18900914_ltb0041890_Abgeordnetenbericht_Naturalverpflegsstationen_Oberösterreich_Niederösterreich

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:30
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1890,ltb1890,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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TV. der Beilagen -n den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. I. Session. 7. Periode 1890. Beilage IV. des Abgeordneten Martin Thurnher über die gepflogenen Erhebungen in Betreff der Einrichtung, Wirksamkeit und der Erfolge der Natural-verpflegs-^tationen in Ober- und Niederösterreich. Hoher Landes-Ausschuß! Dem hohen Auftrage vom 30. Juli d. I. Z. 1947 entsprechend, verfügte ich mich nach Oberund Niederösterreich, verschaffte mir dortselbst durch eingehende Besprechungen mit den dortigen Herrn Referenten und Inspektoren, sowie durch Besuch einer Anzahl Natural-Verpflegs-Stationen näinlich Linz, Urfahr und Pregarten in Oberösterreich und Mödling und Hitzing in Niederösterreich genauere Kenntnis über Wesen und Einrichtung, insbesondere über die Art und Weise der Unterkunft, Ver­ pflegung und Beschäftigung der aufgenommenen Individuen, den Modus der Verwaltung und der Rechnungsführung solcher Anstalten und beehre ich mich nun, das Ergebnis dieser Erhebungen dem hohen Landes-Ausschusse im Nachstehenden zur Kenntnis zu bringen. Nach § 2 des ursprünglichen n.-ö. Gesetzes vom 30. Mai 1886 sollten die Natural-VerpflegsStationen mit den bereits bestehenden oder noch weiters zu errichtenden Schubstationen zusammen fallen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, daß die Verbindllng zwischen Verpflegs- und Schubstationen nicht lwthwendig sei, sondern vielmehr zur Erreichung des Zweckes der Natural-Verpflegs-Stationen geboten erscheine, auch in andern hiezu geeigneten Orten solche zu errichten. Niederösterreich hat daher bezüglichen § einer Aenderung unterzogen, wornach -die stricte Vorschrift, daß nur an Orten, welche Schubstationen besitzen, Verpflegs-Staüonen errichtet werden dürfen, fallen gelassen wurde. Für Vorarlberg wird es sich empfehlen, die Standorte nach dem bereits vom Landes-AusschußSub-Conntö vorgelegten Gesetzentwürfe festzusetzen, indem sich die analoge Bestimmung in Ober­ österreich seit der vor P/4 Jahren erfolgten Aktivirung dieser Anstalten vollkommen bewährt hat.— Hiernach wären am Sitze jedes Bezirksgerichtes und außerdem noch an allen jenen Orten Verpflegs35 Beilage IV. IV. der Beilage» zn den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtag-. Stationen zu errichten, die vorn Landes-Ausschuffe im Einvernehmen mit der Statthalterei hiezu aus­ ersehen werden. — Die Stationen sind in Ober- und Niederösterreich in der Regel 15 km. von einander entfernt. Es empfiehlt sich, die Stationen nicht zu nahe an einander zu reihen und wäre nach den gemachten Erfahrungen auch eine Erhöhung der Entfernung bis zu höchstens 20 km. nicht unzulässig, da die die Anstalten frequentirenden Reisenden dann die Zeit zwischen Frühstück und Mittag­ essen, sowie zwischen Mittag- und Abendmahl mehr zum Marsche verwenden müssen, um rechtzeitig auf der Station einzutreffen. Die geographische Lage und andere Verhältnisse werden indessen bald erkennen lassen, an welchen Orten die Errichtung derartiger Anstalten geboten erscheint. Insbesondere müssen an den wichtigern Einbruchsstationen schon in der Nähe der Grenze Verpflegsstationen errichtet werden, wenn die die Grenze überschreitenden Personen mit Erfolg vom Bettel abgehalten werden wollen. Diejenigen, die das Land verlassen, bekommen in der Regel in der Endstation nichts, sondern werden über die Grenze geschickt. Zst aber im Nachbarlande die In­ stitution auch eingesührt, dann tritt der umgekehrte Modus ein. In diesem Falle entläßt die End­ station den Reisenden gesättigt ins Nachbarland, dagegen wird derselbe dann im neubetretenen Land nicht in der ersten, sondern erst in der nachfolgenden Station ausgenommen. Indessen muß dem Stationsleiter hiebei ein gewisser Spielraum gewährt werden, damit er in berücksichtigenswerthen Fällen auch abweichend von diesen Regeln handeln kann. An den meisten Orten werden die Verpflegs-Stationcn in einem der Gemeinde gehörigen Haufe untergebracht, oder hiefür ein geeignetes Lokale in Pacht genommen. Wo Armenhäuser bestehen, kann füglich die Anstalt dortselbst untergebracht werden. Eine Unterbringung in Gasthäusern, wie es in Mähren mehrfach geübt wird, ist aus verschiedenen Gründen nicht anzurathen und wäre eine Unter­ bringung dortselbst nur als vorübergehender Nothbehelf zu gestalten. Die Schlafräume werden für jedes Geschlecht separat hergestellt, man trifft meistens ein Zimmer für Männer, ein kleineres für Frauen. Die Fälle, in denen die Verpflegs-Stationen von Weibern oder Familien besucht werden, sind indessen äußerst selten und es könnte in ganz kleinen Stationen von der Beschaffung zweier Locale in dem Falle füglich Umgang genommen werden, wenn Vorsorge getroffen würde, daß im Bedarfsfälle Frauenspersonen irgend anderswo untergebracht werden könnten. In den Stationen, die getrennte Locale besitzen, werden die meist leeren Schlafräume der Weiber im Bedarfsfälle zur Unterbringung der Männer benützt. Wo es leicht angeht, wäre die Beschaffung eines Locals für Unreinliche empfehlenswerth, wie es z. B. in der Verpflegs-Station Hitzing besteht. — Die nach dem n. ö. und o. ö. Gesetze vorge­ sehene Beschaffung eines geeigneten Arbeitsraumes, dürfte fallen gelassen und der dem Landes-Aus­ schuß bereits vorliegende Gesetzentwurf in dieser Beziehung rectificirt werden. — Thatsächlich wurde ein solcher bei den wenigsten Stationen errichtet, und dort, wo er vorhanden, wie in Mödling, wird er als Speisezimmer verwendet. Die angemessene Beschäftigung der in die Verpflegs-Stationen aufgenommenen Individuen hat sich sowohl in Ober- als in Niederösterreich als undurchführbar erwiesen. Als Beschäftigungen wurden angesehen: Holzverkleinerung, Steinklopfen, Früchte aushülsen, Strohsack klopfen, Schnee schaufeln, Reinigung der Lokale, Gartenbesorgung, Mithilfe bei Arbeiten von Verschönerungsvereinen, überhaupt Arbeiten, die jeder ohne besondere Uebung und Erlernung zu verrichten in der Lage ist. In einigen Orten wurde der Versuch mit Korbflechterei gemacht, es stellte sich aber heraus, daß dieses nur dort angienge, wo der Stationshalter selbst die geeignete Anleitung hiezu zu geben wüßte. Zwei ganz bedeutende Hindernisse sind es nun, die sich der regelrechten Beschäftigung der auf­ genommenen Personen entgegenstellen. Das erste ist der Umstand, daß nicht leicht entsprechende Arbeit gesunden wird. Die Gemeinden besitzen in der Regel selbst arme Gemeinde-Angehörige, die mit derartigen Arbeiten versehen werden müssen und Private übergeben solche Arbeiten in der Regel nicht der Berpflegs-Station. Das zweite Hindernis bildet die beschränkte Zeit. Nach eingenommenen Frühstück soll die Wanderung zur nächsten 36 L Session der 7. Periode 1890. Beilage IV. Station angetrctcn werden, an dieser treffen die Reisenden erst gegen 10 oder 11 Uhr ein und Nachmittag soll die folgende Station erreicht werden, wo übernachtet wird. Es wird aus diesen Gründen auch thatsächlich sowohl in den Stationen Nieder- als in jenen Oberösterreichs wenig gearbeitet, vcn einem durch die Verpflegten erzielten Verdienst ist in keinem der Stationsprotokolle etwas ersichtlich, die Arbeit beschränkt sich nur auf Reinigung des Lokals, Ausklopfen der Betten, Holzherrichtung für den Bedarf der Station u. dgl. Die Bestimmung zur Arbcitsvcrpflichtung im Gesetze selbst hat aber doch großen Werth. Die Verpflegs-Station soll das Recht haben, den Aufzunehmenden zur Arbeit anhalten zu dürfen. Einem verständigen Leiter ist dadurch das Mittel gegeben, arbeitsscheue Personen zu eruiren, eventuell von der Aufnahme auszuschließen, oder sie dem Schube zu übergeben. Nachdem die Aufnahme in die Verpflcgsstation an die Mittellosigkeit geknüpft ist, so werden Personen, welche Reisemittel besitzen, aus der Verpflegsstation gewiesen. Eine Durchsuchung findet jedoch in der Regel nicht statt, sondern dürfte nur dann vorgenommen werden, wenn begründeter Verdacht des Besitzes von Reisegeld Vorlage. Der Besitz der Baarschaft von einigen Gulden bildet jedoch kein Hindernis der Aufnahme. — In Nieder- und Oberöstcrreich besteht die Bestimmung, daß der in die Verpflegs-Station Aufzunehmende nicht länger als 3 Monate außer Arbeit stand. In Oberösterreich ist man daran, diese Zeit auf 2 Monate zu reduciren, in Steiermark ist sie gar nur auf 6 Wochen festgesetzt. Es wird sich empfehlen, vorläufig bei 3 Monaten zu verbleiben, da mancher Geselle und Arbeiter auch beim besten Willen oft längere Zeit keine Arbeit finden kann und solche Personen in derartigen Fällen bei Ausschließung von der Verpflegs-Station offenbar zum Bettel Zuflucht zu nehmen genöthigt sind und dabei Gefahr laufen, eingesperrt und hierauf abge­ schoben zu werden. Ferner besteht die Beschränkung, die gleiche Person in der gleichen Station innerhalb von 3 Monaten nur einmal aufzunehmen. Betrunkene sind von der Aufnahme ausgeschlossen. Familien werden in Oberöfterrcich nur dann ausgenommen, wenn sie sich ausweisen können, daß sie bereits Arbeit zugesichert erhalten haben, in Niederösterreich besteht dieselbe Beschränkung hin­ sichtlich der böhmischen Familien, andere ordentliche Arbeiterfamilien werden ausgenommen. Ferner schreiben die Gesetze vor, daß nur arbeitsfähige Personen Aufnahme in den Verpflegs-Stationen finden. In Oberösterreich will man nun unter die Nichtarbeitsfähigen auch alle jene subsummiren, die das 60. Lebensjahr überschritten haben. Es dürfte diese Bestimmung indessen überflüssig, für einzelne Fälle auch als zu streng anzusehcn sein und der im vorbereiteten Gesetz­ entwurf aufgenommene Ausdruck „arbeitsfähige Personen" genügend und richtig erscheinen. Personen, die kein Reisedokument vorzuweisen in der Lage sind, werden in der Regel nicht ausgenommen. Ebenso finden Ortsarme, dann solche der Umgebung keine Aufnahme. Die oben angeführte Bestimmung des Nachweises, daß der Aufzunehmende nicht länger als 3 Monate außer Arbeit stand, findet auf solche, die aus dem Spital entlassen wurden, dann auf jene, die erst kürzlich aus der Lehre traten, keine Anwendung. Was nun die Einrichtung der Verpflegs-Stationen anbelangt, ist dieselbe äußerst einfach und besteht in einer Anzahl Betten, einem, bei größeren Stationen auch mehreren Tischen, einer Bank, einigen Sesseln, einem Rechen zum Aushängen der Kleider, einem eisernen Ofen, einer Lampe, mehreren Handtüchern, einer blechernen Waschschüssel, ebensolcher Kanne und Trinkbechern. Es em­ pfiehlt sich, anfänglich nur wenige Betten zu beschaffen. Treffen mitunter auch mehr Personen ein, als Betten vorhanden sind, so weiß man sich leicht zu behelfen, indem dann je 2 in ein Bett zu liegen kommen, oder auf Stroh oder Strohsäcke auf den Boden gelegt werden. Bei größeren Stationen genügen vorläufig 10—12, bei kleineren 2—5 Betten. Die Betten sind einfach, gewöhnlich Cavalets, ähnlich wie sie die Gendarmerie besitzt, mit einem Strohsack, einem Leintuch, einem Kotzen als Decke und einem Strohkopfpolster mit Ueberzug. Es 37 Beilage IV. IV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. kommen aber auch mehrfach ganz hölzerne Bettstellen vor, jedoch sind Cavalets wegen leichterer Er­ haltung der Reinlichkeit vorzuziehen. Am meisten dürfte indeffen die Verwendung von Drathmalrazzen anzuempfehlen sein, wie sie z. B. in der Verpflegs-Station Hitzing in Verwendung stehen. Bei diesen entfällt der Strohsack ganz, dagegen ist eine zweite Wolldecke nothwendig. Wohl werden solche Betten kälter sein, in Bezug auf Dauerhaftigkeit und Instandhaltung der Reinlichkeit dürften sie aber wohl in erste Reihe gestellt werden. Zn jedem Lokale der Verpflegs-Stationen ist auch die Hausordnung unter Glas und Rahmen angebracht. Die Anschaffung von Kücheneinrichtung, dann von Tisch- und Eßgeräthcn ist nicht noth­ wendig, weil der Stationshalter das vollständig bereitete Essen sammt Geschirr beizustellen hat. Derselbe kann daher nicht besondere Rechnung stellen für Zubereitung der Speisen, oder für das hiebet verwendete Holz. Er bekommt — und zwar in allen Stationen Nieder- und Oberösterreichs 10 kr. für das Frühstück, 15 kr. für das Mittags- und 15 kr. für das Abendmahl. Als Verkösti­ gung ist nach den Grundzügen für die Organisation vorgeschrieben: Für das Frühstück */2 Liter, für Mittag- und Abendessen 1 Liter nahrhaftes Gemüse besonders Hülscnfrüchte und jedesmal 25 Dekagramm Roggenbrot. Es wird aber vielfach morgens an Stelle des Gemüses Einbrenn­ oder Milchsnppe verabfogt, was entschieden vorzuziehen ist. Am Mittag und am Abend wird oft Suppe unb Gemüse, Griesknödel oder andere Mehlspeisen verabfolgt. Zn einigen wenigen Gemeinden haben Metzger die Verköstigung übernommen itnb in diesen zwar vereinzelten Fällen bekommen die Reisenden zumeist Fleischspeisen. Die in dem dem Landesausschusse bereits vorliegenden Elaborate über die Grundzüge dec Organisation der Verpflcgs-Stationcn enthaltene Bestimmung über die zu verabfolgenden Speisen dürfte dahin einer Modifieation zu unterziehen sein, daß außer Gemüse, auch andere Speisen, wie Suppe, Mehlspeisen u. dgl. verabreicht werden können. Die Verabreichung geistiger Getränke ist in den Verpflegs-Stationen unter allen Umständen untersagt. Ebenso ist das Tabakraucheu dortselbst verboten. Der Aufenthalt in einer Station soll die Dauer von 18 Stunden nicht überschreiten. In der Regel ist der Aufenthalt ein kürzerer. Der zu Mittag Eintreffende verläßt nach dem Mittagessen, der am Nachmittag oder Abend Eintreffende am nächsten Morgen nach eingenommenem Frühstück die Station; bleibt einer längere Zeit, oder gar mehr als 18 Stunden, so ist die Ursache im Protokoll anzugeben. — Als begründete Ursachen werden angesehen außerordentlich ungünstige Witterung, insbesondere starke Schneefälle im Winter, Unwohlsein, das nicht die Uebergabe an das nächste Krankenhaus im Sinne der Grundzüge erfordert, wie z. B. angeschwollene Füße u. dgl. Bei vielen Stationen sowohl Nieder- als Oberösterreichs sind 2 Personen in Thätigkeit: der Stationsleiter, und derjenige der die Beköstigung übernimmt; an andern Orten besorgt das Ganze ein und dieselbe Person. Letzteres ist ganz zulässig, weil ohnedem die Ueberwachung der Station durch den Gemeindevorsteher des Stationsortes und in höherer Instanz durch einen vom Landes­ Ausschuß ernannten Inspektor vorgesehen ist. Für die Führung der Amtsschriften, die Ueberwachung der aufgenommenen Personen und die Arbeitsvermittlung bekommt der Stationsleiter jährlich eine angemessene Entlohnung von 30—100 fl., außerdem noch in Niederösterreich bei guter Dienstleistung aus dem Landesfonde eine entsprechende Remuneration. Jeder Stationsleiter hat ein Protokoll zu führen und dürste diesbezüglich das beiliegende ober­ österreichische Formular sich geeignet erweisen. Aus demselben bürsten aus den früher hervorgehobenen Gründen die Rubriken über den Werth der verrichteten Arbeit entfallen, dagegen sollte eine neue Rubrik eingesetzt werden, die zu enthalten hätte: 1. Art des Reisedokumentes; 2. Reisebewilligung und die dieselbe erteilende Behörde; 3. Datum des Ausrittes aus der letzten Arbeit. Die Einsetzung dieser Daten erleichtert wesentlich die Controle, erschwert unrichtige Eintragungen und bietet den Sicherheitsorganen werthvolle Beihilfe zur Eruirung und Aufgreiftmg gefährlicher Individuen. 38 L Session der 7. Periode 1890. Beilagp W. Bei Ankunft eines Reisenden in der Station übernimmt für den Fall der Aufnahme desselben der Staüonsleiter die Reiseurkunde, behält sie bis zur Weiterreise in Verwahrung und tragt die entsprechenden Daten ü?ä Protokoll ein. Dem Reisedokumente wird das Amtssiegel und das Datum des Aufenthaltes beigedruckt. Dieses geschieht jedoch nur in der ersten und letzten Station, weil sonst das Reisedokument allzusehr mit Siegeln und Bestätigungen angefüllt würde. Die erste Station, bei der der Reisende das Land betritt, stellt ihm einen Begleitschein aus und entspricht das den Akten beiliegende oberösterreichische Formular wohl am besten. Der Reisende hat bei der ersten Station das Reiseziel anzugeben und dementsprechend wird ihm die nach dieser Richtung liegende erste Nach­ station in den Begleitschein eingesetzt. — Dadurch wird vorgebeugt, daß der Reisende nicht beliebig im Lande hernmstreifen kann, sondern jene Route einzuhalten hat, die ihn am schnellsten seinem Ziele zuführt oder wieder über die Grenzen des Landes bringt. Eine sehr wichtige Aufgabe der Verpflcgs-Stationen ist die Arbeitsvermittlung. Fabrikanten, Gewerbetreibende, Landwirte, Bauunternehmer u. s. w. werden angegangen, der Verpftegs-Staüon Mitteilung zu machen, wenn dieselben Arbeiter benötigen, diese Mitteilungen gelangen in einem eigenen Verzeichnis zur Vormerkung und hat der Stationsleiter bei Ankunft eines Reisenden zu prüfen, ob derselbe Eignung besitze, bei den vorgemerkten Arbeitsgebern Beschäftigung finden. Glaubt er dieses annehmen zu dürfen, so gibt er dem Zugereisten die Adresse des Arbeitsgebers und sendet ihn an denselben. Kann der Arbeiter aus irgend einem Grunde nicht in Arbeit ausge­ nommen werden, so wird ihm dieses vom Arbeitgeber auf der Rückseite der Adresse bestätigt und er kann wieder in die Verpflegs-Station zurückkehren. Diese specielle Aufgabe der Verpflegs-Stationen ist außerordentlich wichtig und wird in Niederösterreich bei Bemessung der Remuneration an die Leiter besondere Rücksicht auf deren Thätigkeit hinsichtlich der bewerkstelligten Arbeitsvermittlung genommen. Die Bestreitung der Kosten der Verpflegs-Stationen ist in Oberösterreich einzig und allem Sache der Gemeinden, in Niederösterreich steuert das Land einen Betrag von 30, 000 fl. per Jahr bei. Hieraus werden Unterstützungsbeiträge bis nahe zur Hälfte der Auslagen für die erste Ein­ richtung, für Nachschaffungcn, dann wo es notwendig erscheint, zur Errichtung eigener Gebäude für Unterbringung der Verpflegsstationen, endlich zur Remunerirunng der Stationsleiter nach dem Ermessen des Landes-Ausschusses verwendet. Der Verpflegsstation muß außer der ersten Einrichtung vergütet werden: a. Die Verköstigung in der oben geschilderten Weise; die Verrechnung derselben geschieht durch das Stationsprotokoll. b. Die Miethe. Sei nun die Verpflegsstation in einem Gemeinde- oder in einem andern Lokale untergebracht, so ist hiesür ein jährlicher Mietbctrag zu entrichten, der in Oberösterreich je nach den Verhältnissen zwischen 30—100 fl. variirt. -c. Die Reinigung. Die Auslagen hiesür sind nicht hoch anzuschlagen, da die bezüglichen Arbeiten mit Ausnahme der Besorgung der Wäsche von den in die Anstalt Aufgenommenen verrichtet werden können. d. Beleuchtung. e. Beheizung. Hieher gehört aber, wie schon bemerkt, Holz zum Kochen u. dgl. nicht. f. Drucksorten. g. Entlohnung des Leiters. Das nötige Geld wird von jener Gemeinde, in der die Verpflegungsstation sich befindet, vor­ gestreckt, am Ende des Jahres die Rechnung nach dem den Akten beiliegenden Formular erstellt, ordnungsmäßig zur Einsicht für die beteiligten Gemeinden aufgelegt, hierauf dem Landes-Ausschusse in Vorlage gebracht, von diesem, beziehungsweise dem Jnfpektor geprüft, und die Repartition auf die einzelnen Gemeinden nach Verhältnis der jeder vorgeschriebenen direkten Staatssteuer vorgenommen. Die Gemeinden haben die ans sie entfallenden Betrage bei Exekutionsvermeidnng in angemessener Frist an die rechnungstellende Gemeinde abzuführen. 3-9 Beilage IV. IV. der Beilagen zu den stcnogn Protokollen des Vorarlberger Landtags. In Vorarlberg dürfte es sich empfehlen, für die erste Einrichtung solcher Anstalten einige Beihilfe aus Landesmitteln zu gewähren und sollte bei Bemessung der zu leistenden Beitrage vor­ züglich in Berücksichtigung gezogen werden, ob in ein- und demselben Bezirke die Errichtung mehrerer Stationen notwendig falle. Ferner wäre anzuempfehlen, Stationsleitern, die sich durch correcte Führung der Geschäfte und durch Thätigkeit bei der Arbeitsvermittlung besonders hervorgethan haben, Remunerationen aus Landesmitteln zu gewähren. v Endlich dürfte auch jenen Bezirken, die verhältnismäßig gegenüber den andern mit den lausenden Ausgaben der Verpflegs-Stationen mehr belastet würden, ein angemessener Zuschuß zugewendet werden. Die Kosten der Derpstegs-Stationen sind bei richtiger Handhabung indessen nicht so bedeutend. In Oberösterreich betrugen dieselben vom 1. April 1889 bis 31. Dezember 1889 mit Einschluß der Einrichtung im Durchschnitt vom Steuergulden 1, 39 kr. (Minimum 0, 4 fr., Maximum 2, 83 fr.) In Niederösterreich pro 1888, die Errichtung erfolgte dort 1887 durchschnittlich per Steuergulden 0, 5 fr. (Minimum 0, 1 fr., Maximum 1, 61 fr.) Absolut nicht empfehlen würde sich, die Verpflegs-Stationen rein als Landessache anzusehen und zu behandeln, wie es in Mähren geschah, indem sonst die Sparsamkeit der Gemeinden in dieser Beziehung aufhüren würde. Die Kosten der Verpflegs-Stationen erfordern nämlich in Mähren eine Landesumlage von 3°/0 der direkten Staatssteucru. Bei Errichtung der (Stationen wurde in Nieder- und Oberösterreich in der Weise vorgegangen, daß gleich nach Inkrafttreten des bezüglichen Gesetzes Inspektoren ernannt wurden. — Niederöster­ reich hatte anfänglich solcher 4, jetzt noch 2, Obcrösterreich 2. Ferner wurden die Orte festgesetzt, in denen Verpflegs-Stationen errichtet werden sollten. Die Inspektoren hatten nun die Aufgabe, den Gemeinden bei Errichtung der (Stationen an die Hand zu gehen, belehrend einzuwirken und zu sorgen, daß die bezüglichen Arbeiten rechtzeitig voüführt werden. Der Landes-Ausschuß setzte auch fest, an welchem Tage alle Stationen gleichzeitig ihre Wirksamkeit zu beginnen haben. Ferner ergiengen Kundmachungen an alle Gemeinden, daß mit Eröffnung der Stationen gegen den Bettel viel strenger vorgegangen werden solle, daß in jeder Gemeinde Tafeln in genügender Anzahl angebracht werden müssen, die das Betteln untersagen, dagegen auf die Verpflegung in den nächsten (Stationen aufmerksam machen. Den hochwürdigen Ordinariaten wurden Zweck und Ziel der neuen Institution bekanntgegeben und dieselben dringendft ersucht, die unterstehenden Pfarrämter von dem Jnslebentreten und dem Zwecke der Natural-Verpflegs-Stationcn in Kenntnis zu setzen, und dieselben zu veranlassen, durch durch Beispiel und Belehrung dahin zu wirken, daß sich die Bevölkerung des Almosengebens an fremde herumziehende, bettelnde Personen enthalte und dieselben an die bestehenden VerpflegsStationen verweise. Endlich wurde eine Dienstes-Instruktion für die Leiter und die Hausordnnng für die Stationen hinausgegeben. Die Wahl geeigneter Personen zur Leitung der Verpflegs-Stationen ist von nicht zu unter­ schätzender Wichtigkeit. Von derselben hangt der gute oder schlechteZustand der Station ab. Rohe oder unerfahrene Personen ohne alle Menschenkenntnis, die in jedem Besucher der Station nur immer den Vagabunden sehen, taugen nicht. Leute dagegen, die ein Herz für die armen Reisenden haben, die vielleicht selbst in der Jugend alle Strapazen des Wanderlebens mitgemacht haben, die nicht nur gerade materiellen Gewinnes willen sich der Sache widmen wollen, die etwas Menschenkenntnis be­ sitzen und den schuldlos vom Mißgeschick Verfolgten vom Vagabunden zu unterscheiden und demge­ mäß zu behandeln wissen, werden am besten zur Leitung der Verpflegs-Stationen taugen. Für die Vorbereitungen dürften 6 Monate hinreichen, und dementsprechend der Tag der Er­ öffnung sämmtlicher Stationen zum Vorhinein fixirt werden. Sind nun die Stationen aktivirt und eröffnet, so haben die Leiter derselben in Oberösterreich alle Vierteljahre, in Niederösterreich alle Jahre entsprechende Ausweise an das Inspektorat einzusenden. 40 Beilage IV. I. Session der 7. Periode 1890. Die Inspektoren haben in Oberösterreich die Stationen 6mal, in Niederösterreich 4mal zu besuchen, etwaige Uebelstände abzustellen, die nöthigen Anordnungen und Verfügungen zu treffen, eventuell Anträge beim Landesausschusse einzubringen und diesem von Zeit zu Zeit Berichte über den Stand der Institution zu unterbreiten. Das Inspektorat ist in genannten Ländern gleichsam ein eigenes Amt; die Inspektoren ge­ nießen für alle Amtsschriften Porto- und Gebührenfreiheit. Für Vorarlberg dürste sich die An­ stellung eines eigenen Inspektors bei dem geringen Umfange des Landes nicht empfehlen, sondern die Agenden eines solchen könnten wohl füglich einem Landesausschußmitglied oder einem Landes­ beamten zugewieseu werden. Ueber den Nutzen und die, Erfolge der Verpflegs-Stationen ist bereits in dem dem Landes­ Ausschusse vorliegenden Motiven-Berichte zum bezüglichen Gesetzentwürfe das Wichtigste gesagt. — Hier sei nur noch Folgendes bemerkt: Die Bevölkerung von Niederösterreich und später zum Theil auch die von Oberösterreich zeigte sich anfänglich gegen die neue Institution kalt, ja abgeneigt, weil sie glaubte, es werden ihr durch dieselbe nur neue Lasten aufgebürdet, ohne Aussicht auf hervorragenden Nutzer». Der ungeahnte, die kühnsten Hoffnungen übersteigende Erfolg hat aber alle Befürchtungen behoben und heute hort man in beiden Ländern nur eine Stimme des ungetheilten Lobes über den Nutzen und die heilsamen Wirkungen dieser Anstalten. Gleich mit Einführung der Verpflegs-Stationen nahm die Anzahl jener Individuen, die man schlechtweg als arme Reisende, oder auch ohne irgend einen Unterschied zu machen, als Landstreicher bezeichnet, in kaun: glaublicher Weise ab. Das Vagabundenwesen, diese seit tanger Zeit herrchende, insbesondere die Bewohner abgelegener Gegenden und der zahlreichen Einzelgehöfte drückende Plage ist in hohem Grade eingedämmt und damit zugleich die Sicherheit des Eigenthums und der Person gefördert. Nach allen Berichten der Bezirksgerichte beider Länder kommen seit Einführung des In­ stituts weit weniger Diebstähle vor. Schub- und Zwangspaßverfügungen kommen in viel geringerer Zahl in Anwendung. Früher konnte die Gendarmerie fast auf jeder Straße Handwerksbürschen austreiben, die sie beim Betteln betreten. Die Arreste wurden dadurch überfüllt, die Gerichte wegen Aburiheilung pcto. Bettels und Landstreicherei sehr in Anspruch genonnnen, die Abschiebung solcher Aufgegriffenen auf Kosten des Landes, wohin dieselben zuständig waren, verfügt. Gerichtliche Verhandlungen wegen Landstreicherei sind viel seltener geworden, die Arreste haben sich gelichtet und die Schubstationen haben ihre Thätigkeit bedeutend reducirt. Die erwähnten Berichte der k. k. Bezirksgerichte sind dahin einig, daß durch die Errichtung der Verpflegs-Stationen dem Beitel und der Vagabundage ein wirksamer Riegel geschoben. Bürger und Bauern von der Landplage der Landstreicherei verschont und diese Anstalten als ein wahrer Segen für das Land bezeichnet werden können. In Oberösterreich wurden nach diesen Berichten von den Gerichten in den Monaten Mai, Juni und Juli 1888 also vor Einführilng der Stationen nach dem Vagabundengesetze verurtheilt 1353 Personen, in den gleichen Monaten des Jahres 1889, nachdem mit L April dieses Institut eingeführt worden war, aber nur mehr 431, somit kaum ein Drittel. Vergleicht man die Anzahl der Schüblinge und die hiedurch erwachsenden Kosten im Lande Oberösterreich von» 1. April 1888 bis 1. April 1889 (vor Einführung der Stationen) mit der gleichen Zeit des nachfolgenden Jahres, also vom 1. April 1889 bis 1. April 1890, so ergibt sich eine Differenz zu Gunsten der letzten: Zeit von weniger 7663 Schüblingen, 2586 Zwangspäßlern und 36066 fl. an Kosten. In der Station Pregarteu ersah ich in den Listen der dortigen Schubstation, daß früher per Jahr 250 Schüblinge und 400 Zwcmgspäßler vorkamen; im Jahre 1890 (1. Jänner bis Ende August) aber nur 50 Schüblinge und 28 Zwangspäßler. 41 Beilage IV. IV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtag-. In Niederösterreich wird der vom Lande zu leistende Beitrag von 30, 000 st. mehr als ersetzt durch die Minderauslagen im Schulwesen und hat dortselbst der Staat nur an Kost für die wegen Bettel und Landstreicherei Verurtheilten per Jahr 32, 000 st. weniger zu bezahlen. In welcher Weise, die Verpflegs-Stationen hinsichtlich Arbeitsvermittlung wohlthätig zu wirken im Stande sind, ist bereits dargelegt worden. Die Verpflegs-Stationen sind endlich und das ist wohl die Hauptsache von unermeßlicher WichtigVeit für jene, die ohne eigene Schuld keine Arbeit finben und von Mitteln entblößt sind. Solche Personen mußten bisher, ob gern oder ungern zum Bettel ihre Zuflucht nehmen, wurden oft hiebei ergriffen, in Arrest gebracht und hierauf in die Heimath abgeschoben, hier oft mit Verachtung und Widerwillen ausgenommen, sanden auch dort gerade wegen der erfolgten Abschiebung keinen Unter­ stand und keine Arbeit, und so sanken solche Unglückliche von Stufe zu Stufe und wurden Ver­ brecher. — In der Verpflegs-Station findet aber der Reisende die ihm vom Gesetze zugesprochene, oilso rechtlich zukommende Verpflegung, und in der langen Zeit von 3 Monaten dürfte es ihm denn -ei gutem Willen gelingen, Arbeit zu finden; ist aber hiezu gar keine Aussicht, so kann er seinen Weg so einrichten, daß er auf freiwilligem Wege seine Heimat erreicht. Die Verpflegsstationen sollen eine Art Wohlthätigkeitsanstalten bleiben, und die Benützung derselben soll weder für den Reisenden, noch für seine Heimatsgemeinde, noch für sein Heinuttslanb irgend welche Consequenzen oder Auslagen im Gefolge haben. Daher wäre den in letzter Zeit im Reichsrathe zu Tage getretenen Tendenzen, Rückvergütung der Verpflegskosten dieser Stationen bei den betreffenden Ländern zu beanspruchen, mit aller Entschiedenheit eutgegenzutreteu. Die zu ver­ gütenden Beträge werden sich gegenseitig überhaupt ziemlich ausgleichen und zur Festsetzung derselben würde in allen Ländern eine größere oder geringere Anzahl Rechnungsbeamte erforderlich sein, zudem würde der Charakter der Natural-Verpflegs-Stationen als Wohlthätigkeitsanstalten verschwinden und dieselben dadurch in ihrer Grundlage erschüttert werden. Dieser 'Charakter der Verpflegs-Stationen vorausgesetzt, springt deren Nutzen und die in materieller und sozialer Beziehung zu erwartenden Vortheile derselben so sehr in die Augen, daß mit Mivirung solcher Anstalten nicht mehr langer gezögert und sofort an die Errichtung derselben im Lande Vorarlberg geschritten werden sollte, und zwar um so mehr, da gerade Vorarlberg als Grenz­ land eines Schutzes gegen das Vagabundenwesen sehr bedarf. Zur vollen Ergänzung meines Berichtes beehre ich mich noch folgende Aktenstücke und Druck­ sachen demselben beizulegen: 1, Erlaß des oberosterr. Landes-Ausschusses vom 20. November 1888 Z. 13859 betreffend die erfolgte Sanktion des Gesetzes über die Errichtung von Natural-Verpflegs-Stationen. 2. Erlaß desselben vom 27. November 1888 Z. 14145, betreffend die Anbringung der Verbotstafeln gegen den Bettel. 3: Erlaß desselben vom 8. Dezember 1888 Z. 14559 betreffend die Stampiglien der Verpflegs-Stationen. 4. Erlaß desselben vom 19. Februar 1889 Z. 2365 in Betteidungsangelegenheiten der Schüblinge. (Dieser Erlaß steht zwar mit den Verpflegs-Stationen nicht in unmittel­ barer Verbindung, ist aber in anderer Beziehung von hervorragender Bedeutung, da in Folge dieses Erlasses bedeutende Ersparungen im Schubwesen erzielt wurden.) 5. Erlaß desselben vom 1. März 1889 Z. 1038 betreffend die Eröffnung der VerpflegsStationen. 6. Erlaß desselben vom 14. Mai 1889, mit welchem die Instruktion für die Instruktions­ leiter ergänzt wurde. 7. Erlaß desselben vom 12. Juli 1890 Z. 9250 pcto. Bettelmusikanten. 8. Erlaß vom 12. Juli 1889 Z. 9251 in der Angelegenheit wie ad 4. ■9. Erlaß vom 12. Oktober 1889 Z. 13646 betreffend die Feststellung der Zeit der Auf­ nahme in die Verpflegs-Stationen. 42 IV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. I. Session» 7. Periode 1890. 10. Erlaß vom 28. Dezember 1889 Zl. 16571 in Angelegenheit der Begleitscheine. 11. Erlaß vom 21. Jänner 1890 Z. 888 über die Dauer des Aufenthaltes in den Verpflegs-Stationen. 12. Erlaß vom 21. Jänner 1890 Z. 889 betreffend Erneuerung der ursprünglichen Kundmachung. 13. Kundmachung des o.-ö. Landes-Ausschusses vom 1. März 1889 Z. 1038. 14. Sammlung der Gesetze und Verordnungen über die Natural-Verpflegs-Stationen in Oberösterreich. 15. Grundzüge der Organisation der Verpflegs-Stationen in Oberösterreich. 16. Hausordnung derselben. 17. Gesetz über die Errichtung derselben. 18. Dienstes-Jnstruktion für die Inspektoren. 19. Stationsprotokoll o.-ö. Formular 20. „ n.-ö. „ 21. Begleitschein o.-ö. „ 22. „ n.-ö. „ 23. „ steiermärkisches Formular. 24. Arbeitsvermittlungs-Berzeichniß nach o.-ö. Formular 25. Dasselbe nach n.-ö. Formular. 26. Ausweis der Station nach o.-ö. Formular. 27. „ „ „ „ n.-o. „ 28. Summarium der Station nach o.-ö. Formular 29. „ „ ff ff n.-ö. , , 30. Mitteilung über erfolgte Repartition. 31. Drucksortenschlüssel. 32. Amtsbestätigung der vollzogenen Jnspizirung. 33. Verzeichniß der Verpflegs-Stationen in Oberösterreich. 34. Karte derselben. 35. Bericht des o.-ö. Landes-Ausschusses über Verpflegs-Stationen pro 1889. 36. Kundmachung des n.-ö. Landes-Ausschusses vom Juli 1889 Z. 21102 gegen den Bettel. 37. Hausordnung für die Verpflegs-Stationen in Niedcrösterreich. 38. Handbüchlein für Verpflegs-Stationen in 2 Exemplare!:. 39. Die Natural-Verpflegs-Stationen in Niederösterreich und ihre Wirksamkeit. Bregenz, am 14. September 1890. Martin Thrrrnher m. p. I -----48 IV. der Beilagen zu den stcnogr. Protokollen dis Vorarlberger Landtag?. I. Session. 7. Periode 1890. Beilage IV. A. für die (Organisation der Natural-Verpflegs-Stationen in Vorarlberg. § 1. Den in eine Natural-Verpflegs-Station auf­ genommene Personen wird gegen eine bestimmte, jedoch im Voraus zu leistende Arbeit entweder Mittagsmahl oder Abendmahl oder Nachtlager und Frühstück verabreicht. § 2. Die Entfernung der einzelnen Natural-Verpflegs-Stationen von einander soll in der Regel nicht über 15 Kilometer betragen. § 3. Das Ausmaß der einzelnen Mahlzeiten in den Natural-Verpflegs-Stationen wird festgesetzt, wie folgt: a. für das Mittag- und Abendmahl je ein Liter nahrhaftes Gemüse und 25 Dekagramm Roggenbrod, und b. für das Frühstück 1/2 Liter nahrhaftes Ge­ müse und 25 Dekagramm Roggenbrod. § 4. Für die Nachtruhe wird den Reisenden die Benützung einer reinlichen Schlafstelle mit einem Strohsacke, einem Strohkopfpolster und einer wolle­ nen Decke gewährt. 8 5. Die für jedes Geschlecht seperat herzustellenden Schlafräume sind zur Nachtzeit entsprechend zu beleuchten und im Winter auch zu beheizen. Die Arbeits- und Schlafräume der Reisenden sind von Beilage IV. IV. der Beilagen zu den ftenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. jenen, in welchen zum Zwecke der Abschiebung bestimmte Personen öder Durchschüblinge angehalten werden (Schub-Arreste), zu trennen. § 6. Der Aufenthalt in der Natural - VerpflegsStation darf die Dauer von 18 Stunden nicht überschreiten. 8 7. Das Verabreichen geistiger Getränke aller Art an die Reisenden oder an Schüblinge in den Natural-Verpflegs-Stationen ist unbedingtverboten. 8 8. Nachdem die Aufnahme in die Natural-Verpflegs-Station an die Bedingung der SubststenzMittellosigkeit geknüpft ist, so sind Personen, welche Reisemittel besitzen und diesen Umstand verschweigen, sofort aus der Natural-VerpflegsStation wegzuweisen. Eine Durchsuchung der Person oder der Effekten des Reisenden zu diesem Zwecke findet jedoch nur dann statt, wenn sich ein begründeter Verdacht des Besitzes von Reisegeld ergibt und der Betreffende diesen Besitz in Abrede stellt. 8 9. Erkrankt der Reisende während seines Auf­ enthaltes in der Natural-Verpflegs-Station, so ist derselbe an das nächftgelegene Krankenhaus ab­ zugeben. 8 io. Der Leiter der Natural-Verpflegs-Station hat über die in derselben Aufgenommenen ein Register zu führen, in welches nebst dem Nationale die Zuständigkeits- und sonstigen Daten der Reise­ urkunde, Tag und Stunde der Aufnahme, sowie der Entlassung aus der Natural-Verpflegs-Station, endlich die Art und das Quantum der geleisteten Arbeit daselbst einzutragen stnd. 8 1L Jede Natural-Derpflegs-Station muß für den Reisenden die klare Nachweisung geben, wo die nächsten Stationen sich befinden und wie viel Kilometer entfernt dieselben liegen. 8 12. In den Natural-Verpflegs-Stationen soll den Reisenden die Möglichkeit geboten werden, stch zu 46 Beklage IV. I. Session der 7, Periode 1890 vergewissern, ob nicht bei Landwirthen, Gewerbe­ treibenden oder Privaten Arbeiter benöthiget werden, zu welchem Ende die Leiter der Natural-VerpflegsStationen bezügliche Anmeldungen entgegenzu­ nehmen, in Evidenz zu Hallen und über Nachfrage entsprechende Auskünfte zu ertheilen verpflichtet sind. — § 13. Die Arbeiten in den Natural - VerpflegsStationen sind den Ortsverhältniffen anzupassen und haben wie: Steineklopfen, Holzverkleinern, Straßenräumung u. s. w. derart eingerichtet zu werden, daß sie auch von den der betreffenden Arbeit Unkundigen geleistet werden können, § 14. Es ist mit allem Nachdrucke dahin zu wirken, daß das übliche Verabreichen von Geschenken an Geld oder Lebensmitteln durch die Einwohner gänzlich Unterlasten werde, sich diese vielmehr der Aufgabe unterziehen, die Unterstützungssucher an die nächste Natural-Verpflegs-Station zu weisen. § 15. Die unmittelbare Überwachung der NaturalVerpflegs-Station steht in erster Linie dem Vor­ steher jener Gemeinde, in welcher sich die Station befindet, zu. Führt der betreffende Vorsteher selbst die Geschäfte des Leiters der Natural - VerpflegsStation, so hat der Landes-Ausschuß wegen un­ mittelbarer Ueberwachung des Narural-VerpfiegsStation entsprechende Vorsorge zu treffen. 47 Beilage IV. B. Kefotz V0M.............. wirksam für das Land Vorarlberg, betreffend die Errichtung von Natural-verpflegs-Stationen. Mit Zustimmung des Landtages Meines Landes Vorarlberg finde Ich anzuordnen, wie folgt: § L Zur Hintanhaltung des Haus- und Straßen­ bettels, sowie zur Verminderung des Landstreichens werden in Vorarlberg Natural-Verpfiegs-Stationen errichtet. Die Natural-Verpfiegs-Stationen haben in der Regel mit den bereits bestehenden oder noch weiters zu errichtenden Schubstationen zusammen­ zufallen. § 3. Die Orte, wo Natural-Verpfiegs-Stationen errichtet werden, find vom Landes-Ausschusse im Einvernehmen mit der k. k. Statthalterei festzu­ stellen. Die interne Organisation, die Ueberwachung des regelmäßigen Dienstbetriebes, sowie die.Controle der Rechnungen derselben, endlich die Prüfung und Genehmigung der den^.Concurrenz-BezirksGemeinden (§ 10) von den Natural-VerpfiegsStationen aufzurechnenden^ Auslagen steht dem Landes-Ausschuße zu. § 4. In die Natural - Verpflegs - Stationen werden arbeits-, subsistenz- und mittellose, jedochurbeitsfähige Reisende ohne^Unterschied der Zuständigkeit und der Confession Ausgenommen. 49 Beilage IV. IV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. § 5. Vor der Aufnahme in die Natural-VerpflegsStation hat der Reisende seine Reiseurkunde an den Leiter der Natural-Verpflegs-Station abzu­ geben, welche derselbe bis zu dessen Abgänge auf­ zubehalten und sohin mit der entsprechenden Vidirung versehen, wieder auszuhändigen hat. § 6. Personen, welche in einer Natural-VerpflegsStation Aufnahme finden, sind ebenso wie arbeits­ fähige, in einer Vorarlbergischen Schubstation zur Constatirung ihrer Zuständigkeit oder ihrer sonst­ igen persönlichen Verhältnisse oder zum Zwecke ihrer Abschiebungsveranlassung angehaltene Indi­ viduen zur Leistung angemessener Arbeit verpflichtet § 7. Jede Natural- Verpflegs-Station hat in dieselbe aufgenommenen Personen (§ 6) darfsfälle einen geeigneten Arbeitsraum geltlich beizustellen, wofür derselben der der geleisteten Arbeiten überlassen wird. • für die im Be­ unent­ Werth § 8. Zur Bestreitung der Auslagen für die Ver­ köstigung und Beherbergung der in eine NaturalVerpflegs-Station aufgenommenen Personen, sowie der Kosten der ersten Einrichtung, weiters der Instandhaltung, Beheizung und Beleuchtung der Unterkunfts-Lokalitäten dieser Stationen, endlich der Auslagen für die Leitung und Beaufsichtigung derselben werden Concurrenzbezirke gebildet. § 9. Jede Natural-Verpflegs- Station, welche sich im Amtsorte eines k. k. Bezirksgerichtes befindet, bildet mit den zum Sprengel dieses k. k. Bezirks­ gerichtes gehörenden Gemeinden einen ConcurrenzBezirk. Der Landes-Ausschuß ist berechtigt, im Ein­ verständnisse mit der k. k. Statthalterei einzelne Gemeinden aus solchen Bezirken auszuscheiden und andern zuzuweisen. Natural-Verpflegs-Stationen, welche nicht im Amtsorte eines k. t Bezirksgerichtes liegen, sind als Filial-Stationen der im Amtsorte des Bezirks­ gerichtes befindlichen Natural-Verpflegs-Station zu betrachten. 50 Beilage IV. I. Session der 7. Periode 1890. § io. Die im § 8 angeführten Auslagen sind von den Ortsgememden, in welchen Natural-VerpflegsStationen errichtet werden, vorschußweise zu be­ streiten und die bezüglichen Rechnungen sofort nach Jahresschluß an den Vorsteher der im Amts­ orte des k. k. Bezirksgerichtes befindlichen NaturalVerpflegs-Stations-Gemeinde einzusenden. Dieser Letztere hat sohin die genannten Aus­ lagen binnen Monatsfrist nach Ablauf jeden Jahres nach Maßgabe der Gesammtvorschreibung der direkten Steuern der den Concurrenz-Bezirk bildenden Ortsgemeinden unter Anschluß der der Repartition zu Grunde liegenden summarischen Rechnung bekannt zu geben. Die repartirten Beträge sind von den concurrirenden Ortsgemeinden binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Repar­ tition an den Vorsteher der im Amtsorte des k. k. Bezirksgerichtes befindlichen Natural-Verpflegs-Stations-Gemeinde abzuführen, beziehungs­ weise binen der gleichen Frist die Beschwerde an den Landes-Ausschuß einzubringen. Im Falle einer Säumniß werden diese Be­ träge von der k. k. Bezirkshauptmannschaft im Wege der politischen Exekution hereingebracht. Den Vorstehern der Concurrenzgemeinden ist die Einsicht in die Original-Detailrechnung vom Vorsteher der im Amtsorte des k. k. Bezirksge­ richtes befindlichen Natural-Verpfiegs-Stations­ Gemeinde jederzeit zu gestatten. § 11. In jeder Gemeinde ist das Verbot des Bettelns in auffälliger Weise durch bleibenden Anschlag kundzumachen und zugleich die Bekanntgabe bei­ zufügen, daß mittellose Reisende in der nächsten Verpflegs-Station Aufnahme finden. § 12. Nachdem den Natural-Verpflegs-Stationen die Beherbergung von Reisenden obliegt, so find die nach den bestchenden Vorschriften zur Überwachung von Herbergen berechtigten staatlichen Organe auch zur Beaufsichtigung derselben berufen. 8 13. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kund­ machung in Wirksamkeit. § 14. Mein Minister des Innern ist mit dem Voll­ züge desselben beauftragt. 51 IV. der Beilagen zu dell stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. 1. Session, 7. Peripde 1890. Beilage IV. C. Mtotrv er r-M seicht ZUM Gesetz-Entwurf betreffend die Errichtung von Natural-Oerpflegs-Ltationen in Vorarlberg. Die schon in mehreren Kronländern Oesterreichs, namentlich in Nieder- und Oberösterreich, Mähren u. s. w. eingeführten Natural-Verpflegs-Stationen haben sich in der kurzen Zeit ihres Be­ standes als das beste Mittel zur Eindämmung des Landstreicher- und Vagabundenwesens erwiesen. Alle Berichte stimmen darin überein, daß dieses Institut ganz außerordentliche, alle Erwartungen weit übertreffende Erfolge erzielt habe. Aus den bezüglichen Berichten geht hervor, daß seit Einführung dieser Anstalten in genannten Ländern 1. das Bettel- und Vagabundenwesen in auffälliger und fühlbarer Weise in Abnahme be­ griffen ist; 2. daß die Sicherheitszustände sich auch wesentlich gebessert haben, da der größte Teil der Arbeitsuchenden die Verpflegsstationen aufsucht und nicht gezwungen ist, sich abseits von der Straße in vereinsamt gelegenen Gehöften um Unterkunft und Nahrung umzusehen; 3. daß die Bevölkerung nunmehr von den großen Opfern in Form von Geld und Lebens­ mitteln, die sie früher den zahlreichen Bettlern und Vagabunden oft in erzwungener Weise verabreichte, wenn nicht ganz, so doch zum größten Teile befreit ist; 4. läßt sich nicht verkennen, daß dadurch, daß die Unterstützung der einem redlichen Erwerbe nachgehenden Personen in geregelte Bahnen gelenkt wurde, die Thätigkeit der Gerichts- und Sicherheitsbehörde in der Unterdrückung des Bettel- und Vagabundenwesens keineswegs mehr in so hohem Grade in Anspruch genommen wird und diese Thätigkeit sich daher in anderer Hinsicht itensiver entfalten kann, und 5. ist durch die Verminderung der zur gerichtlichen Amtshandlung gelangenden Straffälle und der wegen Bettels und Landstreicherei erfolgenden Abstrafungen, durch Hinwegfall der Aus­ lagen für die Unterhaltung der Häftlinge eine immerhin nicht unbedeutende Entlastung des Staatsschatzes eingetreten. Abgesehen von den offenkundigen, segensreichen Wirkungen der Verpflegsstationen in socialer Beziehung lassen es schon die angeführten Punkte als für das Wohl der Bevölkerung sehr wünschenswert erscheinen, daß diese Institution auch in Vor­ arlberg, das vermöge seiner geographischen Lage von jeher unter dem Bettler- Landstreicher­ und Vagabundenunwesen sehr zu leiden hatte, ehethunlichst eingeführt werde. Auf Grund der vom hohen Landtage in letzter Session ertheilten Aufträge (siehe Nechenschaftsbericht pro 1889 B. 4) hat denn auch der Landesausschuß die Frage der Errichtung von NaturalVerpflegs-Stationen in Vorarlberg eingehender Prüfung unterzogen und unterbreitet in der Anlage: 58 IV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. L Session. 7. Periode 1890. A. einen dahin gehenden Gesetzentwurf; B. Grundzüge der Organisation solcher Anstalten. Gesetzentwurf wie Grundzüge schließen sich mit geringen Modificationen den bezüglichen Landes­ gesetzen von Nieder- und Oberösterreich an. Ueber die einzelnen Bestimmungen, die sich im Allgemeinen in der Praxis bewährt haben, ist an dieser Stelle nichts Weiler beizusetzen. Bregenz, 30. Zuli 1890. Der Tandes-Nusschutz. 54