18680827_ltb0081868_Komiteebericht_RV_Verstückung_und_Verfügbarkeit_Grundbesitz

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Letzte Änderung 03.07.2021, 07:04
Gemeinde Landtag
Bereich oeffentlich
Schlagworte: ltp02,ltb0,ltb1868,lt1868,ltm_
Dokumentdatum 2021-06-30
Erscheinungsdatum 2021-06-30
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Inhalt des Dokuments

— 37 — Comite-Bericht über die Regierungsvorlage wegen Zerstückelung und Verfügbarkeit hinsichtlich des Grundbesitzes. Hoher Landtag! I. Gemäß Gub. 6irf. vom 10. April 1835 Nr. 6705 wurden mit a. h. Genehmigung die da­ mals in Tirol schon bestandenen Vorschrif:en über Untrennbarkeit des Grundbesitzes mit einigen den Lokalverhältnißen entsprechenden Modifikationen auch auf Vorarlberg ausgedehnt, indem bestimmt wurde: a. daß überhaupt „zu jeder aus was immer für einem Grunde beabsichtigten Theilung oder Zerstückung eines in dem Steuerkataster unter einer besondern Nummer vorkommenden uud mit einem eigenen Steueranschlag belegten Grundstücke die Bewilligung der politischen Obrigkeit erforderlich sei" und b. daß insbesonders a. sowohl „die Zerstückung eines geschloßenen Bauerngutes oder Anwesens in zwei oder mehrere Theile" als auch „die Trennung und Veräußerung ein;eln er zu einem geschloßenen An­ wesen gehöriger „Grundstücke" nur dann zuläßig sei, wenn erkannt werde, daß auf jeder hiedurch selbstständig werdenden Parzelle — resp, auf den übrig bleibenden Anwesen — sich eine Familie — abgesehen von anderen Erwerbsquellen — zureichend erhalten könne und wenn bat ausgebrochene Grundstück, auf welchem sich eine Familie nicht erhalten kann, mit einem andern Anwesen vereinigt werde, und daß auch v- „einzelne in keinem Gutsverbande stehende, nur dann weiter vertheilt werden dürfen, sogenannte wenn walzende Grundstücke entweder jeder durch die Zerstückung entstehende Theil bei AeckerN und Waldboden wenigstens 1000 Quad.-Klftr. (1 Jauch) bei Wiesen wenigstens 500 btto (l Tagmahd) bei Weingründen wenigstens 250 btto beträgt, ober wenn bie auszustückenbm Theile einem bereits geschlosienenen Anwesen ein­ verleibt werden." — 38 — Die Einführung dieser gesetzlichen Beschränkungen der Trennbarbeit gedachter Gattungen des Grundbesitzes wurde mit der Erwägung begründet, daß übermäßige weder der Kultur noch dem ländlichen Wohlstände förderliche Grundzerstückungen hintanzuhalten seien. Hierüber einigte sich nun das Konnt« zu folgender Ansicht: )) An der Richtigkeit des in dieser Erwägung ausgesprochenen Grundsatzes ist gewiß zu zweifeln, wohl aber drängt sich dabei die Frage auf: welche Grundstücke und dem ländlichen Wohlstände nicht förderlich sondern sogar nicht der Kultur nachtheilig und deßhalb übermäßig feien? Das Gesetz enthält die Lösung dieser Frage zwar genau durch Angabe des bezüglichen Maßstabes, nämlich: bei geschloffenen Güterkomplexen und bei einzelnen dazu gehörigen Grundstückes durch die Bedingung der selbstständigen Zulänglichkeit des Anwesens zur Subsistenz einer Familie; bei walzenden Grundstücken aber durch die Bedingung der oben gedachten Klafter oder der Konsolidirung mit geschlossenen Anwesen. Allein der erstere Maßstab findet, selbst wenn er an und für sich von der National- Oekonomie geboten wäre, in Vorarlberg auf die wenigsten Grundbesitzer direkte Anwen­ dung, weil da die Zahl der geschlossenen Anwesen, welche für sich allein schon (ohne Nebenverdienst oder Kapitalrente) eine Familie zu erhalten vermögen, sehr gering ist; der zweite Maßstab aber weicht, indem er nur auf die Größe und nicht vielmehr auf die Beschaffenheit und Ertragsfähigkeit des Bodens Rücksicht nimmt, schon im Prinzipe von dem ersten ganz ab, und erscheint überhaupt als irrationell, willkürlich und somit ver­ werflich. Das Konnt« hält aber auch 2) selbst den ersten Maßstab im Widerspruche mit den obersten und leitenden Grundsätzen der Volkswirthschaft. Alle Güter der Erde, somit auch der Grund und Boden, haben die Bestimmung, schon ursprünglich zahllosen mit den Fortschritten wachsenden Bedürfniße der Menschen und vieler Menschen zu befriedigen; der Kultur zwar nicht aber immer blos Einzelner die noch mehr sondern deßhalb muß das Streben der Volkswirthschaft möglichst auf die Vermehrung des Gebrauchswerthes aller Güter, sowie auch auf die Vermehrung der Be­ völkerung gerichtet sein. Diesem Streben entgegen- arbeitet aber jene gesetzliche Norm über Grundzerstückung geradezu Es springt in die Augen, daß größere Grundstücke nicht so vollständig bearbeitet und ausgenutzt werden können als kleinere und daß sie sich nicht immer gerade im Be­ sitze einer vollzähligen, arbeitskundigen und arbeitskräftigen Familie befinden, sondern oft der minder erfolgreichen Lohnarbeiter bedürfen und daß darunter in beiden Fällen die Rentabilität des Anwesens wesentlich leidet, sowie auch schon durch die Beschränkung der Grundzerstückung, die nach Zeit und Umständen sehr Wünschenswerth sein kann, auch die Nachfrage nach geschlossenen Anwesen verringert, und so zum Schaden ihrer Besitzer selbst - 39 der Kaufswerth größerer Güter beeinträchtiget wird. Nicht minder fällt es in die Augen, daß die auf einem geschloßenen Anwesen heran, wachsenden Kinder seines Besitzers weder alle auf diesem Anwesen Familien gründen, noch mehrere derselben und zwar jedes für sich ein anderes zur Subsistenz einer Familie hin­ reichendes Anwesen erwerben können, wodurch nicht nur die Volksvermehrung, sondern auch die Entwicklung der Arbeitslust und des Selbstgefühls der ohne Grundbesitz geblie­ benen Nachkommen eines größeren Anwesens beeinträchtiget wird. Nichts bildet einen schrofferen Gegensatz zwischen Reich und Arm als großer feudalistischer oder unzertrennbarer Grundbesitz, weil der Arme nie oder nur demselben zu gelangen, während jede andere Anhäufung mäßen Zuge folgt und sich bald wieder auf mehrere wenig Hoffnung hat, zu von Kapitalien streb- und dem naturge­ sparsame Arbeiter ve» theilt und dort wieder wie eine hohe Welle des Sees ihr Niveau findet. Das Verbot der Gulszerstückung schützt nur den Besitzer, während es dem Nichtbesitzer nicht einmal eine Handhabe verleiht, sondern zum Grundbesitze zu gelangen ihn in die Wüste verstößt. 2) Und wohin hätte die genaue Durchführung der gedachten Norm vom Jahre 1835 seither geführt, oder müßte sie noch weiter führen? Wären in Vorarlberg die seither zu einem geschlossenen Anwesen erworbenen einzelneu Grundstücks, oder wären die seither an einen und denselben Besitzer gelangten aneinander­ gränzenden walzenden Grundstücke, welche jenes gesetzliche Maß von 250—1000 Quad.Klafter nicht hatten, im Sinne der §§. 4, 7, 8 und 9 der Norm vom Jahre 1835 ko», solidirt geblieben, oder hätte nichtdie Furcht vor einer, seiner Zeit vielleicht wie­ der wünschenswerthen aber gesetzlich nicht mehr zuläßigen Trennung von der Bereinigung mehrerer Grundstücke zu einem Gutskomplexe abgeschreckt, so müßte nun schon vielleicht die Hälfte ihres Besitzes der gegenwärtigen Besitzer kleinerer Anwesen und Familien­ glückes entbehren, den Großherrn als Knechte dienen oder in Amerika Grundbesitz suchen, indem weder der im Sommer auf Erwerb in die Fremde Wandernde, noch der Fabriks­ arbeiter, noch der kleinere Gewerbsmann, noch der Hirt und Senne sich und seine Fa­ milie, ohne sich an einen kleinen Grundbesitz anlehnen zu können, zu erhalten vermöchte. Nur dem feinen Sinne des Volkes und der klugen Nachsicht der Behörden bei Umgehung oder Nichtbeachtung des Gesetzes ist es zu verdanken, daß das Uebel bisher noch nicht so weit um sich griff, sondern sich der Schaden größtentheils auf Unterlassung vorlheilhaf- teren Güterverkehres und auf Schreib- und Stempelauslagen beschränkte. 4. Die Faktoren, welche den Werth von Grund und Boden bestimmen, hängen nicht nur von der Größe, Beschaffenheit, Lage und Kultur deffelben, sondern auch — gleichsam wie von Wind und Wetter — von den Fluktuationen der Industrie, des Handels und des Geld­ werthes ab, welche ebenfalls wieder durch die manigfachsten politischen Verhältniße stimmt sind: weßhalb keine Gesetzgebung der Welt im Stande ist, be­ für den Verkehr mit Grundstücken eine gerechte, billige und haltbare Norm festznstellen, sondern diese lediglich der freien Konkurrenz, welche dießfalls gewiß den richtigsten Maßstab in der Hand hält, 40 überlassen muß. Sie wüd in Zeilen und in Gegenden, wo größere Gulskomplexe erscheinenwie i B. derzeit in Bregenzerwald, dieselben auch Konsequenz bilden und erhalten, — wo dem armen Taglöhner noch ohne Gesetze und zwar aber dieser Wunsch nicht eine Scholle Boden gönnen und mit eiserner aufkommt, — selbst so den verschiedenen Ver­ hältnißen und Bedürfnissen des Landes volle Rechnung tragen. Das Komilö stellt deßhalb den Antrag, der hohe Landtag wolle den §. 1 der Re- gierungs Vorlage, welcher lautet: „Tie in Vorarlberg in Folge politischer Gesetze und Verordnungen bestehende Un­ trennbarkeit einiger Gattungen des Grundbesitzes ist aufgehoben, , die Zustimmung zu ertheilen. Die Gruiidzerstückungsnorm vom Jahre 1835 bestimmt im §. 10 auch: „Häuser dürfen nur dann zwischen zwei oder mehreren Parteien getheilt werden, wenn sie nach dem Befunde der Sachverständigen hinreichenden Raum zur entsprechenden Unterkunft derselben barbieten und jede Partei eine abgesonderte Feuerstätte erhält" Die Regierungs-Vorlage macht aber der Häuser Häuser und andere Gebäulichkeiten nach keine Erwähnung. Obgleich nun die dem österreichischen Privatrechte immer als ein Zuwachs und Zugehör des Grund und Bodens, auf welchem sie errichtet wurden, anzu­ sehen sind, so könnten doch immerhin noch Zweifel entstehen, ob durch den §. 1. der Regie­ rungsvorlage dieselben auch für theilbar erklärt werden, weßhalb das Komite dießfalls eine eigene Bestimmung für nothwendig hält: In Erwägung, daß die Gebäulichkeiten nicht nur ein Zugehör des bezüglichen Grund und Bodens sind, sondern auch für ihre Theilbarkeit wegen deren verschiedenartigen Benütz­ barkeit, Lage und Eintheilung die oben angeführten Gründe sprechen, und in weiterer Er­ wägung, daß eine gehörige Handhabung der Bau-, Feuer-, Gesundheils- und anderer Poli- zeivorschristen allen fällig bezügliche Bedenken verscheuen dürften, stellt das Komite mit Stim­ menmehrheit den Antrag: Der hohe Landtag wolle als Zusatz zu §. 1 beschließen: Die Aushebung dieser Untrenubarkeit erstreckt sich auch auf Häuser und andere Gebäulichkeiten. Das Konlite-Mitglied Stefan Hirschbühl erkennt zwar ausdrücklichen Erwähnung der Häuser im neu zu die Nothwendigkeit einer schaffenden Gesetze an, stellt aber den Minoritätsantrag: der hohe Landtag wolle beschließen: „es sei zu §. 1 der Zusatz zu machen: Die Anordnung der Grundzerstückungs-Norm für Vorarlberg vom Jahre 1835 im §. 10 bezüglich der Häuser bleibt aufrecht." III. Der in §. 2 der Regierungsvorlage ausgesprochene Grundsatz des Rechts des Eigenthü- mers über seinen Grundbesitz unter Lebenden und auf den Todesfall, im Ganzen beliebigen Abtheilungen verfügen zu können, ohne hiezu oder in der Bewilligung der politischen — 41 — Behörde zu bedürfen, entspricht dem §§. 362 und 356 B. G- V. und stücken, indem man ohne reinen Begriffe gewährleistet von Eigenthum die Sicherheit diese Bestimmung bei Veräußerung mit Grund» und Erwerbung von Grund und Boden immer noch der Gefahr ausgesetzt erschiene, es könnte der ehemaligen und namentlich den des Verkehres aus der Rumpelkammer politischen Bevormundung noch eine vexatorische Maßregel hervorgesucht werden. Deßhalb enthält dieser §. 2 den Grund satz der Aufhebung der politischen Kuratel über jede Verfügung mit Grundbesitz. Die im §. 3 enthaltenen Ausnahmen von diesem Grundsätze liegen österreichischen Privatrechtsgesetzgebung selbst, oder in der bestehenden in den wohlbegrüvdeten Forst- und Ge­ meindegesetzen. während die Evidenzhaltung des Grundbesitzes behufs der Bestimmung nicht so fast das Verfügungsrecht über den Grund und Boden berührt. Das Konnte stellt deßhalb den Antrag: der hohe Landtag wolle den §§. 2, 3, 4 der Regierungs-Vo rlage die Zustimmung er­ theilen. Bregenz, den 27. August 1868. Alois Peter m. p. Obmann. Dr, Bickl. m. p. Berichterstatter. L