18901106_ltb0351890_Bericht_Volkswirtschaftsausschuss_Landesmittelunterstützung_Raiffeisensparkassen

Dateigröße 250.86 KB
Aktenzahl/Geschäftszahl
Letzte Änderung 01.07.2021, 19:31
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1890,ltb1890,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
Unterausschüsse
Kommissionen/Kuratorien
Verbände/Konkurrenzen
Verträge
Publikationen Landtag-Ausschussbericht
Aktenplan
Anhänge
Inhalt des Dokuments

XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Beilage XXXV. des volkswirtschaftlichen Ausschusses über den selbstständigen Antrag des Abge­ ordneten Fink betreffend die Unterstützung der Raiffeisen'schen Sparkassen aus Landesmitteln. Hoher Landtag! Der Antrag lautet; „Der hohe Landtag wolle beschließen: Der Landesausschuß wird ermächtiget, in berückstchtigungswerthen Fällen bei Gründung von weiteren Raiffeisen'schen Kassen im Lande Vorarlberg im Jahre 1891 aus Landesmitteln zur ersten Anschaffung der noth­ wendigen Einrichtung Unterstützungsbeiträge im Betrage von je 50 bis höchstens 100 Gulden zu gewähren." In der Begründung wird hervorgehoben, daß sowohl die österreichische Regierung als auch die maßgebenden Kreise Deutschlands die Spar- und Darlehenskassen nach System Raiffeisen empfehlen und unterstützen. Das Gleiche geschehe auch von Seite einzelner Kronländer Oesterreichs. Die hauptsächlichsten Merkmale dieser Kassen sind: 1. Die unbeschränkte Mitgliedschaft innerhalb des Vereinsbezirkes. 2. Der geringe Umfang des Vereinsbezirkes. 3. kleine Geschäftsantheile, welche entweder gar nicht oder nicht höher als die Spareinlagen verzinst werden. 4. Reservefond (Vereinskapital) woran den Mitgliedern kein Antheil zusteht. 5. Beschränkung der Darlehensgewährung auf die eigenen Mitglieder. 6. Ausschluß des Wechsels bei der Darlehensgewährung. 7. Fixirung des Darlehenszinsfußes mit Einschluß der Nebengebühren mit höchstens l1/2°/o über dem Zinsfuß der Spareinlagen. Der Umstand, daß diese Kassen nur für einen ganz kleinen Bezirk, in der Regel nur für eine Gemeinde berechnet, bezw. bestimmt sind, ermöglicht, daß die Geschäftslast bei Leitung der Vereine nicht so erheblich wird, die Kosten der Geschäftsführung sehr gering sind und die Kontrole über die Kreditwürdigkeit der Vorschußempfänger eine sehr strenge und zuverläßige ist. 205 XXXV. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. 1. Session. 7. Periode 1890. Sehr zu loben ist es, daß die Mitglieder bezw. die Geschäftsantheilhaber für sich keinen Vor­ theil in Anspruch nehmen, daher sie von ihren allerdings kleinen Geschäftsantheilen nicht wie bei anderen Kassen hohe Dividenden beziehen, sondern dieselbe höchstens wie eine gewöhnliche Einlage verzinst wird. Durch die Beschränkung der Darlehensgewährung auf die eigenen Mitglieder wird wie schon bemerkt, die Controle erleichtert und der übermäßigen, oft künstlich herbeigeführten Ausdehnung des Geschäftsbetriebes mancher Vorschußkassen und der hiedurch möglichen Gefährdung derselben entgegen­ getreten, ja eine solche Ausartung gänzlich ausgeschlossen. Die Ausschließung des Wechsels bei der Darlehensgewährung ist sehr geeignet zur Besserung der Lage des Landwirthes und zur Volksthümlicheit dieser Raiffeisen'schen Kassen beizutragen. Die Gefahren, welche sowohl das materielle als das formelle Wechselrecht für die meisten Landwirthe in sich birgt, sind unberechenbar. Da diese. Darlehensvereine hauptsächlich auch in sittlicher Beziehung auf die Mitglieder dahin zu wirken haben, daß der Zweck des Darlehens einer genauer Prüfung und die Verwendung des Darlehens einer Ueberwachung von Seite d ^Vorstandes unterzogen wird, ist auch aus diesem Grunde die Ersetzung des Wechsels durch den Schuldschein geboten. Durch diese Kassen wird sonach der Personalkredit gehoben, die Kreditgewährung in sittlicher und wirtschaftlicher Beziehung geprüft und wenn diese Vorbedingungen zutreffen, dem Bauer ein leicht zugängliches billiges Geld beschafft. Der Ausschuß ist daher der Ansicht, daß die Spar- und Darlehensvereine nach System Raiff­ eisen sehr zur Förderung des Volkswohles geeignet seien' Dabei muß aber nicht verkannt werden, daß solche Kassen nur dort sollen gegründet werden, wo die richtigen Elemente vorhanden sind, ins­ besondere einige für das Volkswohl thätige uneigennützige Männer sich diese Sache mit Ausdauer annehmen. In der Begründung zu dem Eingangs angeführten Anträgen wird darauf hingewiesen, daß bei Gründung solcher Kassen für die erste Zeit eine nicht unwesentliche Schwierigkeit darin be­ stehe, daß sie die ersten eingehenden Gelder nicht gleich schon der zweckentsprechenden Verwendung zu­ führenden können, sondern zu der ersten nothwendigen Einrichtung (Bücher, Kassa rc.) hernehmen oder für diesen speziellen Zweck Geld entlehnen und verzinsen müssen. In diesem Anträge ist nur die Rede von Unterstützung der im Jahre 1891 etwa zu genügen­ den Raiffeisen'schen Kaffen. Der Ausschuß denkt sich aber auf die Möglichkeit, daß die eine oder andere der im Lande nach diesem System gegründeten Kassen heute noch unter dem Drucke der ersten Einrichtungskosten leidet, dieselben vielleicht heute noch verzinsen muß u. s. w. Nachdem diese Kaffen mit gutem Bei­ spiel muthig vorausgegangen sind, dürfte es der Billigkeit entsprechen, wenn insoweit, als die ge­ schilderten Verhältnisse noch vorhanden, auch die bereits nach dem System Raiffeisen gegründeten Kassen unterstützt werden. Der volkswirthschaftliche Ausschuß stellt daher den Antrag: Der hohe Landtag wolle beschließen: Der Landesausschuß wird ermächtiget in berückstchtigungswerthen Fällen nach seinem Ermessen an im Lande Vorarlberg bereits bestehende oder in der Folge entstehende Spar­ und Darlehenskaffen nach System Raiffeisen aus Landesmitteln zur ersten Anschaffung der nothwendigen Einrichtung Unterstützungsbeiträge im Betrage von je 50 bis höchstens 100 Gulden zu gewähren. Bregenz, den 6. November 1890. Johannes Thurnher Jodok Fink Obmann. Berichterstatter. 206