18950210_ltb0451895_Wehrausschussbericht_RV_Gesetzentwurf_Änderung_Landesverteidigungsgesetz_18920622_LGBlNr15

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Letzte Änderung 01.07.2021, 18:45
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1895,ltb1895,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XLV- der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. V. Session, 7. Periode 1895. Beilage XLV. Wevrehl betreffend den Gesetzentwurf, womit einige Bestimmungen, der Gesetze vom 25. Jänner 1887, L.-G.-Bl. Nr. 7 -es Wehrausschusses über die Regierungsvorlage, und vom 22. Juni 1892 L.-G.-Bl. Nr. 15, betreffend das Institut der tandes­ vertheidigung für die gefürstete Grafschaft Tirol und das Land Vorarlberg ge­ ändert werden. Hoher Landtag! Der in der 1. Sitzung des Landtages vom 14. Jänner d. I. von der Regierung eingebrachte Gesetzentwurf, betreffend) die Abänderung einiger Bestimmungen des Gesetzes über das Institut der Landesvertheidigung für Tirol und Vorarlberg enthält gegenüber der im Vorjahre eingebrachten dies­ bezüglichen Vorlage nur unwesentliche Änderungen. In den der Vorlage beigegebenen „erläuternden Bemerkungen" wird u. a. Folgendes hervorgehoben: .„Seit der Begründung unseres gegenwärtigen Wehrsystems vor einem Vierteljahrhundert, wurde der Organisationsrahmen des Heeres, im allgemeinen nicht erweitert und jener der Hauptwaffe, der Infanterie, durch Auflösung der Grenzinstitution sogar beschränkt, während in dieser Zeitperiode die Entwicklung der Wehrmächte aller militärisch bedeutenden Staaten Europas eine ganz außerordentliche war und eine Inanspruchnahme der individuellen und materiellen Kräfte der Länder mit sich gebracht hat, wie solche in Österreich-Ungarn wohl kaum zu erreichen wäre. Nur beispielsweise seien äus den bezüglichen Verhandlungen im Abgeordnetenhause einige Daten über das Anwachsen der Heereskräfte anderer Staaten angeführt, um anschaulich zu machen, dass die Weiterentwicklung der österreichisch-ungarischen Wehrkräfte unabweislich geboten ist. 191 Beilage XLV. In wie folgt: XLV. der Beilagen zu den stenogr. Protokolle» des Vorarlberger Landtags. Frankreich stellen sich die bezüglichen Ziffern nach Erste Linie zweite Territorialarmee .... Reserve der Territorialarmee . . dem Gesetze vom Jahre 1892 2, 359.800 Mann 841.000 „ 793.200 „ Zusammen . 3, 994.000 Mann wozu zu bemerken ist, dass nach dem Gesetze vom Jahre 1889 die Reserve der Territorialarmee 1, 190.000 Mann betragen hätte, woraus man ersieht, dass in neuerer Zeit die Verstärkung der ersten Linie bei gleichzeitiger Reduction der dritten Linie angestrebt wurde. In Italien beziffern sich die Streitkräfte nach officiellen Daten annähernd wie folgt: Stehendes Heer bei der Fahne beurlaubt. . Mobilmiliz Territorialmiliz . . . . Summa In Deutschland wuchs 228.500 im Jahre 1893. das Recruteneontingent . ' 276.000 j- 842.000 Mann 566.000 449.000 Mann 1, 553.000 tr . 2, 844.000 Mann von 145.000 Mann im Jahre 1876 auf Die Gesanllntdienstzeit im Heere, in der Reserve und der Landwehr wurde durch das Gesetz vom Jahre 1888 von 12 auf 19 Jahre erhöht, und zwar (ins 3 Jahre im Heere, 4 Jahre in der Reserve, 5 Jahre in der Landwehr des ersten und 7'Jahre in der Landwehr des zweiten Aufgebotes. Endlich wurde die Dienstpflicht im Landstürme um 3 Jahre verlängert, so dass alle Wehr­ fähigen vom 17. bis 45., anstatt bis zum 42. Jahre, wie es bis zum Jahre 1888 der Fall war, land­ sturmpflichtig sind. Um eine größere Anzahl vollkommen ausgebildeter Leute zu haben, verzichtete die Heeresverwaltung im Jahre 1893 auf ein drittes Präsenzjahr, gegenüber einer Erhöhung des Recrutencontingentes für die nachfolgenden 5 Jahre um rund 54.000, wodurch mit der Zeit in 24 Jahrgängen, nach Abzug eines 25prozentigen Ausfalles, das deutsche Heer 4, 300.000 ausgebildete Soldaten zählen wird. In Russland ist das Recrutencontingent allmählich von 150.000 im Jahre 1874 auf 221.000 im Jahre 1884, auf 262.400 Mann im Jahre 1893 gestiegen. Im Jahre 1888 wurde das Wehrgesetz vom Jahre 1874 abgeändert und die Dienstpflicht im stehenden Heere von 15 auf 18 Jahre erhöht, und zwar 5 Jahre activ und 13 Jahre in der Reserve. Nebstbei wurde auch die Dauer der Wehrpflicht in der Reichswehr um 3 Jahre, nämlich vom 21. bis 43, Lebensjahre erhöht. Infolge der oben angedeuteten gesetzlichen und sonstigen im Verlaufe der Jahre getroffenen Bestimmungen ergaben sich für die russische Streitmacht folgende Ziffern: Stehendes Heer Reichswehr . Kosaken . Freiwillige . . . . . . . . . 2, 830.000 Mann 655.000 " ? sämmtliche ausgebildet. 288.000 75.000 t ' Zusammen . 3, 846.000 Mann. Mit dem für Österreich-Ungarn , . , w bestehenden, auf die Ergänzung und Erhaltung der Wehr­ macht bezüglichen Gesetze konnten bisher solche Effecte nicht erreicht werden und es ist daher Sache der Kriegsverwaltung, in einer den österreichisch-ungarischen Staatsverhältniffen entsprechenden Weise die unbedingt erforderliche Höhe, der Streitmacht zu erzielen. Die bezüglichen organisatorischen und militär-statistischen Daten sind wohl im Großen und Ganzen als bekannt vorauszusetzen und dürfte bei den bevorstehenden Verhandlungen Gelegenheit für allenfalls erwünschte ziffermäßige Vergleiche geboten werden. 192 Beilage XLV. Y. Session der 7. Periode 1895. Um nun das Zurückbleiben der quantitativen Entwickelung des stehenden Heeres thunlichst auszugleichen und die Möglichkeit des Aufkommens gegen eine feindliche Armee zu erlangen, musste immer mehr auf die Unterstützung der Heereskräfte im Felde durch die Landwehr reffectiert und derselben die gleiche Aufgabe: vereinte Action in erster Linie der operativen Entscheidungen — zu­ gewiesen werden, wobei auf die höchste Leistungsfähigkeit aller Truppen zu rechnen sein wird, um mit Aussicht auf Erfolg irgend einen Kampf aufnehmen zu können. Die der Landwehr zufallende Aufgabe ist bereits in den bezüglichen Bestimmungen des neuen Wehrgesetzes mitenlhalten. Aber damit diese Aufgabe auch wirklich erfüllt werden könne, mussten für die Landwehr, mindestens annähernd, jene Grundbedingungen Geltung bekommen, welche für das Heer in Bezug auf Präsenzdienstzeit und die darauf zu basierende Organisation und Ausbildung als noth­ wendig erkannt wurden. Es ^musste als das Mindeste verlangt werden und hat die bezügliche Bestimmung heute für die k. k. Landwehr bereits Gesetzeskraft erlangt, dass die Mannschaft im allgemeinen einen zweijährigen Präsenzdienst leiste, in dessen erstem Jahre die Schulung im Nothwendigsten durchgemacht, im folgenden vervollständigt, gefestigt und dabei wieder die Mannschaft des neuen Jahrganges im geschulten Rahmen ausgebildet werden soll. Für Unteroffiziere aber, welche frühesten im zweiten Jahre ihre practische Qualification er­ reichen und sich erst in weiteren Jahren in ihren Chargen verwerten können, ist, wenn sie thatsächlich ihre Bestimmung erfüllen sollen, ein drittes Jahr nothwendig, und dies um so unerlässlicher, da die Wichtigkeit tüchtiger Chargen für die Qualität der Mannschaftsleistungen in der Gesammtheit außer allem Zweifel steht. Die Kompensationen, , welche für das dritte Dienstjahr im Gesetze geboten erscheinen, sind für das spätere bürgerliche Leben von so großem Vortheile, daß eine willige Erkenntnis und ein Erstreben derselben seitens der hiezu Berufenen im Allgemeinen erwartet werden kann. Anderseits sind bekanntlich die Verhältnisse nicht immer und überall die gleichen und treten manchmal Umstände ein, infolge deren die Leute, gelockt durch augenblickliche, oft nur vermeintliche Vortheile erfahrungsgemäß schwer bei der Truppe zu erhalten sind, in welchen Fällen auch pecuniäre Aufbesserungen, selbst wenn dieselben in einer für den'Staatsschatz kaum noch erschwinglichen Höhe geboten würden, nicht mehr genügen. Was die Bildung des Landmehr-Mannschaftskörpers nach den neuesten wehrgesetzlichen Normen anbelangt, so ist zu erwähnen, dass dieselbe gleich jener des Heeres aus der Gesammtzahl der taug­ lichen überhaupt Wehrpflichtigen ergänzt wird; für ihre Eintheilung ist im allgemeinen die Loosreihe entscheidend, und wenn auch diese Eintheilung in die Landwehr individuell für die Betreffenden eine Erleichterung bedeuten mag, so obwalten doch keine besonderen Gründe, — wie solche z. B. für die unmittelbare Eintheilung gewisser Kategorien: Familienerhalter, Landwirthschaftsbesitzer, Lehrer ?c. in die Ersatzreserve maßgebend sind, — diejenigen, welchen die Eintheilung in die Landwehr nach der Loosreihe zufällt, nicht zur gleichen Dienstpflicht, wie sie als Regel für das Heer gilt insoweit dies geboten erscheint, heranzuziehen, wobei gegenüber der im früheren als nothwendig dargelegten Erhöhung der Präsenzdienstpflicht, — welche Erhöhung für den größten Theil der Mannschaft thatsächlich nur 10 Monate beträgt, — eine thunliche Erleichterung der Waffenübungspflicht im nicht activen Stande um 4 Wochen eintreten kann. Das vorstehend Angeführte legt die merüorischen Gründe dar, welche zur Vorlage und Annahme des Gesetzes vom 25. December 1893 über die Landwehr der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Läüder mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg im Anschlüsse an die Bestim­ mungen des Wehrgesetzes führten und für eine gleiche Regelung der bezüglichen Bestimmungen des Gesetzes betreffend das Institut der Landesvertheidigung für Tirol und Vorarlberg sprechen. Somit sind die beiden Landtage vor eine ähnliche Aufgabe gestellt, wie sie, eine solche bereits wiederholt glücklich gelöst haben, da es sich darum handelte, im Anschlüsse an die allgemeinen Wehr­ gesetze und das (nach Bedarf geänderte, beziehungsweise weiter entwickelte) allgemeine Landwehrgesetz 193 Bcilags XLV. XLV. der Beilagen zu den ftenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. auch für die tirolisch-vorarlbergische Landesvertheidigung — Landesschützen und Landsturm — jene gesetzlichen Existenz- und Entwicklungsbedingungen zu schaffen, welche im Wege zweckentsprechender Organisation und intensiver Ausbildung eine sichere Gewähr bieten sollten, den stolzen Ehrenkranz zu erhalten im Kampfe für Kaiser und Reich!" Aus diesen erläuternden Bemerkungen, sowie aus dem Referentenentwurfe des Vorjahres (XXXVII. Beilage zu den stenographischen Protokollen) geht der Zweck des Gesetzentwurfes klar hervor. Die Dienstzeit der Landesschützen soll von 8 Wochen, beziehungsweise einem Jahre auf 2, beziehungs­ weise 3 Jahre erhöht werden, damit dieselben zu einer dem stehenden Heere nlöglichst gleichwerthigen Truppe herangebildet werden, auch soll hinsichtlich der Landsturmpflichtigen die Stellung zu einer jähr­ lichen Controlversammlung eventuell die Meldepflicht vorgeschrieben werden. Im Tiroler Landtage, in welchem die gleichlautende Vorlage schon am 3. Jänner d. Js. eingebracht worden war, gab dieselbe sowohl im Landes-Vertheidigungs-Ausschusse, als in dem von diesem eingesetzten Sub-Comit6, Anlass zu langen, sich durch mehrere Wochen hingehendem Verhandlungen mit der Regierung, die dann in den Besprechungen der Mitglieder des Sub-Comites mit Sr. Excellenz dem Hrn. Land.esvertheidigungsMinister in Wien ihren Abschluss fanden, als deren Resultat ein neuer Gesetzentwurf vom Comit6 ausgearbeitet und von der Regierung acceptiert wurde, der sodann die Zustimmung des Landes-Vertheidigungs-Ausschusses, sowie auch des Landtages selbst erhielt. Dieser neu? Entwurf umfasst das ganze Landes-Vertbeidigungsgesetz, enthält aber hinsichtlich der übrigen in der ursprünglichen Gesetzes-Novelle nicht aufgeuommenen Paragraphen nur unwesentliche Abweichungen vom früheren Wortlante. Gegenüber der Regierungsvorlage enthält der neue Entwurf einige Verbesserungen und Er­ leichterungen. In 8 8 wurde die Bestimmung ausgenommen, daß im Falle der Erhöhung der Gesammtziffer des Rekrutencontingentes der Landwehr der übrigen im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder die Feststellung des Rekrutencontingentes der Landesschützen der Landesgesetzgebung zukomme. In § 9, früher § 10, erhielt das über das 3. Dienstjahr handelnde Alinea 2 eine Einschränkung. Rach der Regierungsvorlage sollte eine dem systemisierten Stande an Unteroffizieren entsprechende Mannschaftszahl ein drittes Jahr zum aktiven Dienste verhalten werden können, nach dem neuen Ent­ würfe wird diese Zahl auf ein Drittel der Jahrescontingentsziffer mit Einschluss der Freiwilligen beschränkt. In einem Schlussalinea des § 10 (Regierungsvorlage § 11) wird normiert, dass den im 2. Präsenzdienstjahre stehenden Landesschützen die dauernde oder die zeitliche Beurlaubung nicht nur aus Familienrücksichten, sondern auch aus anderen Gründen gewährt werden könne. Nach § 14 der diesjährigen Regierungsvorlage war bereits die Nachsicht einer Waffenübung für Solche, die ihre Pflichten als Standesschützen durch 10 Jahre erfüllt hatten, vorgesehen. Nach § 13 des neuen Entwurfes wurde diese Nachsicht auf eine 2. Waffenübung ausgedehnt. Im § 27, früher 28, fand die auch im Vorjahre vom Vorarlberger Wehrausschusse geforderte Bestimmung Aufnahme, dass Schiessübungen an Sonn- und gebotenen Feiertagen während des vor­ mittägigen Gottesdienstes nicht stattfinden dürfen. Auch wurde die Bestimmung der Regierungsvorlage hinsichtlich der Controlversammlung der Landsturnlpflichtigen in der Weise genauer präcisiert, in wieferne die Vorstellung bei einer anderen Behörde als der Gemeindevorstehung zu erfolgen habe. Der vorarlbergische Wehrausschuss hatte im Vorjahre in der Hauptsache folgende Forderungen gestellt, beziehungsweise Gesetzesänderungen beantragt: 1. Die Mannschaft der Kaiserjäger und Landesschützen solle nur aus Tirolern und Vorarl­ berger bestehen. 2. Das dritte Dienstjahr habe bedingungslos zu entfallen. 3. Die Waffenübungen seien auf 3 einzuschränken, dürfen also 12 Wochen nicht überschreiten. 194 V. Session der 7. Periode 1895 Beilage XLV. 4. Die nach vollstreckter Heeresdienstpflicht aus der Reftrve zu den Landesschützen Übersetzten, dürfen nur in Ausnahmsfällen, z. B. zur Einübung eines neuen Waffensystems und zwar höchstens in der Gesammtdauer von 14 Tagen einberufen werde. 5. Schiessübungen dürfen an Sonn- und gebotenen Feiertagen während des vormittägigen Gottesdienstes nicht abgehalten werden. 6. Der Mannschaft' ist an Sonn- und gebotenen Feiertagen, insofern dieselbe nicht ohnedies dienstlich zum Gottesdienste geführt wird, die nothwendige Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten zu gewähren. 7. Solche, die sich der Soldatenmisshandlung schuldig machen, oder an einem Duell betheiligen, dürfen in den tirolisch-vorarlbergischen Truppenkörpern weder eine OffizierSnoch Unteroffizierscharge erhallen noch beibehalten. Diese Forderungen wurden vom Wehrausschusse begründet wie folgt: Ad I. In Folge der erhöhten Heranziehung von Stellungspflichügen zu den Kaiserjägern sah sich die Heeresverwaltung veranlaßt, die Zahl der Kaiserjägerbataillone auf 16 zu erhöhen. Die nöthige Mannschaft konnte aber nicht auf einmal aufgebracht werden, es mußten daher auch Rekruten anderer Länder in dieselben ausgenommen werden. Dasselbe ist der Fall hinsichtlich der Landesschützen­ bataillone, indem durch die Mehrstellung zu den Kaiserjägern die Zahl der Rekruten für die Landes schützen aus Tirol und Vorarlberg abnahm und bei Inkrafttreten des nunmehr in Vorschlag gebrachten § 8 in der Folge noch mehr abnehmen wird. Schon jetzt werden die Lücken mit Landwehrrekruten von Salzburg, Oberösterreich, Steiermark und Schlesien ausgefüllt. Es ist nun der Wunsch der Länder Tirol und Vorarlberg, daß einerseits eigene Truppen­ körper für beide Länder wie bisher bestehen und diese nicht beliebig umgewandelt werden dürfen, anderer­ seits die Mannschaft dieser Truppenkörper nur aus Angehörigen dieser Länder ergänzt werden dürfe. Schon in dem Artikel III des Gesetz vom 5. Dezember 1868 R.-G.-Bl. Nr. 151 wird die Organi­ sierung und Verwendung der in Tirol und Vorarlberg wehrpflichtigen Mannschaft, welche zur Ergänzung des Kaiserjägerregimentes nicht benöthigt wird, der Landesgesetzgebung überwiesen. Wenn nun auch bereits im LandesvertheidigungSgesetze vom 23. Jänner 1887 L.-G.-Bl. Nr. 7 gemäß § 8 festgesetzt wurde, daß die Organisation der Landesschützen vom Kaiser bestimmt werde, so wäre doch nach der dermaligen Lage der Gesetzgebung ausgeschlossen gewesen, daß die tirolisch-vorarlbergischen Rekruten zu andern Truppenkörpern hätten überstellt werden dürfen, als nur zu den Kaiserjägern oder zu den Landesschützen, beziehungsweise zu den hiezu gehörenden Ersatzreserven. So soll es auch in der Zukunft bleiben. Der Wehrausschnss war daher der Ansicht, es sollte einerseits in den § 1 des Gesetzes vom 23. Jänner 1887 L.-G.-Bl. Nr. 1 ein Zusatz ausgenommen werden, durch welchen auch die Kaiser­ jäger unter den von Tirol und Vorarlberg aufzustellenden Streitkräften aufgeführt werden, andererseits sollte durch einen Zusatz int § 8 ausdrücklich festgesetzt werden, das die Mannschaft der Kaiserjäger und Landesschützen nur aus Angehörigen dieser Länder zu bestehen habe. Diese Forderung ist auch sehr berechtiget, indem damit nichts Neues verlangt sondern nur etwas längst Bestandenes für die Zukunft aufrecht erhalten wird. Die ruhmreiche Geschichte der tirolisch-vorarlbergischen Truppen spricht dafür, daß sie nicht mit jenen anderer Länder vermischt, oder andern Truppenkörpern zugetheilt werden, oder gar in denselben aufgehen sollten. Die guten Eigenschaften der Tiroler und Vorarlberger, alte Sitte und Treue, Liebe zur Religion, zum Kaiser und Vaterlande dürften wohl besser gewahrt und erhalten werden, wenn nicht eine Verschmelzung mit andern Truppenkörpern Platz greift. Ad 2 wurde u. a. bemerkt: Zwei Jahre sind sicher ein langer Zeitraum und genügen nicht nur für eine gute Ausbildung der Mannschaft, sondern auch zur Heranbildung tüchtiger Unteroffiziere. Die Tiroler und Vorarlberger find in der Regel von Jugend an in den Waffen geübt, eignen sich insbesondere für den Gebirgsdienst 195 Beilage XLV. XLV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen deS Vorarlberger Landtags. und können in 2 Jahren zu einer prächtigen Truppe hsrangebildet werden. Sogar bei einer nur 8wöchentlichen Ausbildung haben sich unsere Landesschützen verhältnissmäßig als gut herangebildete Truppe gezeigt, haben mehrfach mit Erfolg an größeren Manövern theilgenommen nnd wiederholt das Lob des Allerhöchsten Kriegsherrn erhalten. Die Streichung des dritten Jahres erscheint daher vollkommen gerechtfertigt. Dagegen glaubte der Wehrausschuss Alinea 3 der Regierungsvorlage als Alinea 2 des neuen Entwurfes in etwas ge­ änderter Fassung aufnehmen zu sollen, um der Militärverwaltung doch die Möglichkeit zu belasten, etwaige Freiwillige für ein drittes Dienstjahr leichter zu gewinnen. Ad 3. § 14 der Regierungsvorlage setzt die Dauer der Gesammtwaffenübungen von 24 auf 20 Wochen herab, der Wehr-Ausschuss fand diese Herabsetzung als zu wenig weitgehend und zwar aus denselben Gründen, die für die Streichung des dritten Dienstjahres sprechen. Außer den in dieser Hinsicht aufgeführten Gründen muß aber bezüglich der Waffenübungen noch auf folgende weitere Motive hingewiesen werden. Diese Waffenübungen reißen wohl jeden Einberufenen aus seiner Stellung heraus, ja sind vielfach Ursache, daß der Einberufene dieselbe nachher nicht wieder einnehmen kann. Bei den älteren Jahrgängen entziehen diese Waffenübungen der Familie vielfach ihren Ernähner, überantworten dieselbe dadurch der Noth, ohne daß der Staat helfend einschreitet. Bei der mangelhaften Verpflegung der Truppen (dieselben bekommen bekanntlich nicht einmal ein Nachtessen) muß der Einberufene oder dessen Angehörige noch aus Eigenem bedeutend an Geld beisetzen. Die Beschränkung der Waffenübungen auf die möglichst kürzeste Dauer ist daher auch aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend geboten. Nach den bisherigen geltenden Bestimmungen sollte jedes Jahr etwa die Hälfte der Mannschaft des circa 2500 Mann starken vorarlbergischen Landcsschützen-Bataillons Nr. 10 zur Waffenübung heran­ gezogen werden. In Wirklichkeit wurden aber einberufen: 1889 1890 1891 1892 1893 — — — — — 523 819 987 979 657 Mann „ „ „ „ Ad 4. Nach der Regierungsvorlage sollten ferner die nach vollstreckter Heeresdienstpflicht aus der Reserve zu den Landesschützen Übersetzten zu einer Waffenübung von 4 Wochen einberufen werden können. Diese Forderung ist wohl zu weit gehend. Es wurde schon in der Landtagsfttzung vom 13. Jänner 1887 darauf hingewiesen, dass solche aus der Reserve Übersetzte nur in außerordentlichen Fällen, z. B. bei Einführung einer neuen Waffe zu einer Übung herangezogen werden sollten. Die diesfalls einstimmig angenommene Resolution lautet: „Der Landtag spricht die zuversichtliche Erwartung aus, dass die im § 14 des Landesvertheidigungsgesetzes vorgesehene Heranziehung der nach vollstreckter Heeresdienstpflicht aus der Reserve zu den Landesschützen Übersetzten zu den Waffenübungen nur in den dringendsten Fällen erfolgen werde." Der Wehrausschuss eliminierte nun zwar die bezügliche Bestimmung nicht ganz aus dem Ent­ würfe, glaubte aber derartige Waffenübungen auf Ausnahmsfälle beschränken und deren Dauer gleich­ zeitig von 4 Wochen auf 14 Tage herabsetzen zu sollen. Bezüglich des Punktes 5 wurde nach der Tiroler Vorlage den Wünschen Vorarlbergs, wie schon erwähnt, entsprochen und kann daher von Anführung der dafür sprechenden Gründe Umgang genommen werden. Ad 6. Tirol und Vorarlberg sind katholische Länder. Mit Treue und Liebe hängt deren Bevölkerung an der von den Vätern ererbten Religion und ist von dem heißen Wunsche erfüllt, dass dieses herrliche und unersetzliche Kleinod im vollen Glanze erhalten werde und übergehe auf ihre Nach­ kommen bis in die fernsten Zeiten. Die Bevölkerung verlangt daher auch und zwar mit vollem Rechte, 196 Beilage XLV. V. Session der 7. Periode 1895. dass der in die Herzen der Jugend gepflanzte christliche Sinn und Geist nicht während der Militär­ Dienstzeit aus Mangel jeglicher Gelegenheit zur Anregung und Belebung desselben ganz ersterbe, sondern dass vielmehr derselbe gehegt, gepflegt und gehoben werde. Es ist auch im Interesse der Armee selbst gelegen, dass Letzteres geschehe. Die Tugenden der Vaterlandsliebe, des Opfermuthes und der Tapfer­ keit werden nur dann in den Herzen unserer Soldaten sich dauernd erhalten, wenn die Grundsätze des Christenthums fest in ihren Herzen wurzeln, wenn die edelste und kostbarste von Gott in deren Herz gesetzte Pflanze, der Glaube, nicht durch das schlimme Beispiel und Benehmen der Vorgesetzten zerstört, sondern vielmehr mit Sorgfalt gepflegt und gehütet wird. Die vom Wehrausschusse in § 8 der Vorlage aufgenommene Bestimmung, dass der Mann­ schaft der tirolisch -vorarlbergischen Truppenkörper an Sonn- und gebotenen Feiertagen, insofern die­ selben nicht ohnedies dienstlich zum Gottesdienste, geführt wird, die nothwendige Zeit zur Erfüllung ihrer religiösen Pflichten gewährt werden müsse, erscheint sonach gewiß gerechtfertigt. Ad 7. Eine weitere gewiss berechtigte Klage der Bevölkerung richtet sich gegen die immer noch häufigen Misshandlungen der Soldaten. Eine rohe, hochmüthige Behandlung der Mannschaft seitens der Offiziere ist nicht geeignet, in den Soldaten Liebe zu ihrem Berufe, Liebe zum Vaterlande, dessen Gesetzen und Einrichtungen, sowie die Achtung und Ehrfurcht vor den Vorgesetzten hervorzurufen, sondern nur zu zerstören. Nur wenn der Geist gegenseitigen Vertrauens, gegenseitiger Achtung und Liebe zwischen Vorgesetzten und Untergebenen im Heere vorhanden ist, nur dann wird dasselbe zu großen Thaten fähig und bereit sein, und dann wird auch die im Heere und bei den Landesschützen Angebrachte^ Dienstzeit eine wahre Schule des Lebens, statt wie es leider jetzt vielfach der Fall ist, eine Marterstätte der zur Heeresdienstpflicht Herangezogenen. Eine weitere Forderung der katholischen Bevölkerung betrifft die Beseitigung des Duellunwesens. Staatliche und kirchliche Gesetze verbieten mit größter Strenge den Zweikampf. Dennoch zeigt es sich aber, dass in militärischen Kreisen an dieser aus der Zeit des Faustrechtes stammenden Unsitte fest­ gehalten wird, ja dass sogar von Seite eines sogenannten Ehrengerichtes Offiziere zum Zweikampf bei Verlust ihrer Charge geradezu verhalten werden. Derartige ehrengerichtliche Entscheidungen sind ein Hohn auf die ganze staatliche Gesetzgebung und geeignet, alle Autorität vor dem Gesetze vollständig zu untergraben. Wenn sich ein Soldat die geringste Widersetzlichkeit zu Schulden kommen läßt, so folgt strengste, mitunter nahezu grausame Bestrafung. Wenn aber deren Vorgesetzte mit Vorbedacht, bei . voller Überlegung offen die Gesetze des Staates mit Füßen treten und im Duell geradezu gemeinen, vorsätzlichen Mord begehen, da gehen dieselben straflos aus, ja mitunter werden sie sogar zum Morde durch das sogenannte Ehrengericht gezwungen. Hinsichtlich der vom vorjährigen Wehrausschusse angestrebten Erleichterungen gaben die Ver­ treter der Regierung bei den diesjährigen Verhandlungen im benannten Ausschüsse die Erklärung ab, dass die Regierung nicht in der Lage sei, weitergehende, als die in dem vom Tiroler Landtage votierten Gesetzentwürfe vorgesehenen Begünstigungen zu gewähren. Erst in der letzten Sitzung des Wehr­ Ausschusses vom 9. d. M. erklärte der Herr Ministerialrath von An der San, es wäre vielleicht die Aussicht nicht ganz ausgeschlossen, noch in einigen andern Punkten, z. B. hinsichtlich der Waffenübungen Erleichterungen zu erwirken. Die Aufnahme von Bestimmungen hinsichtlich ber Sonntagsheiligung, sowie Hintanhaltung der Soldatenmisshandlung und des Duellunfuges in den Gesetzentwurf erklärte die Regierung als unbedingt unzulässig, weil die Festsetzung derselben theils in das Gebiet der Reichsgesetzgebung gehöre, theils ein Recht der Krone bilde, dagegen gab die Regierung hinsichtlich dieser Punkte folgende Erklärung ab: „Auf die an die Regierung gerichteten Anfragen bezüglich der Sonntagsheiligung und der Mannschafts-„Misshandlung", was doch passender Mannschafts-„Behandlung" heißen sollte, kann und darf die Regierung vor Allem nur auf das vom obersten Kriegsherrn erlassene Dienstreglement ver­ weisen, von welchem der Einführungs-Armeebefehl ausdrücklich sagt, dass dessen Bestimmungen von sämmtlichen Personen der Kriegsmacht, welche Charge sie immer bekleiden, ausnahmslos als unab­ weichliches Gesetz beobachtet und genau vollzogen werden müssen." 197 Beilage XU XLV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Dieses Dienstreglement handelt im § 2 von der Gottesfurcht, im § 58 vom Gottesdienst. Ich bringe beide §§ zur Verlesung, ersteren vollinhaltlich, letzteren, insoferne er sich nicht auf außerordentliche gottesdienstliche Handlungen bezieht. § 2. Gottesfurcht. 12. Die Gottesfurcht ist die Grundlage eines moralischen Lebenswandels und eine Aneiferung zur treuen Erfüllung der Pflicht. Grundsätze, die den Menschen zum strengen Erfassen seiner Obliegenheiten anspornen, ihn in den Beschwerlichkeiten des Lebens unterstützen, feinen Muth beleben, ihm Beruhigung in Gefahren und Trost im Unglücke bieten, müssen geehrt und gepflegt werden. 13. Spott über religiöse Gegenstände oder Verunglimpfung derselben ist ebenso wie alles, was eine Gehässigkeit zwischen den verschiedenen Glaubensgenossen Hervorrufen könnte, zu vermeiden. Der Soldat soll demnach die Achtung, welche jeder religiösen Überzeugung gebührt, bei keiner Gelegenheit verletzen, sie vielmehr jederzeit würdig zum Ausdrucke bringen. Dieser Gesichtspunkt ist auch für das Verhalten des Militärs bei der Betheiligung an religiösen Festlichkeiten maßgebend. 14. Jedem ist, soweit der Dienst es zulässt, die Verrichtung seiner Andacht und seiner religiösen Pflichten zur gehörigen Zeit zu gestatten. § 58. Gottesdienst. 435. Gewöhnlicher Gottesdienst. Damit die Mlltärpersonen Hren religiösen Pflichten nachkommen und ihre Andacht, soweit es der Dienst zulässt, zur gehörigen Zeit verrichten können, sind die Stunden, zu denen in den Gotteshäusern der verschiedenen Konfessionen Gottesdienst abgehalten wird, durch Vermittlung der Militär-Stations-Commanden rechtzeitig zu verlautbaren, und es soll von Seite der Truppen-Commandanten darauf gesehen werden, dass den Militärpersonen an den dem Gottesdienste vornehmlich geweihten Tagen die Theilnahme an den Andachts-Übungen ihrer Religions­ genoffenschaft ermöglicht werde. An den bezeichneten Tagen, mindestens allmonatlich einmal, sind, wo es angeht, die Truppen, nach ihren Religionsgenossenschaften gesondert und in taktische Abtheilungen geordnet, zum Kirchenbesuche zu führen. Sie sehen, meine Herren, dass hier durch die Weisheit des erlauchten Gesetzgebers alles Gute und Zweckmäßige vorgekehrt ist und dass es diesbezüglich wohl keiner weiteren Verfügungen oder An­ regungen bedarf. Sollten in ganz vereinzelnten Fällen diese Bestimmungen nicht eingehalten werden, so steht, wie die Erfahmng lehrt, der Weg offen, dass nicht nur durch die Untergebenen, sondern auch durch andere Personen die erforderlich scheinenden Beschwerden, sei es bei den militärischen Höheren oder bei der Regierung angebracht werden, welch' letztere gewiss ebenso, wie es das Dienstreglement für Sr. Majestät Kriegsvolk vorschreibt, in diesem Sinne den Bestimmungen des Dienstreglements wird Rechnung zu tragen wissen. Auch bezüglich der Mannschaftsbehandlung enthält das Dienstreglement die erforderlichen Bestimmungen. Erlauben die Herren, dass ich dieselben (in entsprechendem Auszuge) zur Verlesung bringe. § 17. Behandlung der Untergebenen (Niederen). 101. Allgemeine Bestimmungen. Die Behandlung der Untergebenen soll gerecht und wohlwollend, dabei consequent und der Eigenthümlichkeit des Einzelnen angepasst fein. Eine solche Behandlung erweckt Vertrauen und Anhänglichkeit und fördert jenen Einfluss, dessen der Vorgesetzte in schwierigen Lagen und in entscheidenden Augenblicken in hohem Grade bedarf. 198 ■ V. Session der 7. Periode 1895. Beilage XLV. Der Vorgesetzte bemühe sich daher, seine Untergebenen nach' ihren Charactereigenschaften, Geistesgaben und Neigungen kennen zu lernen, zeige Theilnahme für sie und suche bildend und anregend auf Geist und Gemüth einzuwirken. 102. Bei allem Wohlwollen dulde er aber weder die geringste Abweichung von den Vor­ schriften und Befehlen, noch lasse er eine übermäßige Vertraulichkeit zu. Er muss es verstehen, sein Ansehen bei den Untergebenen unter allen Umständen zu wahren. 103. Gewissenhafte Pflichterfüllung, Ordnung und Genauigkeit müssen dem Kriegsmanne zur Gewohnheit werden. Der militärische Dienstbetneb ist mit Schärfe zu handhaben, und wo es noth thut, ist zeit­ gerecht mit Strenge einzuschreiten; diese darf jedoch nie in eine herabwürdigende Behandlung des Untergebenen ausarten. Durch Unparteilichkeit und Festigkeit ohne Härte und Leidenschaft wird das Interesse des Dienstes gewahrt, die Autorität des Vorgesetzten gehoben. 104. Auf die kriegstüchtige Ausbildung der Untergebenen soll die "größte Sorgfalt verwendet und hierbei mit Geduld, Methode und Ausdauer vorgegangen werden. Gleichzeitig mit der kriegerischen Schulung wecke man aber auch den kriegerischen Geist, flöße schon dem jungen Soldaten Neigung für seinen Beruf ein und festige die Anhänglichkeit an den Monarchen und das Vaterland. 105. Gegründeten Bitten und Beschwerden gerecht zu werden, ist eine Pflicht jedes Vorgesetzten. 106. Kleinliche Bevormundung der Untergebenen und ungerechtfertigtes Eingreifen in ihre Selbstständigkeit erzeugen Missmuth und schädigen den Dienst; das Überschreiten der Befugnisse, sowie das Ertheilen von Befehlen, die zu dem Dienste offenbar in keiner Beziehung stehen, sind der Disciplin nachtheilig und strafbar. 107. Der Vorgesetzte trachte auch, die Ehrliebe und das Selbstgefühl seiner Untergebenen stets rege zu erhalten und zum Besten des Dienstes zu verwerten. Lob und Tadel, Belohnung und Strafe richtig anzuwenden, beweist Verständnis und Tact. Wo weder Vorstellungen noch' Ermahnungen wirken, insbesondere aber, wo sich Ungehorsam oder Mangel an Pflichtgefühl zeigen, muss Strafe eintreten. Dieselbe darf jedoch nie persönlicher Abneigung entspringen oder in einer Gehässigkeit zeigen­ den Art verhängt werden. Bei der Wahl der Strafart^und bei Bemessung der Strafe soll der Vorgesetzte auf die bis­ herige Aufführung, auf den Bildungsgrad des zu Bestrafenden, auf die voraussichtliche Wirkung der Strafe, wie auf mildernde oder erschwerende Umstände Rücksicht nehmen. Strafen sollen erst nach reiflicher Erwägung und nicht in der ersten Aufregung verhängt, da­ gegen aber auch nur in Ausnahmsfüllen, wenn nachträglich erkannte gewichtige Gründe dafür sprechen, ganz oder theilweise erlassen werden. Hieran schließen sich die Vorschriften über die Schonung und Erhaltung des Mannes; ich bringe auch diese zur Verlesung. § 18. D.-R. Schonung und Erhaltung von Mann und Material. 111. Wenngleich in entscheidenden Augenblicken die höchste Anspannung und Ausnützung der Streitkräfte eintreten muss, so ist doch, insoweit hiedurch der kriegerische Zweck nicht beeinträchtiget wird, die Schonung 'und Erhaltung von Mann und Material, sowie die Sorge-für das Wohl der Unter­ gebenen eine der wichtigsten Pflichten eines jeden Vorgesetzten. Gute Nahrung und Bekleidung, zweckmäßige Unterkunft, angemessene Gesundheitspflege bei methodisch gesteigerter Abhärtung, Ordnung, sowie gewissenhafter Befolg der auf Instandhaltung des Materials bezugnehmenden Vorschriften sind die wesentlichsten Mittel, um dieser wichtigen Obliegenheit zu genügen und die Streitkräfte möglichst vollzählig und schlagfertig an den Feind zu bringen. 199 Beilage XLV. XLV. der Beilagen zu den stenogr. Protokolle» des Vorarlberger Landtags. In letzterer Beziehung ist insbesondere auch im Auge zu behalten, dass, wenn außergewöhn­ liche körperliche Anstrengungen unmittelbar bevorstehen, auf eine vorausgehende Stärkung durch Speise, Trank und. Ruhe vorgedacht werden muss. Die Nichtbefolgung dieser unvechrüchlichen Anordnungen werden im Disciplinarwege bestraft. § 86. Disciplin«r Strafrecht. 646. Begriff. Zur Aufrechthaltung der Disciplin ist den Vorgesetzten das Recht einge­ räumt, Untergebene^ wegen erwiesener strafbarer Handlungen oder Unterlassungen innerhalb der nach­ folgend festgesetzten Grenzen mit angemessenen Strafen zu belegen. Dieses Recht, welches jederzeit mit dem Befugnisse verbunden ist, verhängte Strafen unter den im Puncte 107 bezeichneten Umständen zu mildern oder ganz nachzusehen, wird im Gegensatze zur Strafgerichtsbarkeit das Diseiplinarstrafrecht genannt. Sollten aber in dieser Hinsicht größere Ausschreitungen vorkommen, so enthält das Militär­ Strafgesetz für solche Fälle die strengsten Bestimmungen.' § 299 lit. a. besagt: § 289. M.-St.-G. Fälle der fünften Art der Hintansetzung der Dienstesvorschriften im Allgemeinen. § 289, V. Die Dienstgewalt wird überschritten:' a) wenn ein militärischer Vorgesetzter von was immer für einem Grade einen Untergebenen im Dienste mit Schlägen, Stößen, Fußtritten oder auf ecke andere Art körperlich misshandelt oder auf -eine andere herabwürdigende Weise beschimpfet; ' § 290 M.-St.-G. Bestrafung der Fälle a. und b. § 290. Ist der Untergebene durch die erlittene Misshandlung oder auf Befehl des Vorgesetzten an ihm widerrechtlich vollzogene Strafe in Lebensgefahr gekommen-: an seinem Körper bleibend beschä­ digt oder dienstunfähig geworden, so ist der schuldige Vorgesetzte -zu der im § 382 (Die Strafe dieses Verbrechens ist schwerer Kerker von einem bis auf fünf Jahre. Nach der Größe der Bosheit und des Schadens kann derselbe auch bis auf 1'0 Jahre verlängert werden).- verhängten Strafe zu verurtheilen; sonst aber in den unter a) und b) bezeichneten Fällen - mit Kerker von sechs Monaten bis zu einem Jahre; und nach Umständen, besonders wenn solche > gesetzwidrige Behandlung der Untergebenen öfter sich erlaubt worden, oder zu SubordinatiMsverletzung, Mckrterei oder Desertion Anlass gegeben hat, auch mit schwerem Kerker bis zu fünf Jahren zu bestrafen.' . Bezüglich der Duellfrage im Allgemeinen und speciell was das ehrenräthliche Verfahren betrifft, bin ich in die Lage gesetzt. Nachstehendes endgiltig zu etiföten, bezw. zu wiederholen. Die Vorschrift über das ehrenräthliche Verfahren ist ein Ausfluss des gesetzlichen Rechtes, welches die Anordnungen in Betreff der Leitung, Führung und inneren Organisation der gesammten Armee ausschliesslich dem Kaiser zuspricht, 'und welches" sonach auch die unerlässlichen Bedingungen für die Erlangung, bezw. Bekleidung der Officierscharge festzusetzeu hat. Die gedachte Vorschrift bezweckt die Regelung der Vorgangsweise zur Wahrung der' Officiers-Standesehre irrt Allgemeinen wie im Ein­ zelnen, und hat sich als solche ebenso nothwendig als nützlich erwiesen. Es ist aber ein ganz irriger Begriff, wenn geglaubt wird, dass^däs vorgeschriebene ehrenräthliche Verfahren eine Art Tribunal für die Austragung von Düellfragen in sich begriffe. In der ganzen Vorschrift welche im Verördnungsblatte für das k. u. k. Heer, 47. Stück vom 4. December 1884, bezw. in jenem für die *t. k.-'Landwehr Nr. 31 vom 9. November 1885 verlautbart ist — erscheint vom Duelle überhaupt ntit keinem'Worte die Rede und hat sich das gegenständliche Verfahren lediglich auf die Untersuchung und Beurtheilung zu erstrecken, inwieferne 200 Beilage XLV. V. Session der 7. Periode 1895. fallweise die Standesehre nach den im Stande selbst maßgebenden Begriffen verletzt, bezw. gefährdet worden sei oder nicht, um danach die Consequenzen für die Unmöglichkeit oder Möglichkeit des Ver­ bleibens der Betreffenden im'Officiersstande zu ziehen. Wenn in einzelnen Fällen verletzter Ehre dem Beschädigten kein anderes genügendes Mittel der Vertheidigung erübrigend gefunden wird, als den Schuldtragenden mit der Waffe zur Rechenschaft zu ziehen, so liegt die Schuld dieses gewiss beklagenswerten Zustandes nicht im ehrenräthlichen Verfahren und auch nicht in speciellen Traditionen des Militärstandes — sondern in dem leider oft mangelnden, ausreichenden Schutze, welchen die verletzte Ehre bei denGesetzen und in der Gesellschaft überhaupt findet, welcher Mangel den in seinen Lebensbedingungen Geschädigten gleichsam zur Nothwehr zwingt, die durch kein Gesetz und keine Anordnungen sich verhindern und verbieten lassen wird, solange nicht eben Gesetz und Gesellschaft diesbezüglich geregelte ausreichende Vorsorge treffen. Wenn selbst ein Gesetz oder eine Allerhöchste Anordnung bestimmen wollte, dass wegen unterlassener Austragung eines Ehrenhandels ein Officier seiner Charge nicht entkleidet werden dürste, — so würde dies ebensowenig nützen, als alle gegen das Duell verhängten Strafen, indem ein solcher Offizier nach den herrschenden Begriffen bei Vorgesetzten, Kameraden und Untergebenen sich unmöglich gemacht haben würde. Auch im bürgerlichen Leben steht es mit dem Ausschlüsse der Selbsthilfe nicht besser und wo es keine geregelte Abhilfe giebt, sieht man oft nur noch schlimmere Formen der Gewaltthat: Todschlag, Mord, Blutrache rc. platzgreifen. , Eine geregelte Vorsorge im früher angedeuteten Sinne liegt gerade in dem bei der bewaffneten Macht eingeführten ehrenräthlichen Verfahren, welches eben nicht nur danach frägt, ob ein Beleidigter seine Ehre ausreichend gewahrt hat, sondern — entsprechend aufgefasst — im Bereiche seiner Judicatur jeden zur Verantwortung zieht, welchem ein ungehöriges, unehrenhaftes Benehmen vorzuwerfen wäre, derart auch auf die Ursache zurückgeht und sich gegen ben eigentlich Schuldtragenden richtet. Dieser Institution ist es zu danken, dass das Verhalten im Officiersstande überhaupt einer geregelten Controle unterliegt, einem ungehörigen Benehmen, welches häufig Anlass zu Ehrenhändeln bie­ tet, wesentlich vorgebeugt wird, — letztem im Kreise der Beteiligten seltener gemacht und oft auch auf diesem Wege abgethan werden. Gerade das ehrenräthliche Verfahren ist der Weg, auf welchem der Militärstand vorange­ gangen ist, welchen er der Gesellschaft im Allgemeinen anzeigt, um den Unwesen in Ehrensachen, so­ weit es hiedurch eben möglich ist, zu steuern. Es kann immerhin vorgekommen sein, dass in einem oder dem anderen schwierigen Falle auch nicht ganz entsprechend vorgegangen wurde, vollkommen ist nichts und gefehlt wird im Leben immer und überall; — es handelt sich nur darum, dass dagegen eben thunlichste Vorsorge getroffen — Ab­ hilfe geschaffen werde; dies ist in der Armee der Fall und dass dies stets im Auge behalten werde, möge Demjenigen vertrauensvoll überlassen bleiben, welchem die Weisheit der Gesetzgebung die Sorge Hiefür ausschließlich anheimgestellt hat. ■ 1 Ich kann also reasummiren: Dass von der Regierung kein Widerspruch erhoben werden wird, wenn sich gegen das Duell­ wesen ausgesprochen wird; daß aber eine gründliche und wirksame Abhilfe gegen dasselbe auf anderem Wege zu suchen erscheint, als durch Decretierungen, welche sich, von wo immer ausgehend, in der Ge­ schichte aller Jahrhunderte als ungenügend erwiesen haben; dass in der Armee zur Regelung des Ver­ fahrens in Ehrenangelegenheiten und Einschränkung bezüglicher Vorkommnisse das Mögliche geschehen ist und werden soll; dass es sonach überflüssig erscheint, in ^dieser Richtung noch eine Pression ausüben zu wollen, während, wie ich schon anzudeuten die Ehre hatte, grundsätzlichen Wunschesausdrücken entgegen zu treten gewiss nicht beabsichtiget ist. Endlich gab die Regierung hinsichtlich Bewahrung des tirolisch-vorarlbergischen Charakters der Kaiserjager und Landesschützen folgende Erklärung ab: 301 ' Beilage XLV. XLV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Die aufgeworfene Frage, auf welche Weife in Zukunft die Kaiserjäger und Landesschützen ihren tirolisch-vorarlbergischen Charakter beibehalten sollen, — kann .ich dahin beautworten, dass nicht nur die ausdrücklichen Bestimmungen des § 8 der Gesetzesvorlage — sondern auch das für das Heer wie für die Landwehr grundsätzlich im Allgemeinen angenommene Territorial­ System für die Erhaltung dieses Charakters volle Gewähr bieten. Durch die erfolgte volle Inanspruchnahme der, nach den Bestimmungen des Wehrgesetzes, von Tirol und Vorarlberg für das Heer zu stellenden Rekruten wird der Bedarf für die dermalen bestehenden 16 Kaiserjäger-Bataillone gedeckt und ist es die allergnädigste Absicht Seiner Majestät, diesen tirolisch-vorarlbergischen Truppen überdies, auch nachher in Aussicht genommenen Organisation in mehrere Regimenter, insgesammt die Allerhöchste Namensbe­ zeichnung zu erhalten. Die gegenwärtig bestehenden 10 Landesschützen-Bataillone vermöchten allerdings Lmit deren nunmehrigen und künftig noch zu reduzirendem Rekrutencontingente nicht vollständig erhallen zu werden und ist deren angemessene Verminderung in Aussicht genommen. Wenn dies nicht bereits dermalen zur Durchführung gelangt, so liegt der Grund mir darin, dass der unerlässliche Ersatz der aufzulassenden Landesfchützen — durch Landwehr-Bataillone aus den übrigen im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern der wohl ebenfalls bereits in Aussicht genommenen, aber nicht sofort durchführbaren neuen Territorial-Eintheilung der gesummten Landwehr vorbehalten bleiben muss — bis zu welcher Zeit eben nur erübriget, den Ausfall in den provisorisch fortbestehenden Landesschützen-Bataillonen durch Mannschaften aus anderen Rekrutirungsgebieten zu ergänzen, — eine Maßnahme welche übrigens im militärischen Interesse am misslichsten empfunden — daher um so gewisser auf die kürzest mögliche Dauer beschränkt werden wird. Aus diesen Darstellungen geht hervor, dass nach dem vom Tiroler Landtage beschlossenen Gesetze, in einigen Punkten den vom Vorarlberger Wehrausschusse im Vorjahre gestellten Anforderungen entsprochen wurde. Einige wesentliche Forderungen fanden darin keine oder zu wenig weitgehende Be­ rücksichtigung. So ist das 3te Dienstjahr wohl bedeutend eingeschränkt worden, während in Vorarlberg die Ansicht besteht und das Verlangen gestellt wurde, dasselbe ganz zu streichen. Ferner wurden die Waffenübungen wohl für Standschützen, nicht aber im Allgemeinen gegen­ über dem ursprünglichen Regierungsentwurf herabgesetzt und doch wäre zu wünschen, daß sie für alle erleichtert würden. Hinsichtlich der vorjährigen Forderungen des Wehrausschusses betreffend die Maßnahmen gegen die Soldatenmißhandlung und das Duellunwesen, dann die Pflege des religiösen Geistes in der Armee, besonders durch Gewährung der nöthigen Zeit an Sonn- und gebotenen Feiertagen zur Erfüllung der religiösen Pflichten, wurden wohl seitens der Regierung die oben abgedruckten Erklärungen abgegeben, woraus entnommen werden kann, dass in gesetzlicher Hinsicht zwar Vorsorge getroffen wäre, dass einentheils gegen Missstände eingeschritten, anderntheils den religiösen Bedürfnissen der Soldaten Rechnung getragen werden könnte. .Aber leider fehlt cs vielfach an der gehörigen Durchführung und Handhabung der GesetzeEs sollte nicht nur gegenüber der Mannschaft, sondern in mindestens dem gleichen Grade gegen die Offiziere das Gesetz vollständig zur Geltung kommen. Scharfe Durchführungsverordnungen sollten erfolgen, und insbesondere jene Personen, die sich der Soldatenmisshandlung schuldig machen, unnach­ sichtlich der Strafe zugesührt werden. Die Erklärung der Regierung hinsichtlich der militärischen Ehrenräthe hat nicht befriedigt. In der Erklärung ist nicht der mindeste Anlauf zu erblicken, jener Ungerechtigkeit entgegen zu steuern, wornach Offiziere bei Chargeverlust geradezu zum Duell gezwungen werden können. 202 V. Session der 7. Periode 1895. BeilageXI^V. Nachdem sonach wichtigen Forderungen, die der Vorarlberger Wehrausschuss im Vorjahre aufstellte, nicht in genügender Weise entsprochen wurde so hält es die Majorität des Wehrausschusses nicht für angemessen, dass das Gesetz dermalen angenommen werde. Dem Tiroler Landtag, bezw. dessen Ausschüsse wurden Wochen zu Verhandlungen mit der Regierung gewährt, die nicht ganz ohne. Erfolg waren. Weitere Verhandlungen mit der Regierung dürften doch nicht ganz erfolglos sein und darum sollte die Vertagung der Berathung erfolgen, der Landesausschuss aber den Auftrag erhalten, die Verhandlungen mit der Regierung nach der Richtung zu pflegen, um einestheils noch weitthunlichste Erleichterungen zu erreichen, anderntheils hinsichtlich jener Forderungen, die nach apodiktischer Erklärung der Regierung ins Gesetz nicht Aufnahme finden können, noch bessere Bürgschaften zu erhalten suchen, dass denselben in einer gerechten Weise entsprochen werde. Es wird nun vielseitig behauptet, nach dem vorliegenden Gesetze werden die Leistungen der Länder Tirol und Vorarlberg nicht so bedeutend höhere werden, als sie bisher waren. Gestützt wird diese Behauptung aus den Umstand, dass fortan das Jahres-Recrutencontingent der Landesschützen von 723 auf 413 herabgesetzt, sonach um 310 Mann verringert werde, auch enthalte das Gesetz Begünstigungen hinsichtlich der Waffenübungen, und so werde die verlängerte Dienstzeit nahezu durch Minderstellung an Mannschaft und die geringere Zahl der Waffenübungen ausgewogen. Auch der Bericht des Tiroler Landesvertheidigungs-Ausschusses kommt zu diesem Schluffe und will nur im Gesummten eine Mehr­ leistung von 3304 Wochen anerkennen. Abgesehen davon, dass durch Einführung der zwei-, beziehungsweise dreijährigen Dienstpflicht die in der Folge zu den Landesschützen Eingereihten ungleich schwerer belastet werden als bisher, und ihrem Berufe und der Familie auf lange Zeit entzogen werden, so muss die Grundlage der obigen Berechnung über die künftigen und die bisherigen Leistungen als eine vollständig unrichtige bezeichnet werden. Die bisherige Mehrbelastung der beiden Länder war eine ungerechtfertigte und durch ein Vorgehen der Heeresverwaltung, das den Vereinbarungen zwischen der Regierung und den Ländern nicht entsprach, herbeigeführt. Tirol und Vorarlberg stellten bekanntlich schon seit einer Reihe von Jahren im Gesummten d. i. für Kaiserjäger, und Landesschützen ein größeres (Kontingent als nach Verhältnis der Bevölkerungs­ zahl zur Stellungspflicht der übrigen Länder für Heer und Landwehr entfallen wäre. Diese Mehrleistung wurde aber durch den Umstand, daß die zwei Länder hinsichtlich der Stellung zum stehenden Heere (Kaiserjäger) begünstiget wurden, indem bei weiten nicht ein nach der Bevölkerungszahl entfallendes (Kontingent an Rekruten zum Kaiserjägerregiment abgegeben wurde, als es verhältnismäßig gegenüber der Stellung anderer Länder zum stehenden Heere getroffen hätte, reichlich ausgewogen. Was wir sonach weniger zu den Kaiserjäger stellten, kam zu den Landesschützen und dazu noch weitere 310 Mann, als auf uns im Verhältnisse zu anderen Ländern entfallen wäre. Durch die kurze Präsenzdienstpflicht der Landes­ schützen wurde die Mehrstellung an Mannschaft indessen reichlich ausgeglichen, so dass die Wehrpflicht der beiden Länder gegenüber den anderen als keine erhöhte angesehen worden war. Es war gleichsam eine, wenn auch nicht schriftliche Vereinbarung zwischen der Regierung und den beiden Ländern, wornach letztere 310 Mann mehr stellten, der größte Theil der Einberufenen dafür statt zum Heere zu den Landesschützen eingereiht wurden. Bei den jeweiligen Verhandlungen anläßlich vorgenommener Änderungen des Landes­ vertheidigungsgesetzes, wiesen die Vertreter der Regierung jedesmal auf dieses für die beiden Länder günstige Verhältnis und stellten in Aussicht, dass es ein bleibendes fei. Im Jahre 1893 aber wurde auf einmal ohne Angabe eines Grundes oder Einholung der Zustimmung der Länder hievon abgegangen, und das volle für das Heer für .Tirol und Vorarlberg entfallende Rekrutencontingent ausgehoben. Dieser Vorgang ist ein uneorkecter. Konnte die Regierung aus was immer für Gründen ihre Zusicherungen nicht mehr einhalten, so hätte sie billigerweise auch sofort von, der nur unter derMoraussetzung der Einhaltung derselben gewährten Mehrleistung an Rekruten absehen müssen. Das ist aber nicht geschehen und soll nun erst durch' ein Gesetz erfolgen, das. neue schwere Lasten bringt. ' Dieser Vorgang involviert einen durch die Sachlage, keineswegs gerechtfertigten Druck für die Durchsetzung des neuen Gesetzes. 203 XLV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen deS Vorarlberger Landtag-. Beilage XLV. Die Grundlage der Berechnung, als ob das neue Gesetz nicht so besonders erhöhte Lasten bringe, ist aber noch aus einem anderen Grunde eine falsche. Nach § 10 des Landesvertheidigungs-Gesetzes durfte nur ein Theil der Landesschützen zur Erhaltung des nothwendigen Mannschaftsstammes für die stehenden Cadres ein volles Jahr zu activer Dienstleistung unter thunlichster Berücksichtigung ihrer Familien- und Erwerbsverhältnisse herangezogen werden. Alle anderen Rekruten wären nach § 13 unb zwar jene für Fußtruppen durch 8 Wochen, die zur Artillerie bestimmte Hilfsmannschaft durch drei Monate auszubilden gewesen. Was that aber die Heeresverwaltung? Sie machte die Ausnahme des § 10 zur Regel und sonach mussten in den letzten Jahren sämmtliche Landesschützen zuerst die 8wöchentliche Rekrutenausbildung nach § 13 er­ halten und wurden dann nach § 10 ein volles Jahr zum Präsenzdienste herangezogen. So werden die Gesetze ausgelegt und gehandhabt und eine solche unrichtige Handhabung will man als Gradmesser zur Beurtheilung der jetzigen und künftigen Belastung nehmen. Nimmt man das bisherige Gesetz nach seinem Wortlaute, nut einer natürlichen, gerechten und unparteiischen Auslegung und Handhabung und vergleicht damit den vorliegenden Entwurf, so kann man sich durchaus der Überzeugung nicht entschlagen, dass durch letztere der Bevölkerung neue und große Opfer aufgeladen werden sollen. Und doch seufzt dieselbe schon längst unter der drückenden Last des Militarismus. Ganz Europa starrt in Waffen, schon sind einzelne Mächte an der äußersten Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt, immer lauter wird der Ruf, einmal einzuhalten auf dem betretenen Wege und sich selbst ein weises „Bis hieher und nicht weiter" zu setzen, damit nicht elementare Gewalt hiezu zwinge, wenn es bereits zu spät ist. Diesem ernsten Rufe der Zeit kann sich auch der Landtag von Vorarlberg nicht verschließen und wenn er die Verhandlung über den vorliegenden Gesetzentwurf vertagt, so hat er diesem gebieterischen Rufe in soweit Rechnung getragen, als er dann Gelegenheit hat, sich vorerst noch besser davon zu üben zeugen, ob die Votirung des Gesetzes gebieterische Nothwendigkeit sei oder nicht. Gestützt auf diese Ausführungen erhebt die Majorität des WehrausschuffeS folgende Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: 1. Die Beschlussfassung über die Regierungsvorlage, beziehungsweise 'über den vom Tiroler Landtage votierten Gesetz-Entwurf, betreffend das Institut der Landesver­ theidigung für die gefürstete Grafschaft Tirol unb das Land Vorarlberg wird vertagt. 2. Der Landesausschuss erhält den Auftrag mit der Regierung in Verhandlung zu treten, um a. deren Zustimmung zu weiteren Erleichterungen hinsichtlich des vorliegenden Ge­ setzentwurfes zu erwirken; b. sichere Bürgschaften zu erhalten, daß den berechtigten Forderungen nach Maßnahmen gegen die Soldatenmisshandlungen und das Duellunwesen entsprochen und genügend Vorsorge getroffen werde, dass den Soldaten an Sonn- und gebotenen Feiettagen genügende Zeit zur Erfüllung ihrer Christenpflichten eingeräumt werde. Bregenz, am 10. Februar 1895. Johannes Thnrnher, Martin Thrrruher, Obmann. Berichterstatter. 204 Beilage XLV. V. Sesfion der 7. Periode 1895. Minoritäts-Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen, es sei auf Grundlage des vom Tiroler Landtage beschlossenen Gesetzentwurfes in die Spezialdebatte einzugehen. Bregenz, 9. Februar 1895. Dr. Dr. B-ck. Druck Bon I. R. Teutsch IU »regen, . 905