18920322_ltb0491892_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Subventionspetition_StickereigenossenschaftVorarlberg

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:26
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1892,ltb1892,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XLIX. der Beilagen zu den sienogr. Protokollen des Vorarlberger Landtages, ll- Zession- 7. Periode 1891/92. Beilage XLIX. M ersieht des volkswirthschaftlichen Ausschusses über die Petition der Stickereigenossenschaft von Vorarlberg um eine Subvention aus kandesmitteln. Hoher Landtag! In der dem volkswirthschaftlichen Ausschüsse zur Vorberathung und Berichterstattung zu­ gewiesenen Petition stellt die Borstehung der Stickerei-Genossenschaft an die Landesvertretung die Bitte um Subventionierung bezw. um Gewährung eines unverzinslichen Darlehens im Betrage von fl. 10.000. In der Begründung dieser Petition wird erwähnt, daß die Ausdehnung der mechanischen Stickerei in Vorarlberg die Höhe von nahezu 3000 Plattstickmaschinen erreicht habe, welche ungefähr 8000 Personen beschäftige. Dieser Industriezweig wurde von der benachbarten Schweiz eingeführt und bildete die Ostschweiz mit Vorarlberg ein gemeinsames Industriegebiet. Bis jetzt vermochte sich die vorarlbergische Stickerei nicht zu einer selbstständigen Industrie zu entwickeln, wodurch die Vorarlberger Interessenten nach und nach in immer drückenderes Abhängigkeitsverhältnis von der Schweiz geriethen. Bei dem allgemeinen Niedergänge hofften die Vorarlberger Sticker von dem in der Schweiz gegründeten CentralVerbande der Ostschweiz mit Vorarlberg eine Besserung der Verhältnisse, weshalb der größte Theil der Vorarlberger Sticker diesem Verbände beigetreten sei. Es habe sich jedoch sehr bald gezeigt, daß die Schweizer dieses Institut mehr einseitig zu ihrem Vortheile ausnützten und die Vorarlberger erst in zweiter Linie berücksichtigen. Die Stickerei-Industrie liefert nicht mehr den nothwendigen Ertrag und es steht ein großer Theil der Stickmaschinen außer Betrieb. Die Bevölkerung hat in diesem Industrie­ zweige einen großen Theil ihres Vermögens investiert und es drohe daher in manchen Gegenden nicht bloß ein förmlicher Nothstand, sondern es sei bei längerem Andauern der gegenwärtigen tristen Verhältnisse die Gefahr vorhanden, daß ein namhafter Theil der Bevölkerung um Hab und Gut gebracht und der bittersten Noth verfallen werde. In Würdigung dieser Sachlage sei bereits im hohen Abgeordnetenhause die Aufmerksamkeit der hohen Regierung auf diesen nothleidenden Industrie­ zweig gelenkt, gleichzeitig aber auch in fachkundigen Kreisen der Gedanke in Betracht gezogen worden, den vorarlbergischen Theil dieser Industrie aus dem drückenden Abhängigkeitsverhältnisse loszuschälen, was schließlich zur Gründung der Vorarlberger Stickerei-Genossenschaft mit dem Sitze 253 Beilage XLIX. _______ XLIX. der Beilagen zu dm stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. in Dornbirn geführt Hobe. Zweck dieser Gründung sei, die Stickerei des Landes Vorarlberg mit der ausländischen mindestens concurrenzfähig und ebenbürtig zu gestalten. Die Genossenschaft bezwecke nach den Statuten in erster Linie die Verbesserung der Lage des Stickers, welcher bisher von der theuren Hilfsindustrie der vermittelnden Fergger und der vermittelnden Kaufleute der Schweiz unverhältnismäßig gedrückt worden sei. Die Stickerei-Genossenschaft beabsichtige nunmehr die voll­ ständige Production der Waare, wolle dieselbe vollständig ausgerüstet auf den Markt bringen und den Verkauf derselben besorgen. Hiedurch würden namhafte Ersparnisse erzielt, welche dem Sticker zu gute kommen und neue lohnende Verdienste mit der Veredlung der Waare und ihrer Ausrüsterei ins Land gebracht. Der volkswirthschaftliche Ausschuß würdiget vollkommen die in der Petition geschilderten miß­ lichen Zustände, welchen die Sticker Vorarlbergs seit längerer Zeit ausgesetzt waren, anerkennt das löbliche Streben der Vorarlberger Sticker, sich aus den drückenden und beinahe unausstehlich gewordenen Abhängigkeitsverhältnissen von der Schweiz loszuringen und auf eigene Füße zu stellen; begreift aber auch, welch große Schwierigkeiten dieser Trennungs- bezw. Neubildungsprozeß zu überwinden hat unv insbesondere, welche beträchtlichen materiellen Mittel hiebei erforderlich sein werden. Bei solcher Würdigung der Sachlage und der Anerkennung für die löblichen Bestrebungen, welche sich die Productivgenossenschaft der Sticker Vorarlbergs nach ihren Statuten gesetzt hat, kann der volkswirth­ schaftliche Ausschuß nur bedauern, daß er das Land Vorarlberg nicht in dem Besitze eines Fondes von mir ein paar oder auch nur einer Million Gulden weiß, um in der Lage zu sein, diese löblichen Bestrebungen nicht bloß mit anerkennenden Worten, sondern thatkräftig durch sorgsame materielle Hilfegewährung zu unterstützen. Das Land Vorarlberg befindet sich aber nicht in solcher Lage; es hat außer der Irrenanstalt in Valduna keine, wie immer gearteten Objecte in seinem Besitze und selbst dieses eine Besitzthum ist noch mit Schulden behaftet; es hat ferner keinen Landesfond, wie manches andere Land, denn das, was. man bei der Vorarlberger Landesbuchhaltuug „Landesfond" nennt, ist nichts anderes als die Summe der jährlichen Staatssteuerzuschläge für die Bedeckung der gewöhnlichen und allenfalls auch außergewöhnlichen Landesbedürfnisse, und auf diesem sogenannten „Landesfonde" hastet dermalen eine Schuld an den staatlichen Meliorationsfond im Betrage von fl. 33.000, die erst aus den zukünftigen Steuereingängen ihre Deckung finden muß. Dabei besteht die uüabweisliche Nothwendigkeit, in den nächsten paar Jahren noch an der Verstärkung der Rheinbinuendämme weitere Lasten auf sich zu nehmen und neue Schulden machen zu müssen. Diese factische finanzielle Lage des Landes Vorarlberg, nämlich Nichtbesitz eines Fondes, bei schon vor­ handenen Schulden und bei der unabweislichen Aussicht, neue Schulden für die Rheindammverstärkung machen zu müssen, legten dem Ausschüsse die Erwägung nahe, ob er überhaupt in der Lage sei, auf ein unver­ zinsliches Darlehen in einem für die finanzielle Lage des Landes so hohem Ausmaße einrathen zu können, nnd diese Erwägung führte zu dem Entschlüsse, mit den Vertretern der erwähnten Productivgenossenschaft in Contact zu treten, um hiebei zu erfahren, ob nicht in anderer Weise die Anerkennung für die Selbstständigkeitsbestrebungen der Vorarlberger Sticker zum Ausdrucke gebracht und denselben eine zu den finanziellen Verhältnissen des Landes in einem besseren Verhältnisse stehende und leichtere Hilfe­ leistung gewährt werden könne. Bei der durch den Berichterstatter veranlaßten und im Beisein mehrerer Mitglieder des volks­ wirthschaftlichen Ausschusses gepflogenen Unterredung mit den Vertretern der mehrgenannten Productiv­ Genossenschaft erklärten die letzteren, daß sie das vom Lande erbetene unverzinsliche Darlehen bei einigermaßen günstigem Geschäftsgänge in etwa vier Jahren zurückzuerstatlen in der Lage zu sein hoffen, indem bis dahin einerseits die jetzt durch nahezu ein Jahr andauernde sehr gering und theilweise gar nicht beschäftigte Großzahl der geringer bemittelten Sticker in die Lage kommen soll, die auf Raten gezeichneten Antheilscheine einzulösen und daß andererseits bei einem einigermaßen normalen Geschäftsgänge und der angestrebten soliden Geschästsgebahrung von den heute noch etwas zurückhaltenden Kapitalskrästen des Landes eine entsprechende Kreditgewährung, insoweit dieselbe nothwendig werden sollte, erwartet werden könne. Auswärtige sogenannte Hilfeleistung durch Be254 II. Session der 7. Periode 1891/92. Beilage XLIX. theiligung schweizerischer Geschäftsleute durch Uebernahme von Antheilscheinen sei dem geschäftsführenden Ausschüsse schon angeboten worden, jedoch dürste und wolle hievon, wenn man sich wirklich auf eigene Füße stellen wolle, kein Gebrauch gemacht werden, so lange auf Vorarlbergische nicht allein vom geschäftlichen, sondern auch vom patriotischen Standpunkte erwünschte und erbetene Hilfeleistung gehofft werden dürste. Berechnet man den Werth des in der Eingabe der Stickerei-Genossenschaft erbetenen unver­ zinslichen Darlehens von fl. 10.000 in seinem finanziellen Effekte in der Dauer von vier oder sagen wir fünf Jahren mit 4 % Zinsen, so gäbe das ein Opfer für das Land im Betrage von fl. 1600 bis fl. 2000.—, auf welches der volkswirthschaftliche Ausschuß zu Gunsten der armen Sticker dem hohen Landtage einzurathen sich entschlossen hat. Dabei betont der volkswirthschaftliche Ausschuß ausdrücklich den Charakter dieser Unterstützung zu Gunsten armer Sticker für den Fall des anzustrebenden und erhofften Gedeihens der Productiv-Genossenschaft und bringt dieses in dem zweiten seiner nachfolgenden Anträge auch zum speciellen Ausdrucke, indem beantragt wird, daß die einmalige Unterstützung des Landes in einem nicht rückzahlbaren Betrage von 2000 fl. von der Genossenschaft selbst, sobald sich deren Antheilscheine mit mehr als 3% verzinsen werden, in einem jährlichen Teilbeträge von mindestens 200 fl. zu dem Zwecke verwendet werden, daß entweder ärmeren in der Ausbildung im Stickereifache zurückgebliebenen Genossenschafts-Mitgliedern der Besuch der Stickereifachschule ermöglicht oder aber armen Stickern, welche zwar die persönliche Fähigkeit zur Anfertigung einer guten Waare besitzen, dieselbe aber wegen Gebrechen an ihren Maschinen nicht leisten können, die Vornahme der nothwendigen Reparatur er­ möglichet werde. Unter den verschiedenen der neugebildeten Productiv-Genossenschaft angehörigen Mitgliedern gibt es nämlich eine, wenn auch geringe Anzahl solcher, welche keineswegs als nothleidend betrachtet werden können, ja Einzelne derselben dürfen füglich zu dem vermöglicheren Theil der Bevölkerung des Landes gezählt werden. So dankbar und anerkennenswerth es ist, daß solche Einzelne die statutengemäße volle Ein­ zahlung der auf ihre Maschinen entfallenden, oder überhaupt gezeichneten Antheilscheine von vorne­ herein voll einzahlen, und auch noch darüber hinaus Darlehen gewähren, so kann es nicht die Tendenz der, wenn auch kleinen Unterstützung aus Landesmüteln sein, diesen eine besondere Unterstützung, die sie gewiß auch nicht erwarten und beanspruchen, gewähren zu wollen. Das würde aber geschehen, wenn der Landtag zu Gunsten der Productiv-Genossenschaft eine einmalige Subvention ohne jede weitere Bedingung gewähren würde, indem nach den Statuten der seiner Zeit zu erhoffende Rein­ gewinn unter die Antheilhaber nach dem Verhältnisse der von ihnen eingezahlten Antheilscheine vertheilt wird. Gewiß wird es aber Jedermann für billig finden, wenn die vom Lande jetzt zu ge­ währende Subvention seiner Zeit den ärmeren Mitgliedern der Productiv-Genossenschaft zur Hebung und Beförderung ihrer Leistungsfähigkeit zugewendet wird, beziehungsweise ihre schließlich sachgemäße Verwendung findet. Von folgende diesen Erwägungen und Motiven geleitet, stellt der volkswirthschaftliche Ausschuß Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: 1. Der Stickerei-Genossenschaft von Vorarlberg wird als einmalige Unterstützung der Betrag von 2000 fl. aus Landesmitteln gewährt. 2. Die Stickerei-Genossenschaft hat indessen in den Jahren, in denen ihre Antheil­ scheine nicht mehr als mit 3% verzinst werden, jedesmal einen Betrag von mindestens 200 fl. zu dem Zwecke zu verwenden, um armen würdigen Stickern einestheils den Besuch der 255 XLIX. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. H. Session, 7. Perkode 1891/92. k. k. Stickereifach-Schule, und anderentheils die Vornahme der nothwendigen Reparaturen ihrer Maschinen zu ermöglichen. 3. Diese Unterstützungen sind so lange zu gewähren, bis die betreffenden Beträge die Höhe der vom Lande gewährten Subvention erreicht haben. 4. Ueber den Erfolg solcher Unterstützungen hat die Stickerei-Genossenschaft dem Landesausschusse jährlichen Bericht zu erstatten, und dieser hievon nach Ablauf der ersten fünf Jahre und am Schlüsse der Bertheilung summarisch dem hohen Landtage Kenntnis zu geben. Bregenz, den 22. März 1892. Martin Thrrrrrher, Johannes Xhnrnher, Obmannstellvertreter. BerichtersLatter. 256