18920323_ltb0631892_Gemeindeausschussbericht_Landesausschussvorlage_Abänderung_Landtagswahlordnung_Gemeindewahlordnung

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:22
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1892,ltb1892,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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LXIIL der Beilagen -u de« ftenogr. Protokollen deS vorarlberger Landtags. II. Session. 7. Periode 1891/92, Beilage LXIIL des Gemeinde-Ausschusses betreffend die Vorlage des Landes-Ausschusses über die Abänderung der Landtags- beziehungsweise der Gemeinde-Wahlordnung. Hoher Landtag! In dem Berichte des zur Prüfung der Landtagswahlacten vom Jahre 1890 eingesetzten Aus­ schusses (Beilage V der stenographischen Protokolle der 1890er Session) wurde darauf hingewiesen, daß in den Bezirken Feldkirch und Bludenz abweichend vom bisherigen Usus die Vermögenssteuer den Wählern des III. Wahlkörpers zur Ausübung des Landtags wahlrechtes nicht mehr in Anrechnung gebracht worden sei, während dieses im Bezirke Bregenz gleich wie in frühern Jahren geschah und die Vorschrift der Einbeziehung dieser Steuer noch mit eigenem Erlasse der k. k. Bezirkshauptmann­ schaft Bregenz den Gemeindevorstehungen in Erinnerung gebracht wurde. Der bezügliche Bericht fährt dann fort: „Die Eliminirung der Vermögenssteuer aus den zur Erlangung des Wahlrechtes anrechenbaren Steuern entspricht nicht dem Gesetze, nicht der Logik und auch nicht der bisherigen Gepflogenheit. § 6 L.-W.-O. setzt fest, daß die Wähler des I. und II. Wahlkörpers, dann vom III. jene, die mindestens 5 fl. an directen Steuern zahlen, das Wahlrecht für den Landtag besitzen. Hinsicht­ lich der directen Steuern ist im Gesetze keine Beschränkung gemacht und keineswegs ausgesprochen, daß nur die directen ärarischen Steuern zu gelten haben, sondern es wird sich einfach diesbezüglich auf die G.-W.-O. und die Gemeindewählerliste bezogen, welch letztere ja die Grundlage der Land­ tagswählerliste zu bilden hat. Nach der G.-W.-O. ist bei Anfertigung der Wählerliste die Steuer­ schuldigkeit neben dem Namen jeden Wählers einzusetzen und nachdem § 6 Abs. 2 L.-W.-O. aus­ drücklich festsetzt, daß alle Wähler des I. und II. Wahlkörpers ohne Rücksicht auf ihre Steuer­ schuldigkeit, dann jene des III. soweit sie 5 fl. directe Steuer zahlen auch das Wahlrecht zum Land­ tage besitzen, so kann diese Bestimmung naturgemäß und logisch nur so aufgefaßt werden, daß alle jene, denen in der Gemeindewählerliste im III. Wahlkörper ein Steuerbetrug von mindestens 5 fl. vorgeschrieben erscheint, auch in die Wählerliste für den Landtag ausgenommen werden müssen. Jede andere Auffassung und Auslegung ist unlogisch und verkehrt. Nach der in den Bezirken Feldkirch und Bludenz beliebten Auslegung und Handhabung des § 6 L.-W.-O. wurde die Vermögenssteuer wohl den Wählern des I. und II. Wahlkörpers angerechnet, nicht aber jenen des III. Aus ersteren konnten eine Reihe Personen das Wahlrecht aus üben , die keinen Kreuzer an direkten ärarischen Steuern entrichten, aus dem III. aber eine sehr große Anzahl solcher nicht, die directe und Vermögenssteuer entrichten. Ein solcher Vorgang widerspricht aber nicht 301 Beilage LXIII. LXIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtage-. nur jeder Logik, sondern involviert auch eine Ungerechtigkeit gegen die Wähler des III. Wahlkörpers in hohem Grade. Es lag aber zu diesem Schritte zudem nicht die geringste Veranlassung vor. Seit dem Beginne der verfassungsmäßigen Wirksamkeit des Landtages wurde mit vielleicht verschwindenden Ausnahmen allerorts und jederzeit die Vermögenssteuer in die anrechenbare Steuerschuldigkeit einbe­ zogen und zwar nicht nur bei den Landtagswahlen, sondern seit Einführung der directen Reichs­ ratswahlen auch bei diesen. Es stiegen niemals darüber Zweifel auf, daß § 6 L.-W.-O. anders als in diesem Sinne gedeutet werden könnte und würde, sonst hätte bei der im Jahre 1885 voll­ zogenen Revision der L.-W.-O. dieser damals unverändert gelassene Passus sicher eine andere Fassung erhalten. Der Wahlprüfungs-Ausschuß ist aus den vorangeführten Gründen der Ansicht, es seien die Wählerlisten in den Bezirken Feldkirch und Bludenz nicht nach gesetzlicher Vorschrift verfaßt, er findet aber dennoch aus mannigfachen Gründen sich nicht veranlaßt, sich gegen die Giltigkeit der dortselbst vollzogenen Wahlen auszusprechen." Der Legitimations-Ausschuß wies nach diesen Ausführungen auf 3 Wege hin, die zur Regelung der Frage geeignet erscheinen und zwar: a. Ergänzung des § 6 L.-W.-O. dahingehend, daß ausdrücklich hervorgehoben werde, die Versteuer habe gleich den directen ärarischen Steuern eingerechnet zu werden, oder b. Aenderung des § 6 L.-W.-O. nach der Richtung, die Vermögenssteuer dürfe überhaupt, also auch nicht den Wählern des I. und II. Wahlkörpers angerechnet werden, oder endlich c. Abänderung der Gemeindewahlordnung nach der Richtung, daß die Vermögenssteuer über­ haupt gleich andern Gemeinde- und Landeszuschlägen fortan nicht mehr in die für die Wahl­ befähigung einrechenbare Steuer einbezogen werde. Der Landtag faßte über Antrag des Legitimations-Ausschusses in der fünften Sitzung vom 20. Oktober 1890 einstimmig den Beschluß: „Der Landesausschuß wird beauftragt, im Einvernehmen mit der hohen k. k. Regierung Ge­ setzesvorlagen vorzubereiten, die volle Klarheit über Einbezug oder Nichteinbezug der Vermögenssteuer zur Bemessung der Ausübung des Wahlrechtes für die Landtagswahlen herbeiführen und dieselben dem Landtage in nächster Session in Vorlage zu bringen." Der Landesausschuß entschied sich für den ersten der 3 im Berichte des Legitimations-Aus­ schusses bezeichneten Wege und legte unterm 8. Jänner 1891 Z. 2608 unter ausführlicher Begründung dem hohen k. k. Ministerium des Innern einen Gesetzentwurf vor, der die §§ 6 und 8 dahin einer Aenderung unterzog, daß ausdrücklich auch die Einrechnung der Vermögenssteuer in die das Wahl­ recht zum Landtage begründende Steuersumme festgesetzt wurde. Dadurch wäre der Zustand vor dem Jahre 1890 ausrechterhalten geblieben und gleichzeitig hätte nach wie vor die Gemeindewählerliste die Grundlage der Landtagswählerliste bilden können. (§ 16 L.-W.-O.) Mit Note der hohen k. k. Statthalterei vom 6. Jänner 1892 Nr. 7124 wurde dem Landes­ ausschusse auf Grund des Erlasses des Herrn Ministerpräsidenten und Leiters des k. k. Ministeriums des Innern vom 28. Dezember v. I. Z. 5140 eröffnet, daß die vom Landesausschusse angestrebte Lösung dieser Frage den allgemeinen Grundsätzen der Landtagswahlordnungen am wenigsten entspreche, indem es als eine Anomalie erscheinen müßte, daß Jemand, der gar keine Staats- oder Landessteuer entrichtet, das Wahlrecht zum Landtage und damit auf Grundlage der R.-W.-O. auf jenes zum Reichsrathe erlangen soll. Es dürfe nicht übersehen werden, daß in den Wahlordnungen der Ausdruck „directe Steuern" überhaupt nur von landesfürstlichen Steuern gebraucht und Landes- und Gemeindezuschläge nicht be­ rücksichtigt werden. Aus diesen Gründen und da das Landtagswahlrecht, welches auch die Grundlage für das Wahl­ recht in dm Reichsrath bilde, möglichst nach einheitlichen Grundsätzen geregelt sein solle, sei die Re­ gierung nicht in der Lage, dem vom Landcsausschusse vorbereiteten Gesetzentwürfe zuzustimmen. Falls jedoch der Landtag die Abänderung des § 6 L.-W.-O. im Sinne der ausdrücklichen Ausscheidung 302 7. Periode 1891/S2. Beilage LXIII. der Vermögenssteuer oder eine Aenderung der Gemeindewahlordnung in dem Sinne beschließen würde, daß die Vermögenssteuer auch bei Festsetzung der Gemeindewählerlisten außer Betracht zu bleiben habe, so würde die Regierung einem derartigen Beschlusse nicht entgegentreten. In Folge dieser Regierungseröffnung arbeitete der Landesausschuß 2 neue Gesetzentwürfe aus, wovon der erste die Eliminirung der Vermögenssteuer aus der anrechenbaren Steuersumme zur Aus­ übung des Landtagswahlrechtes, der zweite die Elimirung derselben aus den zur Ausübung des Ge­ meindewahlrechtes anrechenbaren Steuern bezweckt, und legte diese beiden Entwürfe ohne weitere Motivirung dem Landtage vor, diesem anheimstellend, welchen derselben er zur Grundlage seiner Berath­ ungen zur Regelung dieser Frage nehmen wolle. Nachdem sonach der Landesausschuß vermieden hatte, sich für den einen oder andern Entwurf auszusprechen, so trat diese Aufgabe an den landtäglichen Gemeinde-Ausschuß heran, dem die vom Landesausschusse ausgearbeiteten Entwürfe über Aenderung der L.-W.-O. beziehungsweise der G.-W.-O. zur Vorberathung und Berichterstattung seitens des Landtages überwiesen worden waren. Hinsichtlich des Landesausschuß-Entwurfes betreffend die Abänderung der §§ 6 und 8 L.-W.-O. erhoben sich mehrfache Bedenken § 16 L.-W.-O. setzt fest, daß bei Verfassung der Wählerlisten zur Landtagswahl die bei der letzten Neuwahl der Gemeinderepräsentanz richtig gestellten Listen der Ge­ meindewähler unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Veränderungen als Basis zu dienen haben. Durch Annahme des in Vorlage gebrachten Entwurfes über die Aenderung des §§ 6 und 8 L.-W.-O. wornach die Vermögenssteuer überhaupt nicht, also auch nicht den Wählern des I und II. Wahlkörpers angerechnet würde, ergäbe sich ein Widerspruch gegen diese Bestimmung und würde diese Annahme sonach auch die Aenderung des § 16 L.-W.-O. erfordern. Die Landtagswählerlisten müßten fortan ganz selbständig ohne irgend welche Beziehung auf die Gemeindewählerlisten angelegt werden. Ferner würde durch die angeregte Abänderung der §§ 6 und 8 L.-W.-O. in einzelnen Ge­ meinden eine Wahlrechtsverkürzung eintreten. Nach den geltenden Bestimmungen der L.-W.-O. steht den Wählern des II. Wahlkörpers in Gemeinden mit 3 Wahlkörpern unter allen Umständen das Wahlrecht zu und zwar auch dann, wenn sie weniger als 5 st. an direkter Steuer entrichten. Diese Bestimmung müßte nach der angeregten Abänderung der §§ 6 und 8 L.-W.-O. entfallen, da es, wenn bei der Gemeindewahl die Vermögenssteuer in Anrechnung gebracht wird, bei der Land­ tagswahl aber nicht, es ganz und gar unmöglich erscheint, jemanden das Landtagswahlrecht aus dem Grunde zuzuerkennen, weil er Aufnahme in den II. Wahlkörper der Gemeinde gefunden hat, da diese Aufnahme ja vielfach auf der entrichteten Vermögenssteuer beruhen kann und wird. Der landtägliche Gemeindeausschuß konnte diese sich ihm aufdrängenden Bedenken nicht unbeachtet lassen, zudem erschien es ihm als sehr wünschenwerth, wenn immer thunlich die Gemeindewählerliste als Grundlage der Landtagswählerliste auch fortan beibehalten werden könnte. Dieses ist aber unter den gegebenen Verhältnissen nur dann möglich, wenn nicht in eine Aen­ derung der Landtags- sondern in eine Aenderung der Gemeindewahlordnung eingegangen wird. Was nun die Eliminierung der Vermögenssteuer aus den zum Gemeindewahlrechte anrechenbaren Steuern betrifft, so sind vorzüglich folgende Momente ins Auge zu fassen. Von den 102 Gemeinden des Landes werden etwa 2/s derselben die Vermögenssteuer ganz oder theilweise eingeführt haben. Ganz, d. h. wenn die Gemeindeglieder nach § 6 Abs. 1 und 2 G.-O. die auf sie entfallenden Gemeindeumlagen vollständig nach der Vermögenssteuer entrichten, theilweise, wenn dieses in Verbindung mit Zuschlägen zu den directen Steuern geschieht. Soweit dem landtäglichen Gemeinde-Ausschusse bekannt, wird in folgenden Gemeinden die Ver­ mögenssteuer überhaupt gar nicht in Anwendung gebracht: Doren, Hard, Ebnit, Fußach, Gaißau, Höchst, Lustenau, Düns, Fraxern, Laterns, Rankweil, Zwischenwasser, Röns, Satteins, Schlins, Schnifis, Sulz, Tasters, Uebersaxen, Viktorsberg, Bludesch, Bürs, Bürserberg, Jnnerbraz, Nenzing, Raggal, Thüringen. In allen diesen Gemeinden, die ihre durch die eigenen Einnahmen nicht bedeckten Erfordernisse durch Zuschläge zu den directen Staatssteuern verumlagen, werden diese Steuerumlagen der Gemeinde, 303 Beilage LXI1I. LXIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen deS Vorarlberger Landtags. wenn sie auch noch so hoch sind und mitunter 200% der ärarischen Steuern überschreiten, den Ge­ meindegliedern in die für die Wahlbefähung anrechenbare Steuer nicht einbezogen, sondern im Sinne des § 12 G.-W.-O. nur die directe Steuerleistung an den Staat berücksichtigt. Die Landesvertretung hat früher versucht durch entsprechende Modificierung benannten Para­ graphs die Anrechenbarkeit der Gemeindezuschläge zu erwirken, weil es immer für billig erachtet wurde, derart geleisteten Umlagen sollte die gleiche Berücksichtigung und Behandlung auch in Bezug auf das Ausmaß des Wahlrechtes zu theil werden, wie der Vermögenssteuer. Die Regierung gieng aber hierauf nicht ein und so blieb im Sinne des Wortlautes des § 12 G.-W.-O. diese Ungleichheit bestehen^ Die Vermögenssteuer vertritt einfach die Stelle der Gemeindezuschläge zu den direkten Steuern, erstere wird dermalen in die für die Wahlbefähigung anrechenbare Steuer einbezogen, letztere aber nicht und so haben jene Gemeinden, die die Vermögenssteuer eingeführt haben, eine ganz andere Wahlrechtsgrundlage, als jene Gemeinden, die ihre Erfordernisse durch Zuschläge zu den Staats­ steuern decken. Aber auch in jenen Gemeinden selbst, die die Vermögenssteuer eingeführt haben, besteht hin­ sichtlich der Anrechenbarkeit der Gemeindeumlagen eine Ungleichheit. Die Gemeindeglieder nach § 6 Abs. 3 G.-O. werden in der Regel nicht zur Vermögenssteuer, sondern gemäß § 79 G.O. mittelst Zuschlägen zu den directen Steuern zur Deckung der Gemeindeauslagen herangezogen. Den Gemeindegliedern nach § 6 Abs. 1 und 2 werden sonach ihre Gemeindeumlagen in die das Gemeindewahlrecht begründende Steuersumme eingerechnet, den Gemeindegliedern nach § 6 Abs. 3 aber nicht. Eine einheitliche Grundlage für das Wahlrecht kann nur dann gewonnen werden, wenn die Vermögenssteuer auch bei den Gemeindewahlen gleich den andern Landes- und Gemeindezuschlägen nicht mehr in Anrechnung gebracht wird. Der landtägliche Gemeinde-Ausschuß kann indessen nur mit einigem Widerstreben auf Einschlagung dieses Weges einrathen, da er sich bewußt ist, daß die Landesvertretung von jeher stets für die Erweiterung des Wahlrechtes eingetreten ist, daß dieselbe fortwährend sich dafür aussprach, es sollten thunlichst alle wie immer gearteten directen Steuern, betreffen sie nun Staat, Land oder Gemeinde zum Wahlrecht angerechnet werden, und weil der Ausschuß auch nicht übersieht, daß bei Eliminirung der Vermögenssteuer aus der anrechenbaren Steuersumme, eine Anzahl Personen, wenn auch voraussichtlich nur vorübergehend bei Betreten dieses Weges das Gemeindewahlrecht verlieren wird. Der Gemeinde-Ausschuß kann sich aber andererseits nicht verhehlen, daß nach den Wahlvor­ gängen von 1890 und nach der Erklärung der Regierung (Ministerial-Erlaß vom 28. Dez. 1891 Zl. 5140), wodurch die Einrechnung der Vermögenssteuer bei Landtags- und Reichsrathswahlen für die Folge unter allen Umständen ausgeschlossen erscheint, die Abänderung der G.-W.-O. nach ange­ deuteter Richtung der einzig mögliche Weg bleibt, um für Gemeinde- und Landtagswahlen die wünschenswerthe gleiche Grundlage hinsichtlich der anrechenbaren Steuerarten erzielen zu können. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, daß die meisten vermögenssteuerpflichtigen Personen auch directe Staatssteuern zahlen, sei es Grund-, Häuser-, Erwerb- oder Einkommensteuer und ihnen sonach, soweit dieses der Fall ist, das Gemeindewahlrecht ohnedem schon aus diesem Titel zusteht. Jene wenigen Vermögenssteuerpflichtigen aber, die dermalen wirklich keine ärarischen Steuern zahlen, dürften ^dieses Privilegium nicht mehr allzu lange genießen, da mit der nun hoffentlich und voraussichtlich demnächst zur Durchführung gelangenden staatlichen Steuerreform, die Heranziehung derselben zur Renten- und Personaleinkommensteuer außer allem Zweifel steht, und dieselben daher auf diese Weise das Wahlrecht zur Gemeindevertretung ohnedem erlangen. Die Ausscheidung der Vermögenssteuer aus der anrechenbaren Steuersumme znr Gemeindewahl wird zudem die Steuerrathswahlen jedes politischen Charakters entkleiden, die Datierungen rem geschäftlich und sachlich gestalten und die künstliche Stimmenbeschaffung zu Wahlzwecken, die bei. der Lückenhaftigkeit, Mangelhaftigkeit und Unklarheit des Vermögens- Steuer-Eireulars- vom 10. April 1837 viel leichter zu vollführen ist als bei andern Steuern, bedeutend erschweren. . 304 II. Session, 7. Periode 1891/92. Beilage In Erwägung nun, daß in Folge der Vorgänge bei den Landtagswahlen im Jahre 1890, sowie in Folge der Erklärung der hohen k. k. Regierung (Erlaß des Ministeriums des Innern vom 28. Dez. 1891 Zl. 5140) es fernerhin unmöglich erscheint, die Vermögenssteuer in die das Wahlrecht zum Landtage und somit auch zum Reichsrathe begründende Steuersumme einzurechnen; in Erwägung, daß die Aenderung der §§ 6 und 8 L.-W.-O. betreffend Nichtanrechbarkeit der Vermögenssteuer bei Landtagswahlen eine Verschiedenheit der grundsätzlichen Bestimmungen zwischen Gemeindewahlordnung und Landtagswahlordnung herbeiführen würde, und demgemäß die Gemeinde­ wählerliste nicht mehr als Grundlage der Landtagswählerliste dienen könnte, zudem eine dahin­ zielende Abänderung in mehreren Gemeinden eine Wahlrechtsverkürzung bei Landtagswahlen ver­ ursachen dürfte; in Erwägung, daß bei der Anrechenbarkeit der Vermögenssteuer in die das Gemeindewahlrecht begründende Steuersumme eine Ungleichheit in Bezug auf die Grundlagen des Wahlrechtes nicht nur hinsichtlich der einzelnen Gemeinden, sondern auch bezüglich der verschiedenartigen Gemeindeglieder in ein und derselben Gemeinde besteht; in Erwägung, daß es wünschenswerrh nnd zweckmäßig erscheint, eine thunlichst einheitliche Grundlage für alle Wahlen zu beschaffen; in Erwägung endlich, daß es nur einem Gebot der Billigkeit und Gerechtigkeit entspricht, wenn die verschiedenen Gemeinden des gleichen Landes und die Glieder der gleichen Gemeinde hinsichtlich der Anrechenbarkeit der Steuern in die das Wahlrecht begründende Steuersumme gleich behandelt werden, beschloß der landtägl. Gemeinde-Ausschuß dem hohen Landtage die Annahme des letztem der vom Landesausschusse in Vorlage gebrachten Gesetzentwürfe, nämlich jenes über die Abänderung einiger Paragraphe der Gemeindewahl-Ordnung zu empfehlen. Nachdem bereits die k. k. Regierung mit dem mehrfachen citierten Erlasse vom 28. Dez. v. I. Z. 5140 die Erklärung abgegeben hat, daß sie einem derartigen Beschlusse des Land­ tages nicht entgegen treten werde, besteht auch nach dieser Richtung kein Hinderniß, diese Frage in der beantragten Weise endgiltiger Regelung zuzuführen. Hiemit entfällt auch die Nothwendigkeit, in eine Aenderung der Landtagswahlordnung einzutreten. Sonach wird gestellt der Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: „Dem beiliegenden Gesetzentwurf, womit die §§ 1, 12 und 15 der Gemeinde­ wahlordnung für Vorarlberg abgeändert werden, wird die Zustimmung ertheilt." Bregenz, den 23. März 1892. Mart. Reisch, Martin Thurnher, Obmann. Berichterstatter. 305 LXIIL der Bella gen zu deu stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. II. Session der 7. Periode 1891/92* Beilage LXIIL A. Gesetz vorn wirksam für das Land Vorarlberg womit die §§ 1, \2 und der Gemeindewahlordnung abgeändert werden. Ueber Antrag des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich zu verordnen wie folgt: Artikel I. Die §§ 1, 12 und 15 der Gemeindewahl­ ordnung (Gesetz vom 29. Juni 1890 L.-G. und V.-Bl. Nr. 20) haben in ihrer gegenwärtigen Fassung außer Wirksamkeit zu treten und künf­ tig zu lauten: § 1. Wahlberechtigt sind nachstehende Gemeinde­ glieder, insoferne sie österreichische Staatsbürger sind: 1. Die im Z 6 der Gemeinde-Ordnung, Z. 1, aufgeführren Bürger, wenn sie eine directe Staats steuer zahlen, und die Ehrenbürger. 2. Von den im § 6 der Gemeinde-Ordnung, Zl. 2, bezeichneten (heimathb erechtigt en) Gemeindemitgliedern folgende: a) die in der Ortsseelsorge bleibend verwende­ ten Geistlichen der christlichen Confessionen und die Prediger (Rabbiner) der jüdischen Glaubensgenossen. b) Hof-, Staats-, Landes- und öffentliche Fondsbeamte. c) Offiziere und Militärparteien mit Offiziers titel, welche sich im definitiven Ruhestand befinden, oder mit Beibehaltung des Militär­ charakters quittirt haben. d) dienende sowohl, als pensionirte Militär307 Beilage LXIII LXIIL der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Parteien ohne Offizierstitel, dann dienende und pensionirte Militärbeamte, insoferne diese Personen in den Stand eines Truppen­ körpers nicht gehören. e) Doktoren, welche ihren akademischen Grad an einer inländischen Universität erhalten haben. f) von den definitiv angestellten Lehrpersonen die Oberlehrer, Leiter und Lehrer der in der Gemeinde befindlichen Volksschulen und in gleicher Weise die an höheren Lehranstal­ ten in der Gemeinde vom Staate oder von der Gemeinde selbst angestellten Directoren, Professoren und Lehrer. g) endlich diejenigen, welche eine direkte Staats­ Steuer bezahlen. 3. Die im § 6 der Gemeinde-Ordnung, Z. 3, aufgeführten Gemeindeglieder, insoferne sie in der Gemeindeglieder, insoferne sie in der Gemeinde den ständigen Aufenthalt haben oder an direkter Staats-Steuer jährlich wenigstens zwei Gulden entrichten. Den wahlberechtigten einzelnen Gemeinde­ gliedern find auch inländische Korporationen, Stiftungen, Vereine und Anstalten berzuzählen, wenn bei ihnen die Bedingung sub 1 eintritt. § 12. Zum Behufe der Wahl des Gemeindeaus­ schusses ist vom Gemeindevorsteher ein genaues Verzeichnis aller wahlberechtigten Gemeindeglieder in der Art anzufertigen, daß darin zu oberst die Ehrenbürger, dann die im § 1 sub 2 bezeichneten Gemeindeglieder unter Angabe ihrer allfälligen in der Gemeinde vorgeschriebenen Jahresschuldig­ keit an direkten Staats-Steuern, dann die übri­ gen wahlberechtigten Gemeindeglieder nach der Höhe der auf jeden entfallenden, in der Gemeinde vorgeschriebenen Jahresschuldigkeit an direkten Staats-Steuern in absteigender Ordnung gereiht angesetzt werden. Neben den Namen sind die be­ züglichen Steuerbetrug? ersichtlich zu machen. Kommen zwei oder mehrere Wahlberechtigte mit gleicher Steuerschuldigkeit vor, so ist der an Jahren Aeltere dem Jüngeren vorzusetzen. Am Schluffe des Verzeichnisses ist die Summe aller Steuer­ Jahresschuldigkeiten zu ziehen. 8 15. Wenn der erste Mahlkörper 308 in Gemeinden LI. Seffio«, 7. Periode 1891/92. Beilage XLIII. mit 300 oder weniger wahlberechtigten Gemeinde­ Mitgliedern nicht aus wenigstens dreimal, in Gemeinden mit 301—600 wahlberechtigten Ge­ meinde-Mitgliedern nicht aus wenigstens viermal, in Gemeinden mit 601—1000 wahlberechtigten Gemeinde-Mitgliedern nicht aus wenigstens fünf­ mal, endlich in Gemeinden mit mehr als 1000 Wahlberechtigen Gemeinde-Mitgliedern nicht aus wenigstens sechsmal soviel Wahlberechtigten be­ steht als derselbe Ausschuß- und Ersatzmänner zu Wählen hat, so ist dieser Wahlkörper aus den im Verzeichnisse (§ 12) nächstfolgenden Besteuer­ ten bis auf diese Zahl zu ergänzen. Dasselbe gilt. Wo drei Wahlkörper bestehen, auch vom zweiten Wahlkörper. Die Steuerquote aller nach dieser Ergän­ zung dm ersten Wahlkörper bildenden Steuer­ pflichtigen wird von der ganzen Steuersumme abgezogen und der Rest in zwei gleiche Theile getheilt. Jene Wahlberechtigten, welche die erste Hälfte dieses Restes entrichten, bilden den zweiten die übrigen den dritten Wahlkürper. Hiebei findet auch die Schlußbestimmung des § 13 ihre An­ wendung. Werden nur zwei Wahlkörper gebildet, so gehören alle nach der Ergänzung des ersten Wahlkörpers erübrigenden Wahlberechtigten zum zweiten Wahlkörper. Artikel II. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kund­ machung in Wirksamkeit. Artikel III. Mein Minister des Innern ist Vollzüge dieses Gesetzes beauftragt. Druck vsu Z. N. Teutsch, Bregenz. 309 mit dem