18940205_ltb0351894_Gemeindeverwaltungsausschussbericht_SelbständigerAntrag_Rauschbrandfällekonstatierung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 18:41
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1894,ltb1894,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. IV. Session, 7. Periode 1894. Beilage XXXV. Wevrcht des Gemeinde- und Verwaltungs-Ausschusses über den selbstständigen Antrag der Abgeordneten Welte und Genossen betreffend Lonstatirung der Rauschbrandfälle. Hoher Landtag! Die Abgeordneten Welte und Genossen haben einen selbstständigen Antrag eingebracht, lautend: Der h. Landtag wolle beschließen: „Die h. k. k. Regierung wird dringendst ersucht, die Verfügung der amtlichen Constatirung eines einzelnen Rauschbrandfalles zum Zwecke einer sichern Statistik der Jmpferfolge aus volkswirthschaftlichen, sanitären und stscalischen Gründen rückgängig zu machen." Dieser Antrag hat folgende Motivirung: Die k. k. Bezirkshauptmannschaft Feldkirch habe unterm 21. Mai sämmtliche Gemeindevorsteher dieses Bezirkes folgenden Erlaß hinausgegeben: 1893, Nr. 4894 an „Es wird zur Kenntnis gebracht, daß alle Rauschbrandfälle von Rindern ob geimpft oder nicht geimpft sofort zur amtlichen Feststellung dieser Krankheit zur Anzeige zu bringen sind und daher die Cadaver dieser Thiere nicht früher beseitiget werden dürfen." Diese Verfügung sei absolut unausführbar, weil es faktisch unmöglich erscheine, alle einzelnen Rauschbrandfälle in den weitentlegenen Alpen durch den k. k. Bezirksthierarzt amtlich zu constatiren. Es habe eine solche Anordnung vielmehr große Umstände und Unkosten für die Parteien zur Folge und durch das vermöge weiter Entfernung lange Liegenlassen der Cadaver erhöhe sich die Seuchen­ gefahr und verstoße hiedurch sogar wider die gesundheitspolizeilichen Vorschriften. Als Motiv wird die Gewinnung von sicheren statistischen Daten der Jmpferfolge vermuthet. Der landtägliche Gemeinde- und Verwaltungs-Ausschuß hat theils die gleichen Anschauungen wie die Antragsteller, theils aber sind seine Ansichten weitergehender Natur. Die obcitirte Verfügung der k. k- Bezirkshauptmannschaft Feldkirch wird auf Grund der h. Ministerial-Verordnung vom 10. April 1885, Nr. 54 R.-G.-B. erlassen worden sein, daher dürfte dieselbe wohl nicht im Widersprüche gegen die citirte Ministerial-Verordnung, wie die Antrag­ steller der Meinung Ausdruck gaben, stehen, dagegen ist der landtägliche Ausschuß der festen Ueber­ zeugung, daß die Ausführung dieser h. Ministerial-Verordnung wegen der vielen unübersteiglichen Hindernisse geradezu als unausführbar erklärt werden muß, da es beispielsweise oft fast unmöglich 179 Beilage XXXV. XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. ist, daß die Alpknechte der Krankheit halber sofort wegen großer Entfernung und ihrer sonstigen unver­ schiebbaren Berufsarbeiten anzuzeigen in der Lage sind. Zum Beweise dieser Behauptung folgendes: Die unter A in den Punkten 1—4 vorgesehenen Maßnahmen können alle nicht mehr getroffen werden, wenn es sich um Rauschbrandfälle auf den Alpen, wo sie ja zumeist auftreten, handelt, weil der regelmäßige Verlauf dieser Krankheit bekanntlich so rasch ist, daß der Tod immer früher erfolgen wird, bevor diese Verfügungen nur getroffen werden könnten. Mithin handelt es sich in den Rausch­ brandfällen auf den Alpen lediglich um die amtliche Feststellung derselben bei den todten Thieren. Sollte aber in dieser Richtung im Sinne dieser mehrcitirten Ministerial-Verordnung vorge­ gangen werden, so sollte andererseits eine möglichst rasche Beseitigung der Cadaver dieser Thiere bewerkstelliget werden. In Punkt 8 derselben heißt es: „Die Cadaver der an Rauschbrand gefallenen Thiere sind auf eine möglichst schnelle Art zu beseitigen." Diese Anordnung ist wohl eine selbstverständliche Consequenz zur Hintanhaltung dieser Seuche, wie diese Krankheit gesetzlich erklärt wird, die gesundheitspolizeilichen Rücksichten dürften aber nach Ansicht des Ausschusses mindestens ebensogut eine rasche Beseitigung der Cadaver eines am Rausch­ brand gefallenen Thieres fordern, weil durch das lange Liegenlassen solcher Cadaver ein sehr gesund­ heitsschädlicher Geruch die Umgebung geradezu pestartig vergiftet und jene Thiere und Menschen an der Gesundheit sehr gefährdet, welche in die Nähe kommen, insbesondere aber die, welche den Cadaver nach halber Verwesung beseitigen müssen. In solcher Weise müßte wohl Jedermann klar erkennen, daß dadurch nicht nur der Zweck zur Hintanhaltung der Seuche erreicht werden könne, sondern in den obberührten Richtungen große Gefahren herbeigeführt würden. Solche Anordnungen, welche dem Zwecke zuwider sind, wirken unwillkürlich auf eine Mißachtung der behördlichen Verfügungen und sind geradezu geeignet, die Autorität der Behörden sehr zu schädigen. Doch hat der landtägliche Ausschuß nicht die Anschauung, daß die Flugkrankheit (oder Rausch­ brand) eine ansteckende Krankheit sei, weshalb er solche amtliche Krankheitsconstatirungen umsoweniger für nöthig hält. Es wäre besser, wenn die Thiere vor dem Umstehen geschlachtet, das gesunde Fleisch verwerthet, das kranke aber verscharrt und sofort beseitiget würde. Wer den Verlauf dieser Krankheit durch längere Zeit aufmerksam beobachtet, findet als ver­ härtetes Faktum, daß der Rauschbrand keine ansteckende Krankheit ist, denn sie tritt nur vereinzelt auf und kann eine Übertragung derselben nicht nachgewiesen werden. Diese Anschauung des landtäglichen Ausschusses ist aber nicht neu, sie hat sich schon längst auch bei Fachmännern eingelebt und der Wunsch um Ausscheidung dieser Krankheit aus den Milz­ krankheiten, mithin aus den Seuchenkrankheiten, besteht schon längst. In der gleichen Richtung hat der hohe Landtag schon in der III. Session V. Periode 1881 gewirkt. In der 6. Sitzung vom 10. Oktober 1881 beschloß der hohe Landtag über Antrag des landwirtschaftlichen Ausschusses folgendes: „ad 3. Es sei der hohe Landesausschuß zu beauftragen, sich neuerlich mit der hohen k. k. Regierung dahin ins Einvernehmen zu setzen, daß die Flugkrankheit aus den Milzbrandformen ausgeschieden werde." In dem Ausschußberichte heißt es unter Anderm: „Auf Grund der betreffenden Arbeiten hat der hohe Landtag in der Session 1878 den Gegenstand in neuerliche Berathung gezogen und es wurde der bezügliche Beschluß mit Note vom 28. November 1878 der h. k. k. Statthalterei vorgelegt, mit der Bitte, die weitern Schritte zur Realistrung des vorgebrachten Ansuchens um Ausscheidung des Fluges aus der Reihe der Milzbrandformen, einleiten zu wollen. Der Bescheid auf diese Eingabe erfolgte in ablehnender Richtung und es wurde die Ausscheidung des Rauschbrandes aus den Milzbrandformen gänzlich abgesprochen." 180 Beilage XXXV. IV. Session der 7. Periode 1894. „Als ein Abgehen dieser früher starr hingestellteit Richtung darf es jedoch bezeichnet werden, daß in der bereits angeführten Rote der hohen k. k. Statthalterei vom 8. April 1881 zugegeben wird, daß eigentliche Milzbrandfälle selten auftreten und es müßten die polizei­ lichen Vorgänge gegen beide Krankheiten nur aus sachlichen Gründen gleichheitlicher Natur sein, da der Laie den Unterschied nicht genau und schnell zu erkennen vermöge. Der Grund dieser milderen Auffassung dürfte wohl darin zu suchen sein, daß in der Zwischen­ zeit die von den französischen Professoren Pasteur und Bollny und von den Herrn Feser und Bollinger, Professoren an der kgl. bayer. Thierarzneischule zu München vorgenommenen Untersuchungen dargethan haben, daß die Flugkrankheit nicht contagiös und nicht verschlepp­ bar ist und nicht als eine Milzbrandform angesehen werden kann. Mit dem Milzbrand hat die Flugkrankheit nur gemein, daß beide Blutkrankheiten sind, doch zeigt schon das Aeußere, die physikalische Beschaffenheit des Blutes, nicht die geringste Aehnlichkeit. Unseren praktischen Alpwirten sind die Symptome der Flugkrankheit recht wohl bekannt und seit Menschengedenken war es in Vorarlberg der Brauch, sowohl die Häute zu verwerten, als auch das noch gesund aussehende Fleisch nothgeschlachteter, ja sogar an der Krankheit umgestandener Thiere zu genießen, ohne daß je ein Fall ver­ zeichnet werden kann, daß hiedurch schädliche Folgen für die menschliche Gesundheit er­ wachsen wären. Auch in Bayern ist der Genuß des Fleisches solcher Thiere, welche bei den ersten Symptomen der Flugkrankheit nothgeschlachtet werden, nach Entfernung der kranken Theile gestattet." „Man muß dem Ausspruche des nunmehrigen k. k. Bezirksthierarztes Josef Sommer, daß unsere Alpen bereits entvölkert sein müßten, wenn die Flugkrankheit im gewöhnlichen Sinne des Wortes ansteckend übertragbar wäre, vollkommen beipflichten." Der Erfolg dieser Verwendung der h. Landesvertretung blieb bei der h. Regierung leider ohne Erfolg. Auch jetzt noch ist nach der mehrcitirten Verordnung Punkt 7 die Verwendung des Fleisches von solchen an Rauschbrand erkrankten Thieren verboten. Dieses Fleisch wäre aber sicher ohne jede Gefahr genießbar, wenn das kranke Thier noch vor dem Umstehen gehörig abgeschlachtet und die kranken Theile abgesondert würden. Uebrigens ist ja mittlerweile überall die Fleischbeschau ange­ ordnet und es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Fleischbeschauer nur solches Fleisch zum Verkaufe bringen ließen, welches noch gesund und unschädlich ist. Da durch die nicht begründete Ausschließung des Fleisches der am Rauschbrande gefallenen Thiere vom Verkaufe und jeder andern Verwerthung ein sehr großer Nachtheil für die Viehhalter sowohl als für die Assekuranzen erwächst, so findet der landtägliche Ausschuß auch in diesem Sinne auf eine Abänderung der mehrcitirten Ministerial-Verordnung hinzuwirken. • Endlich muß noch auf das eigentliche Motiv dieser neuen Anordnung seitens der k. k. Bezirks­ hauptmannschaften eingegangen werden. Diese neue Anordnung der amtlichen Constatirung eines jeden einzelnen Rauschbrandfalles wurde zunächst zu einer sichern Statistik über die Rauschbrandschutzimpfungs­ Erfolge erlassen, welches nicht so fast ans dem von den Antragstellern zitirten Erlaß der k. k. Bezirks­ hauptmannschaft Feldkirch aktenmäßig hervorgeht, sondern aus dem der k. k. Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 16. Juni 1893 Nr. 3334, welcher unter Anderm sagt: „Damit durch die amtliche Feststellung der Thatsachen auch die Jmpfstatistik jenen Grad von Verläßlichkeit erlange, welcher ihr bisher abgieng und zur richtigen Beurtheilung des Nutzwerthes der Impfung unbedingt erforderlich ist." Wenn aber zu statistichen Daten der Jmpferfolge solche Opfer gefordert werden, wie sie aus dieser Verfügung hervorgehen, so verliert sicherlich die Impfung des Rindviehes beim Viehbesitzer an Sympathie. Angesichts dieser Lage wird in der angedeuteten Richtung nur eine den Verhältnissen und Bedürfnissen unserer Viehbesitzer Rechnung tragende Aenderuug der h. Ministerial-Verordnung vom 181 XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. IV. Session, 7. Periode 1994. 10. April 1885, R. G. B. Nr. Nr. 54, Hilfe schaffen, welche im Wege der Verstellung des § 19 d. L.-O. anzustreben sein wird. Die Hauptmomente dieser Aenderungen wären: im Sinne 1. daß der Rauschbrand aus den Milzbrandformen und überhaupt aus den ansteckenden Krankheiten abgesondert würde, und eventuell nur von Fall zu Fall der Bezirks­ behörde angezeigt werden müßte; 2. daß mithin das gesunde Fleisch von den rauschbrandkranken Rindern zum Genusse verwendet werden dürfte, jedoch der Fleischbeschau unterzogen werden müßte. Die kranken Theile aber sollten schnellstens unschädlich beseitiget werden, aus Rücksicht der Gesundheitspolizei. Von solchen Erwägungen geleitet, stellt der landtägliche Gemeinde- und Verwaltungs-Aus­ schuß den A «trag: Der hohe Landtag wolle beschließen: .Die h. k. k. Regierung wird dringend angegangen, die Ministerial-Verordnung vom 10. April 1885, Nr. 54, R.-G.-B. dahin abzuändern, daß der Rauschbrand aus den Milzbrandformen, sowie aus den ansteckenden Krankheiten ausgeschieden und das gesunde Fleisch von an Rauschbrand erkrankten nothgeschlachteten Thieren nach vorgenommener Fleisch­ beschau zum Genusse statthaft erklärt werde. Bregenz, am 5. Februar 1894. B. Berchtold, Peter Paul Wette, Obmann-Stellvertreter. Berichterstatter.