18901017_ltb0071890_Gemeindeausschussbericht_Gesetzentwurf_NaturalverpflegsstationenVorarlberg

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Letzte Änderung 01.07.2021, 19:38
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltm_,ltp07,lt1890,ltb1890,ltb0
Dokumentdatum 2021-07-01
Erscheinungsdatum 2021-07-01
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VIJ. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des oorarlberger Landtags. L Session. 7. Periode 1890. Beilage VII. des Gemeinde-Ausschusses über den Gesetzentwurf betreffend die Errichtung der Natural-Verpffegs-Stationen in Vorarlberg. Hoher Landtag! Nachdem in dem Motiven-Berichte des Landes-Ausschusses vom 30. Juli d. I. Beilage IV. C. der stenogr. Protokolle, dann im Berichte des Abg. Martin Thurnher vom 14. September d. I. Beilage IV der stenogr. Protokolle, die Wichtigkeit, der Nutzen und die Vortheile der NaturalVerpstcgs-Stationen in eingehender Weise hervorgehoben wurden, so erscheint es nicht nothwendig, hier nochmals darauf einzugehen. Der landtägliche Gemeinde-Ausschuß erblickt in der Errichtung der Natural-Verpstegs-Stationen das geeignetste Mittel dem Vagabundenunwesen zu steuern. Diese Anstalten werden sich als solche um so sicherer dann Herausstellen, wenn die Ausführung dieses Werkes kräftig in die Hand genommen, die Durchführung- der zu erlassenden Gesetze und Ver­ fügungen energisch erfolgt und alle berufenen Faktoren sich vereinen in unermüdlicher Arbeit zur Erreichung des gesetzten Zieles. Der vom Landes-Ausschuß in Vorlage gebrachte Gesetzentwurf hat durch die Hand des Ge­ meinde-Ausschusses nur wenige Aenderungen erfahren. Damit ein Zusammenhang zwischen dem Gesetzentwürfe und den Grundzügen der Organisation herbeigeführt werde, wurde ein Zusatz in § 3 ausgenommen. § 7 wurde fallen gelassen, da die Beschaffung eines eigenen Arbeitsraumes aus den in Beilage IV der stenogr. Protokolle ersichtlichen Gründen nicht gerade geboten erscheint. In § 10, jetzt 9 wurden bei der Drucklegung 7, in § 11 jetzt 9 aber 3 Worte des Manuscriptes ausgelassen, welche eingesetzt wurden. Hinsichtlich der Grundzüge der Organisation dieser Anstalten erfolgten zwei Ergänzungen. In § 3 wurde beigesetzt, daß außer Gemüse auch andere nahrhafte, ordentlich zubereitete Speisen verab­ reicht werden können und in § 8, daß Reisende ohne Reiseurkunde, dann solche, die sich nicht aus­ weisen können, in den letzten 3 Monaten in Arbeit gestanden zu sein, nicht Aufnahme in die Verpfiegs-Station zu finden haben. Im Uebrigen empfiehlt der Gemeinde-Ausschuß die Annahme des vorliegenden Gesetzentwurfes und der Grundzüge der Organisation. 69 VII. der Beilagen AU den stenogr. Protokollen deZ Vorarlberger Landtags. I. Session. 7. Periode 1890. Damit aber die Einführung dieser Institution den Gemeinden erleichtert werde, sollte, so weit es erforderlich erscheint, das Land materiell hiebei mitwirken. Für die erste Einrichtung sollte das­ selbe Subventionen gewähren, ferner solchen Bezirken, die gegenüber den andern mehr in Mitleiden­ schaft gezogen werden, auch zur Bestreitung der ordentlichen Auslagen angemessene Beiträge leisten, endlich Leitern dieser Anstalten, die sich durch treue Pflichterfüllung insbesondere auch durch hervor­ ragende Thätigkeit auf dem Gebiete der Arbeitsvermittlung hervorthun, Remunerationen zuerkennen. Die Höhe des Betrages, den das Land dem vorgedachten Zwecke bewilligen sollte, kann momentan wohl nicht festgestellt werden, es müßte vielmehr dem Landes-Ausschusse die Ermächti­ gung ertheilt werden diesbezüglich nach Ermessen und in Würdigung aller Momente und der ein­ schlägigen Verhältnisse vorzugehen. " Endlich wird noch Vorsorge zu treffen sein, sofort nach Inkrafttreten des Gesetzes ein geeig­ netes Organ zu bestellen, das als Referent des Landes-Ausschusses die Durchführung des Gesetzes leitet, den Gemeinden mit Anweisung und Rath an die Hand geht, und nach vollzogener Durch­ führung die Ueberwachung der Ratural-Vepflegs-Stationen besorgt. Wenn nun aber das Land und die Gemeinden alles aufbieten, um das Vagabundenunwesen zu beseitigen oder wenigstens thunlichst einzuschränken, so sollte auch die Regierung zu den in dieser Hinsicht bereits in anerkennenswerther Weise vollzogenen Schritten noch weitere beifügen, und ins­ besondere darauf hinwirken, daß Karrenzieher, Bettelmusikanten, Hausirer u. s. w. thunlichst vom Lande fern gehalten und deren Zahl durch rigoroseres Vorgehen bei Ertheilung von Concessionen, Verleihung von Hausierpatenten und Ausstellung von Reisedokumenten vermindert werde. Auf Grund dieser Ausführungen werden erhoben folgende Anträge: Der hohe Landtag wolle beschließen: 1. „Dem beiliegenden Gesetzentwurf betreffend die Errichtung von Ratural-Verpflegs-Stationen wird die Zustimmung ertheilt. 2. Die Grundsätze der Organisation der Ratural-Verpflegs-Stationen werden angenommen. 3. Der Landes-Ausschuß erhält die Ermächtigung nach seinem Ermessen Subventionen für die erste Einrichtung dieser Anstalten, sowie Remunerationen für Stationsleiter, die sich durch treue Pflichterfüllung auszeichnen, aus Landesmitteln zu gewähren. Ebenso wird derselbe ermächtigt, zur Bestreitung der ordentlichen Ausgaben der Verpflegsstaüonen solchen Bezirken, die durch Errichtung derselben gegenüber andern Bezirken unverhältnis­ mäßig stark in Altspruch genommen werden sollten, entsprechellde Beiträge zuzuwenden. Endlich werden ihm die Mittel zur Ueberwachung der Verpflegs-Stationen bewilligt. 4. Die hohe k. k. Regierung wird aufgefordert, Vorkehrungen zu treffen, inn die Zahl der das Land belästigenden Karrenzieher, Bettelmusikanten, Hausierern u. bergt, thunlichst einzuschränken". Bregenz, am 17. Oktober 1890. . Welte, Mart. Thurrrher, Obmannstellvertreter. Berichterstatter. ----------- ----------- -- 70 VII- der Beilagen zu den ptnogr. Protokollen der Vorarlberger Landtags. I. Session. 7. Periode 1800. Beilage VH. A. Kefetz vorn wirksam für das Land Vorarlberg, betreffend die Errichtung von Natural-Verpflegs-Stationen. Mit Zustimmung des Landtages Meines Landes Borarlberg finde Ich anzuordnen, wie folgt: § 1. Zur Hintanhaltung des Haus- und Straßen­ bettels, sowie zur Verminderung des Landstreichens werden in Vorarlberg Natural-Verpflegs-Stationen errichtet. § 2. Die Natural-Verpflegs-Stationen haben in der Regel mit den bereits bestehenden oder noch weiters zu errichtenden Schubstationen zusammen­ zufallen. 8 3. Die Orte, wo Natural-Verpflegs-Stationen errichtet werden, find vorn Landes-Ausschusse im Einvernehmen mit der k. k. Statthalterei festzu­ stellen. Die Grundzüge für die Organisation der Natural-Verpflegs-Stationen setzt der Landtag fest. Die interne Organisation, die Ueberwachung des regelmäßigen Dienstbetriebes, sowie die Controlle der Rechnungen derselben, endlich die Prüfung und Genehmigung der den Concurrenz-BezirksGemeinden (§ 10) von den Natural-VerpflegsStationen aufzurechnenden Auslagen steht dem Landcs-Ausschuße zu. ' § 4. • In die Natural-Verpflegs-Stationen werden arbeits-, substistenz- und mittellose, jedoch arbeits­ fähige Reisende ohne Unterschied der Zuständigkeit und der Confession ausgenommen. • 71 Beilage VII. V1L der Beilagen zu den stenogr. Protokoll«, de» Vorarlberger Landtag». 8 5. Bor der Aufnahme in die Natural-VerpflegsStation hat der Reisende seine Neiseurkunde an den Leiter der Ratural-Berpflegs-Station abzu­ geben, welche derselbe bis zu dessen Abgänge auf­ zubehalten und sohin mit der entsprechenden Bidirung versehen, wieder auszuhändigen hat. 8 6. Personen, welche in einer Natnral-VerpflegsStatiou Aufnahme finden, sind ebenso wie arbeits­ fähige, in einer Vorarlbergischen Schubstatwn zur Constatirung ihrer Zuständigkeit oder ihrer sonsti­ gen persönlichen Verhältnisse oder zum Zwecke ihrer Abschiebungsveranlassung angehaltene Indi­ viduen zur Leistung angemessener Arbeit verpflichtet. § 7. Zur Bestreitung der Auslagen für die Ver­ köstigung und Beherbergung der in eine RaturalVerpflegs-Station aufgenommenen Personen, sowie der Kosten der ersten Einrichtung, weiters der Instandhaltung, Beheizung und Beleuchtung der Unterkunfts-Lokalitäten dieser Stationen, endlich der Auslagen für die Leitung und Beaufsichtigung derselben werden Concurrenzbezirke gebildet. . 8 8. Jede Ratural-Berpflegs-Station, welche sich im Amtsorte eines k. f. Bezirksgerichtes befindet, bildet mit den zum Sprengel dieses k. k. Bezirks­ gerichtes gehörenden Gemeinden einen ConcurrenzBezirk. Der Landes-Ausschuß ist berechtigt, im Ein­ verständnisse mit der k. k. Statthalterei einzelne Gemeinden aus solchen Bezirken auszuscheiden und andern zuzuweisen. Ratural-Verpflegs-Stationen, welche nicht im Amtsorte eines L k. Bezirksgerichtes liegen, sind als Filial-Stationen der im Amtsorte des Bezirks­ gerichtes befindlichen Ratural-Verpflegs-Station zu betrachten. 8 9. Die int § 8 angeführten Auslagen sind von den Ortsgemeinden, in welchen Ratural-VerpflegsStationen errichtet werden, vorschußweise zu be­ streiten und die bezüglichen Rechnungen sofort nach Jahresschluß an den Vorsteher der im Amts72 I. Session der 7. Periode 18Äk Beilage VII» orte des k. k. Bezirksgerichtes befindlichen NaturalVerpflegs-Stationsgemeinde einzusenden. Dieser Letztere hat sohin die genannten Aus­ lagen binnen Monatsfrist nach Ablauf jeden Jahres nach Maßgabe der Gesaunntvorschreibung der direkten Steuern der den Concurrenz-Bezirk bildenden Ortsgemeinden zu repartiren und den betreffenden Ortsgeineinden unter Anschluß der der Repartition zu Grunde liegenden summarischen Rechnung bekannt zu geben. Die repartirten Be­ träge sind von den concurrirenden Ortsgemeinden binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Repar­ tition an den Borsteher der im Amtsorte des k. k. Bezirksgerichtes befindlichen Natural-VerPflegs-Stations-Gemeinde abzuführen, beziehungs­ weise binnen der gleichen Frist die Beschwerde an den Landes-Ausschuß einzubringen. Im Falle einer Säumnis werden diese Be­ träge von der k. k. Bezirkshauptmannschast im Wege der politischen Exekution hereingebracht. Den Vorstehern der Eoncurrenzgemeinden ist die Einsicht in die Original-Detailrechnung vom Vorsteher der im Amtsorte des k. k. Bezirksge­ richtes befindlichen Natural-Verpflegs-StationsGemeinde jederzeit zu gestatten. § 10. In jeder Gemeinde ist das Verbot des Bettelns in auffälliger Weise durch bleibenden Anschlag kundzumachen und zugleich die Bekanntgabe beizusügen, daß mittellose Reisende in der nächsten, namentlich zu bezeichnenden Verpflegs - Station Aufnahme finden. § 11. Nachdem den Natural-Verpflegs-Stationen die Beherbergung von Reisenden obliegt, so sind die nach den bestehenden Vorschriften zur Ueberwachung von Herbergen berechtigten staatlichen Organe auch zur Beaufsichtigung derselben berufen. § 12. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage der Kund­ machung in Wirksamkeit. 8 13, Mein Minister des Innern ist mit dem Voll­ züge desselben beauftragt. 73 1 VII. der Beilagen zu den stcnogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags. I. Session, 7. Periode 1890. Beilage VII B. für die (Organisation der Natural-verpflegs-Ltationen in Vorarlberg. 8 1. Den in eine Natural-Verpflegs-Station auf­ genommenen Personen wird gegen eine bestimmte, jedoch im Voraus zu leistende Arbeit entweder Mittagsmahl oder Abendmahl oder Nachtlager und Frühstück verabreicht. 8 2. Die Entfernung der einzelnen Natural-Verpflegs-Stationen von einander soll in der Regel nicht über 15 Kilometer betragen. 8 3. Das Ausmaß der einzelnen Mahlzeiten in den Natural-Verpflegs-Stationen wird festgesetzt, wie folgt: a. für das Mittag- und Abendmahl je ein Liter nahrhaftes Gemüse oder eine andere nahrhafte ordentlich zubereitete Speise und 25 Dekagramm Roggenbrod, und b. für das Frühstück x/2 Liter nahrhaftes Ge­ müse und 25 Dekagramm Roggenbrod. 8 4. Für die Nachtruhe wird den Reisenden die Benützung einer reinlichen Schlafstelle mit einem Strohsacke, einem Strohkopfpolster und einer wollenen Decke gewährt. 8 5. Die für jedes Geschlecht separat herzustellenden Schlafraume sind zur Nachtzeit entsprechend zu beleuchten und im Winter auch zu beheizen. Die Arbeits- und Schlafräume der Reisenden sind von 75 Beilage VII. VII. der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des Vorarlberger Landtags, jenen, in welchen zum Zwecke der Abschiebung bestimmte Personen oder Durchschüblinge angehalten werden (Schubarreste), zu trennen. & 6- Der Aufenthalt in der Natural-VerpflegsStation darf die Dauer von 18 Stunden nicht überschreiten. § 7. Das Verabreichen geistiger Getränke aller Art an die Reisenden oder an Schüblinge in den Natural-Verpflegs-Stationen ist unbedingt verboten. § 8. Nachdem die Aufnahme in die Natural-Verpflegs-Station an die Bedingung der Subsistenz­ Mittellosigkeit geknüpft ist, so sind Personen, welche Reisemittel besitzen und diesen Umstand verschweigen, sofort aus der Natural-VerpflegsStation wegzuweisen. Eine Durchsuchung der Person oder der Effekten des Reisenden zu diesem Zwecke findet jedoch nur dann statt, wenn sich ein begründeter Verdacht des Besitzes von Reisegeld ergibt und der Betreffende diesen Besitz in Abrede stellt. Reisende, die kein Reise-Dokument besitzen oder sich nicht ausweisen können, in den letzten drei Monaten in Arbeit gestanden zu sein, sind von der Aufnahme ausgeschlossen. Letztere Be­ stimmung findet aber auf solche, die eben aus dem Spital entlassen worden oder aus der Lehre getreten sind, keine Anwendung. § 9. Erkrankt der Reisende während seines Auf­ enthaltes in der Natural-Verpflegs-Station, so ist derselbe an das nächstgelegene Krankenhaus ab­ zugeben. § io. Der Leiter der Natural-Verpflegs-Station hat über die in derselben Aufgenommenen ein Register zu führen, in welches nebst dem Nationale die Zuständigkeits- und sonstigen Daten der Reise­ urkunde, Tag und Stunde der Aufnahme, sowie der Entlassung aus der Natural-Verpflegs-Station, endlich die Art und das Quantum der geleisteten Arbeit daselbst einzutragen sind. 76 I. Session der 7, Periode 1890. Beilage VII. § 11. Jede Natural-Verpflegs-Station muß für den Reisenden die klare Nachweisung geben, wo die nächsten Stationen sich befinden und wie viel Kilometer entfernt dieselben liegen. § 12. In den Natural-Verpflegs-Stationen soll den Reisenden die Möglichkeit geboten werden, sich zu vergewissern, ob nicht bei Landwirthen, Gewerbe­ treibenden oder Privaten Arbeiter benöthiget werden, zu welchem Ende die Leiter der Natural-VerpflegsStationen bezügliche Anmeldungen entgegenzu« nehmen, in Evidenz zu halten und über Nachfrage entsprechende Auskünfte zu ertheilen verpflichtet sind. § 13. Die Arbeiten in den Natural - VerpflegsStationen sind den Ortsverhältnissen anzupassen und haben wie: Steineklopfen, Holzverkleinern, Straßenräumung u. s. w. derart eingerichtet zu werden, daß sie auch von den der betreffenden Arbeit Unkundigen geleistet werden können. § 14. Es ist mit allem Nachdruck dahin zu wirken, daß das übliche Verabreichen von Geschenken an Geld oder Lebensmitteln durch die (Anwohner gänzlich unterlassen werde, sich diese vielmehr der Aufgabe unterziehen, die Unterstützungssucher an die nächste Natural-Verpflegs-Station zu weisen. § 15. Die unmittelbare Überwachung der NaturalVerpflegs-Station steht in erster Linie dem Vor­ steher jener Gemeinde, in welcher sich die Station befindet, zu. Führt der betreffende Vorsteher selbst die Geschäfte des Leiters derNatural-Verpflegs-Station, so hat der Landes-Ausschuß wegen unmittelbarer Ueberwachung der Natural-Verpflegs-Station ent­ sprechende Vorsorge zu treffen. 77