18920316_ltb0381892_Gemeindeausschussbericht_Gesetzentwurf_Polizeistundeneinhaltung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:26
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1892,ltb1892,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXXVIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. II. Session. 7. Periode 1891/92« Beilage XXXVIH. des Gemeindeausschusses über die Vorlage des kandesausschusses betreffend einen Gesetzentwurf über die Einhaltung der Polizeistunde. Hoher Landtag! Der Landesausschuß hat unterm 8. Jänner 1891 Zl. 71 der k. k. Statthalterei einen Gesetz­ entwurf über die Einhaltung der Polizeistunde sammt Motivenbericht mit dem Ersuchen um Bekannt­ gabe der Stellungnahme der Regierung zu demselben unterbreitet. Im Motivenberichte wird unter anderem ausgeführt: „Die Verordnung der hohen k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg vom 7. Juni 1887 Zl. 9260 hat die Normen hinsichtlich Einhaltung der Polizeistunde im Lande Vorarlberg festgesetzt. Diese Normen haben sich aber in der Durchführung zur Erreichung des angestrebten Zweckes als ganz unzulänglich und auch unpraktisch erwiesen. Es ist insbesondere die Bestimmung des Punktes 5, wornach den Wachorganen der Lokalpolizei vorgeschrieben wird, bei Uebertretungen zunächst den Inhaber des Gast- oder Schankgewerbes an seine Pflicht zu erinnern, mit Punkt 4 in Widerspruch, der schon die Offenhaltung der Lokale u. s. w. als strafbar bezeichnet. Soll die Polizeistunde zweckentsprechend gehandhabt werden können, so ist die Aenderung dieser Bestimmung nach der Richtung dringend geboten, daß die Bestrafung nicht von einer nochmaligen Erinnerung abhängig gemacht werde, sondern daß sie ohne Weiteres über den Inhaber des Gast­ oder Schankgewerbes, sowie über die Gäste zu verhängen ist, wenn solche nach Eintritt der Polizei­ stunde von den Auffichtsorganen in den betreffenden Lokalen getroffen werden. Die Polizeistunde ist auf eine genügend späte Zeit verlegt, so daß eine weitere Rücksichtnahme auf Gäste und Gewerbe-Inhaber hinsichtlich nochmaliger Erinnerung durchaus nicht mehr am Platze ist. Ferner empfiehlt es sich, eine etwas höhere Strafsumme festzusetzen. Nach dem ursprünglichen Entwürfe der Eingangs citierten Verordnung (Note der hohen k. k. Statthalterei vom 26. Februar 1887 Zt. 2148) wurde ein Strafausmaß von 1—100 fi. in Aussicht genommen. Wenn nun auch ein solches Strafausmaß als sehr hoch erscheint, so dürfte dagegen die später aceeptierte, in die Ver­ ordnung aufgenommene Bestimmung viel zu milde sein und sich ein Mittelweg empfehlen, nach welchem das Strafausmaß mit 1—50 fl, festgesetzt würde. Statt nun diese nothwendig gewordenen Aende­ rungen, durch eine neue Verordnung zu bewerkstelligen, empfiehlt sich, weil geeigneter und besser, die 199 Beilage XXXVIII. XXXVIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen de- Vorarlberger Landtags. Regelung dieser Angelegenheit durch ein besonderes Gesetz. Die Handhabung und Ueberwachung der Polizeistunde gehört nach § 27 G.-O. in den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinde und es liegt daher unbestreitbar in der Competenz der Landesgesetzgebung, die diesbezüglichen Normen zu schaffen. Es ist dieses auch dem Beschlusse des Landtages vom 25. Oktober 1890 entsprechend, nach welchem dem Landesausschusse der Auftrag ertheilt wurde, von Fall zu Fall die Handhabung der Ortspolizei regelnde Gesetzentwürfe vorzubereiten und dem Landtage in Vorlage zu bringen. Im Sinne dieses Beschlusses wurde denn auch der vorliegende Gesetzentwurf ausgearbeitet." Dieser vom Landesausschusse ausgearbeitete Gesetzentwurf sollte die genaue und strenge Ein­ haltung der Polizeistunde ermöglichen und der Entwurf ist unstreitig so gestaltet, daß der beabsichtigte Zweck sicher auch erreicht worden wäre. Die Rückäußerung der k. k. Regierung zu diesem Entwürfe erfolgte mit Note der k. k. Statthalterei vom 2. Juni 1891 Nr, 12.624 auf Grund des Erlasses des k. k. Ministeriums des Innern vom 25. Mai 1891 Nr. 2053. Es heißt in diesem Erlasse: „Der Landesausschuß begründet die Competenz der Landesgesetzgebung in diesem Falle mit Hinweisung auf die Bestimmung des § 27 G.-O., der gemäß die Ueberwachung der Polizeistunde in den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinden fällt. Daß aus dem § 27 G.-O. die Competenz der Landesgesetzgebung zur Regelung sämmtlicher in diesem Paragraphe in den selbstständigen Wirkungskreis der Gemeinden eingereihten Angelegenheiten nicht gefolgert werden kann, bedarf wohl keiner näheren Erörterung, da die Gemeindeordnung ihrem Zwecke nach nicht dazu bestimmt ist, die durch Staatsgrundgesetze geregelten legislativen Competenzen in irgend welcher Richtung abzuändern. Zudem ergibt sich aus dem Wortlaute des § 27 G.-O. ganz klar, daß es Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungskreises der Gemeinden gibt, welche durch Reichsgesetze geregelt werden, da im Eingänge die Gemeinden bei Ausübung ihres selbstständigen Wirkungskreises an die Beobachtung der bestehenden Reichs- und Landesgesetze gewiesen werden. Thatsächlich sind denn auch mehrfache Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungskreises der Gemeinden durch Reichsgesetze geregelt; so die auf den Gemeindeoerband sich beziehenden Angelegen­ heiten durch das Heimatsgesetz vom 3. Oktober 1863 R.-G.-Bl. Nr. 105; der Marktverkehr durch die Gewerbeordnung; Maß und Gewicht durch das Gesetz vom 23. Juli 1871 R.-G.-Bl. Nr. 16, 1872 u. A.: Was insbesondere die Gast- und Schankgewerbe betrifft, wird deren Ausübung durch die Ge­ werbeordnung geregelt; die Festsetzung der Polizeistunde für dieselben ist aber ein Act der Gewerbe­ polizei. Da die Gewerbegesetzgebung nach § 11 lit. c. des Staatsgrundgesetzes vom 21. December 1867 R.-G.-Bl. 141 dem Wirkungskreise des Reichsrathes Vorbehalten ist, erscheint es nicht zulässig, im Wege der Landesgesetzgebung Verfügungen zu treffen, welche die Art der Ausübung von Gast- und Schankgewerben zum Gegenstände haben. Hienach müssen die Bestimmungen der §§ 1, 4, 6 und 9 des vorliegenden Gesetzentwurfes als außerhalb der Competenz der Landesvertretung gelegen betrachtet werden." Ferner wird in der Regierungseröffnung § 5 als nicht annehmbar und die §§ 7 und 8 als überflüssig erklärt, wenn sich der Gesetzentwurf auf die §§ 2 und 3 beschränken würde, gegen welche zwei Paragraphe die Regierung eine Einwendung nicht erhebt. § 2 des Entwurfes lautet: „Die Bewilligung zum Offenhalten der Gast- und Schankgewerbe sowie der Kaffeehäuser über die Polizeistunde kann aus besonderen Gründen von den Gemeindevorstehungen von Fall zu Fall für einzelne Nächte gegeben werden. Soll sich eine solche Erlaubnis gleichzeitig auf mehrere Nächte oder bei besondern Verhältnissen auf gewisse bestimmte Zeitabschnitte erstrecken, so steht die Ertheilung derselben dem Geindeausschusse zu." § 3 „Für die Ertheilung einer solchen Erlaubnis ist eine an den Armenfond der Gemeinde 200 II. Session der 7. Periode 1891/92 Beilage LXLVNl. fallende Gebühr zu entrichten, deren Höhe der Gemeindeausschuß festsetzt. Dieselbe muß jedoch mindestens zwei Gulden per Nacht betragen." Es empfiehlt sich nun wohl nicht, daß bezüglich dieser Bestimmungen ein Special-Gesetz erlassen werde. Das Recht der Gemeinden auf Erhebung solcher Gebühren ist bereits durch das Armengesetz Dom 7. Jänner 1883 (§§ 44 und 45) gesichert und ausgesprochen. Will man hinsichtlich dieser Gebühren einen Minimalbetrag festsetzen, wie es in den oben aufgeführten §§ 2 und 3 des Landes­ Ausschuß-Entwurfes vorgesehen war, so könnte die Aufnahme einer solchen Bestimmung ins Armen­ gesetz in Aussicht genommen werden, da ohnedem in nicht zu ferner Zeit auf eine entsprechende Re­ vision desselben eingegangen werden dürfte. Dagegen glaubt der landtägliche Gemeinde-Ausschuß im Einklänge mit dm Ausführungen des Motivenberichtes des Landes-Ausschusses darauf Hinweisen zu sollen, wie dringend eine Aenderung der dermalen in Kraft stehenden, ganz unzureichenden mangelhaften Verordnung vom 7. Juni 1887 Zl. 9260 über Einhaltung der Polizeistunde in Vorarlberg ist und wie gerade die Lückenhaftigkeit derselben dazu beiträgt, den Gemeinden die Handhabung derselben zu erschweren und in Rücksicht auf die Aussichtslosigkeit hinsichtlich Erzielung eines nennenswerthen Erfolges ihren Eifer und ihre Thätigkeit für Ausführung dieser Verordnung abzuschwächen. So ist es denn gekommen, daß in zahl­ reichen Gemeinden, darunter den größten des Landes, die Polizeistunde gar nicht, oder in sehr laxer, unzureichender Weise gehandhabt wird. Im Interesse der öffentlichen Ruhe und Sicherheit, im Interesse der Einschränkung der Trunken­ heit und des Spieles, im Interesse der geistigen und materiellen Wohlfahrt der Bevölkerung erscheint es als äußerst wünschenswerth, daß der dermalige Zustand hinsichtlich Einhaltung der Polizeistunde einer Aenderung unterzogen werde. Nachdem nun aber die k. k. Regierung dem Landtage die Competenz zur Erlassung dahin­ zielender Gesetzentwürfe abspricht, so tritt nun offenbar an die Regierung selbst die Aufgabe, ja die Pflicht heran, sei es im Wege der Verordnung, sei es im Wege der Reichsgesetzgebung solche Be­ stimmungen über die Einhaltung der Polizeistunde zu treffen, die geeignet sind, einentheils den durch solche Bestimmungen beabsichtigten Zweck auch thatsächlich zu erreichen, und anderntheils Bürgschaft zu bieten, daß die mit der Ausführung der bezüglichen Gesetze oder Verordnungen betrauten Organe, auch voll und ganz zur Erfüllung ihrer bezüglichen Pflichten verhalten werden können. Der Gemeinde-Ausschuß erhebt daher den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Die hohe k. k. Regierung wird aufgefordert, entweder im Wege der Verord­ nung oder der Reichsgesetzgebung unter thunlichster Berücksichtigung der im Gesetzentwürfe des Landes-Ausschusses über Einhaltung der Polizeistunde dargelegten Grundsätze vorzu­ sorgen, daß die Einhaltung der Polizeistunde im Lande Vorarlberg gefördert und über­ haupt ermöglicht werde." Bregenz, am 16. März 1892. M. Reisch, Mart. Thnrrcher, Berichterstatter. Obmann. Druck von I. N. Teutsch, Bregenz. 201