18920910_ltb0051893_Gesetzentwurf_Abänderung_Bauordnung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:17
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1892,ltb1892,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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V» der Beilagen -« den stenogr. Protokollen der Vorarlberger Landtags. Nl. Session, 7. Periode 1892. Beilage V A. Gesotz vorn wirksam für das Land Vorarlberg, womit die §§12 und 23 der Bauordnung für Vorarlberg abgeändert werden. Ueber Antrag des Landtages Meines Landes Vorarlberg verordne Ich wie folgt: Artikel I. Die 12 und 23 der Bauordnung für Vor­ arlberg (L. G. v. 20. März 1886, L. G. n. V. Bl. Nr. 19) haben in ihrer gegenwärtigen Fassung außer Wirksamkeit zu treten und künftig zu lauten: § 12. Entfernung freistehender Bauten. Bauten in der Nähe von Flüßen und Bächen. Freistehende Neubauten müssen mindestens vier Meter, vom Dachvorsprunge an gerechnet, von andern Gebäuden entfernt aufgeführt werden. Zeder Bauherr hat daher bei Aufführung eines Baues wenigstens zwei Meter von seiner Grund­ grenze entfernt zu bleiben. Wenn aber ein Nach­ bargebäude bereits ganz oder nahe an der Grund­ grenze aufgeführt sein sollte, so ist mit dem aufzuführenden Neubaue soweit zurückzuweichen, daß derselbe mindestens in eine Entfernung von vier Metern vom Nachbargebäude zu stehen kommt. Die Erbauung neuer Wohn-, Wirthschafts­ oder anderer Gebäude in der Nahe von Flüßen und Bächen ist nur in einer angemessenen, ent­ weder durch die bestehenden Flußpolizeivorschriften schon bestimmten oder nach den örtlichen Ver­ hältnissen zur Beseitigung von Gefahren und Be­ irrungen in der Wasserbenützung nothwendig er­ scheinenden Entfernung von den Ufern gestattet. Bei der Errichtung oder Aenderung von Wasser­ werken ist nach den Bestimmungen des Wasserge­ setzes vom 28. August 1870 (L. G. Bl. Nr. 65) vorzugehen. 31 V. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. III- Session. 7. Periode 1892. 8 23. Ausnahmen. Bei Erhöhung bereits bestehender Wohn- und Wirthschaftsgebäude kann unter Anwendung der nöthigen Vorsichten dieselbe Construction mit dem gleichen Materiale beibehalten werden. Die Errichtung von Wohngebäuden aus höl­ zernem Gerippe mit Ausmauerung (Riegelwand), sowie aus gestrickten Holzwänden kann nur bei isolirter Lage, welche die Bedenken einer Feuers­ gefahr für die Nachbargebäude ausschließt, unter der Bedingung zugegeben werden, daß die Mauern in der Nähe von Feuerungsanlagen und Rauch sängen aus feuersicherem Materiale hergestellt sind. Hölzerne Bedachungen aus Brettern oder Schindeln können nur bei zu vorübergehendem Gebrauche herzustellenden Gebäuden gestattet werden. Unter isolirter Lage ist eine Entfernung des Neubaues von jedem anderen Gebäude von min­ destens 15 Meter zu verstehen. Artikel II. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kund­ machung in Wirksamkeit. Artikel III. Mein Minister des Innern ist mit dem Voll­ züge dieses Gesetzes beauftragt. 32 zu den stenogr. KcotoEolleü des Vorarlberger Landtags. Ul. Session, 7. Periode 18TÄ. BeMge V S. de4 Gemeinde-Ausschusses über die Vorlage des Tandes-Ausschusses betreffend die Abänderung der Z Z \2 und 23 der Bauordnung für Vorarlberg. Der Motivenbericht des Landes-Ausschusses führt aus: Wie aus dem Berichte des landtäglichen Gemeinde-Ausschusses (LXV. der Beilagen zü den stenografischen Protokollen der Session des Jahres 1892) hervorgeht, hat Htrt Bezirksarzt vr. Bär m einem an den h. Landtag gerichteten längern Prvmemodiä ausführlich auf die Nachtheile histgdrviesen, welche das Naherücken freistehender Häufet ÜÜf die Gesundheit dtzr Bewohndr ausübt und auf Grund seiner Ausführungen die Nothwendigkeit dargestellt, die Bestimmungen to Bauordnung für Borarlberg nach der Äichtung einer Revision zu unterziehen, daß freistehende Neubauten in der Folge in einer Entfernung von mindestens vier Meter von andern Gebäuden aufzüführen seien. Bezirksarzt Bär begründet seine Anschauung wie folgt : „Daß GonneNÜcht ist, wie die Erfahrung lehrt, derjenige Factor, bdh welchen! alles Leben auf der Erve abhängt Md welches die Entwicklung des Organischen in der mächtigsten Weise beeinflußt. Es läßt sich deshalb schön von vornherein anNehmen^ däß das Sonnenlicht in gesundheitlicher Hin­ sicht eine sehr wichtige Rolle spielt. Schön HipokrUtes betbsti, büß die sonnige, heitere Lust gesund^ die trübe, feuchte, ungesund ist. In gleichem Sinne sprechen sich Galtnus und ArineKna aus. Die exparimentelle Forschung über bett Eistflüß der Küstne aüf das animalische Und pflanzliche LebkN hat erst in unserem Jahrhundert begonnen Und in Hezüg ststf die Hygieine zu wichtigen Thatsachen geführt. Die Ergebnisse der Forschung lehrftst, dstß da8 Sonnenlicht nicht blöß die Erregbarkeit der Nerven erhöht und den Stoffwechsel steigert, sondern Such die geistig Spharö dks MöstschLih seine Stimmung, seine geistige Elasticität uttd Energie beeinflußt, ferner däß däs direcü Sonnenlicht ^Ür Reinhaltung der Luft beiträgt, indem es die SchiMmelbildungen ttrib damit die Köime zur Entstehung von SiechthUm und Krankheiten zerstört. Jr^ erster Hinsicht finden wir, düß die Menschen, welche ist WohnustM äst sonnen­ armen schattigen Geländen wohnen, ist psychischer Richtung hinter tifen MtöoMrn MM, die ihre Wohnungen an sonnig warmen Himmelsstrichen haben. Bekannteste daß in sönttenätittLn, feuchten Thälern der Cretenismuä unvergleichlich mehr herrscht, als in tröckeNeii, sönnenwarnwn. In letzterer Hinsicht hat die Erfahrung gekehrt, dhß die Sttöphulöse M* allen ihren Folgest Sn schattiM licht-- und sonnenärmen Ortest, in dunkln, bon bdf Sonne nicht durchwärmten Wohnungen häufig öv vorkommt, als umgekehrt und e'in^ ErattsferituNg an die sonstig warme Luft däs b'iste HtzilMiM ist 33 Beilage V. V. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. und daß in jenen traurigen Ortschaften die Menschen einer guten Gesundheit sich weniger erfreuen. Dieß ist auch hauptsächlich der Grund, weßhalb die Menschen ihren Wohnungen, wo es immer angeht, Sonnenrichtung geben. Was hier im Allgemeinen und Großen gilt, das trifft auch im Kleinen, den einzeln stehenden Häusern, zu. Häuser, welchen durch Neubauten Licht und Sonne abgesperrt wird, sind mit Recht gefürchtet. In solchen Wohnräumen fühlt sich der Mensch angefröstelt, wie in einer Kellerluft. Von der hohen Wichtigkeit, daß bei Neubauten das Sonnenlicht, die Sonnenwärme ein großer Factor ist und in Betracht zu ziehen ist, wenn das Haus den Anforderungen der Hygieine entsprechen soll, ist Jedermann aus eigener Erfahrung überzeugt und man sollte meinen, daß die Bauordnung vom Jahre 1886 für das Land Vorarlberg diesen Punkt einer Beachtung würdig gefunden hätte. Was zeigt aber die Erfahrung? Bei isolirt stehenden Hausern baut der Nachbar an das bereits bestehende Haus ein Wohnhaus, das diesem das Sonnenlicht nimmt, dasselbe in Schatten stellt und dadurch entwerthet. Frägt man die Sachverständigen, ob dies wohl erlaubt sei, der Nachbar werde ja geschädiget, so erhält man die Antwort: „Auf meinem Grund und Boden kann ich bauen nach meinem Gutdünken und selbst wenn der Nachbar in Schaden kömmt. Was soll da die Hygieine?" Und zieht man die Bauordnung zu Rathe, so gibt sie über diesen Punkt keinen Ausschluß. Auch in Betreff der Ver­ bauung der Höfe, wodurch die Löscharbeiten bei Bränden vereitelt werden, ist nur Ungenügendes zu finden. Ob dieß nicht eine bedauernswerthe Lücke in der Bauordnung ist? Daß bei freistehenden Häusern durch das Naherücken eines Hauses zum andern Fehler gegen die Hygieine begangen werden, und dagegen vergebens Klagen geführt werden, möge nur auf einen Fall aus der jüngsten Zeit hingewiesen werden. Metzger Winkel hat sein großes Haus in der Quellenstraße in Vorkloster so nahe an das Nachbarhaus des Wacker gerückt, daß letzteres ganz in Schatten steht. In dem zwischen den Häusern gelassenen Raum müssen die Mauerwände feucht und kalt bleiben, und es können wegen der ungesunden Ausdünstung bei gewöhnlich liegen bleibenden Niederschlägen die Fenster nicht geöffnet werden, abgesehen davon, daß den Wohnzimmern Licht und Sonne entzogen wird. Oft genug verbindet sich damit nachbarliche Gehäßigkeit oder gibt hiezu An­ laß, die so lange bestehen als die Häuser." Der Landtag hat die Anregung des Hr. Bezirksarztes Dr. Bär gewürdigt und mit Beschluß vom 7. April 1892 den Landesausschuß beauftragt, geeignete diesbezügliche Anträge für die nächste Session vorzubereiten. Die in eingangs bezeichnetem Berichte des landtägl. Gemeinde-Ausschusses zum Ausdrucke gebrachten Bedenken hinsichtlich der Competenz der Ldndesvertretung zur gesetzlichen Regelung dieser Frage werden vom Landesausschusse nicht im mindesten getheilt, er ist vielmehr der Ansicht und der Ueberzeugung, daß eine derartige Einschränkung eine solche ist, welche durch öffentliche Rücksichten bedingt erscheint und daher im Wege der Landesgesetzgebung gerade so verfügt werden kann, wie die Festsetzung der Entfernung der Bauten von öffentlichen Straßen, der Art und Weise der Bau­ führung in der Nähe der Eisenbahnen, Flüsse und Gewässer, sowie der Bestimmungen über die Rücksichtnahme auf Feuersicherheits- und Sanitätsverhältnisse (§§ 10, 11, 12, 13 und 14 B.-O.). Die Aufnahme der im anliegenden Gesetzentwürfe in § 12 aufgenommenen Bestimmung berührt selbstverständlich die Bauten in geschlossenen Straßen der Städte oder anderer Ortschaften, woselbst die Gebäude nicht freistehend, sondern aneinandergebaut sind, oder nach dem etwa von der Gemeinde­ vertretung beschlossenen Regulirungsplane (§ 16 B.O.) aneinandergebaut werden sollen, nicht. Gelegentlich der Aufnahme der angedeuteten Bestimmung stndet der Landesausschuß noch eine andere Aenderung der Bauordnung in Vorschlag zu bringen. Es betrifft dieselbe die Gestattung von Holzbauten in isolirter Lage. (§ 23 B.O.). Es wurde schon bei den Ausschußberathungen gelegentlich der Revision der Bauordnung in der Landtagssession des Jahres 1885 von verschiedener Seite hervorgehoben, es sei die Festsetzung einer Entfernung von 20 Metern nicht nur drückend, sondern auch nicht zweckentsprechend, es würde vielmehr eine Entfernung von 15 Meter zur Erzielung der Feuersicherheit genügen. Diese Ansicht 34 ni. Session der 7. Periode 18V2. Beilage V. wurde aber bei den Berathungen des Landtages selbst aus dem Grunde nicht zur Geltung gebracht, weil man an dem mit der Regierung zum vorhinein vereinbarten Elaborate keine wesentlichen Aen­ derungen vornehmen wollte, um hiedurch die ganze Revistonsarbeit nicht zu gefährden, oder zu verschieben. Es hat sich nun gezeigt, daß jene im Jahre 1885 zu Tage getretenen Ansichten begründet waren, da das Entfernungsausmaß von 20 Meter in zahlreichen Fällen nicht unbedeutende Härten involvirt. Insbesondere fällt bei Bauten auf dem Lande, wo nicht mindestens 12 Meter breite Straßen bestehen, der Umstand ins Gewicht, daß einander gegenüberliegende Bauten nicht aus Holz auf­ geführt werden können, da ein Zurückweichen hinter die Baulinie in der Regel nicht angeht und sich dadurch die Unmöglichkeit ergiebt, einen Abstand von 20 Metern zwischen solchen einander gegen­ überstehenden Bauten zu gewinnen. Der landtägliche Gemeinde-Ausschuß ist mit den Ausführungen des Landes-Ausschusses voll­ ständig einverstanden, und hat nur in § 12 eine Ergänzung dahingehend in Vorschlag gebracht, daß die Entfernung der Neubauten vom Dachvorsprunge an zu bemessen sei. Die Aufnahme dieser Ergänzung wurde aus dem Grunde für nothwendig erachtet, um allen Zweifel zu beheben und ungleichartiger Jntrepretation des Gesetzes vorzubeugen. Der landtägliche Gemeinde-Ausschuß erhebt demnach den Antrag: Der h. Landtag wolle beschließen: „Dem beiliegenden Gesetzentwürfe betreffend die Abänderung der § § 12 und 23 der Bauordnung für Vorarlberg wird die Zustimmung ertheilt." Bregenz, am 10. Sept. 1892. M. Reisch, Mart. Thrrrnher, Obmann. Berichterstatter. 35