18920907_ltb0041893_Landesausschussbericht_Naturalverpflegsstationenwirksamkeit

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:18
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1892,ltb1892,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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IV. der Bellagen -u den stenügr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. III. Session, 7. Periode 1892. Beilage IV. Z3 erdicht des kandes-Ausschusses über die Wirksamkeit der Natural-Verpflegsstationen in Vorarlberg vom Jänner bis 31. Juli M2. Hoher Landtag! Die Natural-Verpflegsstationen Vorarlbergs wurden in der ersten Hälfte des Jahres 1892 sehr stark besucht, indem in den bestehenden 21 Stationen zusammen 14821 mittellose Reisende Auf­ nahme und Verpflegung fanden. Dieselben vertheilen sich auf die einzelnen Stationen wie folgt: . . . 214 . . 2373 Egg . . Bregenz . Feldkirch . . Sulzberg. . . 1817 . . . 199 . . 1693 Bezau . Bludenz . . . . 123 . . 1677 Dornbirn . . . . . 92 Au . . . . 1542 Götzis . . Schröcken . . , . 71 . . . 62 Klösterle . . Lech . . . 1418 Nenzing. . . . 1830 Schruns . . . . 61 . . 831 Höchst . . Gaschurn. . . . 37 . . 744 Hohenweiler . Sonntag . . . . 26 . > 279 Alberschwende . Mittelberg . . . 8 . . 224 Hittisau . Der starke Besuch hielt auch in den Monaten Juli und August an und dürste erst bei Eintritt kälterer Witterung insbesondere in den in den Gebirgsthälern liegenden Stationen nachlassen. Die Wirkung dieser Anstalten erwies sich auch in diesem Zeitraume als eine äußerst günstige. Die Berichte der Gemeinden, die gemachten Wahrnehmungen, die Stimmen der Presse und das all­ gemeine Urtheil der Bevölkerung begegnen sich in der übereinstimmenden Anerkennung über die wohl­ thätigen Wirkungen und die alle Erwartungen übertrMnden Erfolge dieser Anstalten. Wohl wurden von einzelnen arbeitsscheuen Individuen da und dort Bettelversuche Unternommen; dieselben scheiterten aber zumeist an der Einsicht und dem Widerstände der Bevölkerung. Es muß mit voller Anerkennung und großer Befriedigung constatirt werden, daß sich die Be­ völkerung des Landes in dieser Hinsicht geradezu musterhaft benimmt und daß die Erfolge der neuen Institution in erster Reihe diesem Verhalten der Bevölkerung zu verdanken sind. 27 Beilage IV, IV. der Beilagen zu den ftenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. In mehreren Gemeinden wurden Klagen erhoben hinsichtlich der Bettelmusikanten. Durch das Entgegenkommen der h. k. k. Statthalterei hinsichtlich des in der letzten Session ausgesprochenen Wunsches des h. Landtages betreffend die Nichtausdehnung solcher Lizenzen auf das Land Vorarlberg werden fortan solche Klagen ganz verstummen. Mehrere Gemeinden haben auch für die Zwischen­ zeit mittlerweile selbst Abhilfe geschaffen, indem sie einfach keine Bewilligungen mehr an solche Per­ sonen ertheilten. Die Vorstehungen der Verpflegsstationsgemeinden äußern sich über die Thätigkeit und die Erfolge dieser Anstalten in kurzem Auszuge in nachstehender Weise: Bregenz: Bettel und Landstreicherwesen hat nachgelassen, jedoch kommen immer noch Belästigungen vor, indem in diesem Zeiträume 68 beim Betteln betroffene Individuen aufge­ griffen wurden. Feldkirch: Der günstige Einfluß der Natural - Verpflegsstation auf die Abnahme des Hausbettels hielt auch in diesem Zeitraume an. Im Allgemeinen haben die Klagen über Hausbettel, die früher häufig vorkamen, aufgehört. Bludenz: Der Bettel- und das Vagabundenwesen haben naturgemäß wesentlich ab­ genommen und es sind in dieser Richtung die Verpflegsstationen von Erfolg begleitet. Dornbirn: Die Aufführung der Aufgenommenen, wie auch die Reinlichkeit derselben, war mit Ausnahme ganz weniger Individuen eine klaglose. Bezüglich des Bettels und Vaga­ bundenwesens wird constatirt, daß der Hausbettel seitens der Handwerksburschen in erfreu­ licher Weise abgenommen hat. Götzis: Die Verpstegsftation hat den Anforderungen vollkommen entsprochen und wurde von Bettel und Vagabundenwesen wenig mehr bemerkt. K l ö st e r l e: Das Betteln hat hier gänzlich aufgehört. Nenzing: Bettel- und Vagabundenwesen ist ganz unbedeutend, ja nicht nennenswerth; einzelne Individuen wollten dasselbe wieder anfangen, was aber bisher an entschiedener Abweisung der Bevölkerung scheiterte. Höchst: Man hört über Bettel seitens der Handwerksburschen keine Klage, es ist vielmehr das fast gänzliche Aufhören des Bettels zu constatiren. Hohenweiler: Im Mai und Juni war der Zuspruch ein äußerst reger, wobei auch der Bettel wieder mehr bemerkbar wurde. Eine Ursache hievon war, daß manche der Zu­ gereisten angeblich Arbeit beim Heuen suchten und hiedurch einen Grund zum Besuche der Häuser vorbringen konnten. Der Unfug ist nun wieder bis auf ganz vereinzelte Fälle behoben. Alberschwende: Die Verpflegsstationen können als große Wohlthat für das ganze Land angesehen werden, da der Bettel sozusagen gänzlich aufgehört hat. Hittisau: Der Bettel und das Vagabundenwesen haben beinahe gänzlich aufgehört. Egg: Der Erfolg der Verpflegsstationen ist im allgemeinen ein sehr guter zu nennen, doch scheinen in abgelegenen Weilern einzelne Individuen sich mit Bettel befassen zu wollen. Sulzberg: Die Thätigkeit der Verpflegsstationen muß als erfolgreich bezeichnet werden, da der Hausbettel zur Seltenheit geworden ist. Bez au: Das Bettel- und Vagabundenwesen hat sich gänzlich behoben. Schröcken: Das Bettel- und Vagabundenwesen wurde durch die Verpflegsstation fast gänzlich behoben. Lech: Der Erfolg der Verpflegsstation macht einen angenehmen Eindruck auf die Be­ völkerung, nicht aber auf die Vagabunden. Schruns: Ueber Hausbettel und Vagabundenwesen werden keine Klagen mehr gehört. Gaschurn: Nach Aussage der gesammten Bevölkerung ist das Bettel- und Vaga­ bundenwesen sozusagen gänzlich verswunden und hat die Verpflegsstation ihre Aufgabe in befriedigender Weise gelöst. 28 Beilage IV. IIL Session der 7. Periode 1892. Sonntag: Ueber Bettel hatten wir uns nie und auch jetzt nicht zu beklagen. Mittelberg: Diese gesetzliche Einrichtung bewährt sich sehr wohlthätig, indem das Bertelwesen wie ausgestorben erscheint. Die meisten der Stationen wurden von dem vom Landesausschusse bestellten Referenten inspieirt. Im allgemeinen hat sich ergeben, daß in den Verpflegsstationen gute Ordnung herrscht, daß die Einrichtung derselben mit wenigen Ausnahmen eine gute ist, daß die Amtsschriften ordnungsmäßig geführt und mit kaum nennenswerthen Ausnahmen keine Klagen gegen die Art und Weise der Leitung der Stationen, Beköstigung und Beherbergung der Reisenden laut wurden. Der Landesausschuß hat bei allen direct oder indirect zu seiner Kenntnis gelangten Beschwerden hinsichtlich der Wirksamkeit einzelner Stationen immer rasch intervenirt und Abhilfe geschaffen. Der Beschluß des h. Landtages vom 18. März d. I. betreffend die Abänderung des § 3 der Grundzüge für die Organisation der Natural-Verpflegsstationen und der Beschluß des Landes-Aus­ schusses vom 1. April d. I. (Siehe XXIV. Beilage der stenograf. Protokolle) traten mit 1. Mai d. I. in Kraft und ist nun das Ausmaß der den Reisenden zu verabreichenden Speise ein genügendes und die Entschädigung für die Stationshalter pkt. Kostverabreichung eine entsprechende. Hinsichtlich der Aufnahme der Reisenden in die Verpflegsstationen wurde die Wahrnehmung gemacht, daß mitunter auch Personen ausgenommen werden, die den Arbeitsnachweis innerhalb der letzten drei Monate nicht zu erbringen vermochten. Solche Fälle kommen zumeist im Frühjahre vor und lassen sich auch wohl kaum ganz vermeiden, da manche Arbeiter oder Handwerksgesellen den Winter zu Hause zubringen, dortselbst wohl auch arbeiten, aber keinen Ausweis hierüber bekommen und dann mit neuen Schriften versehen bei Beginn der wärmeren Jahreszeit um Arbeit ausgehen und hiebei die Stationen besuchen. Rach eingezogenen Erkundigungen werden in anderen Kronländern solche Personen von der Aufnahme in die Stationen nicht ausgeschlossen und es konnte daher wohl auch in Vorarlberg nicht anders vorgegangen werden, als daß unter allgemeiner Festhaltung des ge­ setzlichen Standpunktes solche specielle, berücksichtigenswerthe Ausnahmsfälle tolerirt wurden. Die Erhebungen über die Erstellung einer Zwischenstation zwischen Bludenz und Klösterle konnten bisher zu keinem Abschlüsse gelangen. Es tauchte vielmehr ein neuer Vorschlag auf, dahin­ gehend, die nach Tirol sich begebenden mittellosen Reisenden in der Zeit von Mitte November bis Mitte März jeden Jahres, oder richtiger für jene Zeit, in der die Arlbergstraße dem Verkehr nicht geöffnet ist, die Bahngebühr von Bludenz bis St. Anton auf Kosten der Station Bludenz zu bezahlen, wodurch dann die Errichtung einer Zwischenstation entfiele und zugleich auch für die Station Klösterle eine bedeutende Entlastung erzielt würde. In jenem Zeitraume, in welchem im Vorjahre Bahnge­ bühren für mittellose Reisende von Langen nach St. Anton auf Kosten der Station Klösterle ent­ richtet wurden, wendeten sich von der (Station Klösterle 484 Reisende nach Tirol und nur 250 kamen im gleichen Zeitraume von Tirol her. Der Vorschlag der Bahnbeförderung der mittellosen Reisenden von Bludenz aus hätte vieles für sich und wäre auch in materieller Beziehung empfehlenswerth, wenn seitens der Generaldirection der Staatsbahnen eine 50prozentige Ermäßigung der Fahrgebühr erwirkt würde. Der Landesausschuß ist diesfalls eingeschritten, eine Erledigung ist aber bisher nicht erfolgt, und es konnte daher auch seitens des Landesausschusses in eine endgiltige Austragung der fraglichen Angelegenheit nicht eingegangen werden. Hinsichtlich der Arbeitsvermittlungen weisen auch in diesem Zeitabschnitte manche Stationen erfreuliche Resultate ihrer diesbezüglichen Thätigkeit nach. Es wird schließlich gestellt der Antrag: „Der h. Landtag wolle den vorstehenden Bericht über die Wirksamkeit und die Erfolge der Natural-Verpflegsstationen im Lande Vorarlberg zur Kenntnis nehmen." Bregenz, 7. September 1892. Der Landes-Ausschuß. 29