18920913_ltb0101893_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_selbständigerAntrag_Vermittlerämterreform

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:15
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,lt1892,ltb1892,ltb0,ltp07
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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Inhalt des Dokuments

X. der Beilagen M den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. III. Session, 7. Periode 1892. Beilage X. des volkswirthschaftlichen Ausschusses über den selbstständigen Antrag der Abge­ ordneten Fink und Genossen in Betreff Reform der vermittlerämter. Hoher Landtag! Die Antragsteller führen in ihrer Eingabe an, das h. k. k. Justizministerium habe auf Grund eines Beschlusses des oberösterreichischen Landtages, womit die hohe t k. Regierung ersucht wird eine Regierungsvorlage einzubringen, durch welche einige Bestimmungen des Gesetzes vom 21. September 1869 Nr. 150 R.-G.-Bl. abgeändert würden, an den Vorarlberger Landesausschuß mehrere dies­ fällige Anfragen gerichtet, worin derselbe unter anderem auch angegangen wurde, sich darüber aus­ zusprechen, welche Ursachen nach seiner Meinung an dem geringen Prosperiren der Vermittler­ ämter im Lande Schuld tragen, und welche organisatorischen, administrativen oder gesetzgeberischen Maßregeln der Landesausschuß nach den Verhältnissen des Landes als am meisten geeignet halten würde, um die Vermittlerämter zur Erfüllung der ihnen bei ihrer Einführung zugedachten Aufgabe zu befähigen. Der Landtag von Vorarlberg habe schon in der Session des Jahres 1883 darauf hingewiesen, daß die dermalen bestehenden gesetzlichen Bestimmungen bezüglich der Vermittlerämter nicht geeignet seien, diese Institution zum Wohle des Volkes wirksam und lebensfähig zu machen. Die der hohen Regierung damals vorgeschlagenen Gesetzesänderungen blieben von derselben bisher leider unberücksichtiget, und es müsse daher begrüßt werden, daß die hohe Regierung dermalen, wie aus den angedeuteten Anfragen abgenommen werden kann, sich nicht vollständig abgeneigt zeigt, in eine Aenderung der auf die Vermittlerämter Bezug habenden Bestimmungen einzugehen. Die Antrag­ steller erachten daher den jetzigen Zeitpunkt für geeignet der hohen k. k. Regierung diesfalls aber­ mals Vorschläge zu unterbreiten. Der volkswirthschaftliche Ausschuß ist gleich den Antragstellern überzeugt, daß die Vermittler­ ämter, wie sie auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. September 1869 R.-G.-Bl. Nr. 150 mit Landesgesetz vom 18. Oktober 1870 Nr. 66 L.-G.-Bl, auch in Vorarlberg eingeführt wurden, der ihnen bei ihrer Einführung zugedachten Aufgabe nicht entsprechen. Es ist im ganzen Lande die gleiche Klage die Vermittlerämter seien nicht lebensfähig, dieselben werden von den streitigen Parteien viel zu wenig in Anspruch genommen, trotzdem von jenen Fällen, welche vor das Vermittleramt ge­ langten, der Ausgleichsversuch meistens zu einem günstigen Abschlüsse führte. 45 Beilage X. X, der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Die Schuld, weshalb die Vermittlerämter so wenig benützt werden, liegt unzweifelhaft darin, daß dieselben keinen obligaten Charakter haben. Wenn es der einen oder anderen betheiligten Partei beliebt, der Vorladung des Vermittler­ amtes zur Verhandlung zu erscheinen nicht nachzukommen, haben die versammelten Mitglieder des Vermittleramtes für ihr Erscheinen und ihren redlichen Willen zu einem gütlichen Ausgleiche ihr Schärflein beizutragen, einfach das Nachsehen, ja oft ernten sie nur Spott und Hohn, indem dem Vermittleramt keine Mittel mehr zu Gebote stehen, seiner Vorladung Nachdruck zu verleihen. Die Vermittlerämter werden auf diese Weise lediglich zu einem Spielball launenhafter Parteien und es ist selbstredend, daß unter solchen Umständen von einer ersprießlichen Wirksamkeit derselben keine Rede sein kann. Und doch könnte und würde diese Institution eine wohlthätige und vortheilhafte sein, wenn sie mit dem nöthigen Ansehen und nachhaltigen Befugnissen ausgestattet wäre. Nach dieser Richtung hat das Gesetz die bedeutendsten Mängel. Auf Grund des § 2 des citirten Reichsgesetzes mußte in den § 7 des Vorarlberger Landesgesetzes die Bestimmung ausgenommen werden, daß die Androhung von Zwangsmitteln bei Vorladung der Parteien vor das Vermittleramt, sowie die Anwendung von Zwangsmitteln gegen diejenigen, welche der Vorladung keine Folge leisten, unzulässig sei. Diesfalls sollte die Bestimmung getroffen werden, daß die Androhung von Zwangsmitteln bei Vorladung der Parteien, sowie die Anwendung von Zwangsmitteln gegen diejenigen, welche der Vor­ ladung keine Folge geben, Platz zu greifen hat. Um die Wirksamkeit der Vermittlerämter zu fördern, sollte von Gesetzeswegen bestimmt werden, daß jede Streitsache bis zu einem Betrage von 300 fl., § 1 des Gesetzes vom 21. September 1869, ehe dieselbe bei Gericht anhängig gemacht werden kann, dem Vergleichsoersuche vor dem Vermittler­ amt unterliegt, so zwar, daß über die Klage einer Partei bei Gericht nur gegen Beibringung der vermittelämterlichen Bestätigung über das Scheitern des erfolgten Ausgleichsversuches das Verfahren eingeleitet würde. Auch sollte den Vermittlerämtern die Befugnis eingeräumt werden, über streitige, dem Betrage nach bestimmte Geldforderungen bis höchstens 50 fl. oder über bewegliche Sachen, bezüglich welcher die Parteien erklären, für dieselben einen die Summe von 50 fl. nicht übersteigenden Geldbetrag annehmen oder leisten zu wollen, endgiltig Recht zu sprechen. Endlich sollte im Gesetze auch in unzweideutiger Weise ausgesprochen werden, daß vor dem Vermittleramte geschlossene Vergleiche und erflossene Urtheile gleich den gerichtlichen Vergleichen und Urtheilen executionsfähig seien. Wenn das Reichsgesetz im angedeuteten Sinne abgeändert würde, könnte auf Grund desselben ein Landesgesetz geschaffen werden, welches den Verhältnissen des Landes Vorarlberg entsprechen, die Vermittlerämter lebensfähig machen und die Wirksamkeit und das Ansehen derselben im hohen Grade fördern würde. In den an Vorarlberg angrenzenden Staaten, in der Schweiz und zum Theil auch in Deutsch­ land, bestehen schon längst Vermittlerämter mit den oben angedeuteten oder ähnlichen Machtbefugnissen, dieselben erfreuen sich einer großen Beliebtheit, haben Ansehen und eine erfolgreiche Wirksamkeit. Auch bei uns würden Vermittlerämter mit obligatem Charakter und der nothwendigen Macht­ befugnis ausgestattet zweifellos manchen kostspieligen Prozeß verhindern, das Rechtsbewußtsein im Volke ausbilden und den Sinn für öffentliche Angelegenheiten beleben und stärken. Der volkswirthschaftliche Ausschuß erhebt daher folgende Anträge: Der Landtag wolle beschließen: Die h. k. k. Regierung wird dringend ersucht, ehethunlichst eine Regierungsvorlage einzubringen, in welcher die Bestimmungen über die Vermittlerämter dahin abgeändert werden, daß dieselben 46 in. Session der 7. Periode 18S2. Beilage X. mit obligatorischem Charakter in der Art ausgestattet werden, daß Vorladungen zwangsweise vollstreckt werden können, 2. jede Streitsache über dem Betrage nach bestimmte Geldforderungen von höchstens 300 fl. oder über bewegliche Sachen, bezüglich welcher die Parteien erklären, für dieselben einen die Summe von 300 fl. nicht übersteigenden bestimmten Geldbetrag annehmen oder leisten zu wollen, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens dem Ausgleichsversuche vor dem Vermittleramte unterliegt, 3. dem Vermittleramte die endgiltige Rechtsprechung über dem Betrage nach bestimmte Geldforderungen von höchstens 50 fl. oder über bewegliche Sachen, bezüglich welcher die Parteien erklären, für dieselben einen die Summe von 50 fl. nicht übersteigen­ den bestimmten Geldbetrag annehmen oder leisten zu wollen, eingeräumt wird, 4. Vorsorge getroffen wird, daß vor dem Vermittleramte geschlossene Vergleiche event, erflossene Urtheile gleich den gerichtlichen Vergleichen und Urtheilen executionsfähig seien. 1. Bregenz, den 13. September 1892. Johannes Thnrnher, Jodok Fink, Obmann. Berichterstatter. 47