18950123_ltb0231895_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Gesetzentwurf_Bestimmungen_Tanzunterhaltungen

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Letzte Änderung 01.07.2021, 18:40
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1895,ltb1895,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXIII. der Beilagen zu dLn fierwgr. Protokollen des vorarldeptzer Landtags. V. Session, 7. Periode 189$. Vj' 1 ' l'in -V?- ^rr<v • • .7 1 :' '■ ; / *' ■ ; ..... fi, ? B-»azc XXIII. s■? A- i/V ■"■' ■c ■■ WovitKt des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den Gesetzentwurf, betreffend die Erlassung von Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzunterhaltungen. Hoher Landtag! Der Motivenbericht des Landes-Ausschusses zu dem dem Landtage in Vorlage gebrachten Gesetzentwürfe, betreffend die Erlassung von Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzunter­ haltungen, lautet: Der Wunsch nach Regelung des Tanzmusikwesens ist nicht nur in Vorarlberg, sondern auch in andern Kronländern der Monarchie wiederholt zum Ausdrucke gelangt. In Schlesien ist diese Regelung bereits erfolgt, indem das vom dortigen Landtage in der Sitzung vom 31. Jänner v. I. angenommene Gesetz die Allerhöchste kaiserl. Sanktion bereits erhalten hat. Die bei uns wie auch in den übrigen Ländern der Monarchie diesfalls geltenden Normen beruhen zumeist auf Hofkanzleidekreten und Gubernialverordnungen aus den Jahren 1826 und 1827, sind veraltet und den jetzigen Verhältnissen vielfach nicht mehr entsprechend. Die Regelung des Tanzmusikwesens ist nicht von nebensächlicher Bedeutung, sondern sie gehört mit zu den zahlreichen der Erledigung harrenden Arbeiten der Gegenwart, die auf socialem Gebiete durchgeführt werden müssen. Sittliche, sociale und wirtschaftliche Momente, insbesondere Hebung der Sittlichkeit, Festigung des Familienlebens, Hintanhaltung der Verarmung, Eindämmung der Vergnügungs- und Genusssucht, Schutz der arbeitenden Classen vor gewissenloser Ausbeutung durch eigennützige Gastwirte, u. s. w. sprechen für die Erlaffung von gesetzlichen Bestimmungen zur Regelung der öffentlichen Tanzunterhaltungen. Es ist vor allem wichtig, die Tanzunterhaltungen gewissen Einschränkungen zu unterwerfen. Insbesondere soll vorgesorgt werden, dass die Tanzmusiken nicht zu einer Zeit veranstaltet werden, die sich unmittelbar an die Lohnvertheilung an die Arbeiter anschließt. Es soll verhütet werden, dass der Arbeiter gleich nach der Lohnauszahlung Gelegenheit findet, das gewiss sauer und mühsam verdiente Geld in leichtfertiger, das geistige und leibliche Wohl gleich gefährdender Weise zu verwenden und dadurch für die kommende Zeit sich und seine Familie in Noth und Mangel zu stürzen. 103 Beilage XXIII ;< XXIII. der Beilagen zu denstenogr. Protokollen^ des voraEergtzr-Landtags f Die Zahlung der Arbeiter findet bei uns fast ausnahmslos an den Samstagen statt; es soll aber im Gesetze auch für' jene wenigen Fälle, in denen dieselbe in Fabriken, bei Straßen- und Bahn­ bauten, Flussregulierungen und dgl. an einem andern Wochentage erfolgen sollte, in gleicher Weise vorgesorgt werden. Das Verbot der Tanzunterhaltungen an Samstagen hat aber nicht nur für die Arbeiter hohen Wert, sondern für alle Classen der Gesellschaft. Wie ist es möglich, den Sonntag, den Tag des Herrn, nach den Vorschriften des Christenthums zu feiern, wenn die Nacht vom Samstag auf den Sonntag bei Tanz und Gelage zugebracht wird. Schon die Ermöglichung der Heiligung des Sonntages erfordert dringend das Verbot der Tanzunterhaltungen an Samstagen. Nebst dieser wichtigsten Einschränkung (§ 2) soll nach dem vorliegenden Gesetzentwürfe (§ 1) die Gemeindevorstehung das Recht haben, Licenzgesuche aus wichtigen Gründen abzuweisen oder zu beschränken; auch soll die Gemeindevertretung befugt sein, zu beschließen, dass öffentliche Tanzunter­ haltungen zu gewissen Zeiten oder unter gewissen Umständen nicht abgehalten, oder auf eine gewisse Zahl im Jahre zu beschränken seien. Dass schulpflichtige Kinder von öffentlichen Tanzunterhaltungen vollständig ausgeschlossen und junge Personen im Alter von 14—16 Jahren nur in Begleitung ihrer gesetzlichen Vertreter oder der von denselben bestimmten erwachsenen Personen zugelassen werden sollen, bedarf, wohl keiner Begründung. Die Festsetzung bestimmter und zwar etwas ausgiebiger Taxen für die Gewährung der Tanz­ licenzen (§ 2) soll nicht nur einschränkend auf die Tanzunterhaltungen wirken, sondern den immer mehr und mehr in Anspruch genommenen Armenfonden eine nicht unwesentliche und sehr berechtigte Einnahme zuwenden. Gerade die immer mehr überhandnehmende Genusssucht, die Trunkenheit und der Luxus verursachen die Verarmung so vieler Personen, die dann beim geringfügigsten Anlasse — Krankheit, zeitweilige Arbeitslosigkeit u. dgl. — sofort der Armenverpflegung jür Last fallen. Es ist daher nicht nur gerechtfertigt, dass derartige Quellen der Verarmung verstopft, sondern auch nothwendig, dass den Gemeinden neue Hilfsquellen eröffnet werden, wenn sie nicht ganz von der immer steigenden Last der Armenversorgung erdrückt, und wenn nicht den nüchternen, sparsamern, arbeitsamern Bürgern immer noch erhöhtere Umlagen aufgebürdet werden sollen. Als Minimaltaxe für öffentliche Tanzunterhaltungen in kleinen Gemeinden wurde der Bettag von 3 fl., in größeren ein solcher von 5 fl. festgesetzt. Will eine Gemeinde höhere Gebühren erheben, so ist sie hiezu vorbehaltlich der Genehmigung des Landes-Ausschusses berechtiget (§ 2). Dabei ist vorgesehen, dass die Gebühren in ein und der­ selben Gemeinde verschieden festgesetzt werden können und werden bei der stufenmäßigen Bemessung derselben die Dauer der Tanzunterhaltung, die voraussichtlich größere oder geringere Betheiligung und andere Umstände in Betracht zu ziehen sein. Bei dem Umstande, als in einer Reihe von Kronländern schon seit nahezu 80 Jahren be­ stimmte Taxen für Tanzlicenzen vorgeschrieben sind, während die darauf sich beziehenden Hofkanzlei­ dekrete in die tirolisch-vorarlbergische Gesetzessammlung nicht ausgenommen wurden und sonach bei uns nicht in Rechtskraft traten, erscheint die Regelung dieser Taxen um so dringender. Die in den Gesetzentwurf aufgenommenen Strafbestimmungen sind nur insoweit neu, als auch die Eltern und Vormünder von jugendlichen Personen bei Übertretung des § 5 zur Verantwortung ge­ zogen werden können. Im Übrigen sind die vorgesehenen Strafen, insbesondere gegenüber den Gast­ wirten, eher milder als die dermalen geltenden, dürften sich aber als ausreichend erweisen, weil bei­ spielsweise Wirten nach der dritten Bestrafung eine weitere Bewilligung zur Abhaltung von Tanz­ unterhaltungen nicht mehr gewährt werden darf. Durch Votierung des in Vorschlag gebrachten Gesetzentwurfes wird die Landesvertretung inner­ halb des Rahmens ihrer Competenz einen weitern Schritt auf dem Gebiete der socialen Reform voll­ führen, der gewiss von den besten und segensreichsten Folgen begleitet sein wird. Der volkswirtschaftliche Ausschuss schließt sich diesen Ausführungen des Landes-Ausschuffes vollständig an. Wenn ganz vereinzelt die Ansicht auftauchte, ein solches Gesetz sei dermalen für Vor104 V Session der 7. Periode 1895 Beilage XXIII. arlberg nicht notwendig, so kann derselben nicht zugestimmt werden. Wenn auch unsere bezüglichen Verhältnisse gewiss besser sind, als z. B. in Schlesien, so darf aber doch nicht übersehen werden, dass die fremden Arbeiterelemente in unserem Lande an Zahl von Jahr zu Jahr zunehmen, und in gleichem Maße die guten Eigenschaften, wie sie zumeist einer einheimischen, ansäßigen, nicht ganz besitzlosen Arbeiterbevölkerung in der Regel eigen sind, nicht mehr so vorherrschend bleiben, ja vielfach ver­ schwinden. Es ist sicher gerechtfertigt, rechtzeitig entsprechende Maßnahmen zu treffen, statt erst dann, wenn die Zustände schon unhaltbar und daher eine Sanierung und Rettung meistens unmöglich ge­ worden ist. Durch Übung seit unbestimmbarer Zeit besteht wohl in Vorarlberg eine Taxe für Ertheilung von Musiklicenzen, aber gesetzlich geregelt ist dieselbe, wie schon im Motivenbericht des Landes-Aus­ schusses hervorgehoben wird, nicht. Es ist daher auch aus diesem Grunde zeitgemäß, diese Regelung durch Votierung eines Spezialgesetzes vorzunehmen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss hat am Elaborate des Landes-Ausschusses nur wenige Änderungen vorgenommen. Bei § 1 wurden Bedenken laut, ob die Bestimmungen desselben genügend klar und weit­ gehend genug seien, um die sogenannten Winkelbälle thunlichst hintanzuhallen. Bei genauer Prüfung des Wortlautes wurde gefunden, dass die bezüglichen Bestimmungen genügen. Werden doch gemäß § 1 alle Bälle, die in Gast- und Wirtshäusern stattfinden, ausnahmslos als öffentlich erklärt; ferner wird dieser Charakter jenen vindiciert, die in Privatlokalen auf gemeinschaftliche Rechnung von Teilnehmern oder gegen Entrichtung eines Eintrittsgeldes veranstaltet werden. Eigentliche Hausbälle in Privat­ lokalen, deren Kosten vom Gastgeber allein bestritten werden^ dürften sich auf eine bescheidene Zahl reducieren. Bei § 2 setzte der volkswirtschaftliche Ausschuss die Taxe für Gemeinden mit 3000 und mehr Einwohnern von 5 fl. auf 3 fl., und für kleinere Gemeirwen von 3 auf 2 fl. herab. Nachdem der 2. Absatz des § 2 den Gemeinden das Recht einräumt, vorbehaltlich der Genehmigung des Landes­ Ausschusses eine Erhöhung dieser Taxe zu beschließen, so erscheint die Herabsetzung der Minimaltaxe gerechtfertigt, indem hiedurch die Befugnis der Gemeinden, die Höhe der Taxe ihren besondern Ver­ hältnissen anzupassen, eine um so umfassendere wird. In § 4 wurde die Bestimmung, dass der Gemeindeausschuss befugt sei, 'die Zahl der Tanzunterhältungen auf eine für ein Jahr vorausbestimmte Zahl zu beschränken, fallen gelaffen, weil eine solche Bestimmung bei Zusammentreffen verschiedener Umstände mitunter als hart erscheinen oder in der Durchführung auf Schwierigkeiten stoßen könnte. In den §§ 9 und 10 wurden nur Ergänzungen hinsichtlich des Recursverfahrens ausgenommen. Der volkswirtschaftliche Ausschuss erhebt sonach den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: , >Dem beiliegenden Gesetzentwurf, betreffend die Erlassung von Bestimmungen über die Abhaltung von Tanzunterhaltungen, wird die Zustimmung ertheilt." Bregenz, am 23. Jänner 1895. Johannes Thrrrnher, Martin Thurnher, Obmann. Berichterstatter. Druck von I. N. Teutsch tn Bregenz. 105