18920321_ltb0461892_Gemeindeausschussbericht_Antrag_DornbirnerGemeindewahlen

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:24
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1892,ltb1892,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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Inhalt des Dokuments

XLVI. der Beilagen zu den ftenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. II. Session. 7. Periode 1891/92. Beilage XLVI. des Gemeinde-Ausschusses über den Antrag der Abgeordneten Martin TKurnher und Genossen in Angelegenheit der letzten Dornbirner Gemeindewahlen. Hoher Landtag! Die Antragsteller begründen den Antrag wie folgt: „Anläßlich der im Jahre 1891 vollzogenen Gemeindewahlen in Dornbirn wurden eine große Anzahl (Stimmen für den II. Wahlkörper in der Weise beschafft, daß für Personen Einkommen von 1500 st. bis 2000 fl. fatiert wurden, die thatsächlich nur einen Taglohn von 1 st. 20 bis 1 fL 50, oder einen Monatsgehalt von 40 bis 60 fl. beziehen, und daher in Wirklichkeit gar nicht steuer­ pflichtig sind. Bei Andern, die ohnedem schon Steuerträger waren, wurden fingierte Einnahmen aus Pachtforderungen, Rentenbezügen u. dgl. bei der Steuerbehörde angemeldet, um durch die Vorschrei­ bung einer Steuer aus diesem fingierten Einkommen und Zurechnung dieser Steuer zur sonstigen wirklichen Steuerschuldigkeit diese Personen in den II. Wahlkörper vorschieben zu können. Solche auf Grund einbekannten fingierten Einkommens bemessenen Steuerbeträge wurden zumeist nicht von den betreffenden Personen, sondern von den Urhebern und Veranlassern dieses Vorganges getragen, ja es kam vor, daß Personen, für die eine Steuervorschreibung oder Erhöhung erwirkt wurde, nicht wußten, wie sie in den II. Wahlkörper gelangten. In dieser Weise wurde bei der Gemeindewahl in Dornbirn eine Wählerliste zu Stande ge­ bracht. die zu Gunsten einer Partei den ausschlaggebenden II. Wahlkörper völlig umwandelte, lang­ jährige Steuerträger aus demselben verdrängte und dadurch geradezu eine Fälschung des Wahl­ resultates herbeiführte. Nachdem sich die Beschaffung künstlicher Stimmen durch Fatierung fingierten Einkommens und die Zahlung der bezüglichen Steuerbeträge durch die Urheber der ganzen Machination mindestens als Versuch der Fälschung des Wahlresultates und als Stimmenkaus darstellt, wurde die Strafanzeige an die k. k. Staatsanwaltschaft in Feldkirch erstattet. Dieselbe fand sich jedoch nicht veranlaßt, die Untersuchung in dieser Sache einzuleiten und durchzuführen. Es muß daher das Gesetz diesbe­ züglich eine bedeutende Lücke haben. Solche Zustände und Vorkommnisse können aber nicht geduldet und belassen werden, soll nicht das Rechtsgefühl des Volkes ganz verwirrt und zu Grunde gerichtet werden. Es muß vielmehr Vorsorge zur Hintanhaltung der Wiederholung derselben getroffen werden." 243 XLYT. der Beilagen Zu den smwgr. Protokollen dcS Vorarlberger Landtages. II. Session, 7« Periode 1891/92. Der landtägliche Gemeinde-Ausschuß theilt die Ansicht der Antragsteller vollkommen, daß Vorkommnisse bei Wahlen, wie sie in der obigen Begründung geschildert werden, nicht geduldet werden dürfen, soll das Rechtsbewußtsein des Volkes nicht vollständig untergraben, eines der wich­ tigsten Rechte des Staatsbürgers, das Wahlrecht, nicht geradezu vernichtet und die Wahlen zu einem reinen Schacher- und Kaufgeschäft herabgewürdigt werden. Zum Glücke sind derartige Vorkommnisse in Oesterreich bisher nur vereinzelt ausgetreten, dessen­ ungeachtet erscheint es dringend geboten, solche die öffentlichen Verhältnisse und Zustände geradezu vergiftenden Bestrebungen gleich im Keime zu ersticken, weil im Falle denselben nicht entgegengetreten würde, dieselben viel mehr durch die Macht des Geldes noch öfter als bei der bezeichneten Wahl von Erfolg begleitet sein sollten, eine Fäulnis und eine Corruption in die Verwaltungskörper ein­ dringen würde, die verhängnisvoll für den Bestand der Gesellschaft, der Gemeinden, Länder und Staaten werden müßte. Wenn auch der Landesvertretung nicht die Competenz zustehen dürfte, in genügender Weise Schutzmaßregeln gegen die Wiederkehr solcher Vorkommnisse zu treffen, da ein Theil dieser Schutz­ vorkehrungen in das Gebiet der Strafgesetzgebung fallen dürfte, so kann sie innerhalb ihrer Compe­ tenz doch mehrerlei Schritte thun, die die künstliche Stimmenbeschaffung mindestens wesentlich er­ schweren. Was auf diesem Wege nicht erreicht werden kann, wäre dann Aufgabe der Regierung im Wege der Reichsgesetzgebung zu bewerkstelligen. Der Gemeinde-Ausschuß erhebt daher in Uebereinstimmung mit den Antragstellern den Antrag; Der hohe Landtag wolle beschließen: „Der Landes-Ausschuß wird beauftragt, im Einvernehmen mit der k. k. Regierung geeignete Vorkehrungen zur künftigen Hintanhaltung der Beschaffung künstlicher Stimmen bei den Gemeindewahlen zu treffen, beziehungsweise dahingehende Gesetzentwürfe vorzu­ bereiten und dem Landtage in nächster Session in Vorlage zu bringen. Soweit die legislativen Maßnahmen der Landesvertretung zur vollen Behebung der gerügten Mißstände sich als nicht ausreichend erweisen sollten, hat der Landes-Aus­ schuß um die Initiative der k. k. Regierung zur Regelung der Angelegenheit im Wege der Reichsgesetzgebung einzuschreiten." Bregenz, am 21. März 1892. Peter P. Welte Mart. Thnrnher Obmannstellvertreter. Berichterstatter. Tr^ck von I. R. Teutsch, Bregenz. 244