18940205_ltb0341894_Gemeindeverwaltungsausschussbericht_SelbständigerAntrag_Stickererwerbsteuerherabsetzung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 18:52
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1894,ltb1894,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXXIV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags, iv. Session, 7. Periode 1894. Beilage XXXIV. des landtäglichen Gemeinde- und Verwaltungs-Ausschusses über den selbstständigen Antrag der Abgeordneten Bösch und Genossen betreffend Herabsetzung der Erwerb­ steuer für Sticfer. Hoher Landtag! Der Abgeordnete Bösch und Genossen haben an den h. Landtag einen selbstständigen Antrag auf Herabsetzung der Erwerbsteuer für Sticker eingebracht. Die Antragsteller betonen, daß der Stickerei­ verdienst immer mehr zurückgehe, ja selbst dem des gewöhnlichen Taglöhners zurückstehe. Obgleich nun dieses eine notorische Thatsache sei, so werde seit dem Jahre 1888, also seit dem allmähligen Nieder­ gänge der Stickereiindustrie, von den kompetenten Steuerbemessungs-Behörden den Anmeldern des Stickerei­ Gewerbes eine höhere Erwerbsteuer vorgeschrieben. Dadurch werde auch die Einkommensteuer erhöht, weil die Erwerbsteuer zu der letzteren Steuer gewöhnlich der Maßstab sei. Demzufolge stellten die Antragsteller den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Das k. k. Finanz-Ministerium wird ersucht, in Berücksichtigung der dürftigen Lage der damit Betroffenen die Erwerbsteuer für Sticker ehethunlichst herabzusetzen." Der landtägliche Ausschuß findet diesen Antrag als begründet, denn es ist und bleibt das Vorgehen der Steuerbemessungsbehörde unerklärlich, daß dieselbe zur Zeit des Niederganges des Stickerei­ Gewerbes sich veranlaßt findet, die Steuervorschreibung denjenigen Parteien zu erhöhen, welche jetzt um diese Gewerbebefugnis ansuchen. In der ersten Zeit der Stickereiindustrie wurde allgemein ein Erwerbsteuer-Ordinarium von 2 st. 10 kr. pro Jahr vorgeschrieben. Damals war aber bekanntlich die Stickerei sehr gut und den meisten andern Gewerben hinsichtlich der Ertragsfähigkeit voraus. Es kam deshalb Niemand der Gedanke, als sei dieser Steuersatz zu hoch. Doch allmählig verschlimmerte sich dieser günstige Zustand, so daß bald der 175 Beilage XXXIV. XXXIV. der Bellagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Sticker nicht nur den andern Gewerben, sondern dem gewöhnlichen Taglöhner hinsichtlich seines Ver­ dienstes nachsteht. Wenn nun jetzt angesichts dieses notorischen und allgemein bekannten Zustandes der Stickerei jenen, welche den Betrieb dieses Gewerbes anmelden, eine höhere Steuervorschreibung gemacht wird, so kann dieses nicht nur nicht verstanden, sondern geradezu als nicht gerechtfertigt hin­ gestellt werden. Bei der jetzigen Lage der Sticker wäre eigentlich eine allgemeine Reducirung der Steuern für dieselben voll und ganz berechtiget und es hat deshalb in wohlerwogener Rücksichtnahme hierauf der h. Landtag schon in der II. Session pro 1891/92 in diesem Sinne gewirkt und mit einem ein­ gehenden Bericht (Beilage XXIX. des stenogr. Prot.) diese Lage der Sticker zu skizziren versucht, sowie den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Die Petition der Gemeindevorsteher von Rankweil, Altach, Mäder, Kolbach, Zwischenwasser, Weiler, Viktorsberg, Uebersaxen, Göfis, Meiningen und Fraxern im Bezirke Feldkirch wird der h. Regierung abgetreten und auf das Allerwärmste zur vollen Würdigung und raschesten Berücksichtigung empfohlen" — einstimmig angenommen Nach dem Rechenschaftsberichte Beilage I. der III. Session 1893, Punkt ß. 3 hat in dieser Angelegenheit die hohe Regierung eröffnet, daß eine allgemeine Herabsetzung der gegenwärtig bei den Stickern üblichen Besteuerung nicht statthaben könne, jedoch etwa einlaufende individuelle Gesuche um Er­ werbsteuer-Ermäßigung die thunlichste Berücksichtigung erfahren werden. Der landtägliche Ausschuß kann nicht unterlassen, bei diesem Anlasse seinem Bedauern Ausdruck zu geben, daß dem dringenden und allseitig wohlbegründeten, vom h. Landtage beschlossenen Anträge keine Würdigung geschenkt worden ist. Die zugestandene individuelle Berücksichtigung wird aber praktisch kaum einen Werth haben, da die Erwirkung derselben mit großen Schwierigkeiten ver­ bunden wäre. Nachdem aber der gegenständliche Antrag in anderer noch mehr berechtigter Art und Weise für eine Regelung der Besteuerung der Stickerei eintritt, so findet der Ausschuß doch Hoffnung auf Würdigung und Berücksichtigung desselben seitens der h. Regierung. Es handelt sich hier nicht mehr um eine allgemeine Reducirung der Steuern für Sticker, sondern um eine nach Verhältnis möglichst gleiche Vertheilung der Steuerlast, denn wie die Antragsteller sagen und wie es auch faktisch besteht, haben alle Sticker, welche seit dem Jahre 1888 im pol. Bezirke Feldkirch das Stickerei­ Gewerbe angemeldet haben, jährlich 2 fl. 62 kr. Ordinarium vorgeschrieben erhalten, im pol. Bezirke Bregenz soll hingegen theils 2 fl. 10 kr. und theils 2 fl. 62 kr. vorgeschrieben worden sein, je nach dem Verhältnisse des Gewerbeanmelders. Mithin existiert dermalen nicht nur gegenüber der früheren Vorschreibung, sondern auch im Vorgehen der einzelnen Steuerbemessungsbehörden eine Ungleichheit in der Steuervorschreibung für Sticker. Nichts ist aber dem Ansehen der Gesetze und der Autorität der Administrativ-Organe nach­ theiliger, als eine ungleiche Behandlung der Staatsbürger und es empfiehlt sich schon aus diesem Grunde, dann aber auch mit Rücksicht der Billigkeit und der Wahrung des gleichen Rechtes, in dieser Richtung Wandel zu schaffen. Seit dem Bestehen der Stickereiindustrie bis zum Jahre 1888 wurde im Bezirke Feldkirch, wo dieselbe die größte Ausdehnung erhalten hat, die Erwerbsteuer ausnahmslos mit 2 fl. 10 kr. Ordinarium vorgeschrieben. Diese Industrie blühte anfänglich in erfreulicher Weise und verdienten die Sticker mehr als andere gewöhnliche Gewerbsleute, daher war zu dieser Zeit dieser Steuersatz ge­ rechtfertigt. Wenn nun aber in der Zeitfolge die Stickerei in bedenklicher Weise zurückgieng, wie konnte es dann gerechtfertigt erscheinen, für dieses Gewerbe eine höhere Erwerbsteuer zur Zeit der schon eingetretenen Krisis vorzuschreiben, wie es geschehen ist und leider heute noch besteht. Dieses 176 Beilage XXXIV. IV. Session der 7. Periode 1894. Vorgehen der Steuerbemefsungs-Behörde kann in keiner Weife gerechtfertigt werden. Allerdings kann nicht in Abrede gestellt werden, daß auch bei der Stickereiindustrie die Ertragsfähigkeit ungleich sein kann, doch werden nur einzelne Ausnahmen gemacht werden können, welche mangels der Qualification weniger zu verdienen im Stande sind als die andern. Diese sollten dann in einen niedereren Steuersatz eingereiht werden. Nach diesen Ausführungen verlangt es das Gesetz der Gleichberechtigung, daß allen jenen Stickern, welchen 2 ft. 62 kr. Ordinarium an Erwerbsteuer vorgeschrieben wurde, dieselbe von amts­ wegen auf 2 st. 10 kr. reducirt werde. Jenen Stickern, welche vermöge ihrer minderen Qualification nicht das Normale zu leisten vermögen, sollte aber der Steuersatz auf die erste Klasse reducirt werden. Von dem Verlangen nach einer gleichmäßigeren Vertheilung dieser Steuer beseelt und den voraufgeführten Motiven geleitet, erhebt der landtägliche Gemeinde- und Verwaltungsausschuß den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Das h. k. k. Finanzministerium wird dringend ersucht, die in neuerer Zeit den Stickern vorgeschriebene erhöhte Erwerbsteuer per 2 st. 62 kr. Ordinarium auf 2 st. 10 kr. von amtswegen herabzusetzen, sowie die weniger qualificirten Sticker in die erste Erwerb­ steuerklasse einzureihen." Bregenz, am 5. Februar 1894. B. Berchtold Peter Paul Welte Obmann-Stellvertreter. Berichterstatter. Druck von I. N. T e u t sch, Bregenz. 177