18940123_ltb0241894_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_selbständigerAntrag_Wahlrechtserweiterung_Handelskammerwahlen-Gewerbekammerwahlen

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:11
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1894,ltb1894,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXIV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags, iv. Session, 7. Periode 1894. Beilage XXIV. Z3ovicht des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den selbstständigen Antrag der Abgeord­ neten 2TL Thurnherr und Genossen betreffend die Erweiterung des Wahlrechtes bei den Wahlen in die Handels- und Gewerbekammer. Hoher Landtag! Die Antragsteller begründen (Beilage VII der stenographischen Protokolle) den Antrag wie folgt: „Nach den dermalen geltenden gesetzlichen Bestimmungen und den auf Grund des Gesetzes vom 29. Juni 1868, Nr. 85 R.-G.-Bl., betreffend die Organisirung der Handels- und Gewerbekammer erlassenen Verordnungen des Handels-Ministeriums, ist in Vorarlberg das Wahlrecht der Handels- und Gewerbetreibenden hinsichtlich der Wahlen in die Handels- und Gewerbekammer ein so ungleiches und eingeschränktes, wie es der Billigkeit und Gerechtigkeit keineswegs entspricht. So können z. B. in der Sektion Großhandel und Großindustrie 45 Wähler 6, in der Sektion für Kleingewerbetreibende 275 Wähler 4, und in der Sektion für Handeltreibende 424 Wähler 6 Mitglieder in diese Körperschaft entsenden. Zudem besteht auch für die letzteren 2 Sektionen ein sehr hoher Census, so daß weitaus der größere Theil der Handels- und Gewerbetreibenden ein Wahlrecht überhaupt gar nicht besitzt." Es ist vollkommen richtig, daß die Art und Weise, wie die vorarlbergische Handels- und Ge­ werbekammer in. Kategorien eingetheilt ist, in Verbindung mit dem bestehenden hohen Census wesentlich bewirkt, daß diese Körperschaft schon im Hinblick auf ihre Mitglieder mehr als eine Vertretung der Großindustrie und des Großhandels, als eine Vertretung des gesammten Handels- und Gewerbestandes erscheint. Das Kleingewerbe hat oft ganz andere Interessen als die Großindustrie; ja die Interessen des erstem können oft in einem gewissen Gegensatze zu deneu der letztem stehen; für solche Fälle kann aber die Handelskammer in ihrer dermaligen Zusammensetzung nicht als eine entsprechende Vertretung des Kleingewerbes angesehen werden. Ein Vergleich der Zahl der Gewerbetreibenden im allgemeinen mit der Zahl jener, die das Wahlrecht in die Handels- und Gewerbekammer besitzen, wird die Richtigkeit dieser Anschauung erhärten. 145 * BeUage XXIV. XXIV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Folgende Tabelle beleuchtet die Wahlrechtseinschränkung in grellster Weise. Gerichtsbezirk Zahl der Gewerbetreibenden Wähler der HandelZsektion Wähler der Gewerbesektion Gesammtzahl der Wahlberechtigten Bregenz 2126 112 110 222 Bezau 1217 5 40 45 Dornbirn 2180 66 76 142 Feldkirch 2292 107 71 178 Bludenz 820 56 43 99 Montavon 394 6 7 13 9029 352 347 699 . Das Wahlrecht zur Handels- und Gewerbekammer ist demnach, wie es dermalen nach der Wahlordnung der Handels- und Gewerbekammer für Vorarlberg, genehmigt mit Erlaß des Handels­ ministers vom 31. März 1884 Z. 5575 besteht, in einer geradezu unerhörten Weise beschränkt, und zwar derart, wie es den Bestimmungen des Gesetzes vom 29. Juni 18.68 Nr. 85 R.-G.-Bl. offen widerspricht. Während dieses Gesetz das Wahlrecht in der ersten Kategorie von einer Erwerbsteuer­ entrichtung von 100 st. abhängig macht, bestimmt die Feldkircher Wahlordnung den Census mit 100 st. ohne Einrechnung der Zuschläge. Für die andern Kategorien wird von der Wahlordnung die Entrich­ tung einer Erwerbsteuer von 5 st. ohne Zuschläge festgesetzt, während das Gesetz diese Bestimmung nicht enthält. Wohl wird dann diese Bestimmung mit dem auch im Gesetze enthaltenen Passus ein­ geschränkt, daß jedenfalls die Entrichtung des dem Steuer-Census für die Wahlberechtigung zum Land­ tage gleichkommenden Steuerbetrages für die Wahlberechtigung zur Handels- und Gewerbekammer genüge. In dieser Bestimmung tritt nun ein offenbarer Widerspruch zu Tage, indem in den Census für die Landtagswahlen die Zuschläge eingerechnet werden und nach erflossenen Entscheidungen des h. k. k. Verwaltungs-Gerichtshofes auch eingerechnet werden müssen. Auch ist der Minimal-Census bei Landlagswahlen nicht überall der gleiche, indem bei Gemeinden mit nur 2 Wahlkörpern zwei Drittel aller Steuerzahlenden das Wahlrecht besitzen und in solchen Orten müßte consequenterweise nicht der Betrag von 5 st., sondern der entfallende Landtagswahlcensus auch für die Kammerwahlen zu gelten haben. Als vor wenigen Jahren z. B. die Stadt Bludenz nur zwei Wahlkörper hatte, betrug der Landtagswahlcensus dortselbst nur etwas zu 2 st.; man hat aber nie vernommen, daß die Wähler­ listen zur Handelskammer auch nach Grundlage dieses Minimalcensus angefertigt worden wären. Das Wahlrecht wird weiter außerordentlich und ungerechtfertigt eingeschränkt, weil nur die Erwerb st euer angerechnet wird, nicht aber die gerade nach dem Ertrage des Gewerbes bemessene Einkommensteuer. Diese letztere sollte unter allen Umständen auch berücksichtigt werden. Dazu kommt noch, daß wenn ein Gewerbetreibender Gewerbe verschiedener Kategorien ausübt, er für den Fall, als seine gesammte Erwerbsteuerschuldigkeit auch weit über 5 st. betragen würde, er doch sehr, oft nicht wahlberechtigt erscheint, außer es würde auf Gewerbe ein und derselben Kategorie dieser Steuerbetrag schon entfallen. Es ist dieses eine recht engherzige Beschränkung der Wahlordnung der vorarlbergischen Handels- und Gewerbekammer, und völlig ungerechtfertigt. Das Gesetz selbst enthält diese Einschränkung nicht. In dieser Beziehung sollte bestimmt werden, daß der ganze für alle Gewerbe zu entrichtende Steuerbetrag in Anrechnung zu bringen, der betreffende Gewerbetreibende aber in die Wählerliste jener Kategorie aufzunehmen sei, in welche jene Gewerbe gehören, für die er den höhern Steuerbetrug zu entrichten hat. Beilage X^IV, IV. Session der 7. Periode 1894. Ganz bedeutende Abhilfe könnte nach dem Stande der Angelegenheit schon ohne legislative Maßnahmen geschaffen werden. Nach dem Gesetze vom 29. Juni 1868 steht die Feststellung des Wahlcensus dem Handelsminister im Einvernehmen mit der betreffenden Kammer mit der früher schon angedeuteten Einschränkung zu, daß jedenfalls die Entrichtung des dem Steuercensus für die Wahl­ berechtigung zum Landtage gleichkommenden Steuerbetrages für die Wahlberechtigung zur Handels- und Gewerbekammer genüge. Der Handelsminister wäre sonach in der Lage, eine Herabsetzung des Census zu veranlassen. Auch könnte durch den Handelsminister in gleicher Weise eine gerechtere Vertheilung der Anzahl der auf jede Kategorie entfallenden Kammermitglieder vollzogen, sowie die Anrechenbarkeit der für mehrere Gewerbe verschiedener Kategorien entrichteten Steuer ausgesprochen werden. Dagegen könnte die Einrechnung der Einkommensteuer in die anrechenbare Steuerquote nur im legislativen Wege erfolgen. Wenn nun auch eine bedeutende Erweiterung des Wahlrechtes, für die Wahlen zur Handels­ und Gewerbekammer nicht vollständig genügen wird, um die Interessen aller Kategorien der Gewerbe­ treibenden gleichmäßig zu wahren und zu fördern, vielmehr mit der Erweiterung des Wahlrechtes auch die Trennung dieser Körperschaft nach der Richtung erfolgen sollte, daß das Kleingewerbe eine gesonderte Vertretung bekäme, so dürften aber die bezeichneten Maßnahmen doch eine ganz wesentliche Verbesserung der dermaligen Verhältnisse herbeiführen. Es ist auch zu erwarten, daß seitens der berufenen Factoren auf die Anregung der Landesvertretung eingegangen werden wird und zwar um so mehr, als in Kammer­ bezirken unseres Nachbarlandes Tirol diesfalls schon jetzt ein bedeutend niedererer Census besteht als bei uns. Nach der mit Erlaß des k. k. Handelsministeriums vom 31. März 1884, Zl. 5575 ge­ nehmigten Wahlordnung für die Handels- und Gewerbekammer in Innsbruck besteht dortselbst im I. Wahlkörper der gleiche Census, wie im Kammerbezirke Feldkirch, dagegen im II. wird er mit 4 st. 20 kr. und im III. mit 2 st. 10 kr. jährlich im Ordinarium zu entrichtender Erwerbsteuer festgesetzt. Nach § 7 des Gesetzes vom 29. Juni 1868, Nr. 85, R.-G.-Bl. übt der Landtagswahl-Census insofern einen Einfluß auf die Höhe des Census bei Kammerwahlen, daß letztere mit Ausnahme der Wählerklassen für die Sektionen der Großindustrie und des Großhandels nicht höher sein darf, als ersterer. Nachdem nun in Vorarlberg schon längst sich das Bedürfnis nach einer Aenderung der Landtags­ wahlordnung im Allgemeinen und hinsichtlich Herabsetzung des Census insbesondere längst fühlbar gemacht hat, so erscheint es angemessen, bei der Behandlung des vorliegenden Antrages auch diese Frage ins Auge zu faffen, da deren Lösung sicher auch eine theilweise Erweiterung des Wahlrechtes bei den Wahlen in die Handels- und Gewerbekammer involviren wird. Wenn die Wahlvorgänge des Jahres 1890 nicht eine unaufschiebbare theilweise Aenderung der L.-W.-O. bedingt hätten, so wäre deren durchgreifende Reform sicher schon in Angriff genommen worden. Die nothwendig gewordene theilweise Revision gelangte aber nicht zu dem gewünschten, raschen Abschluß, sondern beschäftigte vielmehr die Landesvertretung in allen seitherigen Sessionen, und liegt nach Rechenschaftsbericht auch heute noch keine Mittheilung über die A. h. kais. Sanktion des diesbezüg­ lichen, in der letzten Landtagssession beschlossenen Gesetzentwurfes vor. Da aber die Erwirkung der Allerh. Sanktion für gedachten Gesetzentwurf wohl außer Zweifel stehen dürfte, so liegt wohl kein Hin­ dernis mehr vor, in eine allgemeine Revision der L.-W.-O. einzutreten. Der volkswirthschaftliche Ausschuß erhebt daher folgende Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: J. „Die h. k. k. Regierung wird auf Grund des § 19 L. O. aufgefordert, ehethunlichst die geeigneten Schritte zur möglichsten Erweiterung des Wahlrechtes für die Wahlen in die Handels- und Gewerbekammer Vorarlbergs einzuleiten, zu diesem Zwecke ins­ ' 147 ' l V; XXIV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags._______ IV. Session, 7. Periode 1894. besondere den Census bei allen Kategorien der Wahlberechtigten herabzusetzen, die. für Gewerbe verschiedener Kategorien zu entrichtenden Steuern bei Bemessung des Wahl­ rechtes in Anrechnung zu bringen und eine gerechtere Vertheilung der Anzahl der auf die verschiedenen Kategorien entfallenden Mandate vorzunehmen, endlich im legisla­ tiven Wege die Anrechenbarkeit der Einkommensteuer zu erwirken. 2. Der Landes-Ausschuß wird beauftragt, in die Berathung über eine gründliche Revision der Landtagswahlordnung einzutreten und dem Landtage eine dahingehende Vorlage in nächster Session zu unterbreiten. Bregenz den 23. Jänner 1894. Johannes Thrrrnher, Martin Thnrnher, Berichterstatter. Obmann. Truck von Z. Ä« Teutsch, Bregenz. 148