr nach Ablauf dieser Frist kein Rechts­ mittel mehr zu Gebote, gegen allfällig wahrgenommene Mängel, und wären es auch nur Rechnungs­ verstöße, einzuschreiten. Auf der anderen Seite aber räumt das Gesetz dem Finanz-Ärar das Recht ein, dass sich die Einforderung der Gebühr entweder nicht, oder erst nach 4—5 Jahren (vom Zeitpuncte der den Bemess­ ungsbehörden zur Kenntnis gebrachten Grundlagen der Bemessung ungerechnet), verjährt. Auffallend ist es auch, dass infolge von Revisionen den Parteien oft nach Jahren noch Nachtragszahlungsauf­ träge zukommen, während es unerhört ist, dass von amtswegen, also ohne Einschreiten der Parteien, jemals denselben irgend eine Abschreibung oder Rückvergütung von ungerecht bemessenen Gebühren zutheil geworden wäre. Das Gebührengesetz ist so angelegt, dass häufig die Schwächeren, die Verschuldeten am härtesten getroffen werden. So wird bei Übertragungen von Realitäten, sei es unter Lebenden oder von Todes­ wegen, auf die allenfalls auf denselben hastenden Passiven bei Bemessung der Ubertragungsgebühren keine Rücksicht genommen. Unbillig und drückend sind ferner für den Landwirt die hohen Stempel- und Eintragungs­ gebühren, die derselbe zu entrichten hat, wenn er in die missliche Lage kommt, seinen Besitz verpfänden zu müssen. Diese Gebühren bilden für den Bauer geradezu eine Schuldensteuer. Der volkswirtschaftliche Ausschuss ist auf Grund der gerügten Mängel des Gebührengesetzes, deren noch mehrere angeführt werden könnten, der Anschauung, dass das Gebührengesetz erst dann den Forderungen der Billigkeit und Gerechtigkeit entsprechen könnte, wenn es nach den Grundsätzen einer progressiven Besteuerung eingerichtet würde. 171 XXXIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags, v. Session, 7. Periode 1895. Es 'wäre dies auch nicht mehr als consequent, vorausgesetzt, dass die hohe Regierung und die Legislative ernstlich darangeht, die Steuerreform in der Weise durchzuführen, dass die Schwächeren entlastet und die materiell gut Situierten im Verhältnisse ihres Vermögens progressiv zu den Staats­ lasten herangezogen werden. Wenn diesem Grundsätze im Gebührengesetze Rechnung getragen würde, müsste bestimmt werden, dass bei Vermögensübertragungen, bei einer gewissen Grenze anfangend, eine progressive Vermögens­ übertragungsgebühr zu entrichten wäre, "was hauptsächlich dann d.er Fall sein sollte, wenn die Ver­ mögensübertragung auf die sogenannten lachenden Erben erfolgt. Dagegen hätten die Gebühren bei kleinen Vermögensübertragungen an Notherben, sowie bei Übertragung von verschuldeten Realitäten entweder ganz zu entfallen oder doch auf ein Minimum herab­ gesetzt zu werden, welches nicht mehr drückend wäre. In Anbetracht dieser Erwägungen stellt der volkswirtschaftliche Ausschuss folgende Antrag e: „Der hohe Landtag wolle auf Grund § 19 d. L.-O. beschließen, die hohe k. k. Regierung wird dringend angegangen: a) Vorsorge zu treffen, dass das Gebührengesetz und insbesondere die Allerhöchste Ent­ schließung vom 11. Jänner 1860 in einer Weise gehandhabt werdet welche dem Gesetzgeber und den Allerhöchsten Intentionen entspricht; _■ b) die geeigneten Schritte ehethunlichst einzuleiten, Idass ein allgemein verständliches, den Forderungen der Billigkeit und GerechtigkeitAntsprechendes Gebührengesetz zu Stande komme." Bregenz, am 1. Februar 1895. Martin Thurnher, Jodok Fink, Obmannnstellvertreter. Berichterstatter. Truck von I. N. Teutsch, Vregenz. 172