18901107_ltb0381890_Rheinausschussbericht_Förderung_Rheinkorrektion_Abflusshinderungsobjektebeseitigung_in_Inundationsgebieten

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:36
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1890,ltb1890,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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XXXVIII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. I. Session der 7. Periode 1890. Beilage XXXVIII. erläßt des landtäglichen Rheinausschusses über den selbstständigen Antrag der Abgeord­ neten Bösch und Genossen betreffend die Förderung der Rhein - Lorrection und Beseitigung der dem Wasserabflüsse schädlichen Gbjekte und ^olz-pflanzungen aus den Jnundationsgebieten. Hoher Landtag! In der vorliegenden Vorstellung wird hervorgehoben die große Noth der Rheinthal-Bewohner, der große Schaden, welcher durch die wiederholten Ueberschwemmungen an Häusern, Kulturen, Ge­ werben und Industrie erwachsen ist, ferner, daß durch die Entwerthung "des Besitzes ein großer Theil des Stammvermogens verloren gegangen sei und verloren bleibe, so lange nicht durch die Rheinregulirung Sicherheit vor künftigen Ueberschwemmungen geschaffen werde, daß die dringende und unbedingt nothwendige Erhöhung und Verstärkung der Rheinwuhren und Binncndämme nur als Palliativmittel angesehen werden könne, indem in den letzten Jahren die Erhöhung des Rhein­ bettes in erschreckender Weise fortgeschritten sei; der Beweis hiefür sei durch die Hochwasserstände vom 28. September 1885, vom 11. September 1888 und vom 29. und 30. August 1890 un­ widerlegbar erbracht. Ferner wird hervorgehoben, daß weitere Palliativmittel angewendet werden sollen, welche in der Förderung des Wasserabflusses durch das Jnundationsgebiet, durch Abtragung der Zufahrtsstraßen zu den vielen Rheinbrücken, welche durch Jnundationsbrücken ersetzt werden können und endlich durch Rheinhaltung des Jnundationsgebietes von den dem Wasserabfluß schädlichen Holzgebüsche erreicht werden können. Die vorliegende Vorstellung theilt sich der Hauptsache nach in 2 Forderungen: a. die rasche Förderung der Rheincorrection und b. nebst Erhöhung und Verstärkung der Wuhrungen und Dämme, die Beseitigung der dem Wasserabflüsse schädlichen Objekte und Holzpflanzungen aus dem Jnundationsgebiete des Rheines. Daß die Nothlage der ohnedem, jetzt binnen kurzer Zeit zum zweiten Male, überschwemmten Rheinbewohner eine sehr große und bedauerungswerthe ist, bedürfte wohl im Lande selbst keiner weitern 237 Beilage XXXVIII» XXXVIII. der Beilagen zu den stensgr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. Beweise mehr, denn, wenn man den durch die Ueberschwemmung im Jahre 1888 angerichteten Schaden mit fl. 724, 412 ins Auge faßt und bedenkt, daß der Schaden im heurigen Jahre nicht geringer, sondern noch größer sein dürfte, so ist es auch klar, daß der unbewegliche Besitz, welcher fortwährend solchen Verheerungen ausgesetzt ist, an seinem früheren Werthe große Einbuße erleiden mußte. Der bis jetzt durch die Entwertung des Besitzes erwachsene Schaden kann nicht ermessen werden, läßt aber nach der jetzigen Sachlage mit ziemlicher Gewißheit vermuthen, daß der Verlust an Besitzthum größer ist, als die Schadenziffer beider Ueberschwemmungsjahre zusammen. Der Werth des unbeweglichen Besitzes richtet sich jetzt nach den Maßnahmen, welche zu deffen Sicherung geschehen. Werden rasche Vorkehrungen getroffen, in welche Vertrauen gesetzt werden kann, so wird sich dessen Werth allmählich wieder heben. Wird aber keine oder nicht genügende Sicherheit geschaffen, so wird die Entwertung in kurzer Zeit so weit fortschreiten: daß der größte Theil des Vermögens, welches die bäuerliche Bevölkerung besitzt, verloren ist und in Wirklichkeit auch verloren bleiben wird. Durch die Folgen dieser Katastrophen und der durch das Druck- und Sickerwasser des Rheines immer mehr um sich greifenden Versumpfung von Fluren und Feldern, sowie durch die großen fast unerschwinglichen Opfer, welche die Rheinbewohner seit vielen Jahren zur Bekämpfung des Rhein­ stromes aufbringen mußten, sind dieselben trotz der unermüdlichen Strebsamkeit auf dem Gebiete der Landwirthschaft und der ausgedehnten Hausindustrie an den Rand des Verderbens gekommen. Um so trauriger werden sich die Folgen der Besitz-Entwerthung gestalten, weil der Besitz allgemein be­ deutend verschuldet ist und die armen Rheinthalbewohner größtentheils auf auswärtiges Kapital an­ gewiesen sind, was aus dem Lastenstands-Operate der Gemeinden ersichtlich ist. Wenn daher nicht mit aller Beschleunigung an die Ausführung der Verstärkung und Erhöhung der Wuhrungen und Binnendämme, sowie an die Beseitigung der dem Wasserabflüsse schädlichen Objekte geschritten wird, und zwar derart, daß dieselben bis zur Ausführung der Rheinkorrektion sicheren Schutz bieten, so werden bald, vermöge eintretender Kreditlostgkeit viele hundert Existenzen dem Ruine zum Opfer fallen, die Familien den durch Fleiß und Sparsamkeit sauer erworbenen Herd verlassen müssen und an den Bettelstab kommen. Es ist leider nur allzu wahr, daß sich das Rheinbett bei dem jetzigen ungünstigen Lauf von Jahr zu Jahr in erschreckender Weise erhöht und daß in der Verstärkung und Erhöhung der Wuhrungen und Binnendämme nur Palliativmittel von kurzer Zeitdauer erblickt werden können. Der Beweis hiefür liegt klar und unzweideutig vor uns. Wohl kann es möglich sein, mit sehr großem Kostenausivande, den Rhein wieder eine kurze Zeit in seinem Bette zu erhalten. Damit würde aber dem Rheinthal nur wenig geholfen, denn je mehr der Rhein künstlich in die Höhe getrieben wird, um so mehr wird durch den intensiven Wasserdruck die Versumpfung um sich greifen und wird als ein Krebsschaden an dem Mark der Rheinbewohner zehren. Zudem wird durch die Erhöhung des Rheinbettes die Ausbruchsgefahr immer größer und die Folgen eines Aus­ bruches werden weit mehr Unglück und Verderben bringen, als dieß bis jetzt der Fall gewesen ist. Eine dauernde Hülfe kann daher, wie schon in einer Reihe von Vorstellungen und Petitionen betont wurde, nur durch die Ausführung der Rheincorrection geschaffen werden. In der Beseitigung der dem Wasserabflüsse schädlichen Zufahrtsstraßen zu den Rheinbrücken und Ueberbrückung des Jnundationsgebietes würde endlich einem längst gerügten Uebelstand abge­ holfen und das Abflußgebiet des Rheines bedeutend erweitert. Die Rheinbrücken 1. Gaißau-Rheineck, 2. Höchst-St. Margarethen und 3. Rheindorf-Monstein wurden immer nur mit einer Fluthweite von 135—140 Meter erbaut, je nachdem der Strom zwi­ schen den Wuhren eine Breite hatte. Auf einen Abfluß für das Jnundationsgebiet wurde keine Rücksicht genommen und dasselbe auf beiden Ufern durch Zufahrtsstraßen verbaut. Durch die Er­ stellung dieser Brücken und Zufahrtsstraßen wurde dem Rhein ein großer Theil von seinem Abfluß­ gebiet entzogen, was auch bei Hochwasserständen, insbesondere bei den ad 2 und 3 genannten Brücken sehr große Stauung bewirkt. 238 I. Session der 7. Periode 1890. Beilage XXXVIII. Die in den späteren Jahren erbauten Brücken, wozu auch die Eifenbahnbrücke Lustenau-St. Margarethen gehört, nämlich Lustenau-Au, Lustcnau-Widnau, Lustenau-Schmitter, Mäder-Krisern und Koblach-Muntlingen, wurden nicht nur über den Hauptstrom zwischen den Rheinwuhren, son­ dern auch auf jeder Seite des sogenannten Jnundationsgebietes zum Theil überbrückt, so daß die von der Rheindorferbrücke stromaufwärts stehenden um 40—50 Meter länger sind, als die strom­ abwärts befindlichen. Nebst dieser Verlängerung der stromaufwärts stehenden Brücken, ist auch bei denselben immerhin noch ein großer Theil des Jnundationsgebietes bei jeder Brücke verbaut, was auch selbstverständlich die Ausbruchsgefahr st sehr erhöht und soll diesen Uebelständen wo immer thunlich abgeholfen werden durch Erstellung von entsprechenden Jnundationsbrücken. Die Gemeinden, denen die Unterhaltung der Rheinbrücken obliegt, werden kaum in der Lage sein, die Kosten aufzubringen, welche mit der Erweiterung oder Verlängerung der Rheinbrücken ver­ bunden find und werden um Staatshülfe ansuchen müssen. Betreff der theilweisen Reinhaltung des Jnundationsgebietes von Holzgebüschen, welche dem Wasserabfluß schädlich sind und eine unregelmäßige und unzweckmäßige Schlammablagerung bewirken, ist der Nheinausschuß bei seiner Rheinbegehung am 5. und 6. November von Koblach bis Gaißau, zu folgenden Schlüssen gelangt: Das Jnundationsgebiet des Rheines von Koblach, Mäder, Götzis, Altach und zum Theil auch Hohenems ist zwischen den Rheinwuhren und den Binnendämmen meistentheils sehr schmal und auch gegen die Dämme hin sehr tief. Diese Tiefen zwischen Steinwuhr und den Binnendämmen sind größtentheils durch die Material­ gewinnung zur Erstellung der Letztern entstanden. Solche Ausgrabungen in der Nähe der Binnendämme sollten für die Zukunft unterbleiben. Diese sind bei Hochwasserständen sehr gefährlich: 1. weil sich in der Nähe der Binnendämme eine sehr hohe Wassersäule ansammelt, die auf den Damm einen sehr großen Druck übt, 2. weil sich durch diese Tiefen die größtentheils dem Rheindamm entlang sich hinziehenden förmliche Kanäle bilden, welche für den Zweck der Verschlammung zu starke Strömung haben, was eine vieljährige, oft fortwährende Bloßstellung des Dammes von dem Jnundationsgebiete zur Folge hat, 3. sollen in diesen Tiefen mehr kleine Traverse und Flechtzäune erstellt werden, damit die Verschlammung und Verlandung der Tiefen gefördert werde, 4) soll an diesen Stellen, wie in der Vorstehung angedeutet, wo immer möglich, viel Buschholz gepflanzt werden, damit die Verschlammung gefördert werde; da­ gegen aber soll, wo dem Wuhr entlang das Jnundationsgebiet die Wuhrkrone schon bedeutend über­ ragt und dadurch weitere Schlammablagerunq verhindert, der Wasserabzug gefördert werden. Bei sorgfältiger und richtiger Anwendung dieser Mittel würde die Schlammablagerung mehr in der Nähe der Binnendämme erfolgen, das Niveau des Jnundationsgebietes würde sich in wenigen Jahren umgestalten und sich gegen die Dämme hin viel erhöhen und die Kraft derselben bedeutend fördern. Von Hohenems abwärts bis zum sogenannten Rinnsal zwischen Höchst und Gaißau, ist das Jnundationsgebiet bedeutend breiter und hat dem Wuhr entlang eine regelmässigere Höhe. Auch findet man in diesen Wuhrbezirken die tiefsten Stellen immer den Binnendämmen entlang. Auch in diesen Wuhrbezirken findet man die Schäden, welche aus Ersparungsrücksichten durch die Material­ gewinnung in unmittelbarer Nähe der Binnendämme entstanden sind, und soll auf deren Ausbesserung in oben angedeuteter Weise getrachtet werden. EZ empfiehlt sich hier, nach vollzogener Erweiterung der Rheinbrücken auch die Erweiterung des Flußgebietes durch theilweise Reinigung des Jnundationsgebietes von Gebüschen, und zwar in gleicher Breite, wie das Jnundationsgebiet durch Erstellung von Brücken geöffnet wird. Um aber den Zweck ganz nicht nur halb zu erreichen, ist die hohe Regierung anzugehen, auch die schweizerische Regierung zu den gleichen Schritten zu veranlassen. In den unteren Wuhrbezirken würde durch die theilweise Reinhaltung des den Wuhren entlang liegenden Terrains, welches ohnedem fast überall sehr hoch ist, die Verlandung gegen die-Binnendämme mehr gefördert und dem Wasserabfluß bedeutender Vorschub geleistet. 239 XXXVIH. der Beilagen zu den stmogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags I. Session. 7. Periode 1890. Das zwischen Höchst und Gaißau zur Ausleitung eines Theiles für Hochfluthen bestehende Rinnsal sollte von dem Gebüsch gereinigt werden, um die Weiterverschlammung zu verhindern. Da­ durch würde für Gaißau die Ueberschwemmungsgefahr und für Höchst die Rückstauung vermindert. Wir haben das in der vorliegenden Vorstellung nur ganz kurz skizzirte Bild in seiner sehr traurigen Wirklichkeit zum zweitenmal in zwei Jahren vor uns. Die eingetretenen Katastrophen sind leider nicht zurückgeblieben hinter den seit Jahren in Vorstellungen und Petitionen von den Gemeinden ausgesprochenen Befürchtungen^ sie haben diese vielmehr übertroffen. Für die hohe Landesvertretung liegen nun die Verhältnisse klar. Der jetzige Zustand der Rheingemeinden, eines so wesentlichen Theiles unseres Landes, tritt an dieselbe als eine so wichtige Frage heran, daß sie aus eigener Initiative auf eine Beschleunigung der seitens einer hohen Regierung in Aussicht genommenen Maßnahmen bringen muß. In der That ist jetzt die Regulirung des Rhein­ stromes für unser Land eine brennende Frage geworden, deren Lösung keinen weitern Aufschub mehr erleiden darf. Auf Grund des Gesagten werden nun dem hohen Landtag vorgelegt folgende Anträge: 1. Es sei eine hohe Regierung mit dem Hinweise auf die Wasserverheerungen vom 11. September 1888 und vom 30. August 1890, mit dem ferneren Hinweise auf die Größe der Gefahr, der die Rheinebene mit ihren 10 Gemeinden immer und stets mehr ausgesetzt ist, dringendft zu ersuchen mit dem Aufgebot aller Kräfte das Zustandekommen der Rheinkorrektion zu fördern und über den Stand dieser Frage ehestens beruhigende Eröffnungen herabgelangen zu lassen. 2. Der Landes-Ausschuß wird beauftragt, eine hohe Regierung anzugehen, sie wolle das Nöthige veranlassen, daß die Rheinbrücken an beiden Ufern bis auf die entsprechende Fluthweite verlängert werden und zugleich die Rheinbauleitung in Feldkirch beauftragen, das Nöthige zu veranlaffen, was zur Förderung einer günstigeren Verlandung und Ge­ staltung des Jnundationsgebietes und zur Förderung des Wasserabflusses beitrage. Bregenz, den 7. November 1890. Engelbert Bösch, Johannes Thurnher, Obmann. Berichterstatter. 240